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Kapitel 5

Später im Büro begann Riedmann sofort damit, ein paar allgemeine Informationen über die Polizei der DDR zusammenzutragen. Er wollte vor allem verstehen, welche Strukturen innerhalb der Polizeibehörden geherrscht haben und in welche Aufgabenbereiche die einzelnen Abteilungen aufgeteilt gewesen waren. Darüber wusste er so gut wie gar nichts. Es überraschte ihn zu sehen, dass gewisse Sektionen der DDR-Polizei im Grunde direkt dem politischen Staatsorgan der SED untergeordnet waren. Riedmann hatte diesbezüglich eine sehr aufschlussreiche Dissertation im Netz gefunden. K1, wie auf Neumanns Polizeimarke zu lesen war, war die politische Polizei der DDR, genauer gesagt des Ministeriums des Innern, MdI. Neben der allgemeinen Arbeitsgebiete, wie dem Vorgehen gegen organisierte Wirtschaftskriminalität oder Straftaten gegen Leben und Gesundheit, zeichnete sich die Abteilung vor allem durch ein Arbeitsgebiet aus: Ermittlungen mit geheimdienstlichen Mitteln gegen potenzielle Staatsfeinde der DDR! Da Georg Fuchs ausgesagt hatte, dass Neumann vor der Wende in Dresden gewohnt hatte, wollte er hier ansetzen und die Dresdner Kollegen um Amtshilfe bitten. Er konnte nur hoffen, dass es überhaupt noch Unterlagen aus der Zeit bis 1989 gab.

Kapitel 6

Hansen wollte gerade einen Blick in die Kopie von Neumanns Personalakte werfen, die ihnen der Chef der WUSA ausgehändigt hatte, als es an der Tür klopfte. Laura Decker reckte ihren Kopf ins Zimmer.

»Was kann ich für dich tun?«

»Die Frage sollte eher lauten, was ich für dich tun kann, Karl?«, erwiderte sie keck, trat ein und nahm auf einem der beiden unbequemen Plastikstühlen vor Hansens Schreibtisch Platz. »Ich wollte dich an meinem profunden Wissen hinsichtlich des Tatortes in Herbert Neumanns Haus teilhaben lassen.«

»Na dann schieß mal los«, erwiderte er und lehnte sich in seinen Stuhl zurück.

»Der Täter muss Handschuhe getragen haben. Wir haben im gesamten Haus nur Fingerabdrücke vom Hausbesitzer selbst gefunden. Wir haben sowohl in der Küche als auch im Wohnzimmer Faserspuren sicherstellen können, die wir natürlich noch auswerten müssen. Am Hals, genauer gesagt an den Wundrändern der Strangulationsmale, haben wir ebenfalls Fasern sichergestellt. Ich vermute, dass es sich bei dem Seil, das verwendet wurde, um handelsübliche Massenware aus dem Baumarkt handelt. Der Abgleich mit der Datenbank läuft aber noch. Die Brandwunden, die wir auf dem Körper des Opfers gefunden haben, wurden dem Mann definitiv mit Zigaretten zugefügt. Wir haben Aschereste an der Leiche und im Bereich rund um den Stuhl sicherstellen können. Leider war der Mörder clever genug, die Zigarettenstummel einzustecken. Sonst hätten wir ein wunderbares Genprofil gehabt. Aber da wir diverse Hautschuppen an der Kleidung des Opfers gefunden haben, die vom Täter stammen könnten, bin ich zuversichtlich, dass wir da bald einen Schritt weiter sein werden.«

»Das hört sich schon einmal vielversprechend an.« »Außerdem haben wir ein paar Haare am Opfer sicherstellen können. Wir gehen davon aus, dass sie zum Täter gehören, da sie nicht zu Herbert Neumann passen. Demnach hatte unser Mörder kurzes schwarzes Haar. Aber da sie keine Wurzeln hatten, wird uns das im Moment nicht weiterbringen.«

»Habt ihr das Handy des Toten im Haus gefunden?«

»Haben wir. Ist bereits zur Auswertung im Labor. Ich habe auch schon eine Anfrage gestartet, ob ein anderes Handy am Wochenende am Tatort eingeloggt war.«

»Gibt es irgendeinen Hinweis darauf, ob bei dem Einbruch Wertgegenstände entwendet wurden? Vielleicht wurde Neumann ja gefoltert, weil er das Versteck für seinen Schmuck, sein Bargeld oder was auch immer nicht preisgeben wollte«, meinte Hansen.

»Da muss ich dich leider enttäuschen. Die Klunker seiner verstorbenen Ehefrau lagen unberührt in einem Kästchen. Es sah nicht so aus, als ob sich da jemand zu schaffen gemacht hat. Außerdem haben wir in einem Möbeltresor im Schlafzimmer ein paar Goldmünzen gefunden. Die hätte der Mörder wohl kaum dagelassen, wenn es ihm um Wertgegenstände gegangen wäre«, erklärte die KTU-Chefin.

»Nein, wohl kaum. Wie ist der Täter eigentlich in das Haus gelangt? Habt ihr Einbruchsspuren gefunden?«

»Ich kann dir mit Sicherheit sagen, dass er die Terrassentür aufgebrochen hat. Allerdings sind auch in diesem Fall unsere Untersuchungen noch nicht abgeschlossen. Mehr dazu dann später. Und sobald mir die Ergebnisse der Auswertungen der Fasern, Hautpartikel und Handydaten vorliegen, melde ich mich bei dir«, erklärte die KTU-Chefin und kaum, dass sie zu Ende gesprochen hatte, war sie auch schon wieder verschwunden.

Der Hauptkommissar widmete sich Neumanns Personalakte. Viel gab es da nicht zu lesen. Gerade, als er sie schließen wollte, weil keine neuen Erkenntnisse daraus zu gewinnen waren, klopfte es. Die Kollegen Beck und Marquardt hatten ihre Befragung von Neumanns Nachbarn beendet und wollten Bericht erstatten.

»Besonders ergiebig waren unsere Nachforschungen nicht gerade«, begann Marquardt, der normalerweise eher seinem Kollegen das Wort überließ. Offenbar hatte er wegen der Verspätung am Tatort heute Morgen ein schlechtes Gewissen, dachte Hansen. »Die Nachbarn meinten, dass Neumann ein komischer Kauz war. Irgendwie immer mies gelaunt. Er schlug regelmäßig Einladungen aus, und wenn er ausnahmsweise einmal auf einen Geburtstag ging, war er sehr wortkarg. Seit dem Tod seiner Frau war das alles noch schlimmer geworden. Sonja Neumann war laut übereinstimmenden Aussagen aller Nachbarn überhaupt der Grund, warum die Neumanns so etwas wie ein nachbarschaftliches Verhältnis hatten. Sie war wohl das genaue Gegenteil von ihrem Mann. Wahrscheinlich hätte seine Leiche noch einige Zeit unbemerkt im Haus gelegen, wenn Paulus ihn nicht zur Arbeit hätte abholen wollen. Jedenfalls konnten uns die Nachbarn nicht wirklich viel über den Mann erzählen. Allerdings haben wir mehrfach zu hören bekommen, dass er sich Kindern gegenüber nicht besonders einfühlsam gezeigt hatte. Das hat wohl auch immer mal wieder zu kleineren Streitigkeiten geführt, weil er zum Beispiel strikt die Einhaltung der Ruhezeit einforderte«, erklärte der Ermittler, löste das Gummi, mit dem seine schulterlangen Haare zusammengebunden waren, und band sie erneut zu seinem Zopf zusammen.

»Das dürfte wohl kaum als Motiv für die Tat ausreichen«, unterbrach Hansen Marquardts Ausführungen. »Aber das passt zu der Aussage des ehemaligen Kollegen Georg Fuchs, der uns auch erzählt hat, dass unser Opfer kein Kinderfreund gewesen sein soll.«

»Niemand aus der Nachbarschaft konnte sich vorstellen, wer ein Motiv haben könnte, Neumann zu ermorden, obwohl er ganz offensichtlich nicht sonderlich beliebt war«, ergänzte Beck abschließend.

»Und doch hat es jemand getan«, erwiderte Hansen genau in dem Moment, als Riedmann ins Büro stürmte.

»Die Kollegen aus Dresden konnten mir nicht weiterhelfen. Sie haben keine Akten mehr aus der Zeit vor der Wende. Allerdings haben sie mir den Tipp gegeben, mich einmal an die Behörde des Bundesbeauftragten für Stasi-Unterlagen zu wenden. Die BStU könnte noch Akten von Herbert Neumann haben«, meinte Hansens Partner.

»Dann weißt du ja, was du zu tun hast, Stefan«, sagte der Hauptkommissar nur. »Und wir drei durchleuchten mal intensiv das Umfeld des Toten. Finanzen, Familie, einfach alles, was uns hilft, uns ein Bild von dem Toten zu machen. Nach allem, was wir bisher wissen, fürchte ich, dass die Aufklärung der Todesumstände eine harte Nuss werden könnte.«

Kapitel 7

Dienstag, 19. September 2017

Hansens erster Weg an diesem Dienstagmorgen führte ihn geradewegs in das Büro seines Vorgesetzten, Kriminalrat Hellhausen. Der Leiter der Mordkommission wollte seinen Chef auf den neuesten Stand der Dinge bringen. Hellhausen erwartete Hansen bereits.

»Guten Morgen, Karl. Setz dich doch bitte.«

Hansen erwiderte den Gruß und nahm auf dem Besucherstuhl, der direkt vor Hellhausens Schreibtisch stand, Platz. »Ich wollte dir berichten, was wir bisher im Fall Neumann herausgefunden haben. Auch wenn das zugegebenermaßen nicht allzu viel ist. Das Opfer wurde nach unserem bisherigen Ermittlungsstand am Samstag zunächst gefoltert und später erdrosselt. Letzteres lässt vermuten, dass es sich bei dem Mörder um einen Mann handelt, da für diese Tötungsart statistisch eher ein männlicher Täter in Betracht kommt. Allerdings haben wir dafür noch keinen Beweis.«

»Gibt es brauchbare Zeugen?«

»Leider nein. Überhaupt niemand. Wenn Neumanns Kollege nicht so hartnäckig gewesen wäre, hätte man den Mann wahrscheinlich bisher noch nicht einmal gefunden. Er lebte seit dem Tod seiner Frau alleine und sehr zurückgezogen. Neumann galt sowohl bei den Nachbarn als auch bei seinen Kollegen als Einzelgänger ohne Freunde und ohne Feinde, wie die Befragten sagen.«

»Weder Freund noch Feind, hm«, dachte Hellhausen laut nach.

»Dann haben wir noch eine ganz interessante Spur. Neumann war offensichtlich mal ein Kollege von uns, Polizist. In der DDR. Wir haben am Tatort seine Dienstmarke gefunden. Sofern es sich bei der Marke um keine Fälschung handelt, arbeitete Neumann in Dresden für das K1. Das Dezernat war bekannt für delikate Einsatzgebiete, wie wir mittlerweile wissen. Republikflüchtlinge, politische Gegner und so weiter. Vielleicht ein Rachedelikt mit Bezug zu seiner DDR-Vergangenheit? Auf jeden Fall war bei der Ermordung des Mannes eine Menge Hass im Spiel«, fasste Hansen zusammen.

»Ein Motiv, das so weit zurückreichen könnte? Interessanter Ansatz. Wie wollt ihr weiter vorgehen?«

»Da uns die Kollegen in Dresden keine Akten von Herbert Neumann zur Verfügung stellen konnten, hat Stefan Kontakt zur Behörde des Bundesbeauftragten für Stasi-Unterlagen aufgenommen.«

»Da bin ich ja mal gespannt, ob der Mann in den Dokumenten auftaucht. Schließlich hat man kurz nach der Wende versucht, alles, was die DDR in schlechtem Licht dastehen lassen konnte, zu vernichten«, stellte der Kriminalrat fest.

»Wir werden sehen. Man bekommt langsam das Gefühl, dass sich Aachen zum Paradies für Mörder entwickelt. So viele Tötungsdelikte in letzter Zeit«, sagte Hansen und ließ einen Seufzer folgen.

»Das wollen wir doch nicht hoffen, Karl. Wenn du mich jetzt entschuldigen würdest. Ich habe gleich einen Termin.«

»Ein galanter Rausschmiss«, erwiderte er mit einem schiefen Grinsen und verließ das Büro des Kriminalrates. Auf dem Weg in sein Büro traf der Hauptkommissar auf seinen Kollegen Riedmann.

»Gibt es schon was Neues?«, fragte Hansen beiläufig.

»Nihil novi sub sole, leider nein«, antwortete sein Partner. »Bei dir?«

»Ebenfalls Fehlanzeige, du alter Lateiner! Ich war gerade bei Cäsar, äh Hellhausen, und habe ihm erzählt, was wir bislang herausgefunden haben.«

»Das wird ja ein kurzes Gespräch gewesen sein«, scherzte Riedmann.

»War es auch. Lass mich wissen, wenn dir die Informationen von der BStU vorliegen.« Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, drehte sich Hansen um und ging zu seinem Büro. Noch bevor er die Tür öffnete, machte er kehrt in Richtung Kantine. Er hatte jetzt Lust auf einen Kaffee. Dort gab es wenigstens einen frisch aufgesetzten. Die Brühe aus dem Automaten mochte er gar nicht und trank sie nur, wenn er keine Zeit hatte, extra in die Kantine zu laufen. Wieder im Büro beschloss er, erst einmal im Internet die neusten Zeitungsartikel zur Ermordung von Herbert Neumann zu studieren. Dabei stellte er zufrieden fest, dass die Reporter mehr oder weniger die offizielle Version der Polizeipressestelle übernommen hatten, und zwar ohne weitere Spekulationen anzustellen. Schließlich begann er, seinen Tagesbericht vom Vortag zu schreiben. Er hasste diesen Teil seiner Arbeit. Hansen fasste die Ereignisse des Vortages anhand der Notizen, die er gemacht hatte, zusammen und listete die Namen und Adressen der Zeugen auf, die er gemeinsam mit Riedmann befragt hatte. Als er mit dem Bericht fertig war, fiel ihm ein, dass er umgehend noch etwas mit Laura Decker klären musste. Hansen wählte ihre Nummer und hatte die Kollegin direkt am Telefon.

»Hallo, Laura. Mir ist da etwas eingefallen, als ich den Tagesbericht geschrieben habe«, sagte Hansen.

»Ist das also doch für was gut?«, fragte Decker gewohnt flapsig zurück.

»Seid ihr euch eigentlich wirklich sicher, dass der Täter das Haus durch die Terrassentür in der Küche betreten hat? Wäre es nicht möglich, dass Neumann seinen Mörder selbst ins Haus gelassen hat? Soweit ich mich erinnere, war die Tür doch durch ein Sicherheitsschloss gesichert. Und eine Alarmanlage gab es auch.«

»Gut beobachtet, Karl. Aber wir haben keine Zweifel daran, dass sich der Täter mit einem speziellen Werkzeug, wie es auch Schlüsseldienste verwenden, Zutritt verschafft hat. Aber um das vorwegzunehmen, solche Tools, sogenannte Lock Pick Guns, kann sich heute jedes Kind im Internet bestellen. Ich befürchte, dass uns die Suche nach der Herkunft dieses Werkzeuges nicht sonderlich weiterbringt. Trotzdem sollten wir es natürlich versuchen. Das steht übrigens auch in meinem Bericht, den ich dir eben gemailt habe«, erklärte die KTU-Chefin.

»Den habe ich noch nicht gelesen. Ich war bis gerade mit meinem eigenen Bericht beschäftigt. Und was ist mit der Alarmanlage? War sie ausgeschaltet?«

»Das ist in der Tat eine gute Frage. Ich habe dazu bereits einen Bekannten von der RWTH konsultiert und er kam zu dem Schluss, dass die Anlage zwar eingeschaltet war, sie aber manipuliert wurde.«

»So etwas geht?«

»Wenn du das entsprechende Wissen hast, ja. Bei der Alarmanlage in Neumanns Haus handelt es sich um ein veraltetes System. Mein Bekannter vermutet, dass der Täter einen Störsender verwendet hat. Jammer nennt man die auch in Fachkreisen. Ebenfalls sehr beliebt bei Autodieben, die es auf Luxusautos abgesehen haben. Jedenfalls müssen wir uns das so vorstellen, dass mit einem solchen Gerät die Funkschärfungs- und Unschärfungsbefehle der Funkhandsender der Alarmanlage aufgezeichnet werden. Der Täter muss dieses Signal also irgendwann einmal aufgenommen haben, und zwar in dem Moment, als Neumann die Anlage mittels seiner Fernbedienung aktiviert hat. Der übermittelte Code ist nämlich immer derselbe. Vor dem Einbruch wird die Aufnahme mit dem Jammer abgespielt und schon ist das Sicherheitssystem abgeschaltet. Neue Anlagen verwenden verschiedene Codes. Beim Abspielen der aufgezeichneten Aufnahme stellt das System fest, dass der Code schon einmal verwendet wurde, und löst den Alarm aus. Was bei Neumann nicht der Fall war, weil die Anlage veraltet ist.«

»Also verfügt Neumanns Mörder über ein gewisses Maß an technischem Verständnis und weiß dieses auch anzuwenden«, stellte Hansen fest. »Diese Jammer sind wahrscheinlich der Verkaufsschlager im Internet beziehungsweise Darknet, oder?«

»So ungefähr. Dennoch könnte man da mal ansetzen und Firmen aufsuchen, die Sicherheitstechnik verkaufen. Sie besitzen zu Demonstrationszwecken auf jeden Fall solche Geräte. Diese Spur ist aus meiner Sicht vielversprechender als die Suche nach der Herkunft der verwendeten Lock Pick Gun zum Öffnen der Terrassentür. Das könnt ihr ja übernehmen. Wir versuchen bereits, von den Internetanbietern des Jammers eine Auflistung aller Käufer zu bekommen. Sie sind nicht gerade erpicht darauf, uns zu helfen«, meinte Decker.

»Das ist doch schon mal ein vielversprechender Anfang. Vielen Dank, Laura.«

»Adieda, Karl.«

»Bis bald«, erwiderte er und legte auf.

Kapitel 8

Hansen hatte den Telefonhörer noch nicht ganz aufgelegt, als es an der Tür klopfte und die Kollegen Beck, Marquardt und Riedmann das Büro betraten.

»Wir haben wie gewünscht den Backgroundcheck von Neumann gemacht. Damit ich nicht alles zweimal erzählen muss, haben wir Stefan gebeten dazuzukommen«, erklärte Beck.

»Also gut, setzt euch. Dann lass mal hören, Markus«, erwiderte Hansen.

»Ich hoffe, du hast dir davon nicht zu viel versprochen. Wir haben nämlich nichts Auffälliges gefunden, wenn ich das vorwegnehmen darf. Aber der Reihe nach. Neumann hatte keine Schulden. Im Gegenteil, er hatte knapp zwanzigtausend Euro auf dem Sparbuch. Verdächtige Ein- oder Auszahlungen gab es keine. Darüber hinaus besaß er eine kleine Münzsammlung. Ein paar Gold- und Silbermünzen. Wenn wir die aktuellen Kurswerte zugrunde legen, hatte die Sammlung einen Wert von knapp fünftausend Euro. Ansonsten hatte er keine Hobbys. Neumann ging auch nicht großartig aus. Hin und wieder ist er allerdings zum Fußball gegangen. Wir haben ein paar Eintrittskarten vom Tivoli gefunden. Alles Spiele der Alemannia gegen Clubs aus dem Osten der Republik. Aber auch das ist schon eine Weile her, so lange wie die Kartoffelkäfer bereits in der vierten Liga spielen«, erklärte Beck, und als bekennender Alemannia-Fan klang ein wenig Wehmut in seiner Stimme. »Der Mann lebte ein durch und durch normales, langweiliges Leben hier in Aachen.«

»Wann ist er eigentlich von Dresden hierher gezogen?, wollte Hansen wissen.

»Er lebte mit seiner Frau seit Anfang 1991 in Aachen. Hatte Verwandtschaft hier. Die Cousine des Verstorbenen, eine Frau Lentzen, wohnt in Richterich. Wir haben bereits mit ihr gesprochen. Sie hatte in den letzten Jahren keinen Kontakt mehr zu ihm. Deshalb konnte oder wollte sie uns nicht viel über ihren Cousin erzählen. Allerdings hat sie erwähnt, dass Neumann ihrer Meinung nach nie richtig hier angekommen ist. Er hat immer gegen die Politik gewettert und ein Loblied auf die DDR gesungen. Das war auch einer der Gründe, warum sie sich entzweit haben. Es soll noch Verwandte in der Nähe von Dresden geben. Die Namen und Adressen haben wir. Darum kümmern wir uns später«, meinte Beck.

»Unser Opfer scheint wirklich ein durch und durch unsympathischer Zeitgenosse gewesen zu sein. Wenn nicht mal die eigene Verwandtschaft mit ihm zu tun haben wollte«, fasste Hansen zusammen.

»Nach allem, was wir wissen, ist es nicht sehr unwahrscheinlich, dass sich der Mann Feinde gemacht hat«, stellte Riedmann fest.

»Das denke ich ebenso. Wir müssen nur tief genug graben, dann werden wir diese Person auch finden. Markus und Jens, ich möchte, dass ihr die Anbieter für Sicherheitstechnik überprüft. Laura hat mich eben angerufen und mir von einem Gerät erzählt, mit dem Neumanns Mörder die Alarmanlage überlistet hat. Man nennt sie Jammer. Wir müssen herausfinden, welche Firmen hier im Umfeld über solche Geräte verfügen oder sie sogar verkauft haben in letzter Zeit.«

»Was bitteschön ist ein Jammer?«, hakte Marquardt nach.

»Falls du das genau wissen möchtest, lass es dir von Laura erklären. Mir war das auch zu technisch. Sie wird sich freuen, wenn sie ihr Know-how teilen kann«, erklärte Hansen. »Dann machen wir besser einen Abstecher in die KTU, bevor wir losfahren«, entgegnete Marquardt und gab Beck ein Zeichen, dass er sofort loswollte.

Hansen ahnte, dass es dem Kollegen mehr darum ging, Decker zu besuchen, als sich die Arbeitsweise des Jammers erklären zu lassen. Es war offensichtlich, dass er ein Auge auf die neue Kollegin geworfen hatte. Aber Hansen hatte ja selbst den Vorschlag gemacht. Außerdem wusste Decker sehr gut mit Marquardts Avancen umzugehen. Auch Riedmann folgte den beiden Kollegen zunächst auf den Flur. Doch kaum, dass er Hansens Büro verlassen hatte, kam er schon wieder zurück.

»Die Unterlagen der BStU sind gerade per Eilkurier angekommen«, berichtete er seinem Chef. »Das sind aber laut Inventarliste nicht nur die von Herbert Neumann. Man hat uns auch diverse andere Akten vom K1 geschickt, damit wir uns ein besseres Gesamtbild machen können.«

»Das nenne ich mal unbürokratische und schnelle Hilfe«, entgegnete Hansen.

»Allerdings. Wir haben einige kopierte Akten erhalten und eine DVD hat man uns auch mitgeschickt. Darauf sind die bereits digitalisierten Daten enthalten«, antwortete Riedmann.

»Dann sollten wir keine Zeit verlieren und sofort loslegen. Das ist unsere heißeste Spur.«

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