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11.

Wäh­rend der üb­ri­gen Ve­s­per ent­wi­ckel­te Con­sue­lo eine sol­che Kraft und Tüch­tig­keit, dass kei­ne Zwei­fel wei­ter in der See­le des Gra­fen Zus­ti­nia­ni auf­kom­men konn­ten. Sie führ­te, un­ter­stütz­te, und be­leb­te die Chö­re, griff in alle Stim­men ein, und be­wies da­durch den wun­der­ba­ren Um­fang und die man­nig­fal­ti­gen Ei­gen­schaf­ten ih­rer Stim­me, so­wie nicht min­der die un­er­schöpf­li­che Stär­ke ih­rer Lun­ge, oder bes­ser, die Grö­ße ih­rer Kunst­fer­tig­keit; denn wer zu sin­gen ver­steht, wird nicht müde, und Con­sue­lo sang mit nicht grö­ße­rer An­stren­gung und Mühe als and­re Men­schen at­men. Der kla­re und vol­le Klang ih­rer Stim­me war un­ter den hun­dert Stim­men ih­rer Ge­fähr­tin­nen deut­lich zu ver­neh­men, nicht dass sie ge­schri­en hät­te, wie seel- und atem­lo­se Sän­ger es ma­chen, son­dern weil ihr Ton rein und ta­del­los und ihr Vor­trag un­über­treff­lich sau­ber war. Über­dies fühl­te und ver­stand sie die Mei­nung je­der Stel­le bis ins Ein­zels­te und Feins­te.

Mit ei­nem Wor­te, sie al­lein un­ter die­sem Schwar­me ge­wöhn­li­cher Geis­ter, fri­scher Stim­men und wil­len­lo­ser We­sen, sie al­lein hat­te Mu­sik und war Meis­te­rin. Un­be­wusst und prunk­los trat sie als eine Macht auf und übte, so lan­ge der Ge­sang währ­te, eine Herr­schaft aus, de­ren Not­wen­dig­keit je­der fühl­te. So­bald der Ge­sang be­en­det war, mach­ten ihr die Cho­ris­tin­nen in­ner­lich ein Un­recht und ein Ver­bre­chen dar­aus, und eine Jede, wel­che, wo sie sich un­si­cher fühl­te, stets mit den Au­gen Con­sue­lo be­fragt und fast an­ge­fleht hat­te, maß­te nun sich selbst die Lob­sprü­che an, wel­che der Schu­le Por­po­ra’s in Mas­se ge­zollt wur­den. Bei die­sen Lo­bes­er­he­bun­gen lä­chel­te der Meis­ter und sag­te kein Wort: er sah nur Con­sue­lo an, und An­zo­le­to ver­stand den Blick voll­kom­men.

Nach dem Gruß und Se­gen nah­men die Cho­ris­tin­nen an ei­nem le­cke­ren Mah­le Teil, wel­ches ih­nen der Graf in ei­nem der Sprach­zim­mer des Klos­ters auf­tra­gen ließ. Das Git­ter trenn­te zwei große Ta­feln, wel­che in Halb­mond­form ein­an­der ge­gen­über auf­ge­stellt wa­ren. In der Mit­te des Git­ters war nach dem Maße ei­ner Rie­sen­pas­te­te eine Öff­nung an­ge­bracht, durch wel­che die Schüs­seln hin­durch gin­gen: die­se nahm der Graf selbst in Empfang und reich­te sie mit Gra­zie den vor­nehms­ten Non­nen und den Ele­ven. Die letz­tren, in Be­gui­nen­tracht, setz­ten sich zu Dut­zen­den wech­sel­wei­se auf die of­fe­nen Plät­ze im In­nern des Klos­ters. Die Su­pe­rio­rin hat­te ih­ren Platz dicht ne­ben dem Git­ter, und be­fand sich so an der rech­ten Sei­te des Gra­fen, wel­cher im äu­ßern Saa­le saß. Links von dem Gra­fen blieb ein Platz leer; Mar­cel­lo, Por­po­ra, der Pfar­rer des Kirch­spiels, die vor­nehms­ten Pries­ter wel­che der Mes­se bei­ge­wohnt hat­ten, ei­ni­ge Pa­tri­zi­er, die als Lai­en­vor­ste­her der Scuo­la oder als Di­let­tan­ti ein­ge­la­den wa­ren, und end­lich der schö­ne An­zo­le­to, in sei­nem schwar­zen Kleid und mit dem De­gen an der Sei­te nah­men die Plät­ze an der welt­li­chen Ta­fel ein.

Die jun­gen Sän­ge­rin­nen pfleg­ten sonst bei sol­chen Ge­le­gen­hei­ten sehr le­ben­dig zu sein: die An­nehm­lich­keit le­cker zu spei­sen, das Ver­gnü­gen sich mit Män­nern zu un­ter­hal­ten und die Lust zu ge­fal­len oder we­nigs­tens be­merkt zu wer­den, mach­te sie in der Re­gel sehr ge­schwät­zig und mun­ter. Die­ses mal aber war die Stim­mung beim Mah­le trau­rig und ge­zwun­gen. Von dem Vor­ha­ben des Gra­fen hat­te Ei­ni­ges ver­lau­tet (wie könn­te auch ein Ge­heim­nis um ein Klos­ter her­um­kom­men, ohne sich durch ir­gend eine Spal­te hin­ein­zu­steh­len!) und je­des die­ser jun­gen Mäd­chen hat­te sich im Stil­len ge­schmei­chelt, von Por­po­ra zur Nach­fol­ge­rin der Co­ril­la vor­ge­stellt zu wer­den. Der Pro­fes­sor selbst war so bos­haft ge­we­sen, die Selbst­täu­schun­gen ei­ni­ger un­ter ih­nen zu be­güns­ti­gen, sei es um sie zu grö­ße­rem Ei­fer bei der Auf­füh­rung sei­ner Mu­sik vor Mar­cel­lo an­zu­spor­nen, oder um sich durch die Krän­kung die ih­nen be­vor­stand für al­les Leid zu rä­chen, das sie ihm in den Stun­den an­ge­tan hat­ten.

Ge­wiss ist we­nigs­tens, dass die Clo­rin­da, wel­che bloß äu­ße­res Mit­glied des Kon­ser­va­to­ri­ums war, große Toi­let­te für die­sen Tag ge­macht hat­te, und dar­auf rech­ne­te, ih­ren Platz zur Rech­ten des Gra­fen ein­zu­neh­men. Als sie nun aber die­se »bet­tel­haf­te« Con­sue­lo in ih­rem schwar­zen Kleid­chen und mit ih­rer ru­hi­gen Mie­ne, die­ses »gars­ti­ge Ding«, wel­ches nun doch hin­fort für die ers­te Sän­ge­rin und für die aus­ge­mach­te Schön­heit der Schu­le galt, sich zwi­schen den Gra­fen und Mar­cel­lo set­zen sah, da wur­de sie häss­lich vor Är­ger, häss­lich, wie Con­sue­lo es nie­mals war, und wie un­ter dem Ein­fluss ei­ner schlech­ten und ge­mei­nen Re­gung, Ve­nus selbst es wer­den wür­de.

An­zo­le­to be­trach­te­te sie auf­merk­sam, und im Über­mu­te sei­ner Sie­ges­freu­de setz­te er sich zu ihr und über­häuf­te sie mit Fad­hei­ten, de­ren spöt­ti­sche Mei­nung sie zu be­grei­fen nicht Ver­stand ge­nug be­saß, und durch wel­che sie sich wirk­lich bald ge­trös­tet fand. Sie glaub­te sich an ih­rer Ne­ben­buh­le­rin da­durch zu rä­chen, dass sie de­ren Bräu­ti­gam fes­sel­te und spar­te nichts, um die­sen mit ih­ren Rei­zen zu be­rau­schen. Sie war aber zu be­schränkt, und Con­sue­lo’s Freund zu pfif­fig, als dass sie nicht bei ei­nem so un­glei­chen Kampf hät­te lä­cher­lich wer­den müs­sen.

In­zwi­schen un­ter­hielt sich Graf Zus­ti­nia­ni mit Con­sue­lo und fand zu sei­ner Ver­wun­de­rung, dass sie im Ge­sprä­che eben so viel fei­nes Ge­fühl, Ver­stand und An­mut als in der Kir­che Ta­lent und Macht ent­wi­ckel­te. Sie war gänz­lich frei von je­der Co­quet­te­rie, aber sie hat­te in ih­rem We­sen ein Et­was von fröh­li­cher Of­fen­heit und gut­mü­ti­ger Ver­trau­lich­keit, wo­durch sie die Her­zen au­gen­blick­lich und ohne Wi­der­stand ge­wann. Nach dem Mah­le lud der Graf sie ein, der Abend­küh­le in sei­ner Gon­del mit ihm und sei­nen Freun­den zu ge­nie­ßen. Mar­cel­lo wur­de sei­ner schwa­chen Ge­sund­heit we­gen von der Spa­zier­fahrt ent­bun­den. Aber Por­po­ra, Graf Bar­be­ri­go und meh­re­re an­de­re Pa­tri­zi­er fan­den sich zur Teil­nah­me be­reit. An­zo­le­to wur­de zu­ge­las­sen.

Da sich Con­sue­lo ein we­nig be­klom­men fühl­te, mit so vie­len Män­nern al­lein zu sein, bat sie ganz lei­se den Gra­fen, auch die Clo­rin­da mit ein­zu­la­den, und dem Gra­fen, der An­zo­le­to’s Spiel mit dem ar­men Mäd­chen nicht durch­schau­te, war es gar nicht un­lieb, die­sen um eine an­de­re als sei­ne Braut be­schäf­tigt zu se­hen. Als ein leicht­fer­ti­ger Cha­rak­ter und ein schö­ner Mann, bei sei­nem Reich­tum, sei­nem Thea­ter und über­dies bei den lo­cke­ren Sit­ten des Lan­des und der Zeit, er­man­gel­te der ede­le Graf nicht ei­ner gu­ten Do­sis von Ge­cken­haf­tig­keit. Der grie­chi­sche Wein und der Kuns­ten­thu­si­as­mus hat­ten ihn be­feu­ert, die Un­ge­duld sich an sei­ner »un­ge­treu­en« Co­ril­la zu rä­chen, war groß: nichts na­tür­li­cher, als dass er Con­sue­lo den Hof zu ma­chen ge­dach­te. Er setz­te sich in der Gon­del ne­ben sie, nach­dem er al­les der­ge­stalt ge­ord­net hat­te, dass das an­de­re Pär­chen am ent­ge­gen­ge­setz­ten Ende zu sit­zen kam, und be­gann sei­ne neue Beu­te auf eine sehr be­deu­tungs­vol­le Wei­se an­zu­bli­cken.

Die gute Con­sue­lo ver­stand in­des­sen von dem al­len nichts. Ihre Un­schuld und Ehr­lich­keit wür­den sich ge­gen die Ver­mu­tung em­pört ha­ben, dass der Be­schüt­zer ih­res »Freun­des« so schlech­te Ab­sich­ten he­gen könn­te, aber ihre ge­wohn­te Be­schei­den­heit, wel­che von dem glän­zen­den Tri­um­phe des Ta­ges nicht den kleins­ten Wan­del er­fah­ren hat­te, ließ sie der­glei­chen Ab­sich­ten nicht ein­mal für mög­lich hal­ten. In ih­rem Her­zen war und blieb nur Ehr­furcht vor dem vor­neh­men Herrn, wel­cher sie zu­gleich mit An­zo­le­to un­ter sei­ne Ob­hut ge­nom­men hat­te, und un­be­fan­ge­ne Freu­de an ei­ner Lust­bar­keit, un­ter wel­cher sie kei­ne Tücke ver­bor­gen glaub­te.

Die­se Ruhe, die­ses Ver­trau­en setz­ten den Gra­fen in ein sol­ches Er­stau­nen, dass er nicht wuss­te, ob er dar­in die be­reit­wil­li­ge Hin­ge­bung ei­ner wi­der­stand­lo­sen See­le oder die Dumm­heit der voll­kom­me­nen Un­schuld er­ken­nen soll­te. Ob aber eine Ita­li­e­ne­rin von acht­zehn Jah­ren nicht Be­scheid weiß, wuss­te, will ich sa­gen, zu­mal vor hun­dert Jah­ren und mit ei­nem »Freun­de« wie An­zo­le­to? Alle Wahr­schein­lich­keit war in der Tat für die Hoff­nun­gen des Gra­fen. Und den­noch konn­te er die Hand sei­nes Schütz­lin­ges nicht er­grei­fen, konn­te sei­nen Arm nicht aus­stre­cken um ih­ren Leib zu um­span­nen, ohne dass ihn eine un­er­klär­li­che Furcht au­gen­blick­lich zu­rück­hielt: er hat­te ein Ge­fühl von Un­si­cher­heit, fast Ehr­furcht, wel­ches er sich nicht zu deu­ten ver­moch­te.

Auch Bar­be­ri­go fand die Con­sue­lo sehr ver­füh­re­risch in ih­rer Ein­falt, und er hät­te sich gern bei ihr das­sel­be wie der Graf her­aus­ge­nom­men, wenn er es nicht für eine Pf­licht der De­li­ca­tes­se ge­hal­ten hät­te, die Ab­sich­ten sei­nes Freun­des nicht zu kreu­zen. Je­dem das sei­ne, dach­te er, als er Zus­ti­nia­ni’s Au­gen in sei­nem Glan­ze wol­lüs­ti­ger Berau­schung schwim­men sah; die Rei­he wird auch an mich kom­men. Der jun­ge Bar­be­ri­go hat­te es in­des­sen gar nicht in der Art, die Ster­ne an­zu­gaf­fen, wenn er sich in Frau­en­ge­sell­schaft be­fand; er frag­te sich, wie doch die­ser klei­ne Sch­lin­gel von An­zo­le­to dazu kom­me, die blon­de Clo­rin­da in Be­schlag zu neh­men, und er trat zu ihr, um dem jun­gen Te­nor wo mög­lich be­greif­lich zu ma­chen, dass es für ihn sich bes­ser schi­cken wür­de, zum Ru­der zu grei­fen, als mit dem Däm­chen schön zu tun.

An­zo­le­to hat­te nicht Er­zie­hung ge­nug, um, un­ge­ach­tet sei­ner schar­fen Fas­sungs­kraft, so­gleich beim ers­ten Wor­te den jun­gen Gra­fen zu ver­ste­hen. Über­dies war sein Stolz nicht klei­ner als der Hoch­mut der Pa­tri­zi­er. Er ver­ach­te­te die­se von Her­zen, und wenn er äu­ßer­lich sich ih­nen ge­schmei­dig zeig­te, so war dies nur eine Schlau­heit, hin­ter wel­cher sich sei­ne in­ne­re Ge­ring­schät­zung ver­barg. Da Bar­be­ri­go sah, dass An­zo­le­to sich ein Ver­gnü­gen dar­aus mach­te, ihm hin­der­lich zu sein, so er­sann er eine grau­sa­me Ra­che.

– Alle Wet­ter, sag­te er laut zur Clo­rin­da, se­hen Sie nur, was für ein Glück Ihre Freun­din Con­sue­lo macht. Wo wird die heu­te auf­hö­ren? Nicht ge­nug, dass sie in der gan­zen Stadt mit ih­rem schö­nen Ge­sang Fu­ro­re ge­macht hat, ver­dreht sie nun mit ih­ren feu­ri­gen Bli­cken noch un­se­rem ar­men Gra­fen den Kopf. Er wird ganz ver­narrt in sie wer­den, wenn er es nicht schon ist, und mit den Sa­chen der Ma­da­me Co­ril­la steht es nun vollends schlecht.

– O, es ist nichts zu be­sor­gen, er­wi­der­te Clo­rin­da hä­misch, Con­sue­lo ist in den An­zo­le­to hier ver­liebt, und mit ihm ver­spro­chen. Die bei­den bren­nen für ein­an­der, wer weiß seit wie vie­len Jah­ren.

– Man ver­gisst auch wohl, wer weiß wie vie­le Jah­re der Lie­be, in ei­nem Au­gen­blin­zen, zu­mal wenn Zus­ti­nia­ni’s Au­gen sich dar­auf ein­las­sen, den töd­li­chen Pfeil ab­zu­schnel­len. Mei­nen Sie nicht, schö­ne Clo­rin­da?

An­zo­le­to hielt die­se Spöt­te­rei­en nicht lan­ge aus. Tau­send Schlan­gen hat­ten sich schon in sei­ne Brust ge­schli­chen. Bis die­sen Au­gen­blick hat­te er um der­glei­chen we­der Arg­wohn noch Sor­ge ge­hegt: er hat­te sich blind­lings der Freu­de über den Tri­umph sei­ner Freun­din hin­ge­ge­ben, und nur, um teils sei­nem Ju­bel einen be­stimm­ten An­halt, teils sei­ner Ei­tel­keit einen raf­fi­nier­ten Ge­nuss zu ver­schaf­fen, hat­te er sich seit zwei Stun­den dar­an er­götzt, das Op­fer die­ses be­rau­schen­den Ta­ges auf­zu­zie­hen. Nach ei­ni­gen scha­len Wit­zen, wel­che er mit Bar­be­ri­go wech­sel­te, tat er, als ob die Un­ter­hal­tung über mu­si­ka­li­sche Ge­gen­stän­de, wel­che Por­po­ra in der Mit­te der Gon­del mit der üb­ri­gen Ge­sell­schaft führ­te, sei­ne Auf­merk­sam­keit er­regt hät­te: er ent­fern­te sich all­mäh­lich von ei­nem Plat­ze, wel­chen er nicht län­ger Lust hat­te, sei­nem Geg­ner strei­tig zu ma­chen und stahl sich im Dun­kel an das Vor­der­teil der Bar­ke. So­gleich bei dem ers­ten Ver­su­che, das Tête-à-Tête des Gra­fen und sei­ner Braut zu un­ter­bre­chen, be­merk­te er, dass Zus­ti­nia­ni an die­ser Da­zwi­schen­kunft we­nig Ge­fal­len fand, denn der Graf ant­wor­te­te ihm kalt und fer­tig­te ihn so­gar kurz ab. Nach­dem An­zo­le­to mit ver­schie­de­nen mü­ßi­gen Fra­gen übel an­ge­kom­men war, er­hielt er zu­letzt den gu­ten Rat, doch lie­ber die tie­fen und ge­lehr­ten Sa­chen mit an­zu­hö­ren, wel­che der große Por­po­ra über den Kon­tra­punkt ver­neh­men lie­ße.

– Der große Por­po­ra ist nicht mein Leh­rer, ant­wor­te­te An­zo­le­to, sei­ne in­ne­re Wut so gut als mög­lich un­ter ei­nem scher­zen­den Tone ver­ber­gend; er ist aber Con­sue­lo’s Leh­rer, und wenn es mei­nem teu­ern und ge­lieb­ten gnä­di­gen Herrn ge­fie­le; füg­te er, zu dem Gra­fen nie­der­ge­beugt, ganz lei­se und mit ein­schmei­cheln­dem Tone hin­zu, mei­ne arme Con­sue­lo kei­nen an­de­ren Un­ter­richt als den ih­res al­ten Leh­rers ge­nie­ßen zu las­sen …

– Mein teu­rer und ge­lieb­ter Zoto, ant­wor­te­te der Graf, den­sel­ben schmei­cheln­den Ton in der bos­haf­tes­ten Wei­se nach­ah­mend, ich habe Ih­nen ein Wort ins Ohr zu sa­gen; und sich zu ihm hin­über­beu­gend setz­te er hin­zu: Dero Braut wird doch von Ih­nen wohl einen Tu­gend­un­ter­richt emp­fan­gen ha­ben, wel­cher sie un­ver­letz­lich macht. Wenn ich es mir aber an­ma­ßen woll­te, ihr einen an­de­ren zu ge­ben, so dürf­te ich al­ler­dings zu dem Ver­su­che we­nigs­tens für einen Abend be­rech­tigt sein.

An­zo­le­to fühl­te, dass es ihn wie Eis über­lief.

– Will mein all­er­ge­wo­gens­ter gnä­di­ger Herr nicht ge­ru­hen, sich nä­her zu er­klä­ren? frag­te er mit er­stick­ter Stim­me.

– Sehr gern, mein all­er­ge­wo­gens­ter Freund, ent­geg­ne­te der Graf mit hel­ler Stim­me: Gon­del für Gon­del.

An­zo­le­to stand ver­steint, als er wahr­nahm, dass der Graf sein Tête-à-Tête mit der Co­ril­la ent­deckt hat­te. Die­ses rück­sichts­lo­se Mäd­chen hat­te sich des­sen ge­gen Zus­ti­nia­ni bei ei­nem hef­ti­gen Streit, der noch zu­letzt zwi­schen ih­nen vor­ge­fal­len war, ge­rühmt. Im Ge­füh­le sei­ner Schuld ver­such­te An­zo­le­to um­sonst, Er­stau­nen zu heu­cheln.

– Ge­hen Sie und hö­ren Sie, was Por­po­ra über die Grund­sät­ze der nea­po­li­ta­ni­schen Schu­le sagt, fuhr der Graf fort. Sie sol­len es mir spä­ter wie­der er­zäh­len, es liegt mir viel dar­an.

– Das mer­ke ich, Ex­cel­lenz, ent­geg­ne­te An­zo­le­to wü­tend und auf dem Sprun­ge, al­les zu ver­der­ben.

– Nun, gehst du nicht? sag­te Con­sue­lo in ih­rer Un­schuld, ohne sein Zau­dern zu be­grei­fen. So will ich hin­ge­hen, Herr Graf! Sie sol­len se­hen, dass ich Ihre Die­ne­rin bin.

Und ehe der Graf sie hal­ten konn­te, war sie mit ei­nem leich­ten Sprun­ge über das Bänk­chen hin­über, das sie von ih­rem al­ten Leh­rer trenn­te, und setz­te sich dicht ne­ben ihn.

Der Graf sah wohl, dass er bei ihr nicht eben große Fort­schrit­te ge­macht hat­te und glaub­te da­her, sich ver­stel­len zu müs­sen.

– An­zo­le­to, sag­te er lä­chelnd und zog sei­nen Schütz­ling ein we­nig derb am Ohre, wei­ter will ich mei­ne Ra­che nicht trei­ben. Sie ist um vie­les hin­ter dei­nem Fre­vel zu­rück­ge­blie­ben. Aber ich will auch kei­ne Ver­glei­chun­gen an­stel­len zwi­schen dem Ver­gnü­gen, mich in Ge­gen­wart von zehn Per­so­nen mit dei­ner Ge­lieb­ten eine Vier­tel­stun­de ehr­bar zu un­ter­hal­ten, und je­nem, wel­ches du mit der mei­ni­gen al­lein in ei­ner wohl­ver­schlos­se­nen Gon­del ge­nos­sen hast.

– Herr Graf, rief An­zo­le­to in hef­ti­ger Auf­re­gung, ich schwö­re bei mei­ner Ehre …

– Wo sitzt dir dei­ne Ehre? ent­geg­ne­te der Graf, viel­leicht da in dem lin­ken Ohre? Hier­bei be­droh­te er auch die­ses un­glück­li­che Ohr mit ei­ner glei­chen Lek­ti­on, wie das an­de­re sie eben er­hal­ten hat­te.

– Hal­ten Sie denn Ihren Schütz­ling für so un­klug, sag­te An­zo­le­to, wel­cher sei­ne Geis­tes­ge­gen­wart wie­der ge­wann, nicht zu wis­sen, dass er einen so dum­men Streich nicht be­ge­hen durf­te?

– Be­gan­gen oder nicht, er­wi­der­te der Graf, kurz, es ist mir in die­sem Au­gen­bli­cke die gleich­gül­tigs­te Sa­che der Welt.

Er ging und setz­te sich an Con­sue­lo’s Sei­te.

12.

Ge­gen Mit­ter­nacht kehr­te die Ge­sell­schaft in den Sa­lon des Pal­las­tes Zus­ti­nia­ni zu­rück, um Cho­co­la­de und Sor­betts ein­zu­neh­men. Die Un­ter­hal­tung über Mu­sik dau­er­te noch fort. Man war von dem Tech­ni­schen der Kunst auf den Styl, auf die Ide­en, auf die For­men der Äl­te­ren und Neue­ren, end­lich auf den Vor­trag zu re­den ge­kom­men, und ver­weil­te nun bei den aus­üben­den Künst­lern und bei de­ren ver­schie­den­ar­ti­ger Auf­fas­sungs- und Aus­drucks­wei­se. Por­po­ra sprach mit Be­wun­de­rung von sei­nem Leh­rer Scar­lat­ti, wel­cher es zu­erst ge­wagt hat­te, dem Kir­chenstyl einen pa­the­ti­schen Cha­rak­ter zu ge­ben. Mehr aber, fuhr er fort, mehr tat er nicht; er woll­te nicht, dass die hei­li­ge Mu­sik sich durch An­wen­dung von Ver­zie­run­gen, Ko­lo­ra­tu­ren und Läu­fern in das Ge­biet der welt­li­chen ver­irr­te.

– Ver­wer­fen Sie dem­nach, ver­ehr­ter Herr! sprach An­zo­le­to jene schwie­ri­gen Läu­fer und Ma­nie­ren, de­nen Ihr be­rühm­ter Schü­ler Fa­ri­nel­li sein Glück und sei­nen Na­men ver­dankt?

– Ich ver­wer­fe sie nur in der Kir­che, ant­wor­te­te der Meis­ter. Für das Thea­ter bil­li­ge ich sie. Ich will sie da, wo­hin sie ge­hö­ren; vor­züg­lich aber ta­de­le ich ih­ren Miss­brauch. Sie set­zen ein rei­nes und rich­ti­ges Ge­fühl vor­aus, sie wol­len mä­ßig, ge­schickt und ge­schmack­voll an­ge­wen­det sein, sie müs­sen in ih­ren Mo­du­la­tio­nen nicht al­lein dem Ge­gen­stan­de, den man vor­trägt, son­dern auch der Per­son, die man dar­stellt, der Lei­den­schaft, die man aus­zu­drücken hat, und der gan­zen Si­tua­ti­on an­ge­mes­sen sein. Nym­phen und Schä­fe­rin­nen mö­gen wie Tau­ben gir­ren, oder ihre Rhyth­men wie mur­meln­de Bä­che ca­den­zie­ren, aber Me­dea und Dido kön­nen nur schluch­zen oder gleich ver­wun­de­ten Lö­win­nen brül­len. Die Co­quet­te wird ihre tol­len Ca­va­ti­nen mir gril­len­haf­ten und ge­such­ten Ma­nie­ren über­la­den dür­fen. In die­sem Gen­re ex­cel­liert die Co­ril­la; aber wenn sie tie­fe Be­we­gun­gen, große Lei­den­schaf­ten aus­drücken will, so bleibt sie un­ter ih­rer Rol­le: es hilft ihr nichts, dass sie sich ab­ar­bei­tet, es hilft nichts, dass sie ihre Stim­me und ih­ren Bu­sen auf­bläst; eine un­zei­ti­ge Ko­lo­ra­tur, ein un­sin­nig an­ge­brach­ter Läu­fer macht im Au­gen­blick die Er­ha­ben­heit, nach wel­cher sie ge­trach­tet hat, zu lä­cher­li­cher Par­odie. Ihr alle habt die Faus­ti­na Bor­do­ni, jet­zi­ge Ma­da­me Has­se ge­hört. In ge­wis­sen Rol­len, wel­che ih­ren glän­zen­den Ei­gen­schaf­ten ent­spra­chen, war sie un­über­trof­fen. Trat aber die Cuz­zo­ni auf, und gab, mit ih­rem rei­nen, tie­fen Ge­fühl, dem Schmerz, der Bit­te oder der Zärt­lich­keit Spra­che, so flos­sen eue­re Trä­nen und es war in eu­ern Her­zen kei­ne Spur mehr von dem Ein­druck, wel­chen die Kunst­stücke der Faus­ti­na auf eue­re Sin­ne ge­macht hat­ten. Denn ein an­de­res ist das Ta­lent, wel­ches mit der Ma­te­rie, und ein an­de­res das Ge­nie, wel­ches mit der See­le zu­sam­men­hängt; je­nes er­götzt und die­ses er­greift; je­nes über­rascht und die­ses über­wäl­tigt. Ich weiß wohl, dass die Bra­vouref­fec­te be­liebt sind; aber ich für mei­nen Teil muss es fast be­reu­en, dass ich mei­nen Schü­lern sol­che Sa­chen, die als Bei­werk ganz nütz­lich wä­ren, ge­lehrt habe, wenn ich sehe, wie die meis­ten un­ter ih­nen Miss­brauch da­mit trei­ben und das Nö­ti­ge dem Über­flüs­si­gen, die dau­ern­de Rüh­rung der Zu­hö­rer dem Auf­jauch­zen der Über­ra­schung und dem Bei­fall­stamp­fen ei­ner fie­ber­haf­ten, flüch­ti­gen Lust zum Op­fer brin­gen.

Nie­mand be­stritt die­se letz­te­ren Wahr­hei­ten, wel­che in der Kunst ewig gel­ten und je­dem hö­her be­gab­ten Künst­ler stets vor­leuch­ten wer­den. Der Graf je­doch, wel­cher be­gie­rig war, zu er­fah­ren, wie Con­sue­lo welt­li­che Mu­sik be­han­deln wür­de, tat als könn­te er den stren­gen Grund­sät­zen Por­po­ra’s nicht völ­lig beipflich­ten, und da er be­merk­te, dass sich das be­schei­de­ne Mäd­chen, an­statt selbst sei­ne Ket­ze­rei­en zu be­strei­ten, im­mer nur nach ih­rem al­ten Leh­rer um­sah, gleich als for­der­te sie die­sen auf, sieg­reich zu ant­wor­ten, so leg­te er ihr ge­ra­de­zu die Fra­ge vor, ob sie sich wohl ge­trau­en wür­de, auf der Büh­ne mit eben­so vie­lem Ver­stand und rei­fen Ge­schmack zu sin­gen als in der Kir­che.

– Ich glau­be nicht, er­wi­der­te sie in auf­rich­ti­ger De­mut, dass ich mich dort eben­so er­ho­ben füh­len könn­te, und ich fürch­te da­her, dass ich viel we­ni­ger leis­ten wür­de.

– Die­se sin­ni­ge und be­schei­de­ne Ant­wort macht mir Zu­ver­sicht, sag­te der Graf, und ich bin ge­wiss, Sie wür­den sich durch die Ge­gen­wart ei­ner hei­ßen, er­war­tungs­vol­len, wenn auch, wie ich nicht leug­ne, et­was ver­derb­ten Men­ge hin­läng­lich ge­ho­ben füh­len, um ein Stu­di­um je­ner bril­lan­ten Schwie­rig­kei­ten, nach de­nen sich die­sel­be täg­lich lüs­ter­ner zeigt, nicht zu ver­schmä­hen.

– Ein Stu­di­um! rief An­zo­le­to mit stol­zer Ver­ach­tung.

– Ganz ge­wiss ein Stu­di­um, sag­te Con­sue­lo sanft wie im­mer. Ich habe mich zwar schon in die­ser Art Ar­beit bis­wei­len ge­übt, al­lein ich glau­be nicht, dass ich es den großen Sän­ge­rin­nen, wel­che auf un­se­rem Thea­ter er­schie­nen sind, schon jetzt dar­in gleich­tun könn­te …

– Du lügst, rief An­zo­le­to ganz er­hitzt. Mon­si­gno­re, sie lügt! Le­gen Sie ihr die ge­schnör­kel­tes­ten und schwers­ten Ari­en des Re­per­toirs vor, Sie wer­den se­hen, was sie kann.

– Wenn ich nicht fürch­ten müss­te, dass sie er­mü­det wäre … sag­te der Graf mit Au­gen, die schon vor Un­ge­duld und Be­gier­de fun­kel­ten.

Con­sue­lo rich­te­te die ih­ri­gen voll Kind­lich­keit auf Por­po­ra, wie um sei­ne Wei­sung ein­zu­ho­len.

In der Tat, sag­te die­ser, da sie nicht von solch ei­nem bi­schen Sin­gen müde wird, und da wir nun ein­mal in klei­ner und er­le­se­ner Ge­sell­schaft hier bei­sam­men sind, so könn­te man wohl füg­lich ihr Ta­lent nach al­len Sei­ten auf die Pro­be stel­len. Wohl­an, Herr Graf, wäh­let eine Arie und be­glei­tet sie auch gleich am Kla­vie­re.

– Con­sue­lo’s Stim­me und Ge­gen­wart, ver­setz­te Zus­ti­nia­ni, wür­den mich so be­we­gen, dass ich nicht für falsche No­ten ein­ste­he. Wa­rum wollt ihr selbst, lie­ber Meis­ter, nicht spie­len?

– Ich möch­te sie gern sin­gen se­hen, er­wi­der­te Por­po­ra; denn, un­ter uns ge­sagt, ich habe sie im­mer ge­hört und nie dar­an ge­dacht, sie zu se­hen. Ich muss doch auch wis­sen, wie sie sich hält und was sie mit Mund und Au­gen macht. Nun, steh auf, Kind, du sollst auch vor mir dei­ne Pro­be ab­le­gen.

– Da wer­de ich also be­glei­ten, rief An­zo­le­to und setz­te sich an das Kla­vier.

– Ihr wer­det mich zu ängst­lich ma­chen, lie­ber Meis­ter, sag­te Con­sue­lo zu Por­po­ra.

– Ängst­lich­keit, ant­wor­te­te der Leh­rer, ge­hört nur für die Nar­ren. Wer von wah­rer Lie­be für sei­ne Kunst durch­glüht ist, braucht sich nicht zu fürch­ten. Wenn du zit­tern kannst, so bist du bloß von Ei­tel­keit be­ses­sen; wenn dir dei­ne Mit­tel aus­ge­hen kön­nen, so steht dir nur Blend­werk zu Ge­bo­tes und wenn das wäre, so bin ich der ers­te, der ohne Um­schwei­fe sa­gen wird: die Con­sue­lo ist nichts nut­ze.

Ohne sich im min­des­ten dar­um zu küm­mern, ob die zar­te Ma­nier, mit wel­cher er sei­ner Schü­le­rin Mut ein­sprach, sie nicht noch mehr um ihre Fas­sung brin­gen möch­te, setz­te der Pro­fes­sor sei­ne Bril­le auf, stell­te sei­nen Stuhl ihr ge­ra­de ge­gen­über und schick­te sich an, auf der Ecke des Flü­gels den Takt zu schla­gen; um das Ri­tor­nell in rich­ti­gen Gang zu brin­gen.

Der Graf hat­te eine bril­lan­te, krau­se und schwe­re Arie von Ga­lup­pi aus der Buf­fa-Oper la Dia­vo­lessa ge­wählt, um Con­sue­lo plötz­lich in eine Gat­tung zu füh­ren, wel­che der­je­ni­gen, worin sie am Mor­gen ge­glänzt hat­te, schnur­ge­ra­de ent­ge­gen­stand. Das jun­ge Mäd­chen be­saß eine so wun­der­ba­re Leich­tig­keit, dass sie es fast ohne Stu­di­um da­hin ge­bracht hat­te, mit ih­rer bieg­sa­men und mäch­ti­gen Stim­me alle da­mals üb­li­chen Kraft­gän­ge spie­lend aus­zu­füh­ren. Por­po­ra hat­te ihr sol­che Übun­gen emp­foh­len und von Zeit zu Zeit sich vor­ma­chen las­sen, um sich zu über­zeu­gen, ob sie die­sel­ben auch nicht ver­nach­läs­sig­te. Je­doch hat­te er nie­mals Zeit und Auf­merk­sam­keit ge­nug dar­auf ver­wen­det, um das, was sei­ne wun­der­ba­re Schü­le­rin in die­ser Art zu leis­ten ver­moch­te, sei­nem gan­zen Um­fan­ge nach zu ken­nen.

Con­sue­lo war ein Schelm: sie woll­te sich an ih­rem Leh­rer für die Derb­hei­ten rä­chen, die er ihr so eben ge­sagt hat­te, und über­lud die oh­ne­hin aus­schwei­fen­de Arie der Dia­vo­les­sa mit ei­ner Men­ge da­mals noch un­mög­lich ge­glaub­ter Läu­fer und Ma­nie­ren, wel­che sie mit ei­ner sol­chen Ruhe im­pro­vi­sier­te, als hät­te sie sie zu­vor sorg­fäl­tig in No­ten ge­setzt und stu­diert ge­habt. Ihre Ver­zie­run­gen wa­ren so kunst­reich mo­du­liert, so voll Kraft und Schwung, so sa­ta­nisch, so er­schüt­ternd im Über­gang aus wil­der Lus­tig­keit in wim­mern­de Angst, dass plötz­lich ein Schau­er des Ent­set­zens die Be­geis­te­rung der Zu­hö­rer durch­brach, und dass Por­po­ra, jäh­lings auf­sprin­gend, mit star­ker Stim­me rief: Du, du bist der leib­haf­te Teu­fel! Con­sue­lo schloss die Arie mit ei­nem Bra­vour Cre­scen­do, wel­ches einen all­ge­mei­nen Schrei der Be­wun­de­rung her­vor­rief, wäh­rend sie sich laut la­chend auf ih­ren Stuhl setz­te.

– Bö­ses Mäd­chen, sag­te Por­po­ra, du hast mir einen hän­gens­wer­ten Streich ge­spielt. Du hast mich zum Bes­ten ge­habt. Du hast vor mir die Hälf­te dei­ner Stu­di­en und dei­ner Hilfs­mit­tel ver­steckt ge­hal­ten. Ich hat­te dir schon lan­ge nichts mehr zu leh­ren, und aus Heu­che­lei hast du bei mir Stun­de ge­nom­men, was weiß ich? viel­leicht um mir noch alle Ge­heim­nis­se der Kom­po­si­ti­on und des Un­ter­rich­tens ab­zu­lo­cken, da­mit du mich in al­len Din­gen aus­ste­chen könn­test, da­mit ich hin­ter­her als ein al­ter ab­ge­nutz­ter Schul­meis­ter da­stün­de.

– Lie­ber Meis­ter, ent­geg­ne­te Con­sue­lo, ich habe Ih­nen bloß den Streich nach­ge­tan, den Sie dem Kai­ser Carl ge­spielt ha­ben. Er­zähl­ten Sie mir nicht die Ge­schich­te? Wie Se. Kai­ser­li­che Ma­je­stät die Tril­ler nicht lei­den moch­te, und Ih­nen ver­bo­ten hat­te, einen ein­zi­gen in Ihrem Ora­to­ri­um an­zu­brin­gen, und wie Sie dem Ver­bo­te bis an das Fina­le ge­wis­sen­haft nach­ge­kom­men und dann in der Schluss­fu­ge ihm ein Di­ver­tis­se­ment im neues­ten Ge­schmack lie­fer­ten, vier auf­stei­gen­de Tril­ler im The­ma, die sich hieraus durch alle Stim­men bis ins stret­to end­los wie­der­hol­ten. Sie ha­ben heu­te Abend ge­gen den Miss­brauch der Ver­zie­run­gen ge­ei­fert, und hin­ter­her mich wel­che ma­chen las­sen. Nun mach­te ich ih­rer zu vie­le, um Ih­nen zu zei­gen, dass auch ich wohl eine Ver­kehrt­heit über­trei­ben kann, wo­für ich mich wil­lig schel­ten las­se.

– Ich sage dir, du bist der Teu­fel, er­wi­der­te Por­po­ra. Jetzt sing’ uns et­was Men­sch­li­ches, und sin­ge wie du willst; denn ich sehe schon, mit mei­ner Leh­rer­schaft bin ich bei dir zu Ende.

– Sie wer­den stets mein Leh­rer sein, den ich ehre und lie­be, rief sie und warf sich um sei­nen Hals und drück­te ihn zum Er­sti­cken; Ih­nen ver­dank’ ich seit zehn Jah­ren mein Brot und mei­nen Un­ter­richt. O, lie­ber Leh­rer! Sie ha­ben, wie man mir ge­sagt hat, vie­le Un­dank­ba­re ge­macht; mir aber möge Gott sei­ne Lie­be und mei­ne Stim­me im Au­gen­blick ent­zie­hen, wenn ich das Gift des Hoch­muts und der Un­dank­bar­keit in mei­nem Her­zen ber­ge!

Por­po­ra wur­de bleich, stam­mel­te ein Paar Wor­te und drück­te einen vä­ter­li­chen Kuss auf die Stirn sei­ner Schü­le­rin: eine Trä­ne ließ er dort zu­rück, und Con­sue­lo, wel­che sie nicht ab­zu­wi­schen wag­te, fühl­te die kal­te, schmerz­li­che Trä­ne des ver­las­se­nen Al­ters, des un­glück­li­chen Ge­nies auf ih­rer Stir­ne lang­sam trock­nen. Sie wur­de tief da­von be­wegt, und es war als emp­fän­de sie einen from­men Schau­der, wel­cher alle ihre Fröh­lich­keit er­stick­te und ihre Be­geis­te­rung für den Rest des Abends aus­lösch­te.

Eine Stun­de lang er­schöpf­te sich al­les um­her in Aus­drücken der Be­wun­de­rung, des Stau­nens und Ent­zückens, ohne dass es ge­lang, ihre Schwer­mut zu zer­streu­en und zu­letzt bat man sie um eine Pro­be ih­res dra­ma­ti­schen Tal­ents. Sie sang eine große Arie aus Jo­mel­li’s »Ver­las­se­ner Dido«. Nie hat­te sie das Be­dürf­nis stär­ker emp­fun­den, ih­rer Trau­rig­keit Luft zu ma­chen; ihr Vor­trag war er­ha­ben, voll Pa­thos, ein­fach und groß, und ihr An­blick war noch schö­ner als in der Kir­che. Ihre Wan­gen hat­ten einen An­flug von fie­ber­haf­tem Rot, ihre Au­gen schos­sen düs­te­re Blit­ze: jetzt war sie nicht mehr eine Hei­li­ge: sie war Bes­se­res – ein von Lie­be ver­zehr­tes Weib. Der Graf, sein Freund Bar­be­ri­go, An­zo­le­to, alle Zu­hö­rer und, ich glau­be, der alte Por­po­ra selbst, wa­ren nahe dar­an, den Ver­stand zu ver­lie­ren. Die Clo­rin­da er­stick­te vor Verzweif­lung.

94,80 ₽
Возрастное ограничение:
18+
Объем:
3441 стр. 2 иллюстрации
ISBN:
9783962816148
Издатель:
Правообладатель:
Bookwire
Формат скачивания:
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