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Читать книгу: «Der Wagehals», страница 7

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13. Kapitel

Nante Schnabel hatte sich wirklich ein stilles Plätzchen gesucht, um nach der reichlichen Abfütterung über den Dienst nachzudenken. Er hatte sich eine Decke mitgenommen, sich daraufgesetzt und seinen Rücken an eine Fichte gelehnt. Gerade als die ersten Traumbilder ihn zu umgaukeln begannen, schnarchte er so laut, daß er darüber munter wurde. Und da kam ihm der Gedanke, daß es doch genierlich wäre, wenn man ihn vermissen und schlafend finden würde . . . Nein, besser wäre es schon, wenn er sich etwas Bewegung machte. Und da kam ihm der Gedanke, daß vielleicht der Wilddieb die Gelegenheit benützen könnte . . . Ohne Aufsehen zu erregen, holte er sich seine Büchse vom Stand, hing sie über die Schulter und wanderte langsam davon zu den Wiesen.

Die Sonne stand schon tief im Westen. Das Rehwild war bereits ausgetreten . . . einige starke Böcke leuchteten schon in der roten Sommerfarbe. Sie hatten auch schon gefegt . . . Na, ein oder zwei würde ihn der Forstmeister doch auch schießen lassen. Dann erinnerte er sich an den Zweck seines Ganges. Wenn der oder die Wilddiebe so gerissen waren, wie sie sich bisher gezeigt hatten, dann gab es keine bessere Gelegenheit, einen Schuß anzubringen. Denn unaufhörlich knallte es vom Schießstand her. Je mehr der Abend vorrückte, desto eifriger wurden die Grünröcke. Daß sie dabei noch einen anderen Schuß vernahmen, war sehr zweifelhaft.

Er nahm die Büchse von der Schulter, spannte sie und begann vorsichtig den Wiesenrand entlang zu pirschen . . . Jetzt hörte das Knallen auf. Wer wohl den Drilling gewonnen haben mochte?

Ein Rehbock, der hundert Schritt von ihm vertraut äste, warf plötzlich auf und begann weiter nach der Wiese abzutrollen. Das kam Nante verdächtig vor. Er blieb stehen und hob die Büchse, um schußbereit zu sein . . . Eben glaubte er ein leises Knacken zu vernehmen, als es auch schon knallte. Sein linker Arm sank kraftlos herab, er fühlte einen stechenden Schmerz in der Seite auf den Rippen. Trotzdem warf er seinen Schuß in die Richtung hin, woher er die Kugel erhalten hatte. Dann sprang er mit einem Satz hinter eine Kiefer, klemmte seine Büchse zwischen die Knie, riß das Schloß auf und lud sie von neuem . . .

Seine Vorsicht war überflüssig. Nichts regte sich vor ihm. Er kniete nieder, legte sein Gewehr weg, zog sein Taschentuch heraus und faßte einen Zipfel mit den Zähnen . . . Die Kugel hatte nur die Muskel durchschlagen und seine Rippen gestreift. Nun wand er mit Hilfe der Zähne das Tuch oberhalb der Wunde um den Arm und verknotete es. Dann faßte er mit der rechten Hand nach seiner linken Seite. Die Uniform war von der Kugel zerrissen, und seine Fingerspitzen fühlten das warme Blut. An eine Verfolgung des Wilderers war nicht zu denken. Langsam marschierte er nach dem Schießstand zurück . . . Fünf Minuten später kamen ihm die Kollegen entgegen, und bald danach kam das Auto an. Nante stieg ein, der Assessor wollte ihn sofort nach Lasdehnen zum Arzt fahren. Die vier Grünröcke gingen weiter, sie wollten noch bis Dunkelwerden eine Streife längs der Aschwöne unternehmen, obwohl kaum anzunehmen war, daß sich der Wilddieb noch im Wald aufhielt.

Mit unbewegter Miene sah Nante dem Doktor zu, der ihm die Wunde am Arm auswusch und von beiden Seiten verklebte. Erst als Doktor Glaser den Streifschuß auf den Rippen untersuchte und zu behandeln begann, gab er Zeichen des Unbehagens von sich. »Sie können von Glück sagen, lieber Herr Forstaufseher,« meinte der Arzt, »ein Zoll weiter nach links, dann lägen Sie mausetot im Walde.«

»Der Kerl ist also nach rechts 'rausgewankt, oder er hat die Büchse etwas verkantelt«, erwiderte Nante stöhnend. »Aber es ist doch nicht so schlimm, Herr Doktor. Ich bin zu heute abend beim Herrn Assessor eingeladen und möchte nicht fehlen.«

»Na, so eine Bärennatur wie Ihre wird den kleinen Blutverlust nicht als zu schwer empfinden. Aber selbstverständlich keine alkoholischen Exzesse.«

Die ganze Gesellschaft hatte sich in der Oberförster versammelt. Als das Auto zurückkam, fuhren die Damen nach Hause. Die Männer folgten dem Assessor in sein Heim, um es einzuweihen . . . Aus dem verfallenen Häuschen war ein Feenpalast geworden. Die Wände mit Tapeten verkleidet, zum größten Teil auch mit farbigen Geweben. Die schweren Möbel wirkten etwas zu stark, weil sie bis zur Decke reichten . . . In den drei Zimmern war an kleinen Tischchen gedeckt. Ein alter, würdiger Herr im Frack und in schwarzen Kniehosen stand mit unbewegter Miene an der Anrichte. Ein grauköpfiger Diener servierte.

Die Gesellschaft war schon zu Anfang sehr mobil. Der frühe Nachmittag wirkte nach, und nun kam noch die Aufregung über Nantes Abenteuer hinzu. Die vier Grünröcke waren von der Streife, wie es vorauszusehen war, ohne Erfolg zurückgekehrt. Allseitig wurde festgestellt, daß nirgendswo an den Grenzen ein verdächtiger Schuß gefallen war, und die Vorliebe der Wilddiebe für das Tal der Aschwöne war auch sehr erklärlich. Denn das war die Freistatt der ganzen Oberförsterei, wo mit Ausnahme der wenigen Tage im Frühjahr, wo dort die Schnepfe am besten zog, kein Schuß fallen durfte. Da zog sich das ganze Rehwild hin und stand so vertraut wie in einem eingezäunten Park.

Man hatte sich nach der Mahlzeit bereits an den länglichrunden Tisch in dem sogenannten Eßzimmer gesetzt, als der Forstmeister plötzlich ausrief: »Bauschus, da fällt mir eben etwas ein. Die Naujoksche hat mir neulich erzählt, daß in Serbenten beim Gastwirt ein Knecht zu Ostern zugezogen ist, der ihren Mann zum Wildern verführen wollte. Kennen Sie den Kerl?«

Der Forstaufseher, der in Serbenten wohnte, zuckte die Achseln. »Das könnte nur der neue Knecht von Gwildies sein, ein fixer Bengel, adrett, hat bei den Jägern gedient. Aber das glaube ich nicht, Herr Forstmeister. Beim Gwildies ist reichlich Arbeit zu leisten, und der Alte würde sich sehr für einen Knecht bedanken, der sich die Nachmittage in der Forst 'rumtreibt. Aber . . . meine Herren, jetzt fällt es mir wie Schuppen von den Augen. Jetzt weiß ich, wer der Wilddieb ist . . .«

»Na, dann schießen Sie doch los«, rief der Forstmeister ungeduldig. Der Grünrock schüttelte den Kopf und sah sich nach dem Koch um, der steif und stolz wie ein Spanier am Büfett stand. Der Assessor lachte: »Sie können ruhig sprechen. Was hier verhandelt wird, dringt nicht über die Wände dieses Hauses.«

»Na dann, Herrschaften, hören Sie zu. In Serbenten ist vor vier Wochen ein sonderbarer Vogel zugeflogen, ein Herr von Zaleski. Er hat richtige Papiere, die er dem Amtsvorsteher vorgelegt hat. Drei Tage wohnte er im Krug, dann mietete er sich das alte Grenzerhaus, das leer stand, und möblierte es fein aus.«

»Und was tut der Herr von Zaleski dort in Serbenten?« rief der Forstmeister.

»Das ist kein Geheimnis. Er läßt schmuggeln. Schwere Kisten gehen fast täglich über die Grenze. Ich glaube, da sind bloß Papiere oder Gewehre drin.«

»Und Sie meinen, daß der Mann noch Zeit hat zum Wildern?«

»Jetzt, wo ich alles gehört habe, was sich hier zugetragen hat, möchte ich das wirklich glauben. Er hat Wagen und Pferde, zwei ungarische Zucker, und fährt jeden Nachmittag mit seiner Cousine spazieren.«

»Eine Cousine hat er auch?« warf der Assessor dazwischen.

»Ja, ein forsches, bildschönes Weib.«

»Hat er vielleicht auch einen weißen Foxterrier?« fragte Mooslehner.

»Nein, er hat nur eine mächtige gefleckte Dogge.«

»Wie sieht er denn aus?«

»Ein großer, schlanker Mann, Herr Forstmeister, das Gesicht etwas verlebt . . . mit tiefliegenden schwarzen Augen. Er muß viel Geld haben, denn er gibt es mit vollen Händen aus . . .«

»Das kann ich mir denken, daß dabei etwas abfällt. Aber nun müssen Sie sich, Bauschus, etwas mehr um den Mann und sein Treiben kümmern.«

»Das werde ich schon besorgen, Herr Forstmeister. Er fährt ja immer an meinem Haus vorbei. Da setze ich mich aufs Rad und fahre ihm nach.«

»Ich schaffe mir auch ein Rad an, ich kann schon fahren«, rief Mooslehner eifrig.

»Na, ob das praktisch ist?« meinte Nante Schnabel. »Ich war in voller Bereitschaft und bekam doch die Kugel.«

»Ja, ja, Schnabel hat recht«, entschied der Forstmeister. »Wir haben es mit einem ganz gefährlichen Burschen zu tun, der aus dem Dickicht herausschießt . . . Also Vorsicht, meine Herren, und keine Nachsicht. Es handelt sich jetzt nicht bloß um das Wild, sondern um uns selbst. Und da wollen wir uns doch unserer Haut wehren. Besprechen Sie sich das heute. Streifen werden nur zu zweien unternommen, und jeder Schuß, der im Revier fällt, wird mir gemeldet. Sie brauchen sich gar keine Beschränkung aufzuerlegen, wenn sie mal einen Schuß abgeben wollen, aber er muß gemeldet werden.«

Schrader stand auf und ging an den Spieltisch, wo ihn die beiden Gutsbesitzer bereits sehnsüchtig zum Skat erwarteten . . . Unterwegs hielt ihn der Assessor auf. »Darf ich mir noch einen Vorschlag erlauben, Herr Forstmeister? Ich möchte Ihnen einen Beitrag zur Verfügung stellen als Prämie für die Ergreifung des Wilddiebes.«

»Das ist ein guter Gedanke, Herr von Sperling. Ich gebe hundert Mark; wenn Sie noch etwas dazutun wollen . . .«

»Ich möchte noch etwas höher gehen, Herr Forstmeister. Darf ich die Summe zu einem halben Tausend ergänzen? Selbstverständlich geht die Sache nur von Ihnen aus.«

»Das ist sehr reichlich, aber wenn Sie wollen, habe ich nichts dagegen.« Er trat wieder zu den Grünröcken. »Noch eins, meine Herren, für die Ergreifung des Wilddiebes sind fünfhundert Mark Belohnung ausgesetzt.«

»Daß ihr mir ihn bloß nicht vorher greift, ehe ich meine linke Hand gebrauchen kann«, rief Nante vom Nebentisch, wo er noch immer unter Mithilfe des Dieners futterte. Sein Appetit war infolge des Blutverlustes auf das Doppelte gestiegen. Und vor diesen Leistungen hielt selbst die Wohlerzogenheit des Dieners und des alten Kochs nicht stand. Ihr Herr hatte sie zwar vorbereitet, aber daß ein Mensch solche Mengen Speisen vertilgen konnte, hatten sie bis dahin noch nicht für möglich gehalten. Der Diener lachte über das ganze Gesicht, als Nante sich zum Nachtisch noch drei Brote mit Käse belegt ausbat.

Endlich hatte es sich bei ihm gestopft. Er stand auf und ging an den Nebentisch, wo Krummhaar bereits im besten Erzählen war. Es waren zwei junge Hilfsaufseher in der Gesellschaft, die ihn noch nicht genauer kannten; aber auch die älteren Kollegen hörten ihm gern zu, weil er sich fast nie wiederholte.

»Ohm Adam,« rief Nante, »erzähle uns doch mal deine berühmte Entengeschichte.«

»Ach ja, Krummhaar, die Entengeschichte . . .«

Der Hegemeister zwinkerte vergnügt mit den Augen, tat erst einen tiefen Trunk und wischte sich den eisgrauen Schnurrbart. »Also, meine Herren, ich war als junger Heideläufer nach Rußland verschlagen worden. Wenn ich daran noch denke, an die Wölfe und Bären . . .«

»Die du uns aufgebunden hast«, rief Schwarzkopf dazwischen.

»Wenn ihr mich ewig unterbrechen wollt, dann halt ich lieber das Maul, oder wer nicht hören will, kann sich auch wegsetzen . . . Na, dann weiter. Eines Tages im Sommer war ich zu einer Entenjagd eingeladen worden. Ich fuhr hin und fand bereits eine große Gesellschaft versammelt. Nach einem kräftigen Frühstück . . . Nante, das wäre so was für dich gewesen . . . Kaltes Geflügel, ein mächtiger Schweineschinken, roh, ein zweiter in Brot gebacken . . . Fische kalt in Gelee und geräuchert, ein Tönnchen Kaviar von zehn Litern . . .«

»Ohm Adam, mich reizt das jetzt nicht, ich bin wirklich satt.«

»Na, jedenfalls hatte es uns sehr gut geschmeckt. Endlich brachen wir auf. Mitten im Walde lag ein See, rund wie ein Eierkuchen, etwa sechzig Morgen groß, ringsum von schwimmenden Wiesen umgeben. Ihr wißt ja, was das heißt: eine dünne Grasnarbe über unergründlichen Moder. Der See selbst ein Moderloch, zur Hälfte zugewachsen. Wir waren rings um den See aufgestellt. Die Hunde fangen an zu arbeiten. Ich schieß drei, vier Enten, sie fallen ins Schilf, kein Köter denkt daran, zu apportieren.«

Er stärkte sich durch einen Schluck und fuhr dann fort: »Ich ärgerte mich darüber . . . Da sehe ich links von mir einen Kahn stehen, so 'nen richtigen Seelenverkäufer . . . über die Wiese waren ein paar Stangen gelegt. Ich turne auf ihnen zum Kahn, schöpfe das Wasser aus und fahre los. Es waren so viele Enten da, daß ich nicht dazu geriet, meinen Vorderstopfer zu laden. Mit einem Male sehe ich, daß mein Kahn zur Hälfte voll Wasser ist. Ich nehme das Ruder und stoße mich nach dem Lande zu. Es zerbricht mir in der Hand. Nun wurde es mir ungemütlich. Ich fange also an zu schreien, die nächsten Schützen kommen nach mir zu gelaufen. Ich rufe ihnen zu, sie sollten mir eine Pferdeleine mit einem Stein zuwerfen. Während sie weglaufen, schöpfe ich Wasser, aber es wurde nicht weniger, sondern immer mehr.

Jetzt wurde mir unheimlich zumute . . . Endlich wird mir die Leine zugeworfen . . . Ja, der Kahn rückt und rückt sich nicht. Was tun? Das einzige, daß ich mich allein durch das Schilf 'rausziehen lasse. Ich rufe das den Menschen am Ufer zu, werfe mich platt aus dem Kahn, die Kerle rucken mit einem Male an, und die Leine gleitet mir aus der Hand. Ich fühle, wie ich schnell im Moder versinke.« Er machte eine Kunstpause und nahm einen Schluck . . . In höchster Spannung hatten ihm alle zugehört . . . Der Assessor war leise hinzugetreten.

»Was geschah denn nun mit Ihnen, Herr Hegemeister?«

In dumpfem Ton gab Krummhaar zur Antwort: »Ich ersoff.«

In das dröhnende Gelächter rief der Forstmeister vom Nebentisch: »Sind Sie glücklich auf die Pointe 'reingefallen, Herr Assessor?«

14. Kapitel

Vierzehn Tage vergingen, ohne irgend etwas Bemerkenswertes zu zeitigen. Die Grünröcke der ganzen Oberförsterei liefen sich die Hacken ab, doch der Wilddieb tat ihnen nicht den Gefallen, sich im Revier zu zeigen. Eine gewisse Spannung lag über der ganzen Gesellschaft . . . Die Frage, ob der Forstmeister Ernst machen und um Frau Madeline Mazat anhalten würde, beschäftigte alle Gemüter. Es war sozusagen offenes Geheimnis, daß etwas im Gange war. Aber der alte Herr schien sich Zeit zu lassen. Auf dem Schießstand hatte die junge Witwe in einem feschen, fußfreien Lodenkostüm ganz reizend ausgesehen. Und der Forstmeister hatte öfter an ihrem Tisch gesessen.

Derjenige, auf den es am meisten ankam, war scheinbar am ruhigsten. Er war einmal bei einer Autofahrt in Weschkallen angesprochen und hatte dort gefrühstückt. Für einen, der auf Freiersfüßen geht, benahm er sich reichlich zurückhaltend. Er war eben mit sich noch nicht ganz im reinen. Daß er keinen Korb bekommen würde, glaubte er mit aller Bestimmtheit annehmen zu können. Im Notfall konnte er sich ja vorher durch Georginne die Gewißheit verschaffen. Aber gerade das war es, was ihn in seiner Unentschlossenheit bestärkte.

Solange er nicht recht daran glaubte, daß die junge Witwe ihm ihre Hand reichen würde, hatte die Sache ihn gereizt. Jetzt kamen die Bedenken in verstärktem Maße wieder. Er war durch die lange Zeit seiner Witwerschaft sehr verwöhnt, am meisten durch den widerspruchslosen Gehorsam seiner Abromeitene.

Wenn nun die junge Frau das Regiment im Hause haben wollte? Er war gewohnt, beim leisesten Widerspruch mit einem Donnerwetter dreinzufahren. Wenn Madeline sich das nicht gefallen ließ? Da war Streit und Ärger da.

Am meisten schreckte ihn der Gedanke an Kinder und Kindergeschrei . . . Wie in den goldenen Abendhimmel hatte er bis jetzt in seine Zukunft geschaut. Solange wie seine Gesundheit und seine Kräfte es zuließen, wollte er im Dienst bleiben und dann nach Lasdehnen ziehen, um die Fühlung mit dem Wald und seinen Grünröcken nicht zu verlieren. Die süße Gewohnheit war es, die aus seinen Bedenken sprach. In der letzten Zeit war es wie eine dunkle Ahnung in ihm aufgestiegen, daß die guten Tage für immer vorüber sein könnten . . . Die Abromeitene hing schon mit ihrem Kallweit im Kasten. Und in der Küche gab es öfter laute Szenen.

Es schien, als wenn die Tante mit ihrer Nichte durchaus nicht zufrieden war. Am Essen und an seiner Bequemlichkeit hatte er noch nichts gemerkt, weil Abromeitene noch immer das Regiment führte. Was ihm am meisten zu denken gab, war die unbestreitbare Tatsache, daß Kätchen nicht nur dem Nante, sondern auch ihm, ihrem Brotherrn, blanke Augen machte, wie man so zu sagen pflegt. Und er hatte Beispiele, daß es schon mehr als einer jugendlichen Wirtin gelungen war, ihren ältlichen Brotherrn ins Ehejoch zu spannen.

Schließlich riß ihn Abromeitene aus seiner Unentschlossenheit. Eines Tages, als sie ihm das Vesperbrot brachte, blieb sie am Tisch stehen und nahm ihre Schürze zur Hand, woraus der alte Herr sofort aus langer Erfahrung schloß, daß er sich auf eine längere Auseinandersetzung gefaßt zu machen habe.

»Na, was haben Sie denn auf dem Herzen?«

»Ja, Herr Forstmeister, ich wollte bloß sagen, daß Sie doch heiraten müssen. Das wird mit der Katinka nichts. Die hat ja nichts anderes als bloß die Männer im Kopf. Gestern abend habe ich sie aus Schnabels Stube holen müssen. Er war ja nicht da, er war wie immer drüben beim Hegemeister, aber er hätte doch da sein können. Sie saß am Tisch und las in seinen Büchern. Ich habe ihr auf den Kopf zugesagt, daß sie auf den Nante wartet. Und heute früh hat sie ihm den Kaffee ans Bett gebracht. Ich paß ja auf wie ein Schießhund, aber das können Sie doch nicht.«

»Nein, das kann ich allerdings nicht.«

»Na also . . . Und dann hat das Mensch so gar keinen Trieb, was zu tun. Wenn ich nicht aufpaß, vergißt das sogar die Schweine. Ne, Herr Forstmeister, mit der werden Sie nicht alt werden. Ne, laden Sie sich die Georginne und die junge Frau zum Kaffee, und bringen Sie alles in Ordnung. Ich will meinetwegen noch solange hierbleiben, bis Sie Hochzeit gemacht haben. Aber zu lange darf das auch nicht dauern, denn Kallweit läßt mir schon gar keine Ruhe, und der Mann hat recht.«

»Ach Gott, Abromeitene, ich habe mich noch nicht so recht entschlossen.«

»Nehmen Sie mir's nicht übel, Herr Forstmeister, das verstehe ich nicht. Wollen Sie sich lieber mit 'm alten Drachen 'rumärgern, anstatt sich eine forsche, hübsche Frau zu nehmen? Ich dacht' so zum nächsten Sonntag. Ich back' schöne Kuchen, na, und das Weitere findet sich dann schon von selbst.«

»Na, denn in Gottes Namen. Aber, Abromeitene, das sag' ich Ihnen, Sie haben mich auf dem Gewissen, wenn die Sache schief geht.«

Um der Sache ein Mäntelchen umzuhängen, hatte Schrader auch den Hegemeister mit Wera und den Assessor eingeladen . . . Es war ein sehr schöner Tag, so daß man den Kaffee auf der Veranda trinken konnte. Der Forstmeister war mit sich selbst und der Madeline, die ihn liebevoll wie eine Tochter bediente, zu sehr beschäftigt, sonst hätte er bemerken müssen, daß der Assessor Wera sehr eifrig den Hof machte.

Gleich nach dem Kaffee erklärte Georginne, sie wolle sich mal gründlich die Wirtschaft ansehen. Sie nahm Madeline und Wera mit, der Assessor schloß sich von selbst an . . .

»Die Sache ist also in das letzte Stadium getreten«, lachte der Hegemeister. »Das müßten Sie eigentlich doch wissen. Wenn die Zukünftige sich die Wirtschaft ansehen geht, dann pflegt vorher alles in Ordnung gebracht zu sein. Eigentlich müßten Sie doch mitgehen, damit Sie gleich hören, was die junge Frau für Wünsche haben wird.«

»Ach, Adam,« erwiderte der Forstmeister aufstehend und reckte seine Arme, »ich bin wirklich noch nicht entschlossen. Ihr ratet mir alle zu. Aber ein Mann in meinem Alter! Wenn ich bloß noch zehn Jahre jünger wäre!«

»Aber, lieber Freund, nun können Sie doch nicht mehr zurück. Sie sind auf der Brautschau gewesen, Sie haben sie zweimal eingeladen, nun muß heute oder spätestens morgen das entscheidende Wort fallen.«

»Also der Bien muß . . . Na, dann werde ich es heute ins reine bringen. Was gibt's sonst Neues, Adam?«

Der Hegemeister zuckte die Achseln . . . »Neues . . . ja doch, das wollte ich Ihnen erzählen: bei mir ist Heiratsmarkt, ich werde mich wohl an die Georginne wenden müssen . . .«

»Na nu, was ist denn los?«

»Ja, lieber Freund, wo Honig aussteht, fliegen die Bienen zu. Die beiden Forstaufseher, Mooslehner und Schnabel, und der Assessor balzen um die Wera. Ich habe in der ersten Zeit meinen Spaß daran gehabt, aber mit der Zeit hat die Sache ein ernsthaftes Gesicht bekommen. Jeden Abend, den Gott werden läßt, sitzen die drei bei mir.«

»Der Assessor auch? Der wollte ja grundsätzlich nicht heiraten.«

»Ja, ob das der Endzweck ist, weiß ich nicht, aber daß er ihr sehr eifrig den Hof macht, kann ein Blinder mit dem Stock fühlen. Gestern hat er Wera den Vorschlag gemacht, mit ihm nach Königsberg in die Oper zu fahren. Ich soll natürlich der Tugendwächter sein.«

»Na, und was sagt die Wera dazu?«

»Ich werde mich sehr hüten, sie zu fragen.«

»Haben Sie denn nicht bemerkt, ob sie einen bevorzugt?«

»Ih, da kann sich der Deuwel drin auskennen.

Einen Tag redet sie mehr mit einem, den andern Tag mit dem anderen.«

Der Forstmeister lachte. »Sie, Adam, das ist verdächtig. Sie hat sich noch für keinen entschieden, will aber alle drei scharf machen. Wenn das bloß gut abläuft. Der Mooslehner ist ein Hitzkopf, und der hat sie schon lange gern. Der hat schon die ganzen Jahre still um sie geworben.«

Der Hegemeister kraute sich in den Haaren und strich dann die Sardellen von hinten glatt. »Ich will Ihnen mal reinen Wein einschenken, lieber Herr Forstmeister. Die Wera kann keinen von den dreien heiraten . . . denn sie ist noch verheiratet. Ihr Mann ist nicht tot. Der sitzt irgendwo in einem russischen Gefängnis oder ist nach Sibirien gebracht worden. Sie wollte kein Gerede haben, deshalb gab sie sich für eine Witwe aus. Sie hat es mir auch erst vor ein paar Monaten gesagt. Ihr Mann war Inspektor auf dem Gut bei Riga, wo sie Bonne war.«

Der Forstmeister schüttelte verwundert den Kopf. »Das ist das erste, was ich höre. Aber das müßte man den jungen Leuten stechen, ehe die Sache ernsthaft wird.«

»Dem Mooslehner habe ich es schon gesagt . . . er hat mir zur Antwort gegeben: er müßte sowieso noch ein paar Jahre warten, bis er eine bebaute Stelle kriegte, und bis dahin könnte die Ehescheidung ausgesprochen werden.«

»Na, soll ich es dem Assessor sagen? Der Nante kommt wohl nicht in Betracht?«

»Sagen Sie das nicht, lieber Freund, sie ist eigentlich am freundlichsten zu ihm.«

»Das ist bloß Diplomatie, Adam.«

»Kann schon sein; aber nun müssen Sie zu den Damen gehen, sie sind schon im Garten. Weidmannsheil, Herr Forstmeister.«

Der alte Herr stand auf und reckte seine stattliche Gestalt. »Weidmannsdank!« Mit raschen Schritten ging er auf die Damen zu. Der Assessor hatte sich mit Wera verkrümelt. Georginne stand mit Madeline vor einem Beet, das allerdings noch recht kahl aussah. »Das kann alles noch viel schöner hier werden«, hörte er sie sagen.

»Na, wie gefällt Ihnen meine Wirtschaft, Weschkalene?«

»Sehr schön, Herr Forstmeister. Aber wenn erst eine junge Frau im Hause ist, wird es doch noch ein bißchen anders aussehen. Lassen Sie sich mal von Madeline zeigen, wie das Spalierobst an der Scheune kümmert. Da muß was geschehen, aber bald. Geh mit ihm, Madeline, ich muß mich nach den beiden anderen umsehen.«

Eine Weile schritt der Forstmeister schweigend an Madelines Seite. Er fühlte sich so verlegen und unbeholfen wie ein schüchterner Jüngling . . . und sie sah auch so aus.

»Darf ich Ihnen nicht den Arm anbieten, Frau Madeline?« Ohne aufzublicken, legte sie ihre Hand in seinen Arm.

»Madeline,« sagte er nach einer Weile halblaut, »wir sind beide über das Alter hinaus, wo wir solch einen Schritt in stürmischer Begeisterung tun. Ich will Ihnen nicht verhehlen, daß ich lange und schwer mit mir gerungen habe. Das werden Sie bei meinem Alter begreiflich finden. Ich muß Ihnen aber auch sagen, daß ich Ihnen sehr gut bin.« Er faßte nach ihrer Hand, die er wie eine Kohle auf seinem Ärmel brennen fühlte. »Madeline,« fuhr er wieder fort, »Ihre Tante hat mir verraten, daß Sie mir ein wärmeres Gefühl entgegenbringen. Ist das wahr?«

Sie hatte den Kopf gesenkt und nickte, ohne zu ihm aufzusfehen. Er blieb stehen und ließ sie los. »Nun sehen Sie mich alten Knaben noch einmal genau an . . . und dann sagen Sie mir, ob Sie es mit mir wagen wollen.«

Jetzt hob sie den Kopf, und aus ihren Augen leuchtete ihm ein so warmer Strahl entgegen, daß er unwillkürlich die Hände nach ihr ausstreckte . . . Und dann barg sie ihr heißes Gesicht an seiner Brust.

Der Forstmeister hatte seine fröhliche Sicherheit wiedergewonnen. »Na, und wie ist es mit dem Verlobungskuß? So alt sind wir doch noch nicht, daß wir darauf verzichten müssen.« Er hob ihr Kinn auf und suchte ihren Mund, der sich willig finden ließ . . .

»Nun seht doch bloß einer an«, rief Georginne hinter ihnen. »Was tut sich hier? Forschtmeisteris, Sie wollen mir doch nicht meine Nichte abspenstig machen?«

Schrader lachte laut auf. »Sie, Georginne, wir erzürnen uns, wenn Sie so schamlos heucheln . . . nicht wahr, Madeline?«

»Ja, Herr Forstmeister.«

»Ottomar heiß' ich mit Vornamen, meine liebe Braut. Forstmeister ist bloß mein Titel. Und nun bitte ich um Ihren Glückwunsch, verehrte Schwiegertante, denn für eine Schwiegermutter sind Sie mir noch viel zu jung.«

Der einzige, der von der Tatsache überrascht wurde, war der Assessor. Er hatte wirklich noch nichts gewußt. Er machte zwar ein verdutztes Gesicht, als der Forstmeister ihm Madeline als seine Braut vorstellte, aber er faßte sich schnell und gratulierte äußerst herzlich. In demselben Augenblick, als das Brautpaar auf der Veranda erschien, kam Abromeitene mit einer Flasche Sekt aus der Küche an. Die Kelche standen schon auf dem Tisch, und der Sekt war schon so kalt, daß er sofort eingegossen werden konnte, was der Assessor mit viel Geschick besorgte. Inzwischen war Abromeitene verschwunden und kam mit einem großen, prächtigen Strauß an, den sie der Braut überreichte. Dann mußte sie ihre Schürze zu Hilfe nehmen. Aber so viel vermochte sie doch noch zu sagen: »Ich habe den Jons nach Starrischken und Dietrichswalde geschickt und mich mit dem Abendbrot darauf eingerichtet.«

»Nun können Sie nicht mehr zurück, alter Freund,« rief der Hegemeister, »wenn Sie auch wollten; aber ich denke, Sie wollen nicht.« Nun kamen auch Mooslehner und Nante, die in der Amtsstube saßen, und gratulierten und bekamen ein Glas Sekt. Verdächtig schnell kamen die beiden Wagen aus Dietrichswalde und Starrischken. Es war rein wie auf dem Theater, wo ein geschickter Regisseur die Vorstellung leitet. Der war aber in diesem Falle nicht die Weschkalene, sondern die Abromeitene. Den Champagner hatte sie schon vor dem Kaffee aufs Eis gelegt, und den Jons hatte sie abgeschickt, als der Forstmeister nach dem Garten ging.

Der »junge Bräutigam«, wie der Starrischker ihn konsequent nannte, war in übermütiger Stimmung. Er hatte die beiden Frauen seiner Freunde unter vier Augen gefragt, was sie zu der Verlobung sagten. Und beide hatten ihm mit herzlichen Worten versichert, daß sie sich darüber freuten und seinen Entschluß nur billigen könnten . . . Das verscheuchte seine letzten Bedenken.

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Дата выхода на Литрес:
06 декабря 2019
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