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Читать книгу: «Der Wagehals», страница 3

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5. Kapitel

Gegen Abend hatte sich ein starker Südwind aufgemacht und den Himmel rasch mit dunklen Wolken bedeckt, die mit Regen drohten. Schweigend schritten die beiden jungen Grünröcke durch den Wald, der unter dem Druck des Windes brauste und stöhnte . . . Ihre beiden Hunde trotteten als wohlerzogene Gehilfen neben ihnen. Es war ein Wetter, wie es sich ein Wilddieb nicht besser wünschen konnte, denn der heftige Wind und das Brausen des Waldes verschlang jeden Knall auf kurze Entfernungen . . .

An der kleinen Brücke, die über die Aschwöne führt, trennten sie sich. Sie wollten langsam, jeder an einer Seite der Wiese, bis zu ihrem Ende aufwärts pirschen und sich dann bis Dunkelwerden auf die Schnepfe anstellen . . . Die Hunde hundert Schritt voraus . . . Schon nach wenigen Minuten gab Mooslehners »Rino« Laut; es war ein richtiges Totverbellen. Schnell lief der Grünrock der Stelle zu. Da lag wieder die Decke eines Rehbocks, wie zum Hohn sauber ausgebreitet, das Gescheide mitten darauf . . . Sofort fiel der Hund die frische Fährte des Wilddiebes an, während Mooslehner durch einen gellenden Pfiff seinen Kollegen herbeirief.

Nun folgten sie beide der Spur, die von den Hunden ohne Mühe ausgearbeitet wurde. Sie führte einen schmalen Waldweg entlang bis zur Chaussee. Dort begannen die Hunde unruhig zu werden. Sie liefen ratlos hin und her und standen schließlich an einer Stelle still. Kein Zweifel, der Wilddieb hatte hier einen Wagen bestiegen, der auf ihn wartete, und war davongefahren.

Nun war guter Rat teuer. Nante schlug vor, sofort bei Naujoks Haussuchung zu halten. Mooslehner hielt es für zwecklos, denn allem Anschein nach hatte der Wilddieb einen Helfershelfer und Hehler, der ihm das gewilderte Fleisch abnahm. Aber schaden konnte es nicht, wenn sie wenigstens feststellten, ob Naujoks zu Hause wäre. Sie wählten den kürzesten Weg quer durch den Wald. Nicht weit von ihnen pflügte Naujoks seinen Acker. Die große Fläche, die er umgeworfen hatte, zeigte deutlich, daß er den ganzen Tag fleißig geschafft haben mußte. Er konnte also nicht stundenlang im Walde gewesen sein.

Ohne sich ihm zu zeigen, kehrten die Grünröcke um. Sie wollten jetzt zum Förster Schwarzkopf gehen und mit ihm besprechen, was zur Ermittlung des Wilddiebes geschehen konnte. Dort harrte ihrer eine große Überraschung. Auf der Veranda des Forsthauses lag ein Schmalreh mit der Schlinge um den Hals. Der Wagen des Försters stand angespannt vor der Tür. Er wollte das Reh nach der Oberförsterei bringen und Anzeige erstatten. Er hatte bald nach Mittag das Reh gefunden und sofort mit seinem Hunde die ganze Schonung abgesucht. Mindestens ein halbes Schock Schlingen hatte er gefunden. Er hatte sie fängisch stehen lassen, denn wenn auch noch ein Reh oder zwei daran glauben mußten, so war es doch das einzige Mittel, den Wilddieb zu greifen, wenn er die Schlingen revidierte.

Der alte Grünrock wetterte nicht schlecht . . . Ein Wilddieb mit der Büchse wäre ein hochanständiger Kerl im Vergleich mit dem Schlingensteller, der sein abscheuliches Gewerbe lautlos betreibt . . . Inzwischen war die Nacht hereingebrochen und so stockfinster geworden, daß man buchstäblich nicht die Hand vor Augen sehen konnte. Es war also ausgeschlossen, daß die Schlingen in der Nacht revidiert werden konnten. Die Grünröcke beschlossen daher, das Reh mit der Meldung nach der Oberförsterei zu schicken, daß sie am anderen Morgen sich an der Schonung anstellen wollten. Eine halbe Stunde vor dem ersten Morgengrauen standen sie auf ihrem Posten. Es war kein leichtes Stück, stundenlang mit gespannter Aufmerksamkeit zu lauern . . . Der Wind hatte nachgelassen, es fiel aber ein feiner Regen, der sich langsam, doch stetig in die Kleider einsog. Endlich gegen Mittag pfiff der Förster ab. Nun durchsuchten sie gemeinsam die Schonung. Eine Ricke hatte sich in der Schlinge gefangen. Für einen Jäger, der sein Wild liebt, war es ein gräßlicher Anblick . . .

Nun hielten sie lange Rat, was mit Aussicht auf Erfolg dagegen geschehen könnte. Am liebsten hätten sie alle Schlingen aufgenommen. Das wäre aber nur ein Notbehelf gewesen . . . Schließlich einigten sie sich darüber, daß der Förster zu Mittag nach Hause gehen und erst gegen vier wiederkommen sollte. Es war sehr wahrscheinlich, daß der Wilddieb das Forsthaus beobachtete und sich erst in den Wald wagte, wenn er sah, daß der Förster zu Hause war. Nante hatte einen Bärenhunger, obwohl er sich morgens reichlich verproviantiert hatte. Mit einer schmerzlich grimmigen Miene zog er sich den Leibgurt enger und schnitt eine junge, daumdicke Hainbuche ab. Der Kerl, der ihm in die Hände fiel, konnte sich auf eine gründliche Tracht Prügel gefaßt machen.

Sie hatten sich etwa hundert Schritt voneinander im Dickicht aufgestellt . . . Langsam verging die Zeit . . . Eintönig rieselte der Regen hernieder. Von den Bäumen tropfte es. Da erschien plötzlich vor Schnabel, der dicht am Reh stand, ein weißer Foxterrier. Als er den Jäger eräugte, tat er einen langen Blaff, dann war er wie der Blitz verschwunden, ehe Nante das Gewehr von der Schulter reißen konnte. Auch der alte brave Hektor konnte den fixen kleinen Köter nicht einholen. Nun zog Nante mit seinem Hund auf der Spur nach, Mooslehner schloß sich ihm mit seinem Hunde an. Aber auf dem Waldwege, der an der Schonung entlang führte, war die Verfolgung wieder zu Ende . . . Daß der Hund sich allein im Walde herumtrieb, war nicht ganz ausgeschlossen, doch nicht wahrscheinlich. Aber wo war er geblieben? Und noch wunderbarer, daß die Hunde auch keine Spur eines Menschen fanden.

Endlich, nach langem Suchen, fanden die Grünröcke die Lösung des Rätsels. Der Wilddieb war zu Rad gekommen, hatte den Hund, der ihn gewarnt hatte, aufgenommen und war davongefahren. Bis zur Chaussee ließ sich die Spur noch verfolgen, dann ging sie verloren . . . Ärgerlich und hungrig gingen die beiden Forstaufseher zur Försterei. Jetzt war es das Richtigste, die Schlingen aufzunehmen, denn der Wilddieb würde wohl sobald nicht wiederkommen.

Der Forstmeister tobte nicht schlecht, als sie mit dem zweiten Reh nach Hause kamen. Das war ja eine nette Bescherung! Gleich zwei Wilddiebe auf einmal im Revier. Einer, der sie am hellen lichten Tage schoß, und einer, der sie nachts in Schlingen fing! Und nicht etwa weit hinten an der Grenze, sondern mitten im Walde, in einem Revierteil, der von fünf Grünröcken behütet wurde.

Der alte Herr war schon den ganzen Tag in schlechter Laune. Er kämpfte mit sich, ob er nach Weschkallen fahren sollte oder nicht . . . Wenn er hinfuhr, zeigte er dadurch, daß er zum mindesten den Vorschlag der Weschkalene nicht ganz von der Hand wies. Er hatte schon ein kurzes Billett geschrieben, das er durch einen Boten hinüberschicken wollte mit der Entschuldigung, daß er sich nicht ganz wohlfühle. Dann hatte er es wieder zerrissen. Ohne daß es ihm zum Bewußtsein kam, prickelte ihn die Neugier, die drugglige Witwe kennenzulernen, die nicht nur bereit war, sondern sogar den Wunsch hatte, ihn zu heiraten. Wenn er daran dachte, dann überkam ihn ein wunderbares Gefühl . . . Mächtige Rauchwolken ausstoßend, schritt er in der Amtsstube auf und ab. Einmal sagte er ganz laut: »Alter Esel . . .«

Nante, der fleißig schreibend an seinem Pult saß, blickte erschreckt auf. Sollte das etwa ihm gelten? »Lassen Sie sich nicht stören,« brummte der alte Herr, »ich habe die Angewohnheit, manchmal laut zu denken. Es galt nicht Ihnen, sondern einem, der die Bezeichnung reichlich verdient.«

Nach einer Weile steckte Abromeitene den Kopf in die Tür: »Welchen Rock werden der Herr Forstmeister zum Abend anziehen?«

»Gar keinen . . . ich bleibe zu Hause.«

»Das wird doch nicht gehen, der Herr Forstmeister haben doch der Weschkalene zugesagt, und der Herr Assessor hat schon anfragen lassen, wann er den Herrn Forstmeister mit dem Auto abholen sollte.«

»Donnerwetter, daran habe ich gar nicht gedacht.«

»Na ja, und dann wird es allgemach Zeit, daß der Herr Forstmeister sich fein machen.«

Brummend stellte er die Pfeife beiseite und ging über den Flur in sein Wohnzimmer. Da stand schon Abromeitene, Kamm und Schere in der Hand. »Ach, laß mich ungeschoren«, fuhr er sie an.

»Nei, Herr Forstmeister, das geht nicht . . . was werden die Leute sagen? Sie werden sagen, die Abromeitene nimmt ihren Herrn aber auch nicht ein bißchen in acht, daß sie ihn mit verwildertem Haar in der Welt herumfahren läßt.«

»Du bist heute mal wieder unleidlich, altes Frauenzimmer.« Wenn er sehr guter oder schlechter Laune war, pflegte er seine Wirtin zu duzen . . . Abromeitene verzog keine Miene. Ihr durch lange Erfahrung geübtes Ohr hörte bereits, daß der Zorn des alten Herrn im Erlöschen war. Er ließ sich geduldig auf einen Stuhl nieder und ließ sich den Frisiermantel umlegen. Während die Schere an seinem Genick herumknipste, brummte er vor sich hin: »Wozu mußt du mich gerade heute scheren?«

»Damit der Herr Forstmeister forsch aussehen. Mein Gott, ich weiß doch alles . . . man hat doch Augen und Ohren, und ich meine, es wäre wirklich nicht das dümmste, was der Herr Forstmeister tun könnten. Ein altes Weib, das allein bleibt, behilft sich schon, aber ein alter Mann muß wie ein kleines Kind aufgewartet werden.«

»Dann nimmt man sich eben 'ne gute, treue Person ins Haus.«

»Ja gewiß, aber eine, die nicht weglaufen kann . . . Sehen Sie, Herr Forstmeister, mit meiner Nichte, der Katinka . . . das ist auch nichts Gewisses. Das ist eine forsche, lustige Margell . . . ein bißchen Vermögen hat sie auch . . . mit einem Male sind Sie sie los. Die greift mit beiden Händen zu, wenn einer sie haben will.«

»Abromeitene, du bist doch ein sehr verständiges, braves Frauenzimmer . . . Hältst du für möglich, daß ein forsches Weib in der Blüte der Jahre an mir altem Kerl Gefallen finden könnte?«

»Ach, Herr Forstmeister müssen sich selbst nicht schlechter machen. Manche Männer sind mit fünfzig Jahren schon klapprig. Aber der Herr Forstmeister sind ein ganz anderer Schlag. Sie brauchen doch bloß an Ihren seligen Herrn Vater zu denken, der über neunzig alt geworden ist. Und bis in sein hohes Alter hat er noch für hübsche Mädchen ein Auge gehabt. Der Herr Forstmeister werden sicherlich ebenso alt und können noch Enkelkinder erleben . . .«

»Nun hör' aber auf, Abromeitene. Soll ich mich auf meine alten Tage noch blamieren und wie ein verliebter Birkhahn um die junge Henne balzen?«

»Na, so jung ist die Henne auch nicht mehr . . . achtunddreißig sind für eine Frau ebensoviel wie für einen forschen Mann Ihre fünfundsechzig . . . Und auf der Weschkalene ihr Wort kann man Häuser bauen, die stiftet nichts an, wo sie ihrer Sache nicht ganz sicher ist.«

Abromeitene war mit dem Haarschneiden fertig. Jetzt seifte sie ihn ein und rasierte ihn. Die Kunst hatte sie von ihrem Vater gelernt, der Barbier war. Jetzt kamen alle Grünröcke und Holzschläger der Oberförsterei zu ihr. Am Sonnabend nachmittag und Sonntag früh war ihre »Dienststunde«, wie sie der Forstmeister scherzend nannte. Sie verstand auch alle die anderen Künste, die ein Dorfbarbier beherrschen muß. Sie zog Zähne, sie verband Wunden, nahm mit der Zunge Fremdkörper aus dem Auge und kurierte Tiere und Menschen mit uralten wirksamen Hausmitteln . . .

Während sie den alten Herrn zum zweiten Male einseifte, um nachzurasieren, fing er wieder an: »Weißt du, Abromeitene, mir ist heute der Gedanke gekommen, ob ich nicht etwa Vorspann leisten soll für einen der Herren Hauptleute, die so fleißig in Weschkallen verkehren . . . Die Madeline Mazat erbt doch mal alles von der Georginne. Das Gut ist bis auf etwas Landschaftsgeld schuldenfrei und unter Brüdern eine halbe Million wert. Wieviel bares Geld vorhanden ist, weiß ich nicht, aber es wird auch ein Dreischeffelsack voll sein. Da müßten doch die beiden unverheirateten Hauptleute Esel sein, wenn sie nicht zugreifen wollten. Daß die Frau ebenso alt ist wie sie, kommt doch in solchem Fall nicht in Betracht.«

»Herr Forstmeister, dann kann ich Ihnen nur eins sagen: passen Sie gut auf, wie ein alter Jäger . . . Eine Frau, die schon mal verheiratet gewesen ist, verrät sich leichter als ein junges Mädchen, wenn sie einem Mann gut ist. Das kommt von der Gewohnheit. Sie brauchen gar nicht so freundlich zu ihr sein.«

»Aber, Abromeitene, ich muß doch erst sehen, ob sie mir gefällt . . . ich kenne sie noch gar nicht.«

»Na, wozu haben wir denn die ganze Zeit hin und her geredet? Erst müssen Sie sehen, ob sie Ihnen gefällt. Man kauft doch keine Katze im Sack. Gefällt sie Ihnen, dann laden Sie sie mal mit der Weschkalene zum Kaffee und Abendbrot ein, und dann wird alles in Ruhe besprochen. Und nun machen Sie ein liebes, freundliches Gesicht, wie ein junger Mann, der auf die Brautschau fährt, machen muß.«

Jetzt lachte der Forstmeister laut auf, während er den Frisiermantel abwarf: »Du bist doch ein ganz verdrehtes Frauenzimmer. Du denkst wohl, weil du die Dummheit mit dem Kallweit machst, soll ich auch eine machen. Na, wollen mal sehen. Jetzt fängt die Geschichte an, mir Spaß zu machen . . . Und laß anspannen, bei der Stockfinsternis will ich doch lieber mit meinem alten Jons fahren als mit dem Auto . . . und schick' zu Krummhaar 'rüber; er kann mit mir fahren.«

6. Kapitel

Auf dem Flugplatz in Johannisthal war es in den Vormittagsstunden stets sehr still. Der Lehrbetrieb pflegte, wenn nicht starker Nebel oder heftiger Wind es hinderte, in den frühesten Morgenstunden einzusetzen. Heute war ein schöner, klarer Morgen gewesen. Die Flugschüler, teils allein, teils unter Begleitung ihrer Lehrer, hatten fleißig geübt und erfreuten sich nun, nachdem sie noch eine Stunde theoretischen Unterricht genossen hatten, der wohlverdienten Ruhe. Einige saßen in der »Schwemme« des Flugplatzes, der kleinen Kneipe am alten Startplatz, in fröhlicher Unterhaltung bei einer Flasche Limonade und besprachen die kleinen Vorkommnisse des Tages . . . Es war heute ein Glückstag, denn es hatte gar kein »Kleinholz« gegeben.

Nur ein Schaf war umgebracht worden. Die dummen Wollsäcke, die ein findiger Großschlächter ohne Aufsicht auf dem Flugplatz weiden ließ, hatten sich schon so sehr an den Lärm der Maschinen gewöhnt, daß sie gar nicht an Flucht dachten, als ein Flugzeug halb unfreiwillig zwischen ihnen landete und einen Hammel abmurkste . . . Jetzt erörterte man die Frage, ob der Fleischer für den Hammel Ersatz fordern könnte.

In den Werkstätten wurde fleißig gearbeitet. Bald hier, bald dort hörte man einen Motor knattern und den Propeller sausen. Da wurden die Maschinen geprüft, die am Morgen benutzt worden waren, ob sie nicht irgendeinen Schaden erlitten hätten.

Im Hangar der Rumpler-Werke lagen zwei junge Offiziere in bequemen Faulenzerstühlen und rauchten schweigend ihre Zigaretten . . . Endlich meinte der eine gähnend: »Wollen wir nicht ins Dorf gehen und uns einen dritten Mann zum Skat suchen? Das ist ja zum Auswachsen stumpfsinnig.«

Der andere warf seinen Stummel weg und reckte stöhnend die Arme weit nach hinten. »Sie haben vollkommen recht, Griesheim . . . wenn ich das vorher gewußt hätte! Wissen Sie, wie ich mir das Leben hier vorgestellt habe? Wie einen frischen, fröhlichen Kampf, der alle Nerven anspannt.«

»Lieber Wundt,« erwiderte der andere, »die Illusion habe ich mir schon vorher abgemacht. Ich war vorher hier auf dem Flugplatz und habe mir den Betrieb angesehen . . . Es war aber die einzige Möglichkeit, aus dem masurischen Nest weg und nach Berlin zu kommen. Wo bloß der Daumlehner bleibt? Der könnte ja den dritten Mann machen.«

»Ganz ausgeschlossen, lieber Griesheim! Der sitzt irgendwo in einer Werkstatt und klaubt an einem Motor herum. Er ist ein Streber . . .«

»Das dürfen Sie nicht sagen, Wundt! Das ist er nicht . . . aber er ist mit Leib und Seele dabei und hat ein merkwürdiges Verständnis für die Konstruktion der Motoren. Ich glaube, er kennt schon alle bis in die kleinsten Einzelheiten.«

»Wenn ich das als den Zweck der Übung betrachten müßte,« erwiderte Wundt aufstehend, »dann hätte ich schon lange auf das Vergnügen verzichtet. Das ist Sache der Monteure. Meine Aufgabe ist das Fliegen . . . Ich weiß, was Sie mir erwidern wollen, aber das muß ich bestreiten. Wenn so eine Kanaille von Motor streikt, wenn ich tausend Meter hoch über der Erde schwebe, dann ist es ganz ausgeschlossen, daß ich trotz der schönsten Kenntnisse das Ding in Ordnung bringe. Dann heißt es kalt Blut bewahren und durch einen kühnen Gleitflug die Knochen heil auf die Mutter Erde hinabzubringen.«

»Das ist ein Gesichtspunkt, den ich gelten lassen muß. Aber wenn Sie bei einem Überlandflug eine Panne haben . . .«

»Dann telegraphiere ich zum nächsten Flugplatz und lasse mir die Monteure kommen. Nein, lieber Griesheim, ich halte es sogar für sehr nötig, zwischen Handwerk und Kunst eine scharfe Scheidelinie zu ziehen. Sonst hätte ich ja nicht brauchen Offizier zu werden, da hätte ich ja gleich die Schlosserlaufbahn einschlagen können.«

»Hallo, Daumlehner,« rief er einem in den Hangar eintretenden Oberleutnant entgegen, »wie wäre es mit einem Dauerskat?«

»Bedaure sehr . . . Ich bin eben beim Major gewesen und habe mir die Erlaubnis geholt, einen längeren Flug machen zu dürfen.«

»Plagt Sie der Teufel? Jetzt gegen Mittag ist doch die gefährlichste Zeit . . . da gibt es böse Vertikalböen, sobald die Erde sich unter den Sonnenstrahlen erwärmt hat.«

»Die will ich eben kennenlernen, um zu wissen, wie ich mich bei einem Überlandflug zu verhalten habe.«

»Na, damit hat's doch noch lange Zeit.«

»Im Gegenteil, ich beabsichtige sehr schnell mein Pilotenexamen zu machen, vielleicht schon heute gegen Abend.«

Der Leutnant von Griesheim war auf ihn zugeschritten und hatte seine Hand gefaßt, um sie derb zu schütteln. »Meine besten Wünsche begleiten Sie, lieber Kamerad. Ich beneide Sie. Die Natur hat Ihnen große Gaben in die Wiege gelegt . . . Bärenkraft und kalte Besonnenheit. Schon beim dritten Aufstieg konnte man Ihnen die Maschine allein anvertrauen, vierzehn Tage später haben Sie sich das Flugzeugführerzeugnis erworben, und noch keinen Span Kleinholz haben Sie gemacht . . .«

Wundt, der dabei stand, spuckte dreimal schnell aus, lief zur Wand des Schuppens und stieß mit dem Daumen dreimal dagegen. Die anderen beiden lächelten. Der Kamerad, der die kühnsten Gleitflüge ausführte, war abergläubisch wie ein altes Weib. Er stieg nie auf, wenn das Publikum ihm beim Start mit den Händen winkte oder Glückwünsche zurief. Und nirgends ist die abergläubische Furcht größer als bei den Fliegern. Die meisten tragen einen Talisman, einen Ring, ein Geldstück oder irgendeinen anderen Gegenstand, an dessen Wirkung sie felsenfest glauben, bis . . . ja, bis ein trauriges Ereignis diesen Glauben zerstört.

Inzwischen hatten Monteure und Arbeiter nicht das der Militärverwaltung zur Verfügung gestellte Flugzeug aus dem Hangar gezogen, sondern eine neue, erst wenige Male geprüfte Maschine.

»Was soll das bedeuten?« fragte Wundt erstaunt. »Haben wir noch ein zweites Flugzeug bekommen?«

»Nein, meine Herren. Ich will es Ihnen unter strengster Diskretion verraten. Ich habe die Maschine gekauft. Wenn ich heute abend meinen Piloten mache, fliege ich morgen früh nach Königsberg. Ich bin bereits um Urlaub eingekommen und unternehme morgen die Fahrt auf mein eigenes Risiko.«

Schweigend trat Griesheim zu ihm heran und drückte ihm die Hand. Draußen knatterte bereits der Motor . . . Daumlehner verschwand in seiner Kabine, um sich für die Fahrt umzukleiden . . . Dann kletterte er auf die Maschine. Der Monteur warf den Propeller an . . . Staub und Sand flog unter der Maschine weg nach hinten. Jetzt hatte der Motor seine volle Tourenzahl erreicht. Die Arbeiter ließen das Gefährt los . . . wie ein Auto fuhr es auf der glatten Bahn dahin, jetzt hob es sich vom Boden . . .

»Der wird noch einmal grobes Geld verdienen, meine Herren«, wandte sich der graubärtige Monteur an die beiden Offiziere. »Sehen Sie mal, wie ihn über dem Wald die Böen schütteln, aber das rührt ihn nicht.«

Daumlehner war nicht, wie es üblich war, nach der ersten Runde niedergegangen, um dann, nachdem sich die Maschine als zuverlässig erwiesen hatte und nochmals untersucht worden war, zum zweiten Male aufzusteigen. Er blieb in der Luft und begann schnell emporzusteigen . . .

Einige Minuten später war er nach Osten zu verschwunden. Erst nach einer Stunde kehrte er zurück, fuhr noch eine Runde um den Platz und landete fünfzig Schritt vor dem Hangar. Sein Gesicht strahlte, als er aus dem Flugzeug stieg. Ein Gefühl stolzen Selbstbewußtseins war über ihn gekommen. Seiner mittelgroßen, aber breitschultrigen Gestalt war nichts von Anstrengung anzumerken . . .

Gegen Abend hatte das schöne Wetter eine große Menschenmenge auf den Flugplatz hinausgelockt. Zehn, zwölf Flugzeuge waren in der Luft. Ganz hoch oben im Äther schwamm eine Rumplertaube. Sie erschien kaum so groß wie ein Schmetterling . . . Es dunkelte bereits, als sie in steilem Gleitflug niederkam. Ein Rauchstreifen, den sie zurückließ, bezeichnete ihre Bahn. Einige Neulinge im Publikum wurden ängstlich, und einer rief sogar: »Die Taube brennt.«

Lautes Gelächter antwortete ihm . . . Mitten auf dem Flugplatz war die Taube niedergegangen, jetzt kam sie wie ein auf der Erde laufender großer Vogel angebraust. Von allen Seiten liefen Offiziere, Flieger, Monteure und Arbeiter hinzu. Der kühne Flieger wurde auf die Schultern gehoben und im Triumph vors Restaurant getragen. Es war Daumlehner, der sein Pilotenexamen mit Glanz bestanden hatte. Seinen vergnügt lachenden Augen sah man es nicht an, daß er ebensoviel geleistet hatte wie alte, erprobte Flieger.

Nach einer Stunde stahl er sich unbemerkt aus dem Kreise der wacker zechenden Freunde und ging zu den Monteuren, die noch mit der Prüfung seiner Maschine beschäftigt waren. Sorgfältig untersuchte er selbst noch jede Schraube, jeden Draht. Dann ging er in seine bescheidene Junggesellenbude und setzte sich an den Schreibtisch. Er war durchaus nicht ängstlich, aber für jeden Fall wollte er doch seinen Eltern und nächsten Freunden einige Zeilen schreiben.

Er hatte länger geschrieben, als er beabsichtigt hatte, und dabei stark geraucht. Jetzt stand er auf, öffnete das Fenster und schaute hinaus in die sternklare Nacht . . . Ob er nicht doch erst morgen einen kleinen Überlandflug von drei, vier Stunden unternehmen sollte . . . und einen Begleiter mitnehmen? Griesheim hatte sich abends angeboten, mit ihm zu fliegen. Im Selbstgespräch schüttelte er den Kopf. Wenn die Maschine nicht versagte, konnte er ebensogut sechs wie drei Stunden fliegen. Eine Viertelstunde später war er ruhig eingeschlafen.

Um drei Uhr weckte ihn rasselnd die Uhr, die er auf seinem Schreibtisch stehen hatte. Während er sich anzog, stellte er seine Kaffeemaschine auf. Dann setzte er sich an den Tisch und futterte langsam, aber gründlich . . . Gegen vier Uhr war er auf dem Flugplatz. Er steckte sich eine Azetylenlaterne an und untersuchte noch einmal seine Maschine bis in die kleinsten Einzelheiten . . . Es begann zu dämmern, als die Monteure erschienen und die Maschine aus dem Schuppen zogen. Hier und dort hörte man schon das dumpfe Donnern, mit dem die Vorderwände der Hangars beim Niederklappen auf den Boden aufschlugen . . .

Langsam schritt Daumlehner zu der Marineluftschiffstation, um sich die Wetteraussichten und Windmeldungen zu holen. Sie lauteten ziemlich günstig.

Es war ein klarer Tag zu erwarten bei mittelstarkem Westwind . . . Inzwischen hatte sich in den Hangars die Nachricht verbreitet, daß der neugebackene Pilot bereits zu einem weiten Überlandflug aufsteigen wollte. Alles, was schon auf war, hatte sich auf dem Startplatz versammelt. Der graubärtige Monteur saß in der Maschine und ließ den Motor gehen. Als Daumlehner zu ihm hinaufstieg, hielt er den Motor an, um sich ihm verständlich machen zu können.

»Herr Daumlehner,« sagte er ernst . . . Rangunterschiede pflegen in solchen Momenten spurlos zu verschwinden . . . »es ist alles in Ordnung. Ich rate aber, erst einige Runden um den Platz zu machen, ehe Sie abfliegen. Sie müssen erst vollkommen überzeugt sein, daß der Motor tadellos funktioniert.«

Fünf Minuten später schwebte die Taube in der Luft. Bei der dritten Runde hörte Daumlehner deutlich, daß die Tourenzahl des Motors nachließ. Sofort ging er im Gleitflug nieder. Er vermutete sofort, daß die Benzinpumpe nicht genug Benzin in den Motor schaffte, und er hatte richtig vermutet. Die Freunde, die ihn umstanden, rieten ihm, für heute die Fahrt aufzugeben und sich erst zu überzeugen, daß der Fehler auch richtig behoben sei.

Nach einer halben Stunde kam der alte Monteur heruntergestiegen. »Herr Daumlehner, wenn bei der dritten Runde der Motor nicht nachgelassen hat, können Sie ruhig abfliegen.« Noch ein Händeschütteln, dann stieg die Taube auf. Langsam schraubte sie sich über dem Flugplatz in die Höhe bis zu etwa tausend Meter, dann schlug sie den Weg nach Osten ein, geradenwegs der Sonne entgegen, die schon ein Stück am Horizont emporgestiegen war. Griesheim, der mit seinem Pernox sie verfolgte, sah deutlich, daß sie von starken Böen geschüttelt wurde; dann verschwand sie in einer lichten Wolke.

Kaum eine Viertelstunde lang hatte der kühne Flieger den ungehinderten Ausblick auf die Erde unter ihm, dann begann die Dunstschicht sich zu verdichten. Die Richtung, die ihm durch die Sonne gegeben war, konnte er nicht verfehlen, aber trotzdem stieg der Wunsch in ihm auf, die Erde zu sehen. Ganz allmählich ging er hinunter, bis die Wolkenwand über ihm lag. Mit ruhigem Blick maß er die Entfernung von der Erde. Sie betrug höchstens zweihundert Meter. Das war zu wenig, wenn er bei seiner rasend schnellen Fahrt durch ein Versagen der Maschine im Gleitflug niederzugehen gezwungen war.

Ruhig zog er das Höhensteuer und ließ seine Taube wieder emporsteigen . . . Das Barometer zeigte zweitausend Meter an, als er über der Wolkenschicht angekommen war. Er stieg noch einige hundert Meter höher. Da oben war es fast windstill. Unter ihm brodelte das Nebel- und Wolkenmeer . . . Ein Gefühl der Einsamkeit überkam ihn, wie den Taucher in der Tiefe des Meeres. Die Worte Schillers flogen ihm durch den Sinn: »Unter Larven die einzig fühlende Brust.« Er mußte dabei lächeln, Larven waren hier keine vorhanden . . . Eine Stunde war er wundervoll ruhig geflogen, dann öffnete sich plötzlich der Blick zur Erde. Kleinere und größere Ortschaften flogen unter ihm rückwärts, ohne daß er erkennen konnte, wo er sich befand. Das kümmerte ihn wenig, denn er konnte noch eine lange Zeit der Sonne gerade entgegenfliegen, ohne aus der Richtung zu kommen . . .

Langsam verging die Zeit . . . Endlich sah er ein breites silbernes Band unter sich. Das konnte nur die Weichsel sein. Weiter ging die Fahrt . . . Da tauchten rechts von ihm große, blinkende Seenflächen auf. Er war zu weit südlich geflogen, denn das konnten nur die großen masurischen Seen sein. Er bog nach Nordosten ab . . . Da . . . hatte sein Ohr sich getäuscht oder? Nein . . . es war schon richtig . . . die Umdrehung seines Propellers hatte sich verringert. Mit kühlem Blick schaute er in die Tiefe. Unter ihm lag die ostpreußische Kultursteppe, glatt wie ein Tisch. Nirgends ein Graben oder eine Hecke. Nur hier und da ein einzelner Baum, der sich vermeiden ließ. Im Spiralgleitflug ging er zur Erde nieder . . . Da, dicht vor ihm ein langgestreckter Stangenzaun . . . Er wollte noch das Höhensteuer anreißen, da stießen auch schon die Räder gegen die oberste Stange . . . Ein Krachen, ein Splittern . . . in weitem Bogen flog er von seinem Sitz . . . über ihm rauschte es, als wenn eine große Woge über ihm zusammenschlüge . . . dann ward es still.

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06 декабря 2019
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