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Читать книгу: «Der Wagehals», страница 2

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3. Kapitel

Als der Forstmeister gegen Mittag nach Hause kam, war Nante Schnabel eingetroffen, ein Mann von mächtigen Gliedern und breiten Schultern, sechs Fuß groß, so daß er seinen stattlichen Vorgesetzten noch um Haupteslänge überragte . . . Der alte Herr begrüßte ihn in seiner leutseligen Weise, reichte ihm die Hand und hieß ihn willkommen. Inzwischen war Mooslehner aufgestanden und neben Schnabel getreten: »Ich habe eine große Bitte, Herr Forstmeister.«

»Na, schießen Sie mal los.«

»Ich wollte bitten, ob nicht Schnabel an meine Stelle als Forstschreiber treten könnte.«

»Weshalb denn? Was treibt Sie denn weg? Haben Sie es nicht gut bei mir?«

»Herr Forstmeister, ich könnte mir kein besseres Leben wünschen; aber nehmen Sie es mir nicht übel, ich ertrage das Sitzen auf die Dauer nicht. Ich habe in dem einen Jahr bei Ihnen zwanzig Pfund zugenommen, und ich möchte mal wieder eine Zeitlang ganz ungebunden durch den Wald laufen.«

»Na ja, das kann ich verstehen, aber . . .«

»Herr Forstmeister, der Kollege Schnabel ist sehr gewandt mit der Feder, er wird sich schnell einarbeiten.«

»Na, wie ist's denn, Schnabel, haben Sie Lust? Sie bekommen bei mir freie Station und fünf Taler Zulage monatlich. Sind Sie damit zufrieden?«

»Aber sehr, Herr Forstmeister. Ich muß Ihnen allerdings gestehen, daß ich . . .«

»Weiß schon alles, Sie schlagen eine gute Klinge vor der Schüssel. Na, wir werden Sie schon satt kriegen, so viel wird schon vorhanden sein.«

Nante lächelte verlegen. »Herr Forstmeister haben mich noch nicht essen sehen . . . aber ich nehme mit allem vorlieb, und wenn ich bitten dürfte, der Mamsell zu sagen, daß die Hauptsache für mich eine Schüssel mit dicken Erbsen oder Bohnen oder Reis ist . . . und Brot halte ich mir noch nebenbei.«

»Aber, Schnabel, das kann doch nur eine krankhafte Veranlagung sein. Haben Sie denn noch keinen Arzt gefragt?«

»Jawohl, Herr Forstmeister, aber jeder hat mir gesagt, dagegen gibt es kein Mittel.«

»Na, dann müssen wir Sie schon durchfüttern. Nun noch eins. Binnen kurzem wird hier eine neue junge Wirtschafterin einrücken . . . meine Abromeitene heiratet den Kallweit. Das möchte ich nicht wieder erleben . . . also möchte ich bitten: stubenrein . . . so ein freundschaftliches Speisekammerverhältnis, dagegen habe ich nichts, aber Verlobung und Heirat, das möchte ich mir verbitten.«

»Ach, Herr Forstmeister können ganz beruhigt sein. Ich werde nie heiraten. Ich weiß, was meine Eltern mit drei Jungen, die alle denselben Appetit hatten wie ich, durchgemacht haben. Das möchte ich nicht durchmachen . . . ich heirate nicht.«

»Na, dann sind wir beide ja einig. Aber Sie, Mooslehner, kommen vom Regen in die Traufe. Sie werden mit dem Assessor kluppen, tagaus, tagein . . .«

Der junge Grünrock lachte: »Das schreckt mich nicht, Herr Forstmeister, da bin ich doch den ganzen Tag im Walde.«

»Na, dann ist ja alles zu gemeinsamer Zufriedenheit erledigt. Mooslehner, Sie weihen in den nächsten Tagen Schnabel in die Amtsgeschäfte ein . . . heute müssen Sie noch an den Zimmermeister Krause schreiben, der möchte morgen 'rauskommen, wenn er die alte Chalupp, das Steuerhaus, reparieren will. Sie müssen sich natürlich in der Nähe einquartieren.«

»Ich denke, Herr Hegemeister wird mich aufnehmen.«

»Na, ob die Wera damit einverstanden sein wird . . .«

»Ich glaube ja, Herr Forstmeister.«

»Ach so? na, ich hätte beinahe etwas gesagt . . .«

Der junge Grünrock war rot geworden . . . sein Vorgesetzter drohte ihm noch schelmisch lächelnd mit dem Finger und ging hinaus.– –

Gegen Abend ließ der alte Herr sich seinen Jagdwagen anspannen, um zum Schnepfenstrich zu fahren. Als er mit dem umgehängten Gewehr in die Haustür trat, flog ihm ein Pantoffel nach, und Abromeitene rief aus der Küchentür laut und energisch: »Hals- und Beinbruch, Herr Forstmeister«, und als der Wagen durch das Hoftor fuhr, stand da das blitzsaubere, blutjunge Stubenmädel, knickste artig und sagte verschämt: »Weidmannsheil.« Schrader schmunzelte vergnügt. Er war nicht abergläubisch, gar nicht . . . aber es gab doch so ein angenehmes Gefühl, wenn diese Formalitäten erfüllt wurden.

»Wir haben noch viel Zeit, Ions, wir können noch an dem Saatkamp und an der neuen Kultur vorbeifahren . . . und dann nach Jagen Siebzehn!« rief er dem Kutscher zu.

In behaglichem Trab fuhr der Wagen dahin. Mit scharfem Auge musterte Schrader rechts und links den Wald . . . ein herrliches Revier . . . einzelne Partien reiner Nadelwald, Kiefern und Fichten, aber von hellem Laubunterholz durchsetzt . . . dann wieder reine Laubbestände, alte gewaltige Eichen und Buchen . . . dazwischen überall Wiesenschlenken. Vertraut äsend stand Rehwild in überreicher Zahl auf den Lichtungen. Ab und zu hielt Jons den Wagen an und deutete mit der Peitsche auf einen Sprung Rehe oder auf einen einzelnen Bock. Dann stand der Forstmeister auf und nahm seinen Pernox an die Augen und besah sich das Wild. Die Böcke standen noch im Bast, aber man konnte doch schon erkennen, daß ganz kapitale Burschen darunter waren, die handbreit über die Lauscher hinaus aufgesetzt hatten.

Dem alten Grünrock wurde das Herz weit. Das war es, was ihm vor langen Jahren, als man ihn als Hilfsarbeiter in das Ministerium in Berlin hatte berufen wollen, die ablehnende Antwort in die Feder diktiert hatte. Bei seinen Grünröcken, seinen Bäumen und seinem Wild wollte er bleiben. Und der Lohn war nicht ausgeblieben. Seine Beamten liebten ihn wie einen Vater, der Wald war unter seiner Fürsorge gediehen; so manche Gruppe alter Eichen, die der Axt verfallen waren, hatte er eigenmächtig stehen lassen, und aus der dürftigen Wildbahn war ein reicher Wildbestand herangewachsen.

Langsam rollte der Wagen einen schmalen holprigen Waldweg dahin . . . ab und zu bot sich ein Ausblick nach dem Wiesental der Aschwöne. Das kleine Flüßchen, das bei der Schneeschmelze die Wiesen weit und breit überschwemmte, war bereits in seine Ufer zurückgetreten. Ein leichter, hellgrüner Schimmer lag schon auf der weiten Fläche. Der Wagen hielt, der Grünrock stieg aus, um zu Fuß sich auf seinen Stand zu begeben. Er hatte kaum einige Schritt getan, als nach dem Tal zu ein Schuß fiel. Er drehte sich um. »Jons, wo fiel der Schuß?«

»Nach Astrawischken 'rüber . . .«

»Na, das kann der Schwarzkopf gewesen sein.«

»Ja, aber es war ein Büchsenschuß, Herr Forschtmeister.«

»Na, vielleicht hat er auf Schwein oder Fuchs geschossen . . . werden ja morgen hören.«

Er ging langsam weiter. An einem frei in der Wiese stehenden Weidengebüsch machte er halt, stieß seinen Sitzstock in die Erde und lehnte das Gewehr an den Strauch. Die Sonne war eben untergegangen, ein klares Rot stand am Abendhimmel, auf den tiefliegenden Wiesenstellen lag bereits eine dünne Nebelschicht, die der leise Lufthauch zu langen Schleiern auszog. Auf der Spitze einer Fichte saß eine Singdrossel, die größte Künstlerin des deutschen Waldes. Unermüdlich ließ sie ihre abwechslungsreiche Strophe ertönen; in den Pausen antwortete ihr eine Amsel. Dicht vor dem alten Herren flitzten zwei Meisen neckend durch die Zweige des Strauches, dann schreckte auf der anderen Seite der Wiese ein Reh . . . wahrscheinlich hatte ein Rotrock, der sich zur nächtlichen Mäusejagd begab, es vergrämt. Langsam verblich die Abendröte . . . bis der erste Stern aufblitzte. Der Forstmeister stand auf und nahm das Gewehr zur Hand. Jetzt war es Zeit, jetzt konnte die Langschnäblige kommen . . .

Da ertönte deutlich hinter ihm ein lautes: »Quorr, Quorr . . .« Blitzschnell fuhr der Grünrock herum. Da, noch einmal, dicht vor seinen Füßen, im Graben wieder »Quorr, Quorr . . .« Ein vorlauter Frosch war es, der seine Stimme erhoben hatte, wahrscheinlich der Vorsänger des Chores, der aber noch vergeblich das Abendlied angestimmt hatte. »Willst du wohl das Maul halten und nicht alte Leute zum Narren machen!« rief der Forstmeister wohlgelaunt dem Sumpfsänger zu.

Doch jetzt wieder »Quorr, Quorr . . .«, aber oben in der Luft, und gleich nachher ein scharfes »Pix«. Ja, das war sie . . . langsam kam sie in der stillen Abendluft angeschwebt . . . und zehn Meter hinter ihr die zweite. Langsam, vorsichtig hatte der alte Weidmann das Gewehr angebackt, zweimal schnell hintereinander krachten die Schüsse, in mehrfacher Wiederholung kam das Echo zurück. Der brave Hektor war schon unterwegs, um die Beute zu holen. Behaglich schmunzelnd hing der Grünrock die beiden Schnepfen an seine Jagdtasche. Bald darauf kamen die dritte und vierte gezogen, aber zu weit für einen sicheren Schuß. Der Nebel auf der Wiese war zu Mannshöhe angewachsen. Wenn ein frischer Luftzug das Tal entlang strich, wogte er wie ein milchweißer See. Einzelne Streifen lösten sich ab und zerflatterten gegen den Wald, der dunkel und schweigend dastand . . .

Langsam schritt der Grünrock zum Wagen. »Nach Starrischken, Jons! Aber langsam, wir haben keine Eile.« – –

Die beiden Forstaufseher hatten bis Vesper fleißig im Bureau gearbeitet, dann machten sie Schluß und gingen hinüber zum Hegemeister. Der alte Herr war eben dabei, eine Anzahl Frösche, denen er die Haut abgezogen hatte, als Köder auf die Krebsteller zu binden. Schon von weitem rief er ihnen entgegen: »Na, du langer Labommel, wie bist du hierhergekommen?«

»Zu Fuß, Ohm Adam,« erwiderte Nante gleichmütig, »ich bin unterwegs bei der Mutter angesprochen, sie läßt dich vielmals grüßen.«

»Schönen Dank, wie geht es ihr denn?«

»Ganz gut ..«

»Das glaube ich, daß ihr wohl ist, seitdem sie euch Fresser nicht mehr auf dem Halse hat. Hast dir schon Quartier besorgt?«

Nante schüttelte bedächtig den Kopf. »Ich dachte, Ohm Adam, da ich doch in dein Revier versetzt bin, daß du mich aufnehmen wirst.«

Der Alte wischte seine rechte Hand an einem roten Taschentuch ab, schob sich die Mütze von der Stirn zurück und kratzte sich in den Haaren über dem Ohr. Die ganze Prozedur war so komisch, daß die jungen Leute sich kaum das Lachen verbeißen konnten.

»Na, wenn's nicht anders geht, ich werde doch mein Patenkind nicht verhungern lassen!«

»Die Gefahr ist ausgeschlossen. Herr Hegemeister!« warf jetzt Mooslehner ein. »Der Herr Forstmeister hat ihm schon angeboten, ihn als Forstschreiber und in Kost zu nehmen.«

»Weshalb sagst du das nicht gleich, du Lorbaß? Wolltest mich wohl auf die Probe stellen? Das ist dir aber vorbeigelungen. Na, nun kommt 'rein, 'nen Happen verbeißen, dann könnt ihr mitkommen, Krebse fangen. Wenn ich ein Schock zusammen habe, muß ich nach Starrischken. Ihr könnt weiterfangen.«

»Ich habe noch eine Bitte, Herr Hegemeister. Wollen Sie mir Ihre zweite Oberstube und Essen geben? Ich habe doch mit Schnabel getauscht.«

»Na, wenn ich schon zu Nante A gesagt habe, dann muß ich doch zu Ihnen B sagen. Aber wir tun beide klug daran, wenn Sie jetzt noch Wera hübsch bitten« . . .

In Starrischken war eben das Abendbrot aufgetragen, als der Hegemeister mit dem Schock Krebse eintraf . . . lauter Pariser, so nennt der Handel die größten Krebse, die von Ostpreußen nach Paris gehen. Eine halbe Stunde später erschienen sie bereits auf der Tafel, in leuchtendem Rot prangend, dampfend und duftend . . . Bedächtig widmeten sich die vier Herren den schmackhaften Krustern. Man hörte nur das Krachen der Schalen und ab und zu ein wohlgefälliges Grunzen.

Endlich schob der Gutsherr seinen Teller zurück: »Herrschaften, ich kann nicht mehr . . . Das wird einen bildschönen Durst geben. Na, ich habe vorgesorgt. Ich habe deine frischmilchende Kuh 'rüberholen lassen, Degenfeld.«

»Da hört doch die Weltgeschichte auf! Was sollen wir denn morgen zum Hammel trinken?«

»Kunststück! Schickst morgen nach der Stadt und läßt ein frisches Faß holen. Aber nun an die Arbeit, meine Herren.«

Im Nebenzimmer stand schon der Spieltisch wohl vorbereitet. Es wurde ein richtiger Feld-, Wald- und Wiesenskat, ein Hindernisrennen, wie der alte Adam zu sagen pflegte, ein Notbehelf, um die Pausen der sehr lebhaften Unterhaltung auszufüllen . . . Die beiden Cousinen, Erna und Liesbeth, musizierten, die beiden Mütter unterhielten sich . . . Um Mitternacht wurde aufgebrochen. Die Familie Degenfeld brach zuerst auf, sie hatte nicht weit zu gehen, denn der Park von Dietrichswalde stieß unmittelbar an den von Starrischken. Schrader und Krummhaar standen noch einige Minuten mit dem Gutsherrn auf der Freitreppe in eifriger Unterhaltung. Die Nacht war still und sternenklar, aber kalt. Am Himmel funkelten die Sterne wie im Winter . . . tief im Westen schwamm die untergehende Mondsichel über einem dünnen Gewölk.

Im Abgehen fragte der Forstmeister: »Nachbar, sind dir die Kartoffeln knapp geworden, daß du schon die Mieten aufbrechen läßt?«

»Ich, kein Gedanke daran!«

»Nanu? Ich habe doch heute, als ich vorgefahren kam, deine Leute mit 'ner Laterne an der langen Miete hinter der Scheune gesehen.«

»Da soll doch gleich dieser und jener! Das hättest du mir auch früher sagen können; das sind doch gewiß die Astrawischker Tagelöhner gewesen.«

»Gute Nacht.«

Langsam gingen die beiden Grünröcke davon.

»Jetzt werden wir bald einen schimpfen hören,« meinte Schrader lachend, als sie aus dem Hoftor waren, »der Kerl hat mich aber heute sehr geärgert. Woll'n mal einen Augenblick steh'nbleiben.« Es dauerte nicht lange, da kamen aus dem Hoftor drei Mann mit Laternen; eilig gingen sie die Mieten entlang. Sie waren noch nicht ganz am Ende angelangt, da hörte man den Gutsherrn rufen: »So ein verrückter Kerl! Da ist kein Mensch an den Mieten gewesen!«

»Das geht auf mich!« flüsterte der Forstmeister lachend, und laut rief er: »Gute Nacht, Grumkow!«

Nach einer Weile fragte er: »Sagen Sie mal, Krummhaar, haben Sie heute, kurz vor Sonnenuntergang, den Schuß an der Aschwöne gehört?«

»Jawohl, Herr Forstmeister, ich dachte, Sie hätten geschossen.«

»Und ich dachte, das wäre der Schwarzkopf gewesen.«

»Der Schwarzkopf wollte heute nach Lasdehnen fahren, soviel ich weiß . . . aber warten Sie mal, kann nicht schon der Naujoks wieder frei sein? Jawohl . . . heute haben wir den Zwanzigsten . . . gestern ist er freigekommen.«

»Donnerwetter, Hegemeister, daran habe ich gar nicht gedacht. Also morgen früh schnell auf den Anschuß, und dann zu dem Herrn Naujoks. Dem müssen wir so schnell wie möglich wieder das Handwerk legen.«

4. Kapitel

Am andern Morgen in aller Frühe fuhr der Forstmeister mit Krummhaar und Mooslehner zur Nachsuche . . . Im Wiesental stand noch der Nebel über mannshoch. Die Sonne war eben aufgegangen . . . Einen Augenblick erglühten die Wipfel der Bäume in einem hellroten Schein, der mit zauberhafter Schnelligkeit an den Stämmen abwärts lief. Die Vögel schwiegen noch, denn es war bitter kalt, nur der Specht hatte bereits sein Tagewerk begonnen. Ein paar hundert Schritte oberhalb der Brücke, die über das Flüßchen führte, spektakelten einige Krähen, andere kamen eilig dazugeflogen. »Da werden wir wohl die Bescherung finden,« meinte der Forstmeister und deutete auf die Galgenvögel, »und ich stehe mit dem Hund keine fünfhundert Schritt davon entfernt, ich alter Esel.«

»Bitte, keine Injurien gegen unseren Herrn Forstmeister,« erwiderte Krummhaar trocken, »den alten Esel will ich mir lieber zu Gemüte ziehen, denn ich hätte daran denken können, daß der Naujoks wieder los war.« Die Hunde hatten, während der Wagen langsam fuhr, den Waldrand abgesucht. Jetzt gab Schraders Hund Laut, als wenn er ein Stück Wild tot verbellte. Die Grünröcke stiegen aus dem Wagen und gingen der Stimme des Hundes nach. Er stand vor einer verkrüppelten Fichte, deren Zweige den Boden bedeckten. Mooslehner bückte sich und zog unter den Ästen ein Bündel hervor, die Decke eines Rehbocks mit Kopf und Gehörn, die um das Gescheide gewickelt war . . .

»Da haben wir die Bescherung!« brummte der Forstmeister grimmig.

»Ein anständiger Kerl ist er doch,« meinte der Hegemeister, »er schießt nie eine Ricke.«

»Das ist ein schlechter Trost«, erwiderte der Forstmeister. »Aber nun los nach Wersmeninken. Trab, Jons . . .« Eine halbe Stunde später hielt der Wagen an einem ausgebauten Gehöft, das still und friedlich dicht am Walde lag. Eine Margell mit gefülltem Milcheimer kam eben vom Stall her. Als der Wagen auf den Hof fuhr, trat in die Tür des Hauses ein Mann, der sich vor seiner eigenen Haustür bücken mußte, vielleicht noch einen Zoll größer als Nante Schnabel, das Gesicht rund und voll . . . Jedenfalls sah man ihm das Jahr, das er im Gefängnis abgesessen hatte, nicht an.

»Ei, sieh da, die ganze Makunischker Oberförsterei! Na, was führt Sie denn her, meine Herren?«

»Das wissen Sie doch schon, Naujoks,« erwiderte der Forstmeister, »wir müssen wieder bei Ihnen Haussuchung halten.«

»Das lohnt nicht, Herr Forstmeister, ich bin gestern früh erst aus dem roten Hause zurückgekommen.«

»Sie sind aber gestern abend schon wieder in der Forst gesehen worden, und wir haben bereits die Decke des Bockes gefunden.«

»Ich bin gestern nicht mit dem Fuß aus meinem Hause gewesen. Halten Sie mich wirklich noch für so dammlig, daß ich mir werde was ins Haus tragen, was Sie finden könnten?«

»Das werden wir ja sehen, Naujoks. Nun geben Sie die Tür frei . . .«

»Ich denke ja nicht daran, Herr Forstmeister! Erst müssen Sie den Gemeindevorsteher holen lassen. Ordnung regiert die Welt!«

»Und der Knüppel die Menschen!« sagte Krummhaar ruhig. In demselben Augenblick hatte er mit einem blitzschnellen Griff dem Kerl in den Kragen seiner festgeschlossenen Joppe gefaßt . . . dann ein jäher Ruck, der mächtige Kerl stürzte nach vorn . . . In der nächsten Sekunde hatte ihn Mooslehner von hinten mit beiden Armen um die Brust gefaßt. Wie im Schraubstock saß der Riese. Man sah es dem schlanken Mann gar nicht an, daß er in seinen Armen solch eine Kraft besaß. Aus der Tür der Wohnstube sprang ein hochgewachsenes Weib, ein wuchtiges Holzscheit in der Hand. Jetzt begann das Weib auf litauisch zu schimpfen . . . Der Mann, der noch immer gegen die eisernen Arme des Forstaufsehers gerungen hatte, gab jetzt den Widerstand auf und schrie: »Halt' doch das Maul, du dummes Weib! Du schimpfst dir ein Jahr Gefängnis auf den Hals . . . Lassen Sie mich los, Mooslehner, ich werde ganz vernünftig sein.«

»Das ist das beste, was Sie tun können, Naujoks«, erwiderte der Forstmeister, der seinen Drilling von der Schulter genommen und auf den Wagen gelegt hatte. »Lassen Sie ihn los, Mooslehner . . . Wir werden leider euch beide mitnehmen müssen, Sie und Ihre Frau. Ihr müßt lernen, euch der Staatsgewalt zu unterwerfen . . . das müssen wir alle.«

Seine Stimme klang ruhig, aber so eisern hart, daß es auch der wütenden Frau zum Bewußtsein kam, was sie sich eingebrockt hatte. Sie fiel neben dem alten Herrn auf die Knie und haschte nach seinem Rockzipfel, um ihn zu küssen . . . er schritt ihnen voran in die Stube. »So, nun setzt euch hier auf die Bank nebeneinander, ich bleibe bei euch.«

Eine Stunde lang suchten die beiden anderen Grünröcke, die beide Erfahrung darin besaßen, wo die Wilddiebe Fleisch und Waffen zu verstecken pflegten. Naujoks lachte nur ab und zu höhnisch, wenn sie unverrichteter Sache in die Stube zurückkehrten . . . Der Forstmeister hatte sich eine Zigarre angesteckt und schritt langsam vor den beiden in der Stube auf und ab. Das Weib war jetzt klüger als der Mann; es begann zu bitten: ihr Mann hätte wirklich noch nichts verbrochen, und sie hätte sich so sehr aufgeregt. Was sollte jetzt aus der Wirtschaft werden? Jetzt müßte doch der Acker gepflügt und bestellt werden. Wenn sie schon bestraft werden müßte, dann vielleicht im Winter. Der liebe, gute Herr Forstmeister müßte doch ein Einsehen haben. Sie wären doch anständige Leute und würden nicht verschwinden.

»Und gestern abend um sieben Uhr«, fuhr sie mit schnellem Zungenschlag fort, »ist der Gendarm bei uns gewesen von wegen der Polizeiaufsicht, wo doch mein Mann jetzt drunter steht. Da haben wir beide schon zu Bett gelegen, möchte ich gnädigst bitten, zu bemerken, trautster Herr Forstmeister . . . goldener, bester Herr Forstmeister. Ich habe meinem Mann, wie er nach Haus kam, angesagt, ich schlag' ihm alle Knochen im Leibe entzwei, wenn er noch 'n mal mit der Flinte in den Wald geht. Ich bin ja schlimmer daran als 'ne Witwe, die kann sich 'n anderen Kerl nehmen, der ihr Gutes tut. Aber ich muß auf meinen warten, wenn er im Kutzchen sitzt.«

Nach einer Weile fing sie von neuem an: »Sie werden mir vielleicht eher glauben, trautster Herr Forstmeister, wenn ich was Neues erzähle . . . Da ist beim Gastwirt in Serbenten jetzt 'n neuer Knecht. Ich weiß nicht, wie er heißt, aber ich habe schon gehört, daß er fleißig in die Forst geht. Vor acht Tagen war er bei mir und hat gefragt, wann mein Mann 'rauskommt. Auf den sollten Sie lieber aufpassen, da geht das Fleisch gleich über die Grenze.«

Die Grünröcke hatten das vergebliche Suchen aufgegeben . . . Der Forstmeister entschied zu ihrer Verwunderung, daß die beiden Übeltäter nicht verhaftet werden sollten. Die Strafe würde ja nicht ausbleiben, man müsse Rücksicht darauf nehmen, daß die Menschen jetzt ihr Feld bestellen müßten. Der Hegemeister brummte etwas in seinen Bart, was sein Chef glücklicherweise nicht verstand . . .

Als die Grünröcke eine Stunde später vor der Oberförsterei aus dem Wagen stiegen, trat ihnen der Zimmermeister Krause entgegen. Er hatte sich bereits die alte Kabache angesehen und machte den Vorschlag, sie niederzureißen und ein neues Holzhaus aufzustellen, das würde ebensoviel kosten . . . Während er noch sprach, ertönte ein merkwürdig dumpfer und doch lauter Ton, gleich darauf das zweite Mal. Nante Schnabel sprang kerzengerade hinter seinem Tisch in die Höhe und hob die linke Hand mit ausgestrecktem Zeigefinger.

»Herr Forstmeister, haben Sie gehorcht? Was ist das?«

Der Zimmermeister drehte sich lachend um. »Aber, Schnabel, haben Sie noch kein Auto gesehen?«

»Wo soll ich denn solch ein Ding gesehen haben? Einmal in Nikolaiken ist eins durchgefahren . . . aber ich kam zu spät.«

»Gehen Sie mal 'raus, Schnabel, das wird der neue Forstassessor sein.«

Eine lachende und johlende Menschenmenge umstand den ratternden Wagen. Schreiend wich sie zurück, wenn der Chauffeur aus dem Drachenmaul seiner Hupe tutete. Ein kleiner Herr in einem dunkelgrauen Bärenpelz, die Brille vor dem Gesicht, lag zurückgelehnt im Fond des Wagens. Als Schnabel in die Tür trat, richtete er sich auf und warf rücksichtslos seine halb aufgerauchte Zigarette in die Menge. Ein halbwüchsiger Junge fing sie geschickt in der Luft auf und steckte sie sofort in den Mund . . .

»Herr Forstmeister Schrader zu Hause?« Nante mußte wohl die beiden letzten Worte nicht gehört haben, was bei dem Gejohle kein Wunder war, denn er machte ein ganz verblüfftes Gesicht. Dann brach er in ein dröhnendes Gelächter aus: »E nei, unser Herr Forstmeister sieht ein bißchen anders aus. Ich bin bloß der Forstaufseher Schnabel. Aber steigen Sie man ab, der Herr Forstmeister sind zu Hause.«

Der Assessor ließ Pelz und Brille im Wagen und setzte sich zu der Uniform, die er trug, die Mütze auf. Ganz formell erstattete er dem Forstmeister die dienstliche Meldung, daß er zur kommissarischen Beschäftigung in die Oberförsterei Makunischken versetzt sei. Der alte Herr reichte ihm freundlich die Hand. »Willkommen in der Heide, Herr Assessor . . .«

Eine halbe Stunde später ging Herr von Sperling mit dem Zimmermeister, sich seine zukünftige Wohnstätte anzusehen. Er machte zuerst ein ganz verdutztes Gesicht, als er das verwahrloste Häuschen erblickte; dann faßte er sich und ordnete an, was nach seiner Meinung nötig war, die Chaluppe in einen menschenwürdigen Zustand zu versetzen. Eine Bretterverschalung von außen, neue Fenster, eine Vergrößerung der Haustür. Die Zimmer sollten zuerst mit Pappe ausgeschlagen und dann tapeziert werden, auch die verräucherten Deckbalken. Ein neues Strohdach unter allen Umständen. »Den Kostenpunkt erledige ich, lieber Meister,« fügte er hinzu, als Krause bei jedem neuen Wunsch ein längeres Gesicht machte und zuletzt meinte, der Fiskus würde wohl nicht soviel anlegen wollen. »Aber in vierzehn Tagen muß alles fix und fertig sein.«

Zu Mittag ging der Assessor in die Oberförsterei. Sein Vorgesetzter hatte ihn zu einem Löffel Suppe eingeladen. Es gab zuerst einen Teller Beetenbartsch. Mit Vergnügen sah der Forstmeister, wie sein Gast vorsichtig das ihm unbekannte Gericht kostete. Doch die pikante, mit saurer Sahne angerichtete Suppe fand seinen Beifall. Dann kamen gebratene junge Hühnchen auf den Tisch, ganz delikat zubereitet, dazu Gurkensalat. Das Gesicht des Assessors klärte sich immer mehr auf. »Das ist doch erstaunlich, Herr Forstmeister, jetzt um diese Zeit auf dem Lande junge Hühnchen . . .«

»Haben Sie denn geglaubt, wir leben hier bloß von saurem Kumst und Pökelfleisch? O nein, Herr Assessor! Meine Abromeitene hätte Ihnen ebenso gut und schön ein Rebhuhn oder einen Fasan vorsetzen können. Sie braucht bloß in den Keller zu gehen, da stehen in langen Reihen die Gläser. Wenn Sie abends ein paar Krebse bei mir essen wollen . . .«

»Oh, Herr Forstmeister, Krebse? Da nehme ich mit heißem Dank an.«

»Zum Kaffee habe ich uns beim Hegemeister Krummhaar ansagen lassen, in dessen Revier Sie zu kluppen anfangen. Wir hausen hier schon dreißig Jahre nebeneinander und sind gute Freunde. Mit den geistigen Genüssen ist es hier in der Wildnis schlecht bestellt, da halten wir uns durch eine reiche Geselligkeit schadlos. Ich lade mir öfter alle meine Grünröcke ein, und wir schießen fleißig nach Tontauben und Scheiben. Dann haben wir zwei Gutshöfe in nächster Nähe. Da müssen Sie in den nächsten Tagen Besuch machen. Aber ich warne Sie, denn da sind zwei allerliebste Mädel, beide meine Patchen, zum Anbeißen . . . Dann verkehren wir alle bei einer reichen litauischen Bauernfrau. Machen Sie nicht solch ein erstauntes Gesicht, Herr Assessor. Das ist in Wirklichkeit eine gebildete, alte Dame . . . Morgen abend nehme ich Sie dorthin mit. Sie finden dort die Herren Chasseure aus Wartenburg, mit denen Sie auf diese Weise bekannt werden.«

»Und mein Dienst, Herr Forstmeister?«

»Der wird Sie auch nicht zu sehr anstrengen. Sie bekommen als Gehilfen meinen bisherigen Forstschreiber Mooslehner, einen sehr gewandten Menschen, der Ihnen die Sache sehr erleichtern wird. Wenn Sie sich beide daran halten, können Sie ihr tägliches Pensum immer bis Mittag erledigt haben.«

Als sich der Forstassessor nachmittags in dem einfach möblierten, aber sehr sauberen Zimmer des Gasthofes von Makunischken aufs Sofa legte, um etwas über den Dienst nachzudenken, überkam ihn ein behagliches Gefühl . . . Als er die Versetzung in die litauische Heide erhielt, war ihm zumute, als sei er zur Verbannung nach Sibirien verurteilt worden. Jetzt schien es ihm, als wenn sich hier auch leben ließe, nur mußte er sich in die eigenartigen Verhältnisse erst eingewöhnen . . . Auf die litauische Bauernfrau, bei der Jägeroffiziere verkehrten, war er neugierig, auch auf den alten Hegemeister, von dem ihm der Forstmeister einige Schnurren erzählt hatte . . .

Etwas erstaunt war er doch, als ihn der alte Grünrock bei seinem Besuch sehr höflich, aber sehr kühl empfing, und ebenso seine Enkelin Wera, eine brünette, stolze Schönheit, die ihm als Frau Nekrassow vorgestellt wurde. Er hatte das bestimmte Gefühl, daß er der schönen Frau schon irgendwo begegnet war. Er zog es aber vor, nicht zu fragen . . . Ein kleiner Junge von drei Jahren, ein prächtiger Bube mit langen, dunklen Locken, kam hereingesprungen und kletterte ohne weiteres dem Forstmeister auf den Schoß . . .

Dann kam Mooslehner, zum Gang in den Wald gerüstet. Er wollte mit Nante Schnabel ins Revier gehen, um auf den Wilddieb zu fahnden. Dann wollten sie sich auf die Schnepfe anstellen . . . Wenn mit Sonnenuntergang der Nebel stieg, waren die Rehe vor jeder Nachstellung sicher, denn in den dichten Schwaden war es auch dem geschicktesten Wilddieb unmöglich, einen Schuß anzubringen.

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Дата выхода на Литрес:
06 декабря 2019
Объем:
210 стр. 1 иллюстрация
Правообладатель:
Public Domain

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