Читать книгу: «Gol», страница 2

Шрифт:

Kapitel 4
Mittwoch, 4. Juni, 9:25 Uhr, Mariott São Paulo

15 Minuten später hielt der Capitão vor dem Haupteingang des Hotels. Ein Bediensteter in blauer Uniform fuhr den Wagen in das unterirdische Parkhaus. Die beiden Polizisten betraten durch eine Schwingtür die Eingangshalle des Luxushotels. Als Mineiro an der Rezeption seinen Dienstausweis zeigte, begleitete ein Hotelangestellter die Ermittler in den fünfzehnten Stock in Suite 2801. Im Marriot herrschte ein reges Kommen und Gehen. Gut gekleidete Männer allein oder in weiblicher Begleitung liefen zum Frühstücksraum. Fußball war eine multikulturelle und internationale Angelegenheit.

Als sie auf den Fahrstuhl warteten, sagte Mineiro: „Bei unserem Gehalt werden wir so ein Hotel nie buchen können. Es sei denn, wir gewinnen im Lotto.“

„Oder wir werden Fußballfunktionär. Da habe ich als Frau jedoch schlechte Chancen.“

„Als Funktionär sicherlich!“ Mineiro grinste. „Hast du nicht gesehen, dass einige hohe Herren in Begleitung sind? Ich möchte mal wissen, wie viele dieser Damen einen Ehering tragen.“

Auf dem Flur vor der Suite standen zwei Kollegen von der Abteilung für Raubüberfälle der Polícia Civil, die für den Stadtteil zuständig war. Der kräftigere von beiden stellte sich mit Salvator vor und führte die beiden Ermittler in die Suite.

„Wow, hier lässt sich gut leben“, flüsterte Gil. „Hier könnte locker eine brasilianische Großfamilie wohnen.“ Weiter hinten knieten zwei Männer in weißen Schutzanzügen auf dem Teppich. Einer hielt eine Lupe in der Hand, der andere assistierte mit einem Plastiktütchen. An dem großen Fenster standen zwei Männer und unterhielten sich leise. Paulo Mineiro ging zielstrebig auf die Herren im maßgeschneiderten Anzug zu.

„Guten Morgen“, begann er in Englisch. „Ich bin Capitão Mineiro, das hier ist Kommissarin Gabriella Gil. Können Sie uns schildern, was passiert ist?“

„Mein Name ist Goldberg. Ich bin der Hotel-Manager. Das hier ist Mister Frank Bernoulli, der Bestohlene. Es ist für uns eine sehr unschöne Sache. Die Täter haben den Safe aufgebrochen.“

„Wo befindet sich der Safe?“

„Der Safe befindet sich in der Kleiderkammer da hinten. Das ist die einzige Suite mit einem besonders großen Tresor. Ich führe Sie hin“, sagte der Hotelmanager.

„Dort sind unsere Leute von der Spurensicherung. Wir lassen sie erst einmal ihre Arbeit erledigen“, erwiderte Gil und wandte sich an Bernoulli: „Sie gehören zur Delegation des Weltfußballverbandes?“ Sie ärgerte sich, dass ihr Englisch so einen deutlichen Akzent hatte.

„Ich bin der Assistent des Generalsekretärs des Weltfußballverbandes. Bald beginnt die Weltmeisterschaft. Das ist für unsere Organisation und für Brasilien eine große logistische Herausforderung. Es gibt jeden Tag viel zu tun. Wir arbeiten von früh bis spät. Und nun das hier.“

„Wissen Sie schon, was Ihnen entwendet wurde“, fragte Mineiro.

Die beiden Männer sahen sich kurz an. Dann sagte Frank Bernoulli: „Der Pokal ist weg!“

„Was für ein Pokal?“, fragte Gil.

Frank Bernoulli starrte die Kommissarin an. Sein Blick schien zu sagen, hat die Frau keine Ahnung, wovon wir reden. Dann meinte der Fußballfunktionär: „Verschwunden ist der berühmte Pokal der Fußballweltmeisterschaft. Er wurde in den siebziger Jahren von dem Mailänder Künstler Silvio Gazzaniga entworfen. Diese Trophäe wird dem Sieger des Turniers des Fußballweltverbandes überreicht.“

„Natürlich kennen wir den berühmten Fußballpokal“, beeilte sich Mineiro zu sagen. „Wie groß ist denn das Ding in Wirklichkeit und was ist es wert?“

Bernoulli seufzte: „ Der Pokal ist etwa 37 cm hoch und wiegt ungefähr 5 kg. Er ist aus Gold, natürlich nicht massiv. Bei dem heutigen Goldpreis liegt der reine Materialwert des Pokals vielleicht bei 19.000 bis 21.000 US-Dollar. Sein ideeller Wert ist natürlich viel höher. In acht Tagen beginnt das Eröffnungsspiel! Ohne Pokal droht eine Katastrophe!“

Kapitel 5
Mittwoch, 4. Juni, 11 Uhr, in der Nähe von Curitiba

Sie standen auf dem staubigen Fußballfeld in Reih und Glied. Mit ihren grau-blauen Schuluniformen erinnerten sie Forte an Rekruten. Aber sie winkten und lachten und einige zappelten aufgeregt hin und her, als die fünf Männer und eine Frau näher kamen. Die Jugendlichen waren deutlich disziplinierter als die Schülerinnen und Schüler in seinem Unterricht. Dann fingen sie an, die deutsche Nationalhymne zu singen. Die Kinder sangen „Deutschland, Deutschland über alles“.

Barbara Schuster schaute irritiert zu dem Pressesprecher. „Ist in diesem Haus noch nicht bekannt, dass von unserer Nationalhymne nur die dritte Strophe gesungen wird?“

Forte musste schmunzeln. Er nahm das Lied mit seiner kleinen Kamera auf. „Klingt so als wäre hier die Zeit stehen geblieben.“

Cacau führte die fünfköpfige Delegation des deutschen Fußballbundes an. Er hatte den Besuch dieses Kinderheimes eingefädelt. Der Fußballer des VfB Stuttgart spielte in den Plänen des Bundestrainers keine Rolle mehr, war jedoch vom Verband als Brasilienkenner und Verbindungsmann verpflichtet worden. „Wichtig ist doch, dass die Kinder singen. Schauen sie einmal mit welcher Begeisterung. Und Deutsch ist für uns Brasilianer ganz schön schwierig.“

Der Schulleiter begrüßte die Delegation: „Herzlich willkommen heißen wir unsere deutschen Freunde im evangelischen Kinderheim ‚Vida‘. Hier leben 43 Kinder und Jugendliche zwischen dem 5. und dem 16. Lebensjahr, die von insgesamt 15 Erziehern und Lehrern betreut werden. Neben der Erziehung zu christlichen Werten und einem Leben in der Nachfolge Jesu spielt bei uns der Sport eine ganz große Rolle.“ Er erzählte etwas über den Alltag an der Schule, die Aufgaben der Jugendlichen und die Projekte. Zum Schluss meinte er: „Wir wünschen der deutschen Nationalmannschaft ganz viel Erfolg und Gottes Segen bis zum Finale. Dann können sie als Vizeweltmeister nach der Niederlage gegen die Seleção nach Hause fahren.“ Die Kinder und Jugendlichen johlten.

Barbara Schuster überreichte einen Umschlag mit einer Spende von 5.000 €. In ganz passablem Portugiesisch las sie einen kleinen Text von ihrem Blatt ab: „Im Namen unseres Präsidenten und im Namen der deutschen Nationalmannschaft überreiche ich für das Kinderheim Vida eine Spende. Möge dieser kleine Geldbetrag helfen, dass Kinder gut aufwachsen und zu nützlichen Mitgliedern der großartigen brasilianischen Gesellschaft werden.“ Sie gab Cacau und dem Pressesprecher einen Wink. „Natürlich haben wir auch für die Kinder noch eine Überraschung.“

Die Kinder klatschen und hüpften, als Cacau den Karton öffnete und Bälle und Trikots zeigte. Nun traten zwei Jugendliche heran und überreichten Schuster kleine Holzkreuze für die deutschen Fußballer, die sie selbst geschnitzt und bemalt hatten.

Danach spielten sie gegen die Schülerauswahl auf dem staubigen Fußballplatz ein kleines Match. Das Team des deutschen Fußballbundes wurde von Lehrern der Schule unterstützt. Schuster stand im Tor und Forte spielte linker Verteidiger. Nach einer Viertelstunde ging ihm die Puste aus. Er spürte seine Beine und ein Seitenstechen. Mit seinen 49 Jahren konnte er bei zwei schnellen Angriffen seinem 15jährigen Gegenspieler nicht mehr folgen. Einmal stoppte er den Angreifer mit einem hässlichen Foul. Am Ende siegten die Schüler 5:2 gegen die Auswahl des DFB und Forte brauchte eine Dusche.

Beim Mittagessen saß Forte mit einer Gruppe Jugendlicher an einem Tisch. Es gab Reis mit Bohnen und etwas Rindfleisch. Die Jungs langten schnell zu und plapperten miteinander. Forte grub nach seinen rudimentären Kenntnissen in Portugiesisch. „Was macht ihr abends hier nach der Schule?“

Ein Junge mit einem Pickel auf der Nase antwortete. „Hier in der Gegend gibt es ja nicht viel. Wir bleiben meistens im Haus. Manche lesen die Bibel. Andere machen Sport. Wir haben hier eine gute Gemeinschaft.“

„Warum lebt ihr hier?“

Die Jungs kicherten. „Einige von uns haben keine Eltern mehr. Die meisten haben noch Eltern. Doch hier gibt es eine gute Schule und eine gute Ausbildung. Es ist schön mit anderen Christen zusammenzuleben.“

Das hörte sich schon etwas auswendig gelernt an, dachte Forte. Er kramte in seinem Wortschatz und brachte stotternd heraus: „Habt ihr noch Kontakt zu euren Familien?“

Wieder redete der Junge mit dem Pickel. Er schien der Sprecher zu sein. „Einige von uns fahren in den Ferien ein paar Tage zu ihren Familien. Aber das ist teuer. Und dort ist nicht viel los. Wir müssen dann im Feld mithelfen. Hier ist es eigentlich besser.“

Um 14 Uhr saßen sie wieder im klimatisierten Kleinbus.

Forte fragte: „Unser Flug nach Porto Seguro startet doch erst um 19 Uhr abends. Können wir vor dem Heimweg noch einen kurzen Abstecher in die Innenstadt von Curitiba machen? In meinem Reiseführer habe ich gelesen, dass die Verkehrsplanung dieser Stadt vorbildlich sei und die Kathedrale sehenswert.“

Der Pressesprecher schaute auf die Uhr. „Ich habe leider keine Zeit. Ich habe einen Termin am Flughafen.“

„Das war nur so eine Idee“, meinte Forte. „Wenn es ein Problem ist, dann fahre ich auch mit allen wieder zurück.“

„Das ist kein Problem. Curitiba ist bekannt für seinen öffentlichen Nahverkehr. Wir setzen Sie an der Bushaltestelle einer Express-Station ab, dann können Sie in die Innenstadt fahren“, meinte Cacau. „Ich wäre auch gerne dabei, aber heute habe ich schon eine andere Verabredung mit einem alten Freund. Mit dem öffentlichen Busverkehr erreichen Sie pünktlich den Flughafen.“

„Ich komme gerne mit und begleitete Sie“, sagte unerwartet Barbara Schuster.

Forte wäre die Begleitung des Fußballers lieber gewesen. Aber er nickte nur.

Kapitel 6
Mittwoch, 4. Juni, Rua Brigadeiro Tobias, São Paulo

Gabriella Gil kaute an ihren Nägeln. Sie wippte auf ihrem Stuhl hin und her. Wann begann endlich die Besprechung? Draußen auf dem kleinen Balkon winkten ihr Mineiro und Santos zu. Sie rauchten eine Zigarette. Ihre Hände kribbelten. Die Sucht hatte sie wieder im Griff. Dabei hatte sich Gil fest vorgenommen, den Wechsel zur Gol São Paulo als persönlichen Entzug zu nutzen. Verdammt, es war härter als gedacht. Sie kramte in ihrem Rucksack nach etwas Essbarem. Die Packung mit den Kaugummis war leer. Auf dem Tisch in dem Büro Mineiros entdeckte sie eine geöffnete Schachtel mit Schokoladenkeksen. Sie schmeckten schon etwas schal. Besser als nichts. Gil stand auf, um aus dem Kühlschrank eine Flasche mit Wasser zu holen. Schnell trank sie zwei Gläser. Disziplin, sie brauchte einfach Disziplin. Sie schaute auf die Uhr. Es war bereits 14:20 Uhr. Capitão Mineiro hatte seine Mitarbeiter um 14 Uhr in sein Büro bestellt, um den Fall zu besprechen.

Für die Spezialeinheit Gol waren einige Zimmer im fünften Stock der Zentrale der DHPP, der Mordkommission der Polícia Civil de São Paulo in der Rua Brigadeiro Tobias frei geräumt worden. Das Büro des Capitão diente zugleich als Besprechungszimmer. Der Blick der Kommissarin schweifte an die Wand. Neben der großen Karte des Bundesstaates hing ein Foto der brasilianischen Präsidentin und ein Foto des heiligen Papstes Johannes Paul II.

Antonio Santos summte eine Melodie, als er sich an den Tisch setzte. Der „Dicke“, wie er in der Abteilung genannt wurde, wog bestimmt 120 Kilo und war kleiner als sie. Auf seiner Stirn bildeten sich ständig Schweißperlen. Er sprach keine Fremdsprache, selbst sein Portugiesisch war kaum zu verstehen. Er nuschelte und verschluckte halbe Silben. Wie hatte es der Dicke nur geschafft zu dieser Spezialeinheit zu kommen?

Als ihr Blick den von Lara Komirowski traf, lächelte die elegante Frau. Sie trug ein enganliegendes Kostüm und wirkte mit ihren dunkelblonden Haaren wie aus einem Modemagazin für Damen ab 50. Sie hatte eine gewisse Ähnlichkeit mit der französischen Schauspielerin Catherine Deneuve. Ihr Vater war kurz nach dem 2. Weltkrieg über London nach Brasilien eingewandert. Ihre guten Sprachkenntnisse und ihre Weltgewandtheit waren sicherlich auch der Grund, warum sie in die Abteilung abgeordnet worden war. Es gab das Gerücht, dass die Zweiundsechzigjährige in den Jahren der Militärdiktatur zum brasilianischen Auslandsgeheimdienst gehörte.

Gerade als Paulo Mineiro die Sitzung eröffnete, betrat Pepe Mayerhofer den Raum. O Alemão war der Leiter der Spurensicherung. Sein Büro befand sich im siebten Stock. Er legte die Papiere auf den Tisch und machte es sich bequem. Wie die meisten Brasilianer tolerierte Mineiro Verspätungen mit großer Gelassenheit.

„Schön, dass ihr alle da seid! Wir haben einen delikaten Fall zu lösen. In der Nacht gab es im Luxushotel Marriott einen Einbruch. Die Diebe haben etwas sehr Kostbares entwendet. Denn im Safe befand sich der Pokal des Fußballweltverbandes.“ Er atmete tief durch und schaute auf den Block mit seinen Notizen. „Wie ihr wisst, haben diesen Pokal die Spanier vor vier Jahren in Südafrika gewonnen. Die Spanier erhielten für die Vitrine ihres Verbandes nur eine Kopie. Das Original steht im Safe der Zentrale des Weltfußballverbandes in Zürich. Seit Dezember vergangenen Jahres ist der Pokal auf Brasilientour. In allen Spielorten war der Pokal zu sehen. Ihr habt bestimmt von den strengen Sicherheitsvorkehrungen gehört. Der Pokal ist etwa 37 cm groß und wiegt 5 kg. Er ist aus Gold und stellt zwei Fußballer da, die eine Weltkugel in den Händen halten. Als vor sieben Tagen die Ausstellung in São Paulo zu Ende ging, wurde der Pokal wieder dem Weltfußballverband übergeben. Eine kleine Eskorte brachte das Ding dann in den Safe des Marriott. Natürlich war der Aufenthaltsort der Trophäe der Öffentlichkeit nicht bekannt.“

„Gibt es Hinweise oder Spuren?“ Gil griff nach einem Keks und legte ihn nach einem Bissen wieder weg, weil er so schal schmeckte.

„Die Suite 2801 im 15. Stock bewohnt Frank Bernoulli, er ist der Assistent des Generalsekretärs des internationalen Verbandes. Der Funktionär bemerkte das Fehlen des Pokals erst heute Morgen. Gestern Abend hatte der Bürgermeister die hochrangigen Fußballfunktionäre zu einem Opernbesuch eingeladen. Heute Morgen öffnete er den Safe. Dabei fiel ihm der Diebstahl auf. Die Sekretärin hat ein Foto dieses Pokals aus dem Internet für alle ausgedruckt.“ Er verteilte das Papier an seine Mitarbeiter.

Santos murmelte: „Den Pokal kennt doch jeder.“

„Der Tresor befindet sich in der Kleiderkammer. Es ist ein modernes englisches Fabrikat und sowohl mit Schlüssel als auch mit Geheimzahl gesichert“, meldete sich Mayerhofer zu Wort. „Die Spurensicherung fand keine Hinweise, die auf eine gewaltsame Öffnung hinweisen. Alles deutet darauf hin, dass jemand den Tresor mit Schlüssel und Geheimzahl geöffnet hat.“

„Wurden Fingerabdrücke gefunden?“

O Alemão lachte und zeigte seine gelben Zähne: „Jede Menge! Die Kollegen, die heute vor Ort waren, konnten die meisten natürlich Bernoulli zuordnen. Auch der Hotelmanager und der Hoteldetektiv haben Spuren hinterlassen, als sie im Raum waren, um den Diebstahl zu überprüfen. Ich verstehe nicht, wie die beiden so unvorsichtig sein konnten! Dann gibt es Spuren, die vom Reinigungspersonal kommen. Die Kollegen konnten noch nicht alles zuordnen.“

„Bernoulli hat in der ersten Vernehmung eingeräumt, dass er nach den Empfängen mit einem Kollegen manchmal in der Suite Grappa trank. Vielleicht waren es auch Parties.“

Lara Komirowski verdrehte die Augen: „So stellen wir uns das Leben der Fußballfunktionäre vor: Dolce Vita im Luxushotel. Sind die Personen schon überprüft?“

Mineiro schüttelte den Kopf. „Der Assistent des Generalsekretärs rückte nur zögerlich mit den Infos raus. Wir müssen ihm unbedingt auf den Zahn fühlen. Aber mit Fingerspitzengefühl. Ihr wisst ja, wie diese Funktionäre sind. Da müssen wir ganz behutsam vorgehen. Der Innenminister hat angeordnet, diesen Personenkreis mit Samthandschuhen anzufassen. Ich habe den Eindruck, dass er nach dem Opernbesuch noch etwas in der Suite gefeiert hat. Ich bitte dich, Lara, ihn diskret zu befragen. Vielleicht sagt er etwas, wenn er allein ist.“

„Wenn es keine Einbruchspuren gibt, dann muss jemand mit Kenntnis der Geheimzahl und mit dem Schlüssel den Tresor geöffnet haben“, sagte Gil. „Hat dieser Frank Bernoulli die Suite alleine bewohnt?“

Mineiro grinste. „Soweit wir wissen ja. Madame Bernoulli wird in einer Woche zur Fußball-WM kommen.“

„Die Kollegen von der Spurensicherung haben im Bad und auch unter dem Bett einige weibliche Haare gefunden“, meldete sich Mayerhofer. „Es handelt sich um Schamhaare, die wir einer Frau mit europäischen Wurzeln zuordnen können.“

„Also keine Brasilianerin“, fragte Gil.

Die anderen grinsten. „Natürlich kann es auch eine Brasilianerin mit europäischen Vorfahren sein“, meinte o Alemão. „Das ist ein erster Hinweis. Wir haben Haare von mindestens zwei Personen gefunden. Ihr müsst herausfinden, wie die Dame oder die Damen heißen.“ „Gut, ich fasse zusammen! Der Pokal ist verschwunden. Es gibt keine Einbruchspuren. Alles deutet darauf hin, dass jemand mit Schlüssel und Geheimzahl den Tresor geöffnet hat. Lara befragt zusammen mit mir diesen Bernoulli. Santos und Gil vernehmen das Hotel-Personal. Auch hier könnte jemand als Täter in Frage kommen.“

„Was um Himmels Willen fängt jemand mit so einem Pokal an? Den kann man doch nicht verkaufen!“ Komirowski schüttelte den Kopf.

„Ein verrückter Fan, Erpressung, Rache am Weltfußballverband, es gibt verschiedene Möglichkeiten. Deshalb darf nichts in die Zeitung. Wir müssen das Ganze sehr diskret und mit absoluter Verschwiegenheit abwickeln. Und schnell!“ Der Capitão blickte ernst in die Runde. „In sieben Tagen ist das Eröffnungsspiel in São Paulo. Da muss das gute Stück im Stadion sein.“

Kapitel 7
Mittwoch, 4. Juni, 15:30 Uhr, Basilika von Curitiba

Um halb vier standen Forte und Schuster vor der weißen neogotischen Basilica de Nossa Senora da Luz.

„Beeindruckende Fassade. Ich hätte nicht gedacht, dass die Kirche so groß ist“, meinte Schuster. „Das ist doch gotisch?“

„Neogotisch.“ Es fiel Forte schwer, freundlich zu bleiben. Lieber wäre er allein in die Kirche gegangen. Er ging zum Eingang und die drahtige Frau folgte ihm. Im Innern musste sich Forte erst an das Licht gewöhnen. Der Aufbau der Kirche war typisch neogotisch und fast europäisch zu nennen. Forte lief Richtung Altar. Dort hing ein riesiges Marienbild. Nur wenige Menschen verloren sich zu dieser Zeit in der Kirche.

„Meinen Sie das Altarbild ist auch aus dieser Zeit?“

Forte tat so, als hätte er die Frage Schusters nicht gehört. Er verspürte keine Lust den Kirchenführer zu spielen, lief einige Schritte zurück und setzte sich in die dritte Bank. Er genoss einen Augenblick die Stille in dem Gotteshaus. Nur leise drangen die Straßengeräusche in das Innere der Kathedrale. Seine Gedanken schweiften zu seiner Familie. Er hatte Samuel ein Foto vom Flughafen in Curitiba gemailt. Als er gestern mit Sabine telefonierte, war sie nicht sehr gesprächig gewesen. Hinter ihm ließ sich jemand auf die Kirchenbank fallen. Eine Hand legte sich auf seine Schulter. Unwirsch fuhr Forte herum und wollte Barbara Schuster anfahren. Überrascht blickte er auf den Mann mit dunklem Dreitagebart, der seinen Zeigefinger auf den Mund legte.

Der Fremde flüsterte auf Englisch: „Hören Sie! Nein, schauen Sie bitte nach vorne! Ich bin Journalist und werde verfolgt. Mein Leben ist bedroht. Ich bitte Sie um einen Gefallen. Bewahren Sie dies für mich auf.“

Mit seinem Fuß schob er einen Umschlag nach vorne unter die Bank. Forte stellt den Fuß auf den Umschlag. Langsam bückte er sich, hob den Umschlag auf und steckte ihn in die Jackentasche.

Leise fragte Forte ohne sich umzudrehen: „Wie heißen Sie? Wie kann ich Sie erreichen?“

Keine Antwort. Als er sich umdrehte, war die Bank hinter ihm leer. Vorsichtig sah er sich in der Kathedrale um. Nirgendwo konnte er den Fremden entdecken. Vorne im Altarbereich stand Schuster und betrachtete die Glasfenster.

Durch das Hauptportal betraten fünf Männer die Basilica de Nossa Senora. Sie trugen schwarze Uniformen der Polizei. Ein Mann blieb am Eingang stehen. Die übrigen liefen mit schnellen Schritten durch das Kirchenschiff. Sie schienen jemanden zu suchen. Einer der Uniformierten riss den Beichtstuhl auf. Forte sah das Entsetzten in den Augen des älteren Priesters. Er legte sein Brevier zur Seite und begann laut mit dem Mann zu schimpfen. Leider verstand Forte zu wenig Portugiesisch. Doch es war klar, dass der Priester von seinem Hausrecht Gebrauch machen wollte. Der Sakristan kam ihm zur Hilfe. Der Anführer der Polizisten sagte etwas. Daraufhin verstummte der Priester und setzte sich auf eine Kirchenbank. Neben ihm nahm der Sakristan Platz. Drei Männer suchten weiter im Kirchenraum. Auf ihren Uniformen stand Polícia Militar.

Unerwartet sah Forte den Fremden wieder. Er kam aus seinem Versteck in einer Seitenkapelle heraus und rannte auf einen Nebenausgang zu. Kurz bevor er die Tür erreichte, wurde er von einem der Polizisten überwältigt. Zwei weitere Uniformierte liefen dazu. Der Fremde schrie etwas auf Portugiesisch. Es klang wie Hilfe. Einige Frauen standen wie erstarrt. Kurz darauf schleppten die Polizisten ihren Gefangenen nach draußen. Alles dauerte nur wenige Minuten. Langsam kam wieder Leben in die erstarrten Gestalten in der Kathedrale. Eine Frau lief zum Priester und zum Sakristan. Sie setzte sich neben ihn auf die Bank und redete auf ihn ein. Dann telefonierte sie mit ihrem Smartphone und reichte das Gerät dem Priester weiter. Forte wachte aus seiner Schockstarre auf. Er versuchte sich das Gesicht des Mannes einzuprägen, der ihm den Umschlag gegeben hatte. Wie sah der Anführer der Uniformierten aus? Er hatte von der Brutalität der brasilianischen Polizei gelesen. Nahm man dort keine Rücksicht auf heilige Orte? Wo war Barbara Schuster? Sie sprach im Altarraum mit einer älteren Frau. Als er neben ihr stand, sah er, dass sie kreidebleich war.

„Was hat der Mann geschrien“, fragte Forte.

„Er hat um Hilfe gerufen. Hilfe, sie wollen mich umbringen oder so ähnlich.“ Sie schüttelte den Kopf. „Keine Polizei.“

Forte murmelte: „Ich hatte solche Angst. Ein brasilianischer Schriftsteller hat bei der Buchmesse vor einem Jahr gesagt, man muss in Brasilien mehr die Polizei als den Dieb fürchten. An den Satz musste ich denken.“

Die Deutsche sah ihn an. „Sind Sie sicher, dass es die staatliche Polizei war? Warum rief der Mann dann ‚keine Polizei‘?“

Forte wollte nur noch raus. „Kommen Sie, wir gehen! Wenn wir warten bis die Polizei kommt, fliegt das Flugzeug ohne uns ab.“

Schuster zögerte. Sie ging zu dem Priester, der sich aufgebracht mit dem Sakristan und zwei Frauen unterhielt und gab ihm ihre Visitenkarte. Nebeneinander verließen sie die Kirche. Auf der anderen Straßenseite sahen sie die Busstation. Als sie in den Express-Bus zum Flughafen einstiegen, fuhren zwei schwarze Fahrzeuge der Polícia Militar mit hoher Geschwindigkeit und Blaulicht auf den Vorplatz der Kathedrale. Fünf bewaffnete Polizisten in Schutzwesten liefen im Laufschritt zum Eingang der Basilika. Sie trugen die gleichen Uniformen wie die Männer, die den Fremden abgeführt hatten. In der linken Seitentasche seiner Jacke spürte Forte den Umschlag.

399
669,35 ₽
Жанры и теги
Возрастное ограничение:
0+
Дата выхода на Литрес:
22 декабря 2023
Объем:
301 стр. 2 иллюстрации
ISBN:
9783939434245
Издатель:
Правообладатель:
Автор
Формат скачивания:
epub, fb2, fb3, ios.epub, mobi, pdf, txt, zip

С этой книгой читают