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Kapitel 12
Samstag, 7. Juni 2014, abends, Avenida Ipiranga

Das Edifiçio Coban war drei Kilometer vom Büro der Polícia Civil in der Rua Brigadeiro Tobias entfernt. Gil ließ sich von einem Agente in einem Fiat an die Avenida Ipiranga 200 fahren. Der bekannte Architekt Oskar Niemeyer hatte das Edifiçio Coban in den 50er Jahren entworfen. Die 1163 Wohnungen des weltweit größten Hochhauses waren in den sechziger Jahren der letzte Schrei. In den achtziger und neunziger Jahren gab es den Niedergang. Doch seit 10 Jahren zogen wieder Leute in das Coban. Dort zu wohnen, war wieder in.

Gil kannte das Coban, weil eine Großcousine ihrer Mutter mit ihrer Familie dort lebte. Sie erinnerte sich an langweilige Verwandtenbesuche mit nervigen eingebildeten Cousinen. Die Frau, die sie suchten, lebte in dem Bereich, in dem die wohlhabenderen Familien wohnten. Sie klingelte und nannte an der Sprechanlage ihren Namen und ihre Funktion bei der Polizei. Sie musste ihren Polizeiausweis durch einen kleinen Spalt unterhalb einer dunklen Panzerglasscheibe durchschieben. Der private Sicherheitsdienst prüfte sorgfältig. Erst nach ein paar Minuten sprang die Schleuse mit einem Summen auf, und sie konnte das Coban betreten. Die Frau von Max de Lima lebte im 19. Stock.

Paulo Mineiro hatte sie nach Hause geschickt. Wenn er sich mit dem Umziehen beeilte, konnte er noch rechtzeitig zum Hauptgang in dem libanesischen Restaurant sein.

Die Kommissarin drückte auf die Klingel. Eine weibliche Stimme fragte. „Was wollen Sie?“

Sie hielt ihren Polizeiausweis vor das Kameraauge. „Mein Name ist Gabriella Gil. Ich bin Kommissarin bei der Polícia Civil und möchte mit Ihnen sprechen. Darf ich reinkommen?“

Die Tür summte. Kurz darauf stand sie einer zierlichen Frau mit lockigen Haaren gegenüber. Ihr Lächeln und das helle Leinenkleid machten sie jünger als sie vermutlich war. „Worum geht es?“

„Können wir uns zu dem Gespräch einen Augenblick setzten?“

Die Frau nickte und lief barfuß den Flur entlang. Sie deutete auf ein Sofa und nahm selbst auf einem gepolsterten Hocker Platz. Von dem Panoramafenster hatte man einen grandiosen Blick auf die Lichter der Stadt.

„Also, was wollen Sie von mir?“ In ihrer Stimme lag Ungeduld.

Gil nahm Platz. „Leider ist es eine ernste Angelegenheit. Sie sind Luiza Vargas de Lima?“

Die Frau nickte. „Bitte sprechen Sie! Ich erwarte noch Gäste.“

Jetzt bemerkte Gil, dass im Esszimmer ein Tisch gedeckt war. Sie räusperte sich. „Ich habe leider eine traurige Nachricht. Max de Lima, Ihr Ehemann, ist tot.“

Vargas de Lima reagierte anders, als Gil gedacht hätte. „Er ist nicht mehr mein Ehemann. Wir leben seit Jahren nicht zusammen.“ Sie stand auf und holte aus der Küche eine Packung Zigaretten. Sie zündete sich eine Zigarette an und nahm einen tiefen Zug. „Entschuldigen Sie bitte. Vielleicht denken Sie, ich habe kein Gefühl. Ich bin natürlich traurig, dass mein Ehemann tot ist. Doch ehrlich gesagt, es berührt mich nicht, nicht besonders. Er war schon lange tot für mich. Verstehen Sie das?“

Gil schüttelte langsam den Kopf. Gerne hätte sie auch eine Zigarette geraucht. Sie versuchte sich zu konzentrieren und sagte: „Können Sie es mir bitte erklären?“

Die Frau holte sich einen Aschenbecher, nahm hastig einige Züge. Dann drückte sie die Zigarette wieder aus und öffnete die Tür zum Balkon. „Die letzten Jahre mit Max waren schwierig, extrem schwierig. Die Öffentlichkeit kennt ja nur den erfolgreichen Sportjournalisten und rasenden Reporter. Seit wir verheiratet sind, war er viel unterwegs. Am Anfang fand ich das interessant, aber mit den Kindern war es ein unmöglicher Zustand. Er hat Karriere gemacht, und ich blieb zuhause. Der Kinder wegen.“

Die Frau lief einige Schritte Richtung Küche. Dann fragte sie: „Wollen Sie etwas trinken? Ich hole mir einen Martini.“

Gabriella Gil hätte lieber eine Zigarette genommen. Aber sie sagte nur: “Für mich bitte ein Glas Wasser!“

Die Frau machte sich in der Küche zu schaffen, dann kehrte sie mit zwei Gläsern zurück.

Gil nahm einen Schluck Wasser und versuchte sich zu konzentrieren. „Leider muss ich Sie als Zeugin zu dem Tod befragen. Es gibt Hinweise, dass er ermordet wurde. Ich habe ein kleines Aufnahmegerät mitgebracht. Kann ich unser Gespräch aufzeichnen?“

Ihr Gegenüber nickte. „Ich weiß nicht, ob ich Ihnen helfen kann. Wir hatten die letzten Jahre kaum noch Kontakt.

„Gespräch mit Luiza Vargas da Lima am 7. Juni 2014 in ihrer Wohnung“, sprach die Kommissarin ins Aufnahmegerät. „Sie haben gerade erzählt, dass Sie mit Ihrem Mann kaum mehr Kontakt hatten.“

Die Witwe trank den Martini aus und sagte: „Vor etwa dreieinhalb Jahren hatte Max großen Stress. Ja, auch mit mir. Nach einem Streit lebte ich einen Monat bei meinen Eltern. Noch mehr Stress gab es beim Fernsehen. Sie wollten, dass er noch mehr macht. Mit den Quoten waren sie nicht zufrieden. Es gab einen neuen Chef, mit dem Max nicht mehr klar kam. Das Übliche eben. Dann fand man Unregelmäßigkeiten bei der Spesenabrechnung. Um es kurz zu machen: Max begann zu trinken. Am Anfang habe ich nichts gemerkt. Irgendwann fiel mir auf, dass er schon morgens einen gewissen Pegel brauchte, um in die Gänge zu kommen. Ich machte ihn darauf aufmerksam. Er stritt es ab. Wir zankten uns. Es war schrecklich! Waren Sie schon einmal mit einem Alkoholiker zusammen?“ Vargas de Lima wischte mit einem Papiertaschentuch Tränen aus ihrem schönen Gesicht. Trotz ihrer 52 Jahre hatte sie sich etwas Mädchenhaftes bewahrt. „Die Sache ging über Monate. Getrennte Schlafzimmer. Irgendwann ist er für mich gestorben. Er wurde gefeuert. Ich habe mich von ihm getrennt. Für ihn brach natürlich eine Welt zusammen. Das war vor etwas mehr als zwei Jahren.“

„Wohnten sie noch zusammen?“

Die Frau schüttelte energisch ihren Kopf. „Das wäre nicht gegangen. Max hat mir sogar gedroht. Er musste ausziehen und ein neues Leben beginnen. Erstaunlicherweise ist ihm das irgendwann ganz gut gelungen. Max hat die Kurve gekriegt. Meine Söhne sagen, er hat mit der Sauferei vollkommen aufgehört.“

„Hatten Sie noch Kontakt mit ihm?“

„Nein, das ging nicht. Wir haben es auch nach der Trennung nochmal versucht. Auch wegen unserer erwachsenen Kinder. Seit ungefähr sechs Monaten haben wir nicht mehr miteinander gesprochen. Wir waren 27 Jahre verheiratet, eine lange Zeit. Die Scheidung habe ich eingereicht, doch er hatte noch nicht eingewilligt. Vielleicht hatte er noch Hoffnung.“ Sie strich sich die Haare hinter den Kopf. „Manchmal habe ich von den Kindern etwas von ihm gehört.“

„Leben Ihre Kinder bei Ihnen?“

Vargas de Lima lächelte: „Nur der Jüngste. Ernesto studiert Medizin im 2. Semester und lebt noch hier bei mir. Die beiden übrigen haben ein eigenes Leben. Der Älteste hat mit dem Vater gebrochen. Michele, der Mittlere, stand noch in Kontakt mit ihm, besonders seitdem er mit seiner Frau ein Kind hat. Auch Ernesto traf sich hin und wieder mit seinem Vater.“ Sie atmete tief durch: „Die Nachricht von seinem Tod wird ihn treffen. Er war so froh, dass es Max wieder besser ging.“

„Wie kam es dazu, dass es ihm wieder besser ging?“

„Da müssen Sie meine beiden Söhne fragen. Einzelheiten kenne ich nicht. Ernesto hat nur einmal erzählt, dass er jetzt bei so einer Sekte wäre und regelmäßig in die Kirche ging.“ Sie zündete sich wieder eine Zigarette an und nahm einen tiefen Zug. Dann eilte sie zur Terrassentür und rauchte dort weiter. „Max und die Kirche! Das war früher undenkbar. Er ging nur an Weihnachten in die Messe oder bei der Kommunion unserer Söhne. Religion war seiner Meinung nach etwas für Kinder. Diese Christen scheinen ihm Halt gegeben zu haben. Er hörte mit dem Trinken auf. Und er fand Arbeit bei dem Sender ‚Nova Vida‘.“

„Wann haben Sie Ihren Mann zum letzten Mal gesehen?“

Ihr Gegenüber zögerte. „Das weiß ich nicht. Wir haben uns bestimmt seit einem halben Jahr nicht mehr gesehen. Das letzte Mal waren unsere Anwälte dabei. Es galt, das mit dem Unterhalt zu regeln.“

„Können Sie mir die Telefonnummer von Michele und Ernesto geben?“

Vargas da Lima klemmte die Zigarette in ihren Mundwinkel, ging zum Wohnzimmerschrank und schrieb zwei Mobilnummern auf einen gelben Haftzettel.

Gil steckte den Zettel in ihren Rucksack. Sie dachte nach und fragte: „Wissen Sie etwas von seinen aktuellen Projekten? Haben Sie gehört, in welchen Bereich er gerade recherchiert hat?“

Die braune Frau dachte einen Augenblick nach. Gil hatte das Gefühl, dass ihr ein Gedanke kam. Dann klingelte die Türglocke. „Keine Ahnung. Fragen Sie meinen Sohn. Dio mio, jetzt habe ich meinen Gast ganz vergessen! Und ich bin noch gar nicht ganz fertig.“ Hastig drückte sie die Zigarette aus und trug die beiden Gläser zur Spülmaschine. „Bitte, Sie müssen jetzt gehen. Ich erwarte einen wichtigen Besuch.“

Gil drückte auf die Stopptaste des Aufnahmegerätes, packte es in ihre Tasche und verabschiedete sich. An der Tür begegnete sie einem älteren Mann mit graumelierten Haaren und maßgeschneidertem Anzug. Der Sechzigjährige kam ihr irgendwie bekannt vor. Er küsste Luisa Vargas de Lima auf den Mund. Sie strahlte wie ein verliebtes Mädchen. Nach all den Jahren war ihr dies zu gönnen. Aber einer neuen Verbindung stand möglicherweise Max de Lima im Weg. Dieser Spur musste sie nachgehen. Aus Liebe war schon mancher Mord geschehen.

Nachdenklich lief sie den Weg zur Metrostation. Wenn sie eine gute Verbindung bekam, konnte sie mit dem öffentlichen Nahverkehr in siebzig Minuten zu Hause sein. Es war Samstagabend, morgen konnte sie ausschlafen. Sie überlegte, was sie an diesem Abend noch unternehmen könnte. Auf keinen Fall wollte sie mit ihrer Mutter reden. Das zog sie nur runter. Gestern hatte ihr ein alter Freund eine E-Mail geschrieben. Vor vielen Jahren hatte sie mit ihm Judo trainiert. Vielleicht hatte Leon Zeit, um mit ihr auszugehen. Sie war schon lange nicht mehr im Kino gewesen. Oder Tanzen? Dieser Gedanke hellte ihre Stimmung sofort aus. Nachher im Bus musste sie sehen, ob sie seine Mobilnummer gespeichert hatte. Unvermittelt kam ihr der graumelierte Mann in den Sinn. Erst jetzt fiel ihr auf, dass Vargas de Lima ihn nicht vorgestellt hatte. Aber sein Gesicht hatte sie schon irgendwo gesehen.

Kapitel 13
Pfingstsonntag, 8. Juni, später Nachmittag, deutsches Quartier

Pfingsten war der Familientag im deutschen Quartier. Das Trainingslager in Mexiko war beendet und die Spieler konnten zwei freie Tage mit Ehefrauen, Freundinnen oder Angehörigen verbringen. Die meisten nutzten die beiden Tage, um die Altstadt von Olinda zu besichtigen. Einige reisten zu den weltberühmten Wasserfällen von Iguaçu im Grenzgebiet zu Argentinien. Wenige Funktionäre und Betreuer blieben in der Ferienanlage zurück. Monsignore Michael Braun nahm mit anderen Offiziellen an der Heiligen Messe in der Basilika von Salvador teil.

Cacau machte Forte den Vorschlag, einen evangelischen Pfingstgottesdienst zu besuchen. Zu seiner Überraschung schloss sich ihnen Thorsten Grasse, der Busfahrer der Nationalmannschaft, an. Mit dem Leihwagen des Hotels chauffierte Cacau die beiden Männer in die Innenstadt von Porto Seguro. Schon von weitem sahen sie das lila Leuchtkreuz der „Assembléia de Deus“.

„Die Assembléia de Deus gibt es in ganz Brasilien. Sie hat im Ganzen mehr als 8 Millionen Mitglieder. Hier ist die Gemeinde nicht so groß“, erzählte Cacau. „Ohne diese Pfingstgemeinde hätte ich den Weg zu Jesus nicht gefunden. Dann würde ich heute in einer Baracke wohnen oder im Gefängnis sitzen. Die Gemeinde hier kenne ich nicht.“

Das Kirchengebäude unterschied sich äußerlich nicht von einer Fabrikhalle. Im Foyer hörten sie laute Musik. Ein Mann begrüßte den Fußballer mit einer Umarmung. Im Gottesdienstraum standen viele Menschen und streckten die Arme nach oben. Auf der Bühne spielte eine Band laute lateinamerikanische Rhythmen. In der Halle herrschte eine ausgelassene Stimmung. Die drei Männer suchten sich im hinteren Bereich einen Platz auf einem weißen Plastikstuhl. Cacau stand auf und sang viele Lieder mit. Als die Musik endete, gingen vier Menschen auf die Bühne, um von ihren Erfahrungen mit Gott zu sprechen. Forte wusste, dass man das „Zeugnis ablegen“ nannte. Cacau übersetzte leise einige fromme Statements.

Nun betrat der Pastor die Bühne. Er stellte sich als Bruno vor und gewann die Herzen der Leute durch eine humorvolle Bemerkung. Der Pastor trug ein weißes Hemd über seiner blauen Hose. Er sprach über das Geschenk des Geistes. Seine Rede wurde immer wieder von Applaus unterbrochen. Der zierliche Mann besaß die Gabe, Menschen in seinen Bann zu ziehen.

Cacau flüsterte Forte ins Ohr: „Er hat früher Fußball gespielt. Dann hat er ein schlechtes Leben geführt bis er zu Jesus gefunden hat. Nun ist er ein neuer Mensch.“

Am Ende der Predigt erinnerte Bruno seine Gemeinde an den Zehnten. Mit pathetischer Stimme beschwor er die Menschen 10 Prozent des Verdienstes an Gott zu geben. Wer den Zehnten nicht bezahle, riskierte Gottes Segen zu verlieren. Als einige Mitarbeiter mit dem Klingelbeutel herumliefen, sah Forte, dass sie gut mit brasilianischen Banknoten gefüllt waren.

Zwei Stunden später diskutierten die drei Männer nach dem Mittagessen bei einem Glas chilenischem Cabernet Sauvignon über ihre Eindrücke.

Grasse meinte. „So etwas habe ich noch nie erlebt. Als Konfirmand dauerten mir die Gottesdienste bei uns in Eberstadt immer zu lang. Der Pfarrer war aber ein cooler Typ. Mit dem konnte man sogar zur Eintracht ins Stadion gehen.“

„Ich war ja auch ein paar Mal in Stuttgart in einem Gottesdienst der Landeskirche. Da ist zu wenig Rhythmus für mich. Hier in Brasilien beten die Leute nicht nur mit dem Kopf, sie beten mit dem ganzen Körper, auch mit ihren Gefühlen“, meinte Cacau.

„Das mag ja alles stimmen“, sagte Forte. „Mir fehlt in diesen Pfingstgottesdiensten ein wenig die Ruhe und die Andacht.“

Sie waren die einzigen Gäste im Hotelrestaurant. Die anderen Tische waren leergeräumt. Ein Kellner saß weiter hinten vor einem großen Fernsehschirm. Er zappte sich durch die Kanäle bis er einen Nachrichtensender fand.

„Für mich muss ein Gottesdienst zu Herzen gehen“, sagte Cacau. „In Deutschland sind die Gottesdienste oft ein bisschen steif. Bei uns in Brasilien ist mehr Lebensfreude, vor allem bei den ‚Pentecostales‘.“

Forte wollte gerade nach den finanziellen Unregelmäßigkeiten bei einigen Gemeinden fragen, als er erstarrte. Im Fernsehen sah er das Bild eines Mannes. Er rannte zum TV-Apparat. Der Kellner sah ihn erstaunt an. Forte bat ihn, den Ton lauter zu stellen. Im Fernsehen zeigten sie ein Foto des Mannes, der ihm in der Kirche den Umschlag gegeben hatte. Der Mann hieß Max de Lima und war tot. Die Sprecherin sprach davon, dass er Opfer einer Gewalttat geworden war und die Polizei ermittelte. Forte war geschockt. Er hätte gerne noch mehr gehört, doch inzwischen sprach sie über das Trainingslager der Nationalmannschaft und Bilder der Seleção flimmerten über den Schirm.

„Ist alles in Ordnung? Sie sehen ganz bleich aus,“ fragte Cacau besorgt.

„Ich kann es einfach nicht fassen. Eben haben sie gesagt, dass dieser Mann, dieser de Lima tot ist. Ich habe ihn am Mittwoch in Curitiba in der Basilika gesehen. Dann kamen Polizisten und haben ihn verhaftet. Und jetzt ist der Mann tot.“

Der Spieler des VfB Stuttgart fragte auf Portugiesisch den Kellner. Dann wandte er sich an Forte: „Der Mann hier sagt, dass der Journalist tot in Curitiba gefunden wurde. Sturz vom Fabrikgebäude. Die Männer, die ihn mitnahmen, waren keine Polizisten. Sie hatten die Uniformen gestohlen.“

„Es waren keine Polizisten?“

Cacau räusperte sich: „Leider kommt das in Brasilien vor. Es gibt immer noch viel Gewalt. Max de Lima ist ein bekannter Sportjournalist. In den letzten Jahren hatte er Probleme mit dem Alkohol. In einer Pfingstgemeinde ist er wieder geheilt worden und hat bei einem Sender wieder als Journalist gearbeitet.“

„Soll ich mich bei der Polizei melden? Wo müsste ich dann hin?“

„Für Mordermittlung ist die Polícia Civil zuständig.“ Der Fußballer zögerte. „Ich weiß nicht, ob ich Ihnen empfehlen soll, mit der Polizei Kontakt aufzunehmen. In Brasilien ist der Polizeiapparat manchmal etwas unangenehm. Sie müssen entscheiden, ob Sie sich das zumuten wollen.“

Forte nickte. Ihm war der Appetit vergangen. Gedankenverloren verabschiedete er sich von den beiden Männern und lief den gepflasterten Weg zu seinem Ferienappartement. Das rot angestrichene Holzhaus war in vier Appartements unterteilt. Neben Monsignore Braun wohnten hier noch zwei Physiotherapeuten. In der kleinen Wohnung zog er seine Schuhe aus und legte sich auf das Bett. Die Geschichte mit dem Journalisten ging ihm nicht aus dem Kopf. Er musste unbedingt mehr über Max de Lima herausfinden. In seinen Laptop gab er den Namen des Journalisten in die Suchmaschine ein. Er fand 26790 Einträge. Leider waren fast alle Artikel auf Portugiesisch. Die meisten Einträge beschäftigten sich mit seinem gewaltsamen Tod. Was sollte er nun tun? Er holte den Umschlag aus dem Schrank und nahm den Zettel heraus. Was bedeutete die Abfolge von Buchstaben und Nummern? Ihm kam ein Gedanke. Konnten das Nummernschilder sein? Er ging ins Internet, um sich über brasilianische Nummernschilder zu informieren. Es war eine falsche Fährte. Sorgfältig legte er den Umschlag wieder in den Schrank. Konnte man der Polizei in Brasilien trauen?

Kapitel 14
Montag 9. Juni, vormittags, Rua Brigadeiro Tobias

Ernesto Ribao war normalerweise ein ausgeglichener Mann. 37 Jahre Karriere im brasilianischen Polizeiapparat der Polícia Civil in São Paulo schaffte man nicht ohne gute Verbindungen zu den richtigen Leuten und ein hohes Maß an Gelassenheit. Doch heute war das Gesicht des Direktors der DHPP rot vor Zorn. So glühte er höchstens, wenn er mal wieder mit seinem Sohn stritt, der vor einem Jahr sein Studium geschmissen hatte und nun auf Kosten seiner Eltern lebte.

Um 9:03 Uhr rief die Sekretärin von Ribao bei dem Capitão an. Zusammen mit Gil sollte er um halb zehn beim Direktor antanzen. Mit rotem Gesicht warf Ribao zwei Tageszeitungen auf seinen Schreibtisch. Zweimal schlug er mit seiner Faust auf das Papier und brüllte: „Haben Sie das gelesen? Woher wissen die Zeitungen vom Diebstahl des WM-Pokals? Da kann doch nur einer von unsern Leuten gequatscht haben! Was bezahlen die Schmierfinken für die Weitergabe von Dienstgeheimnissen? Wenn ich das Schwein erwische, dann kann er was erleben!“

Die beiden Kommissare standen schweigend in sicherer Entfernung vor dem rauchenden Vulkan. Mineiro betrachtete intensiv seine Schuhe und schwieg. Gil bemühte sich dem Polizeidirektor nicht in die Augen zu schauen. Sie wussten, wenn ein Mann in seiner Position so außer sich war, dann war Widerspruch zwecklos. Fünf Minuten später hatte sich Ribao wieder im Griff:

„Jetzt hören Sie auf, wie zwei Schüler nach unten zu blicken! Haben Sie eine Idee, wer das den Zeitungsleuten gesteckt haben könnte?“

Gil schwieg und wartete auf die Einlassung des Capitão. Der räusperte sich: „Also Chef, tut mir leid, ich habe keine Ahnung. Ich lese morgens keine Zeitung. Können Sie uns informieren, was in dem Artikel steht?“

Schnaufend nahm der Direktor der Polícia Civil eine Zeitung in die Hand und suchte auf dem Schreibtisch seine Lesebrille.

Während er suchte, meinte die Kommissarin: „Wir haben natürlich die Sache ganz vertraulich behandelt. Ich habe noch nicht einmal zu Hause über diesen Fall gesprochen. Ich kann mir kaum vorstellen, dass es einer von uns war.“

„Heute Morgen um 8:15 Uhr ruft mich der stellvertretende Innenminister aus Brasilia an. Der stellvertretende Innenminister persönlich! Wie peinlich! Er wurde vom Präsidenten des Weltfußballverbandes angerufen. Der Schweizer hat die brasilianischen Polizei im Allgemeinen und unsere Abteilung konkret scharf kritisiert.“ Ribao schlug eine Seite auf. Nun hatte er die Lesebrille gefunden.

„Hier steht in fetter Schrift: ‚Schande – WM-Pokal gestohlen. São Paulo. Ist der Fußballpokal wirklich weg? Kurz vor Beginn der Weltmeisterschaft in Brasilien gibt es große Aufregung. Der berühmte Pokal, den unsere Mannschaft bisher fünf Mal erringen konnte, ist aus dem Tresor eines Luxushotels verschwunden. Gestern erreichte uns diese Nachricht. Können unsere Sicherheitsbehörden nicht einmal einen Fußball-Pokal schützen? Wo ist der Pokal? Die Polizei weiß mal wieder von nichts!‘“

„Chef“, meldete sich Mineiro, „wenn ich den Artikel richtig verstanden habe, dann hat die Zeitung einen Hinweis erhalten. Das könnte doch bedeuten, dass sich irgendwer mit einem Schreiben bei der Redaktion gemeldet hat. Es muss keine undichte Stelle bei der Polizei geben, es können auch die Täter gewesen sein.“

„Das heißt, wir müssen unbedingt mit den Redaktionen der Zeitungen Kontakt aufnehmen, vielleicht ist das eine heiße Spur“, ergänzte Gil.

In den nächsten Minuten informierten sie ihren Chef über den Stand der Ermittlungen. Sie berichteten auch über den toten Journalisten. Ribao, dessen Gesicht inzwischen wieder eine gesündere Farbe angenommen hatte, dachte einen Augenblick nach. „Überlassen sie die Sache mit dem Journalisten der Polícia Civil in Curitiba. Für das Image unseres Landes hat das Auffinden des Pokals absolute Priorität.“

Die beiden Ermittler nickten ergeben. Sie waren schon bei der Verabschiedung, als Gil noch eine Frage einfiel: „Wenn wir mit den beiden Zeitungen Kontakt aufnehmen, werden die Journalisten sicher erfahren wollen, ob das mit dem Diebstahl stimmt und was die Polizei bisher unternommen hat. Was können wir dann sagen?“

Ernesto Ribao legte die Stirn in Falten. „Das ist ein heikler Punkt. Wir können das Thema nicht mehr unter der Decke halten. Der Weltfußballverband muss eine Pressekonferenz machen. Vielleicht können Sie den Journalisten sagen, dass Sie bisher nichts gehört haben, aber den Hinweisen aus der Presse nachgehen. Stellen Sie sich einfach dumm. Das wird Ihnen doch nicht schwer fallen.“ Mit einem Wink waren sie entlassen.

Im Treppenhaus sagte Mineiro: „Wegen dieses blöden Pokals soll der Mord an einem Journalisten zurückstehen. Das passt mir nicht in den Kram.“

„Was schlägst du vor?“

„Die brasilianische Methode: Offiziell werden wir die Anweisung des Chefs befolgen. Doch wir kümmern uns weiter um beide Fälle parallel. Möglicherweise haben sie etwas miteinander zu tun.“

„Siehst du dafür einen Anhaltspunkt?“

„Nee, aber ich habe so ein Gefühl.“

„Apropos Männer und Gefühle. Wie war der Abend beim Libanesen?“

Mineiro zögerte. „Das Essen war hervorragend. Ganz nach meinem Geschmack. Doch ich saß bei so einem Langweiler von der Stadtverwaltung. Mit dem Typen konnte ich nicht einmal über Fußball sprechen. Der Abend war zäh und ich ziemlich müde.“

Bevor Gabriella Gil etwas von dem Treffen mit Leon erzählen konnte, begegnete ihnen Santos mit einem Becher Kaffee. „Können wir mal ein bisschen frische Luft schnappen?“

„Gute Idee“, meinte der Capitão und hielt den beiden seine Schachtel mit den Zigaretten hin.

Gil musste sich konzentrieren, um der Versuchung zu widerstehen. Sie ging in ihr Büro und schaute im Computer nach den Adressen der Zeitungen, die über das Verschwinden des Pokals berichtet hatten. Sie schaute auf ihr Smartphone. Leider war noch keine Nachricht von Leon eingegangen.

Um 10 Uhr fand eine Besprechung mit den Mitarbeitern statt. Mineiro informierte über den Stand der Ermittlung und Gil berichtete von der Befragung der Witwe de Limas.

Lara Komirowski schob eine Haarsträhne aus ihrem Gesicht und meinte: „Ich habe am Freitag endlich die Nummer von Madame Bernoulli erhalten, ihr wisst die Frau des Fußball-Funktionärs, aus dessen Suite der Pokal gestohlen wurde. Ein Kollege aus Brüssel hat mir auf dem kleinen Dienstweg die Nummer des Mobiltelefons dieser Dame beschafft.“

Santos schnalzte anerkennend mit der Zunge.

„Heute habe ich die Frau endlich erreicht. Sie ist auf jeden Fall schlecht auf ihren Ehemann zu sprechen. Sie erzählte, dass er sie jahrelang mit irgendwelchen Weibern betrogen habe. Sie scheint mit den beiden Kindern aus dem Haus ausgezogen zu sein und wohnt bei ihren Eltern. Sie überlegt, die Scheidung einzureichen.“

„Könnte Rache einer betrogenen Ehefrau ein Motiv für den Diebstahl sein“, warf Mineiro ein.

„Möglich wäre es schon“, meinte Komirowski vorsichtig. „Wie sollte sie jedoch hierher nach Brasilien kommen? Oder könnte sie jemanden beauftragt haben?“

„Das klingt eher unwahrscheinlich. Aber es bestätigt unsere Infos aus dem Hotel, dass Bernoulli ein ganz schöner Hengst ist. Wir müssen unbedingt herausfinden, wer diese rothaarige Frau ist.“

Die Blicke richteten sich auf den Capitão. Mineiro schwieg und man sah, wie er seine Gedanken sammelte. „Wir müssen auf jeden Fall den Hinweisen in den Medien nachgehen. Ich bitte dich, Gabriella setze dich mit dem Staatsanwalt in Verbindung, damit wir die Schreiben bei den Zeitungen und bei den Fernsehkanälen bekommen. Santos soll sich mal bei seinen Kontaktleuten bei der Polizei und außerhalb umhören. Jemand muss doch den Diebstahl bemerkt haben. Ich werde mit Komirowski nochmals ins Hotel gehen und diesen Bernoulli ins Gebet nehmen. Sanft aber bestimmt. Bald beginnt die Weltmeisterschaft. Es wäre eine Schande, wenn wir den Pokal bis dahin nicht gefunden hätten.“

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22 декабря 2023
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9783939434245
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