promo_banner

Реклама

Читать книгу: «Die schwarze Baronin», страница 2

Шрифт:

Er hatte Tränen in den Augen und mir steckten sie im Hals. Stell dir vor, ich konnte mich nur mit Mühe beherrschen. Wir setzten uns auf eine Bank und plötzlich hielt er mich fest in seinen Armen und flehte: „Hilf mir, hilf mir! Dich hat Gott zu mir geschickt, ich fühle es so deutlich; sage mir bitte, wie darf ich dich nennen?“ „Mara“, stammelte ich. Ein namenlos beseeligendes Gefühl hatte mein ganzes Sein erfasst. Wir waren beide ganz still, dieser einzigartige Friede umgab uns, leise rauschten die grünen Wipfel. Wie eine heilige Andacht umgab uns die grüne Waldeseinsamkeit und nur die lustigen Finken sahen unser zagendes Glück! Am anderen Tage fuhren wir auf den Semmering. In Mürzzuschlag beobachtete man jeden Schritt und wir hatten uns viel zu sagen. Dass der Bezirkshauptmann bei mir seine Karte am Vormittag abgegeben hatte, wusste bereits das ganze Mürztal. Wir gingen in den Wald und dort fing ich an, von meinem Leben zu erzählen. Ich sprach davon, wie mein Mann mich so entsetzlich misshandelte, wie furchtbar ich gelitten hatte, wie sich in mir ein Gefühl aufstaue, welches mich fast zu zersprengen drohe. Er sollte einen vollständigen Einblick in mein Leben bekommen. Er sollte mein ganzes Leben kennen – und dies hat er in Briefen an befreundete Personen, die auch bei der Gerichtsverhandlung verlesen wurden, deutlich gesagt. Doch ich will nicht abschweifen. Er verstand mich so gut, war ja auch in ihm diese ungestillte Sehnsucht nach Glück, ein Unbefriedigtsein, eine Empfindung, wie herrlich es sein könnte, wenn zwei Menschen Hand in Hand in tiefer Liebe vereinigt ihr Leben gemeinsam lebten, ineinander und miteinander. Und er schloss mich so fest in seine Arme, als ob er mich nie wieder lassen wollte. Er flehte, er bat: „Sei meine Frau. Auf meinen Händen will ich dich tragen, alles Schwere, was du erlebt und erlitten hast, wird meine Liebe dich vergessen machen. Mir liegt nichts am Geld, darüber mache dir keine Sorge. Tausende leben von Einkünften gleich den meinigen, ich will nur glücklich sein.“ Ich machte ihn darauf aufmerksam, dass er nicht frei sei, dass er schweigen müsse. Und dass ich, obwohl ich ihn unsagbar lieb habe, nicht seine Frau werden könne. Aber er wollte von alledem nichts hören, seine süßen Zärtlichkeiten erstickten mich fast. Ich schloss die Augen und ich konnte kaum fassen, was ich hörte. Mir schwindelte vor diesem Glück, ich liebte diesen Mann mit dem goldenen Herzen, mit dem lauteren Charakter. Und doch konnte ich nicht seine Frau sein, eben weil ich ihn so innig liebte. Mein Franz wollte nicht von mir lassen, ich hatte ihn auf Stürme vorbereitet, habe ihm alles gesagt, ihn gewarnt – aber er sagte nur immer wieder: „Ich lasse dich nicht, ich liebe dich zu sehr, ich kann ohne dich nicht leben.“ Auch ich war noch nicht frei, noch nicht geschieden, mein Mann verfolgte und quälte mich. Wenn er erfuhr, dass mir ein Glück blühte, so zerstampfte er es aus niedriger Rachsucht. Meinen Hinweis, dass es für ihn als Bezirkshauptmann unbedingt notwendig sei, eine reiche Frau zu heiraten, tat er ab mit den Worten: „Und wenn du mit nur einem Hemd zu mir kommst, ich heirate dich und bin glücklich!“ So schrieb er schließlich mit meiner Hilfe an die Mutter der jungen Dame, ihr auseinandersetzend, dass er ihre Tochter nicht liebe und diese Verbindung bei der Verschiedenartigkeit der Charaktere keine glückliche sein könne. Im selben Atemzuge bat er mich erneut, seine Frau zu werden, sprach von seiner Liebe zu mir, erzählte mir, wie er sonst immer so schwer einen Entschluss fassen könne und diesmal so schnell mit sich einig sei.

An diesem Tag war ich auch zum ersten Mal in seinem Büro. Die musterhafte Ordnung auf seinem Schreibtisch, die Wärme, mit der er von seinem Beruf sprach, alles entzückte mich. Am anderen Morgen bekam ich von ihm einen Rosenstrauß mit einem Brief, worin er mir mitteilte, dass er von der Mutter der jungen Dame seine Briefe zurückerhalten habe, ohne Begleitschreiben. Er sei nun frei und komme gegen zwölf Uhr zu mir. Er wolle ganz feierlich um meine Hand bitten. Er sei glücklich und zähle die Stunden, bis er mich als seine Braut in den Armen halten könne. Was meinst du wegen meines Vorlebens? … Denkst du, er hatte ein Problem damit? „Sprich nicht von deiner Vergangenheit, mein süßes Engelsmärchen, sie geht mich überhaupt nichts an. Du regst dich nur auf. Ich will gar nichts wissen. Was geht es mich an, was hinter dir liegt, die Zukunft gehört uns und ich liebe dich so heiß, so grenzenlos“, waren seine Worte und ich konnte nicht anders, als ihm mein Jawort zu geben. Hier kam endlich mein Glück, ich war ihm zum Leben notwendig. An seine äußere Position dachte ich dabei nicht, denn ich wusste, dass wir beide arm waren. Mit ihm an meiner Seite fürchtete ich mich vor keinem Kampf, er wollte mich schützen, er liebte mich, nur mich, meine Seele! Auf einmal war die Welt schön, auf einmal schien die Sonne in mein freudloses Dasein. Es waren die enormen Gegensätze unserer Charaktere, die uns so mächtig anzogen. Das Märchen von zwei Sternen, die sich im weiten Weltall suchten, wurde zur Wahrheit für uns. Weißt du, er war eine schwache Natur, die sich anlehnen musste; ein ewiges Hin- und Herschwanken, ein unfertiger Charakter, dem die „Freistelle“ auf der Theresianischen Akademie den Stempel aufgedrückt hatte. Der von dem Augenblick an, in dem er selbstständig denken konnte, von seinen Eltern nur mit dem Ausblick auf eine steile Karriere gefüttert worden war. Er lernte nie die Stürme des Lebens kennen, andere ebneten ihm die Wege, kampflos fiel ihm alles in den Schoß, ein Kindergemüt steckte in der entzückenden Hülle! Die Jagd nach der reichen Frau hatte ihn müde gemacht. Wo er Geld gefunden hatte, fehlte die Zuneigung, und die Mama erlaubte doch nur eine sehr reiche Heirat. Denn Geld brauchte man: Erstens, um Karriere zu machen, in Österreich noch viel mehr als anderswo, aber auch die Familie brauchte Geld, die Schulden lasteten auf all ihren Mitgliedern.

Nun aber fand mein Franz in mir den starken Charakter, an den er sich anlehnen konnte, er fand eine Frau, die nicht nur die Geliebte des Mannes sein wollte, sondern auch sein bester und treuester Kamerad. Eine Frau, die ganz anders war als die jungen Damen, die er in den Salons kennengelernt hatte. Einen fertigen, festen und selbstbewussten Charakter, ein Wesen, das sich Schätze angeeignet hatte, die nicht dem ewig sich drehenden Rad Fortunas unterworfen sind. Er kannte nichts sonst, als seine Amtsgeschäfte gut zu verrichten. Selbst die Klassiker waren ihm fremd. Seine ganze Widmung bestand darin, ein eleganter Mann mit guten Manieren zu sein. Sein Herz aber war von Gold und seine Liebe brachte mir den Himmel auf Erden.

Es kamen herrliche Tage voll heimlichen Glückes! Nachdem wir uns verlobt hatten, fuhren wir nach Graz zum Notar und machten jeder unser Testament und einen Ehekontrakt. In diesem gab ich natürlich an, dass ich kein Vermögen habe. Später schrieb mein Mann einen Brief an meinen Anwalt, Herrn Doktor Kner, nach Trier, in welchem er ihn bat, die Scheidung voranzutreiben, da ich in elenden finanziellen Verhältnissen lebe! Und da behaupten die Menschen noch immer das Gegenteil! Vor Jahren sagte man mir, eine hohe Persönlichkeit des obersten Gerichtshofes habe sich dahingehend geäußert, dass ich meinem Manne angeblich einen enormen Reichtum vorgeschwindelt habe!

Au contraire! Ich hatte den Heldenmut und zwang meinen Verlobten mein ganzes Leben anzuhören. Seine eigenen Briefe geben Zeugnis davon, dass er alles gewusst hat und mich nur umso inniger liebte. In meinem Glückstaumel dachte ich gar nicht an die Klatschbasen männlichen und weiblichen Geschlechts in diesem Nest. Ich lachte, wenn Franz mich davor warnte, in Reichweite der Mürzzuschlager Megären zu kommen. Mein Empfinden, meine Gedanken, mein Leben waren so rein, dass ich nicht einmal den Schein zu wahren trachtete. Die Leute waren ja auch alle so liebenswürdig zu mir und ich kannte diese erbärmliche Sorte Menschen noch nicht. Trotz meiner Welt- und Menschenkenntnis nahm ich das falsche Getue für bare Münze. Alles Schreckliche hatte ich verdrängt und lebte schlichtweg in der seligen Gegenwart meines jungen glücklichen Brautstandes. Bekanntlich sieht man in dieser Stimmung alles im rosigsten Lichte. Ist es dir noch nie so ergangen? Nein? Oh du Glückliche, kann ich nur sagen! Da ist dir im Leben viel erspart geblieben! Was? … Dann höre mir gut zu, wie sich alles entwickelt hat in Mürzzuschlag. Täglich kamen anonyme Briefe des gemeinsten Inhaltes. Diese Briefe charakterisierten die Gesinnung der Mürzzuschlager.

Franz aber teilte seinen Eltern und seinem Bruder unsere Verlobung mit und bat um ihren Besuch. Seine Familie leistete der Einladung Folge und kam am 26. Juni vollzählig nach Mürzzuschlag. Die Mutter, eine furchtbar hässliche Frau mit einem unförmigen, dicken Leib, einem hageren, von roten Flecken entstellten Gesicht, sah aus, als ob sie in einen sauren Apfel gebissen hätte. Der Vater ist Kavalier, der Bruder ein nichtssagender Mann; seine Frau erinnert lebhaft an den Martinsbraten – oder wie nennt man die weißen Vögel vom Kapitol? Die ersten Worte, welche seine Mutter an mich richtete, waren: „Meine Gute, mein Sohn besitzt gar nichts, kein Vermögen!“ Bleich vor Entsetzen über diese Taktlosigkeit erwiderte ich: „Oh Madame, das macht doch überhaupt nichts aus!“ Bei Tisch zankte sich die ganze Familie und Franz wurde immer nervöser und sagte seiner Mutter unglaubliche Grobheiten; einzig die junge Frau seines Bruders fühlte das Ungemütliche der Situation nicht, weil das Essen sie zu sehr in Anspruch nahm. Herzlich froh war ich, als die Herrschaften wieder abreisten. Diese „Familie“ war der erste Wermutstropfen im Becher meines Glückes. Ich wurde mit Briefen seiner Mutter überschüttet. Was wollte sie nicht alles wissen! Wo mein Geld lag, wie viel es sei, wie es angelegt sei, ob es auf Franz’ Namen geschrieben werden würde. Ich antwortete kühl und höflich, dass mein Bräutigam über meine Verhältnisse genau unterrichtet sei.

Unsere Brautzeit wurde durch die Quälereien seiner Mutter und durch die anonymen Briefe der Ortsbewohner getrübt. Von allen Seiten legte uns der ach so moralisch denkende Pöbel nahe, wir sollten endlich diesem unhaltbaren Zustand, unverheiratet zusammenzuleben, ein Ende bereiten. Mein Schatz war furchtbar nervös, wir litten grenzenlos, unsere Liebe aber wuchs von Tag zu Tag. Sie wurde durch diese Widerwärtigkeit nur intensiver. Franz weinte, als ich vom Fortgehen sprach und in Anwesenheit seines Vaters bat ich ihn aufrichtig, mich ziehen zu lassen. Seine Mutter hatte ihren Mann nach Mürzzuschlag geschickt, um Franz heimlich zu sagen, wie es um meine Vergangenheit stehe. Merkwürdig, wenn ich jetzt so darüber nachdenke: Immer, wenn der Vater nach Mürzzuschlag kam, zitterte ich. Er brachte nur Unglück. Noch am selben Tag reiste ich nach Wien, damit mein Franz einen klaren Kopf bekommen konnte. Ich wollte den ganzen Intrigen, die seine Mutter ständig spann, entfliehen. Mein Liebling war jedoch zu schwach, um seinen Eltern Paroli bieten zu können. Ich sage dir: Schwache Menschen sind das Produkt ihrer Umgebung. Sie selbst kann man dafür nicht verantwortlich machen. Und du irrst dich, wenn du glaubst, ich hätte meinen Franz vor die Alternative gestellt: „Entweder du heiratest mich, oder ich bleibe in Wien!“, so wie es mir angedichtet wurde. Franz war es, der mir geschrieben hat: „Ich erschieße mich im selben Augenblick, in dem du sagst, dass du für immer gehst!“

Mir lag nur sein Glück am Herzen. Und erst als er mich überzeugt hatte, dass ich wirklich sein Glück bedeutete, ging ich nach Mürzzuschlag zurück – fest entschlossen, unter allen Umständen die Gattin des heißgeliebten Mannes zu werden. Ich wollte alles tun, was eine liebende Frau nur ersinnen kann, um meinen Auserwählten glücklich zu machen. Nach meiner Rückkehr nagte aber eine innere Unruhe an uns beiden. Um diesem qualvollen Zustand ein Ende zu bereiten, aber auch aus Angst, dass mich diese Quälereien ermüden könnten, ging er dann schließlich zum Pfarrer in Mürzzuschlag und holte sich dort Rat. Auch er selbst hatte aufgrund des Geredes im Ort keine Ruhe, um seiner Arbeit nachgehen zu können. Er war neu in seinem Amte und wusste: Wenn er seinen Aufgaben nicht gewachsen war, würde er diese Anstellung verlieren, die ihm und seiner Familie das hohe Ansehen brachte.

Das alles sah ich und konnte nichts ändern. So befürwortete ich seinen Schritt, sich dem hiesigen Pfarrer anzuvertrauen. Der Pfarrer riet zu schleuniger Hochzeit und wollte mich sehen. Mein Herzensschatz bat mich, auf keinen Fall über mein bitteres Schicksal zu sprechen, denn der hochwürdige Mann mit dem niedrigen Horizont würde es nicht verstehen. So erzählte ich dem Pfarrer also nur, dass ich eine geschiedene Frau und noch nicht frei sei. Dass meine Dokumente bei einem Prozess gebraucht würden und nicht zu meiner Verfügung stünden. Auf seine Frage, ob mein ehemaliger Gatte noch am Leben sei, erwiderte ich, dass ich nichts von ihm wisse. Für mich sei er nicht mehr auf der Welt. Auch sagte ich dem Pfarrer, dass, wenn er mich, weil ich eine geschiedene Frau sei, nicht trauen könne, wir auf andere Art zum Ziele kommen würden. Er jedoch meinte, das sei für ihn kein Hindernis. Daraufhin bat Franz den Pfarrer, ein feierliches Eheverlöbnis in der Kirche von Mürzzuschlag vorzunehmen, er werde danach beruhigt sein. Am 15. Juli fand dieses Eheverlöbnis in der geschlossenen Kirche statt. Du kannst dir vorstellen, dass ich auf diese Lösung nur deshalb eingegangen bin, weil ich hoffte, dass nun endlich Ruhe in unsere Beziehung einkehre. Aber meinem Franz reichte das Eheverlöbnis nicht. Nach geraumer Zeit erklärte er mir, es müsse auf schnellstem Wege etwas gefunden werden, das es uns ermögliche, vor der ganzen Welt als Ehepaar zusammenzuleben und nicht nur unter dem pöbelhaften Volk in Mürzzuschlag. Er schrieb an meinen Anwalt in Trier, der den Scheidungsprozess führte, dass ich geneigt sei, alle Schuld auf mich zu nehmen, dass er ihm sogar ein Extrahonorar geben wolle, wenn er die Scheidung beschleunige, denn der Pfarrer warte bereits auf meine Dokumente. Außerdem werde er zwei Wochen Urlaub bekommen, nachdem der Kaiser mit dem Zaren zur Jagd in Mürzsteg gewesen sei, und plane in dieser Zeit die Hochzeitsreise. Ich war schockiert, doch dem nicht genug. Um den Quälereien seiner Eltern zu entkommen, teilte er ihnen unsere bevorstehende Hochzeit mit und dass ich 300.000 Kronen für ihn deponiert habe. Seine Mutter wollte ja nur das viele Geld. Dann ging er zum Pfarrer, der ihm versprach, ein Eheverlöbnis in Form einer richtigen Hochzeit vorzunehmen. Er zeigte mir ein Dokument, das folgenden Wortlaut hatte: „Um der Braut des Herrn Bezirkshauptmannes zu ermöglichen, unter dem Schutze ihres zukünftigen Gatten vor den Verleumdungen und Anfeindungen eine Zuflucht zu finden, nehme ich in Form einer Hochzeit ein feierliches Eheverlöbnis vor. Doch hat diese Ehe vor dem Gesetze keine Gültigkeit!“ Dieses Schriftstück schrieb der Pfarrer, stempelte es und versah es mit dem Kirchensiegel. Nach der Hochzeit sei das Schreiben von den Trauzeugen zu unterfertigen und außer uns und den beiden Herren würde ja niemand davon erfahren. Erst nach einer tatsächlich rechtmäßigen Trauung sollten die Daten ins Kirchenbuch eingetragen werden. Mein Mann gab dafür 600 Kronen! Meine Scheidungspapiere waren zu dieser Zeit noch immer nicht in Mürzzuschlag eingelangt. Dem Bürgermeister musste er ebenfalls ein paar Hundert Kronen zustecken, damit er keine Schwierigkeiten betreffend gewisser Unstimmigkeiten zur Formalität machen konnte. Zu meinem Franz, der selig war, sagte ich: „Du bist ja der Hüter des Gesetzes und musst wissen, ob das angeht, was ihr da vorhabt!“

Ohne mein Wissen erteilte mein Verlobter Dispens vom dreimaligen Aufgebot und die Hochzeit legte er für den 9. August 1903 fest, es sollte eine Überraschung für mich sein. Erst eine Woche vor dem Hochzeitstermin, als er sein Ziel unmittelbar vor Augen hatte, wurde er ruhiger und erzählte mir alles. Du kannst dir sicherlich vorstellen, wie verwundert ich war, doch er beruhigte mich: „Die Hochzeit ist ein gutes Zeichen, sagen die Leute, und alle freuen sich für uns!“ Die wenigen Tage vergingen wie ein süßer Rausch, wir zählten die Stunden, machten Pläne, richteten im Geiste die Wohnung ein und lebten in heller Glückseligkeit. Und dann kam der große Tag, der uns die Erfüllung unserer heißesten Wünsche brachte. Ein Sommertag voll Sonnenschein und Blumenduft. Die kirchliche Feier war wundervoll. Wie kann ein Mensch dankbareren Herzens zu seinem Schöpfer gebetet haben als wir vor dem Altar? Nach der Zeremonie hielten wir uns umschlungen, als könnten wir uns nicht mehr aus den Armen lassen. Mein Gesicht war von seinen Freudentränen benetzt, wir fanden nur mit großer Mühe unsere Fassung wieder, um die Glückwünsche der Gäste in Empfang zu nehmen. Das Diner im Hofwartesalon des Bahnhofs war ausgezeichnet und die Stimmung, dank des sehr reichlichen Sektgenusses, eine ungemein fröhliche. Nur die Familie meines Mannes stimmte nicht ein in die allgemeine Fröhlichkeit. Meine Schwägerin war wütend, dass sie neben dem Bürgermeister sitzen musste und „nicht standesgemäß“ platziert war. Der Herr Bürgermeister erzählte so ausgiebig, wie er schwitzte. Am Abend fuhren wir dann nach Wien, ein Teil der Hochzeitsgesellschaft gab uns bis zum Semmering Geleit. Still saßen wir nebeneinander, mein Mann hatte mich fest in seinen Arm genommen. Wir sprachen beide kein Wort. Nach den Kämpfen der letzten Zeit umfing uns jetzt die wohlige Gewissheit: Nun gehörten wir zusammen. Dankerfüllten Herzens genossen wir dieses Glück. Nur ab und zu stammelte mein Franz: „Mein Märchen, du mein süßes Frauerl, jetzt bist du mein!“ Und nun stell dir vor: Unterwegs bemerkte mein Mann, dass er sein gesamtes Gepäck vergessen hatte! So stieg er aus, um zu telegrafieren, und in seiner großen Nervosität vergaß er wohl, zur rechten Zeit wieder in den Zug einzusteigen. Ja, so war er! Der Zug fuhr ohne ihn ab und erst in Wiener Neustadt trafen wir uns nach einigen Stunden wieder. Wir hielten uns etliche Tage hier in Wien auf und fuhren anschließend weiter nach Ungarn zu Verwandten meines Mannes, lieben, prächtigen Menschen, denen ich in meinem Herzen stets ein warmes Andenken bewahren werde. Sie verstanden meine Antipathie gegen meine Schiegermutter und erzählten mir Geschichten aus dem Leben dieser Frau. Ich könnte dir hässliche Sachen erzählen, aber ich mag nicht weiter im Schmutz wühlen. Wie bitte? … Warum ich mich dann mit dieser furchtbaren Frau geeinigt habe? … Oh Gott, das ist eine eigene Geschichte und für diese ist es heute wohl zu spät, meine Liebe, du entschuldigst. Gut, eine Frage noch! … Warum ich diese fünfte Ehe eingegangen bin? In erster Linie aus Liebe, denn die wahre Liebe lernte ich mit meinem Franz kennen und deshalb war diese Liebe, die sich unbewusst in meinem Herzen aufgespeichert hatte, so intensiv, so elementar. Es gibt aber auch, außer der Liebe, einen anderen zwingenden Grund – das heißt, für mich gab es ihn. Nämlich die Hilflosigkeit eines Mannes. In mir ist ein starker Hang zur Opferfreudigkeit. Sie hat mir, bis ich die Liebe kennenlernte, diese ersetzt. Das schöne, starke Gefühl erfüllter Pflicht ist beinahe Glück! Hätte man meinen Mann und mich zusammengelassen, es wäre mit jedem Tage ein vollkommeneres Glück geworden. Ich hätte diesen Mann meiner ersten, herrlichen Liebe hinaufgetragen zum höchsten moralischen Fühlen. Doch leider, diese glühende, verlangende Liebe und das schrankenlose Sich-Hingeben konnten keinen Bestand haben. Frevelnde Hände wühlten in unserem Heiligtum und ich habe nicht im Geringsten daran gedacht, dass ich beneidet werden könnte. Mir ist dieses Gefühl so fremd, ich hatte auch gar keine Zeit, an Böses zu denken in dieser wonnigen Zeit. Oh herrliche, süße Zeit. Worte vermögen unser Glück nicht zu schildern. Die Hochzeitsreise endete in Tatrafüred und die Natur stimmte uns auch so freudig, wir machten ganz allein herrliche Spaziergänge am See. Ich denke an die Abende auf unserem Balkon, dieses ganze wonnige Liebesleben mit seinen tausend so nichtssagenden Geheimnissen, die alle so süß sind. Oh Gott, jetzt, wo ich in Erinnerung an die wundervolle Hochzeit mit meinem Franz schwelge, werde ich ganz sentimental, entschuldige. Ich muss mir die Nase putzen. Siehst du, wie meine Hände zittern? Ob das irgendwann vergehen wird? … Ich denke nicht. Wie du siehst, bin ich eine von ihrem schweren Schicksal gezeichnete Frau.

Du bist bestimmt neugierig, wie es nach unserer Hochzeitsreise weitergegangen ist. Ich möchte dir diese schreckliche Geschichte nicht vorenthalten, sie war der reinste Horror für mich. Es wundert mich heute noch, wie ich diese furchtbare Zeit in Leoben im Gefängnis überleben konnte. Wie? Du wusstest nicht, dass ich tatsächlich im Kerker war? Ob ich dir davon erzählen möchte? … Ich bin mir nicht sicher, ob ich alles noch einmal in Erinnerung bringen soll. Das wird schwer und im Moment fehlt mir fast die Kraft dazu, es dir zu erzählen. Außerdem ist es mir heute bereits zu spät geworden. Wann hast du wieder Zeit? Oh, morgen schon? … Wirklich? Also dann bis morgen, meine Liebe. Ich freue mich sehr darauf und werde mich heute ausruhen. Hier, im Hotel Imperial, um 9 Uhr, ja? Also meine liebe Freundin, bis morgen dann!

***

Wartest du schon lange auf mich? Entschuldige, dass ich mich verspätet habe. Nach den vielen Erinnerungen, die sich gestern wie ein grauer Nebelschleier über meine Seele gelegt haben, ist es mir heute früh sehr schlecht gegangen. Es hat mich viel Kraft gekostet, überhaupt aufzustehen. Warum ich trotzdem gekommen bin? … Ich bin eine Kämpfernatur, auch wenn mich das ganze Leben kränkt. Kennst du das? Nein? Dann hast du es besser, ich beneide dich fast. Auf verschiedenste Art und Weise drückt mir die Verzweiflung immer wieder mein Herz zusammen. Wenn ich jedoch denke, wie sehr mich mein Franz geliebt hat, wird es langsam wieder. Und gerade aus diesem Grund bin ich da, wie du siehst. Ich möchte dir unbedingt weiter erzählen, wie stark unsere Liebe war. Obwohl ich denke, nein – heute weiß ich es mit Sicherheit, dass ich ihn mehr geliebt habe als er mich. Anscheinend muss es im Leben so sein, dass es einen gibt, der den anderen mehr liebt. Warum ich denke, dass er mich weniger geliebt hat? … Ach, mein Herzchen, vielleicht verstehst du das noch nicht! Über diese Frage brauche ich nicht lange nachzudenken. Es liegt auf der Hand. Als die ersten wirklich ernsten Probleme aufgetaucht sind, hat er mich einfach zurückgelassen. Er ist gekommen, war für mich da und ist wieder gegangen. Ein seltsamer Zug des Lebens. Denn als er weg war, dachte ich, nicht mehr weiterleben zu können. Doch gleichzeitig wurde mir bewusst, dass er immer noch da war. Meistens ist es so, dass die Zeit alles bereinigt, auf ihre eigene und einzig mögliche Art. Doch diesmal war mir klar, dass nichts mehr in Ordnung kommen würde. Ich wäre gerne gleichgültig gewesen und konnte es nicht. Heute weiß ich, was geschehen ist, und ich weiß auch, warum alles so geschehen ist. Doch davon etwas später.

Wo war ich gestern mit meinen Erzählungen stehen geblieben? Genau, die Hochzeitsreise! … Es waren wirklich wundervolle Tage in Ungarn und dann kamen die Heimfahrt und bald darauf das böse Erwachen. Kannst du bitte den Ober rufen? Ich möchte mir einen starken Kaffee und ein Glas Wasser bestellen. Danke. Also mein Liebster und ich waren wieder zurück in Mürzzuschlag. Wir wohnten noch die ersten Tage im Hotel, während ich unser Nest einrichtete. Mein Herzensmann durfte nichts sehen, es sollte eine Überraschung sein. Ach, wie ich schaffte, wie ich arbeitete, wie ich immer und immer nachsann, was ihm wohl noch eine Freude bereiten könnte, und endlich kam der große Tag, an dem ich meinen geliebten Franz im Triumph durch unser Heim führte! Wie soll ich dir dieses jauchzende Glück nur schildern – jedes Stück musterte er und bei jedem Einzelnen erinnerte er sich: „Dies haben wir dort gesehen und ich sagte dir, dass es mir gefällt. Jenes habe ich mir damals gewünscht, mein Märchen, hier ist ja alles nur für mich eingerichtet. Bei allem dachtest du nur an mich und an meine Bequemlichkeit, mein Frauerl, mein Märchen.“ So hat er mich am liebsten genannt, mein Märchen. Entschuldige, wenn mir erneut die Tränen kommen. Das geht gleich vorbei. Wir herzten und küssten uns, dann begann die Wanderung aufs Neue und als wir müde wurden und uns zum ersten Mal im eigenen Heim, im gemütlichen Schlafzimmer zu Bett legten, da stieg ein heißes, inbrünstiges … Nein, nein, nicht was du denkst! Es stieg ein inbrünstiges Dankgebet aus meinem Inneren zu Gott empor. In diesem Augenblick vergab ich all den Menschen, die sich uns in den Weg gestellt hatten, um unser Glück zu verhindern. Ernsthaft nahm ich mir vor, meiner Schwiegermutter eine gute Tochter zu sein. Wir arrangierten uns. Du kannst mir glauben, ich habe mein Versprechen gehalten! Mit wahrem Feuereifer begann ich mein Hauswesen. Mein herziger kleiner Haushalt lief bald wie ein Uhrwerk. Lach jetzt nicht, das kann man sich ruhig so vorstellen! Sämtliche Leute, die uns besuchten, waren entzückt über unser Heim, dessen Zauber sich niemand verschließen konnte. Ob ich keine Zofe hatte, willst du wissen? … Natürlich hatte ich eine Zofe, ein junges und eifriges Ding, Anuschka. Sie war sehr hübsch. Ich hatte sie von einer meiner weiten Reisen mitgebracht. Sie hat mir seinerzeit sehr leidgetan. Ihr vorheriger Dienstherr hatte sie sehr schlecht behandelt, sogar geschlagen, und da habe ich mich aus Mitleid ihrer angenommen. Sie war sehr verängstigt und ihre Stellung hat sich durch mich schnell geändert. In Mürzzuschlag war sie für mich mehr eine Freundin als eine Dienerin. Außerdem war ich sehr sparsam, erledigte das Meiste im Haushalt selbst und so konnte Anuschka sich im Hotel „Post“ ein kleines Zubrot verdienen und sich ein eigenes Zimmer neben unserer Wohnung leisten. 50 Kronen zahlte ich ihr dafür, dass sie mir zur Hand ging. Du siehst, wir lebten bescheiden. Mein Mann hatte außer seiner Dienstwohnung nur 400 Kronen monatlich Gehalt, davon musste er mindestens ein Drittel wieder ins Amt stecken, da das Pauschale viel zu gering war. Für meine gesamte Wirtschaft brauchte ich pro Monat gerade einmal 200 Kronen, trotz der teuren Verhältnisse im Semmeringgebiet. Ich musste ja in Mürzzuschlag auch alles teurer bezahlen. Später dann ließ ich mir, zum Verdruss der Mürzzuschlager Geschäftsleute, das, was ich brauchte, aus Wien schicken. In den zehn Monaten meiner Ehe habe ich mir nicht einen Heller vom Geld meines Mannes genommen. Auch besitze ich kein einziges Geschenk meines Mannes! Stell dir vor, mein Mann hatte Schulden, von denen ich erst viel später erfuhr. Sogar die Quartiersfrau seiner letzten Wohnung in Wien hier, Fräulein Gusti, schrieb diesbezüglich an mich, da sie auf mehrere Briefe an meinen Mann keine Antwort erhalten hatte. Ich bezahlte stillschweigend. Von nun an liefen täglich Mahnbriefe ein. Mein Schatz hatte an unserem Hochzeitstag gerade noch den Rest seines Gehaltes, nämlich 300 Kronen. Kannst du dir so etwas vorstellen? Ich bezahlte das Hochzeitsdiner, die Hochzeitsreise und gab einen Großteil meines Vermögens hin, um seine Schulden zu decken. Damit es nicht auffiel, brach ich einzelne Steine aus meinem wertvollen Schmuck und verkaufte sie. Dass ich anstelle der echten Steine falsche setzen ließ, geschah nur, um meinem Mann keine Demütigung zu bereiten. So sehr habe ich ihn geliebt. Hätte er mein Herzblut tropfenweise verlangt, ich hätte es ihm freudig gegeben. Verstehst du jetzt meine Worte vorhin, dass meine Liebe größer war als die seine? In Mürzzuschlag glaubten alle, dass mein Mann nur den schönen Körper liebte und meine Seele, meine Charaktereigenschaften ihm gleichgültig waren. Ich müsste lügen, wenn ich nicht zugeben würde, dass sich die ganzen Männer in Mürzzuschlag nach mir umdrehten. Wahrscheinlich konnten ihnen ihre eigenen Frauen, die mir sehr prüde schienen, nicht solche Reize bieten, wie ich sie hatte. Jedoch gehörten meine Reize lediglich meinem Franz und er liebte meine Seele, wenn auch nicht ganz bewusst. Er war eben auch nur ein Mann, der aber meinen Charakter achtete und bewunderte. Mit nicht wiederzugebendem Entzücken genoss er alles, was ich ihm zeigte und bot. So erfüllte ich ihm mit Verständnis all seine unausgesprochenen Wünsche, die ich ihm von den Augen ablas. Er hielt es kaum wenige Stunden ohne mich aus. Gewiss war seine Liebe auch eine sinnliche, nur war ihm die Sinnlichkeit nicht Hauptsache und ich versuchte Maß zu halten. Auch im intimsten ehelichen Verkehr, wenn ich dir das so sagen darf, ließen wir uns niemals gehen, alles hatte eine gewisse Weise und stets genossen wir unsere heiße, stürmische Liebe als etwas Neues, sogar Heiliges!

Ich will dir seine eigenen Worte wiederholen: „Schatz, wie ist bei uns doch alles so heilig, was gibt mir dein tiefes Gemüt für ein grenzenloses Glück! Aber sag, wirst du mich auch lieben, so wie jetzt, wenn ich, was vielleicht bald sein wird, dich nur noch küssen kann?“ Ich habe ihm sehr ernst geantwortet, dass das, was er meint, doch nicht die „Hauptsache“, dass die wahrhaftige Liebe davon doch ganz unbeeinflusst sei. Eine Ehe wie die unsere basiere doch auch auf gegenseitiger Hochachtung. Die Gewohnheit, die Intimität des Ehelebens muss ja den Liebesrausch mit der Zeit dämpfen, dies sei ein Naturgesetz. Wenn jedoch dann die Freundschaft und die Hochachtung bleiben, so sei das ein herrlicher Ersatz für den Sinnesgenuss. Dieser Mann soll mich „Luder“ genannt haben? Nein, ich kann es nicht glauben, ich will mir wenigstens sein Andenken erhalten. Das Leben ist ja jetzt so elend für mich. In meinen Gedanken an ihn, den ich heute noch immer innig liebe, will ich die traurige Gegenwart vergessen. Wir lebten ganz für uns. Die Leute in Mürzzuschlag waren so minderwertig. Spießbürger, deren einzige Beschäftigung Klatsch und Tratsch waren. Eine entsetzliche Sorte von Menschen, engherzig, verdummt, nicht die geringste Gemeinsamkeit verband uns mit ihnen. Ich kam mir zu gut vor, als dass ich ihre neugierigen, albernen Fragen beantworten wollte. Mir war neu, dass Menschen so neugierig und dumm zugleich sein konnten. Warum ich dann in Mürzzuschlag geblieben bin? … Die Liebe zu meinem Mann wird zu meinem Schicksal, dachte ich, und durch seine Anstellung als Bezirkshauptmann waren wir an Mürzzuschlag gebunden. Ich versuchte ruhig und freundlich zu bleiben, hatte keine wirkliche Angst mehr vor dem hetzenden Pöbel in Mürzzuschlag. Ich sagte mir: Das sind alles Gescheiterte – und dieser Gedanke erfüllte mich nicht mit Befriedigung, sondern ich fühlte plötzlich Mitleid. Hast du schon einmal ein tiefes, demütiges Bedauern für jemanden empfunden? Nein? Es ist so, wie wenn man merkt, dass andere etwas Unpassendes tun und man selbst viel zu reif ist, um sie zu tadeln, weil sie auf einer bestimmten Stufe der Entwicklung stehengeblieben sind. Nur wenn diese Leute mich besuchten, war es eine Qual für mich. Ich bemerkte, wie sie mit Unverstand und Unvermögen jedes Stück, welches in unserer Wohnung stand, prüften. Sie fragten nach den Preisen, wunderten sich über alles, erfassten nichts. Mit dreister Neugier wurde alles aufgenommen; mir bereitete dieses Zerstückeln unseres Heiligtums fast körperliche Schmerzen. Öffentliches Ärgernis erregte es in Mürzzuschlag, dass ich lieber auf eine „gute Stube“ verzichtete und mir stattdessen ein Badezimmer einrichten ließ. Wenn die Besucher unser Schlafzimmer sehen wollten, wurde ich grob und so schuf ich mir Feinde. Ich gab auch keine Kaffeegesellschaften, fragte die Leute nie etwas, was mir allerdings nicht als Zartgefühl, sondern als Interessenlosigkeit ausgelegt wurde. Wenn ich ehrlich bin, war ich diesen Menschen gegenüber eine sehr schlechte Zuhörerin. Ob ich keine Freunde hatte in Mürzzuschlag? … Natürlich hatte ich auch Freunde, aber es waren sehr wenige und sie gehörten eher zu den armen Leuten, die von der Welt noch nicht viel gesehen hatten und zu meinem einfachen Mann passten. Um ehrlich zu sein, muss ich dir sagen, dass mein Mann geistig nicht sehr begabt war. Gelernt hatte er nichts, als ein liebenswürdiger Mensch zu sein und seine Amtsgeschäfte nach bestem Wissen und Gewissen zu erledigen. Lebenserfahrungen konnte er sich bei seiner Erziehung kaum bis gar nicht aneignen, ebensowenig Weltkenntnis. Bei unseren herrlichen Wanderungen über Berg und Tal weckte ich andere Interessen in ihm. Dieses große Brachfeld zu bearbeiten, dünkte mich eine himmlisch schöne Aufgabe. Abends las ich ihm die Klassiker und Nietzsche vor, plauderte von meinen Reiseerlebnissen, erschloss ihm eine neue Welt!

1 046,38 ₽