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Kapitel 6
Wer will schon kleine Kekse?

»Hör zu, du aufgeblasener Kamelkopf, ich heiße Shanli. Du kannst mich gern weiter beschimpfen, aber du wirst dennoch meine Wünsche erfüllen müssen.« Ein schadenfrohes Grinsen breitete sich auf dem Gesicht der Bäckerstochter aus, als ihr etwas einfiel. »Vielleicht wünsche ich mir sogar, dass du die Stimme verlierst, damit ich mir dein Geschwätz nicht länger anhören muss.«

Navids Brauen rückten zusammen und offenbarten, wie verärgert er über ihre Drohung war. »Das kannst du gerne versuchen. Aber ich denke, dass der Fluch nicht zulassen wird, dass an mir Veränderungen vollzogen werden.«

Navid musterte seine neue Herrin aufmerksam. Vielleicht wäre es jedoch klug, herauszufinden, ob das überhaupt möglich war. Denn wenn ihr Wunsch, ihn stummzuhalten, nicht gelingen würde, bräuchte er gar nicht erst in Erwägung zu ziehen, sie zu überreden, ihn von seinem Fluch zu befreien. Allerdings wäre die kleine, moppelige Shanli vielleicht die Erste, die er mit seinem Charme dazu überreden könnte. Viele Verehrer hatte das Mädchen bestimmt nicht, so rund und frech, wie es war. Mmmh, ihr Honig um den Mund zu schmieren, bis sie ihm hörig war, würde ein hartes Stück Arbeit werden. Denn mit ihrer drallen Figur entsprach sie nicht wirklich dem Bild seiner Traumfrau. Zwar hatte sie, trotz der feisten Wangen, hübsche Züge, aber dennoch war es ein Mondgesicht. Sogar ein kleines Doppelkinn hatte sie. Konnte er sich wirklich dazu überwinden, Begehren zu heucheln? Aber hatte er eine andere Wahl, wenn er sich von dem Fluch befreien wollte?

Die kleine Shanli unumwunden danach zu fragen, konnte er sich sparen, das wusste er aus bitteren Erfahrungen. Mehr als einmal hatte er es auf diese Weise versucht. Einige Besitzer des Smaragdes hatte er gebeten, ihn mit einem Wunsch von dem Fluch zu befreien. Doch stets hatte er von den Frauen und Männern eine Absage oder fortwährend Ausreden gehört. Letztendlich hieß es immer: Erfülle mir nur noch diesen Wunsch, dann schauen wir weiter. Aber dazu war es nie gekommen, denn entweder griff der Besitzer ständig zu dieser Antwort, bis er starb, oder der Smaragd wurde ihm gestohlen, was noch öfters vorkam. Nein, er würde diese einmalige Chance, die sich ihm hier bot, nicht verschenken.

Also blieb ihm nichts anderes übrig, wenn er seine Freiheit wollte, als mit Shanli vorliebzunehmen. Er musste die Sache jedoch mit Bedacht angehen, nicht zu hastig, denn sonst würde sie Verdacht schöpfen. Sein Anliegen durfte er ihr gegenüber erst dann erwähnen, wenn er sie sicher in der Tasche hatte. Er musste ihr Vertrauen gewinnen und darauf achten, dass das Amulett, an welches er gebunden war, in ihrem Besitz blieb. Wer weiß, wem er sonst in die Hände fallen würde? Ja, je mehr er darüber nachdachte: Shanli war perfekt, um sein Anliegen zu erfüllen.

Mit schmalen Augen betrachtete die Bäckerstochter den Dschinn, der ihr plötzlich entgegenschmunzelte.

»Aber bitte, tu dir keinen Zwang an, wünsch es dir!«

Bedächtig schüttelte Shanli den Kopf, denn Navids Herausforderung kam ihr seltsam vor. »Nein, das hebe ich mir für später auf, wenn es mir mit dir zu bunt wird.«

»Wie du meinst«, erwiderte Navid mit einem leisen Lächeln.

Shanlis Misstrauen gegenüber dem Dschinn wuchs. Ihr Magen begann nämlich, zu schlingern, das war ein deutliches Zeichen, auf das sie hören sollte. Irgendetwas hatte er vor, doch was? Womöglich war er gar kein harmloser Dschinn, sondern ein bösartiger? Sie sollte auf der Hut sein.

»Gehen wir hinunter in die Küche. Mal schauen, wie gut du darin bist, meine Wünsche zu erfüllen«, sagte Shanli und öffnete die Tür.

Allerdings blieb sie daneben stehen und wartete. Die Bäckerstochter wollte dem Dschinn nicht unbedacht den Rücken zuwenden, sondern behielt ihn kritisch im Auge.

Navid ging auf sie zu und verharrte vor ihr. »Vergiss das Amulett nicht.«

Shanli hob die Faust und ließ den Smaragd an der Kette herunterfallen, sodass er ihn wild hin- und herschwingen sehen konnte. »Keine Angst, ich behalte es schön bei mir.«

»Das solltest du auch. Und ich rate dir, es gut unter den Kleidern zu verstecken.«

»Gut!«, nickte Shanli ernst. Mit Abstand folgte sie Navid in die Küche.

Als Navid der Unordnung ansichtig wurde, die dort herrschte, kräuselte sich seine Stirn. »Und ich liege auf der faulen Haut, häh?«

»Was?!«, fuhr Shanli ihn an. »Es war schon spät gestern Nacht, und heute Morgen musste ich zeitig in den Palast.«

Mit einem zweifelnden Gesichtsausdruck drehte Navid sich zu ihr um. »Und dann hattest du keine Zeit mehr, weil …?«

»Ich einen furzenden Dschinn aus seinem Gefängnis befreien musste?!«, keifte Shanli angriffslustig zurück.

»Moment, ja?! Für das Furzen kann ich nichts. Anscheinend hatte die Hexe, die mich verflucht hat, einen seltsamen Sinn für Humor.«

»Klar!«, erwiderte Shanli und machte mit dem ironischen Unterton deutlich, dass sie ihm nicht glauben wollte.

Doch Navid ließ sich nicht reizen, sondern überging ihre Spitze und meinte lediglich: »Wenn du eine saubere Küche willst, solltest du deinen Wunsch aussprechen.«

Shanli nickte, und nach einem Atemzug formulierte sie ihr Anliegen. »Ich wünsche, dass meine Küche sauber und aufgeräumt ist.«

»Das sind eigentlich gleich zwei Wünsche, aber … das dürfte kein Problem sein«, erwiderte Navid.

Er wippte kurz mit dem Kopf, und in einem Schauer von Sternen reinigten sich die Töpfe, Kannen, Schüsseln und Löffel von selbst, um gleich darauf zurück an ihre angestammten Plätze zu schweben. Die Nuss- und Eierschalen kreiselten über den Boden und hopsten schließlich, wie kleine Frösche, in einen Holzeimer hinein. Das verschüttete Mehl, alle verstreuten Sesamkörner und jegliche Krümel erhoben sich zeitgleich in die Luft. Wie Bänder flogen sie in kunstvolle Bögen und Spiralen durch den Raum und landeten ebenfalls im Eimer. Der Dielenboden, die Regale, der alte Holztisch und die Stühle waren mit einem mal so sauber wie noch nie zuvor. Die Küche war innerhalb kürzester Zeit blitzsauber.

»Wow«, flüsterte Shanli voller Erstaunen und drehte sich im Kreis. »Das ist unglaublich.«

Ein schiefes Grinsen erschien auf Navids Gesicht. »Nein, das war eher eine meiner leichtesten Übungen.«

Shanli geriet ins Grübeln. »Hast du jemals meinem Vater Wünsche erfüllt?«

Eine von Navids Brauen hob sich in arroganter Weise. »Dann würden wir vermutlich nicht hier, in dieser armseligen Hütte, stehen. Denkst du nicht?«

»Er wusste demnach also nicht, dass er ein verzaubertes Amulett besaß?«

Navid schüttelte den Kopf. »Der letzte Besitzer, der mich rufen konnte, lebte wohl vor knapp hundert Jahren. Daher nehme ich an, dass das Amulett jemandem vererbt wurde, dem das Geheimnis nicht bekannt war.«

Bedauern erfasste Shanli, und traurig stierte sie vor sich hin. »Es wäre vieles einfacher für uns gewesen, wenn wir von dir gewusst hätten.«

Plötzlich sah sie erwartungsvoll zu dem Dschinn auf, und dieser las an ihrer Miene die Hoffnung ab, welche schon einige seiner Herren gehabt hatten. Langsam schüttelte Navid den Kopf.

»Tut mir leid, Shanli. Diese Macht besitze niemand. Keiner kann Tote wieder zum Leben erwecken.«

Enttäuscht sackten die Schultern des Mädchens nach unten, und Navid überkam ein Gefühl von Mitleid. Shanlis volle Lippen verzogen sich zu einem Schmollmund, sodass er sich genötigt fühlte, sie aufzumuntern.

»Ich weiß, es ist ein schwacher Trost, aber … Ich kann dir viele andere Wünsche erfüllen, die dich glücklich machen.«

In ihren großen, unschuldigen Augen war noch immer leise Trauer zu entdecken, und doch wisperte sie zuversichtlich: »Ja, da gäbe es einiges, was mir das Leben angenehmer machen könnte und etwas ganz … Spezielles.«

»Aha«, entgegnete Navid und hob dabei sein Kinn in arroganter Weise an. »Dieses Spezielle hat nicht zufällig mit einem Mann zu tun?«

Mit einem lautlosen Seufzen verschränkte er seine Arme vor der Brust. Ihr Gesichtsausdruck sagte alles. Es wäre ja auch zu schön gewesen, mal nicht bei der Eroberung irgendeines muskelbepackten Schnösels helfen zu müssen. Ewig das gleiche Lied! Er konnte es nicht mehr hören. Und vor allem kam ihm damit ein ganz gewaltiges Problem in die Quere. Wie sollte er Shanlis Herz gewinnen, wenn sie es bereits verschenkt hatte? Kein Wunder, dass das füllige Mädchen ihm gegenüber so kaltschnäuzig war. Er hatte schon begonnen, an seinem guten Aussehen zu zweifeln.

Ja, er wusste sehr genau, wie er auf Frauen wirkte. Normalerweise. Es hatte ihn wahrlich überrascht, dass sie nicht empfänglich für ihn zu sein schien, sondern im Gegenteil, sich noch lustig über ihn machte. Gerade sie, die mit ihrer drallen Figur nun wirklich keinen Grund hatte, über andere unflätige Sprüche zu klopfen.

»Lass mich raten! Du willst, dass er sich in dich verliebt. Also, wie heißt der strahlende … Vollpfosten?«, sprach Navid in gelangweiltem Ton.

»Hey!«, rief Shanli sogleich. »Er ist kein Vollpfosten!«

Navid hob zweifelnd die Brauen. Sein herabwürdigender Blick, seine überhebliche Körperhaltung, alles an ihm machte deutlich, dass er ihr nicht glaubte und sie für ein verliebtes, doof-kicherndes Huhn hielt.

Verdammt, woher wusste er, dass sie einen heimlichen Schwarm hatte und genau das war?

Shanli begann, verlegen zu stammeln: »Woher … wie … kommst du …?«

»Weil das alle junge Frauen wollen!«, unterbrach Navid sie schroff.

»Ach so, na dann«, sagte sie gelassen. »Parviz heißt er. Es ist Schah Parviz von Al Hurgha, um genau zu sein.«

»Oho! Gleich ein Schah! Mit kleineren Keksen gibst du dich wohl nicht ab, was?«

Shanli explodierte, denn schon zum zweiten Mal an diesem Tage musste sie sich anhören, dass sie nicht gut genug war. Mit erhitzten Wangen bellte sie Navid an: »Was willst du damit sagen? Nur weil ich dick bin, bin ich es nicht wert, einen Schah abzubekommen?«

Der Dschinn bemerkte, dass ihm ein gewaltiger Fehler unterlaufen war. Auch wenn ihr Vorwurf eine falsche Unterstellung war, auf diese Art würde er bestimmt nicht bei Shanli landen können und seine Freiheit wiedererlangen. Mufflig gestand er: »Das wollte ich damit nicht sagen. Ehrlich! Üblicherweise ist es oft jemand, dem die Mädchen häufig begegnen. Meist möchten sie die Liebe eines Nachbarsjungen oder die eines Freundes für sich gewinnen.«

Shanli schnaufte beleidigt und wirkte wie ein kleines, trotziges Kind. Navid schmunzelte, und die Bäckerstochter registrierte zum ersten Mal die winzigen Grübchen, die auf seinen Wangen erschienen.

»Du brauchst also einen Liebestrank?«, fragte der Dschinn freundlich.

»Nein!«, empört schüttelte Shanli den Kopf.

»Ja, aber … du willst doch, dass dieser … Parviz dich liebt. Oder nicht?« Navid verstand die Welt nicht mehr, bis ihm ein neuer Gedanke kam. »Ach, dir geht es nur um seinen Reichtum? Ja, dann wünsch dir doch Gold.«

»Äh … nein!« Aufgebrachter als zuvor verneinte Shanli erneut seinen Vorschlag und stierte Navid böse an. »Ich brauch kein Gold, auch keine protzigen Ringe, wie andere Personen hier im Raum!« Der eingebildete Fatzke schloss wohl von sich auf andere. Frechheit! Bitterböse blitzten Shanlis Augen. »Mir geht es nicht darum, reich zu sein. Ich will schlank und blond werden. Das ist mein Wunsch.«

Navid zog schlackernd den Kopf zurück. Zum einen, weil Shanli wieder kräftig austeilte und zum anderen, weil er glaubte, sich verhört zu haben. »Was?! Warum denn schlank und blond?«

Genervt schnaubte Shanli und gestikulierte ungeduldig mit ihren Händen. »Parviz sucht nach einer schlanken, hellhaarigen Braut. Also will ich eine dünne Blondine werden. Ist doch logisch.«

Mit einem leicht verwirrten Ausdruck fragte Navid: »Wäre es nicht einfacher, ihm den Liebestrank einzuflößen, damit er sich in dich verliebt?«

»Nein, das will ich nicht. Er soll sich echt in mich verlieben und nicht wegen so eines blöden Tranks.«

Fassungslos schaute Navid auf Shanli hinunter. »Aha. Er ist also echt in dich verliebt, wenn du vollkommen anders aussiehst als in Wirklichkeit? Verstehe ich das richtig?«

Ein Strahlen fegte über Shanlis Gesicht. »Ja, genau so ist es! Denn dann verliebt er sich tatsächlich in mich, weil ich noch immer ich bin. Verstehst du?«

Navid schüttelte irritiert den Kopf und nuschelte leise vor sich hin. »Nein. Diese Logik kann wahrscheinlich nur eine Frau verstehen.«

»Der Schah sagte, wenn ich abnähme, wäre es leicht, sich in mich zu verlieben«, prahlte Shanli stolz.

»Ach was?!«, entfuhr es Navid lakonisch, was ihm prompt ein Fauchen von Shanli einbrachte.

»Wie? Glaubst du mir nicht? Oder stellt dieser Wunsch ein Problem für dich dar, oh großer Dschinn in lila Pumphose? Dann sag es lieber gleich.«

Navids Stirn legte sich in Falten, als er sich verteidigte. »Dich in einen Mann zu verwandeln, war eine große Nummer. Unterschätze das mal nicht, ja! Gewöhnlich zaubere ich Gegenstände herbei, die bereits existieren. Gold, Schmuck, Liebestränke, Essen, solches Zeugs eben. Ich verschiebe sie von einem Ort zum anderen, sozusagen. Weder habe ich bisher Dinge erschaffen noch welche verändert, und schon gar keine Menschen. Wie ich dir vorhin erklärte, habe ich noch nie zuvor eine Frau in einen Mann verwandeln müssen. Es hat mich selbst überrascht, dass es geklappt hat.«

»Ja, aber du hast es geschafft, mit allem Drum und Dran!«, bestätigte Shanli mit einem fröhlichen Nicken. Doch dann hielt sie kurz inne, weil eine unangenehme Erinnerung sie einholte. »Wie ich selbst festgestellt habe.«

»Na gut, wir können es versuchen. Aber ich kann dir nichts versprechen. Also beschwere dich nicht, wenn es schiefläuft.«

Von Navids Mahnung beunruhigt fragte Shanli ängstlich: »Was genau kann da schieflaufen? Dass ich oben dick und unten dünn bin? Oder lediglich blonde Flecken in meinen Augenbrauen bekomme?«

Der Dschinn zuckte mit den Achseln. »Könnte sein!«

Leicht entsetzt schaute Shanli ihn an. »Nichts Schlimmeres, oder? Kein drittes Auge oder so?«

»Nein, wo denkst du hin? Ich bin doch kein blutiger Anfänger! Hier geht es um die Kraft, die der Zauber benötigt, nicht um die Zauberkunst«, entrüstete sich Navid, schob dann jedoch ein nicht ganz überzeugtes »Denke ich!« hinterher.

»Aber ich könnte mich wieder normal wünschen, falls mir zwei Pobacken am Hinterkopf wachsen sollten?«

Navid prustete bevor antwortete. »Den normalen Zustand wieder herzuzaubern, ist kein Problem. Da muss ich ja nichts verändern.

»Gut, wenn das so ist … auf geht’s!«

Voller Tatendrang stellte sich Shanli kerzengerade hin. Sie schöpfte einen tiefen Atemzug und wollte gerade ihre Wünsche aussprechen, als Navid sie unterbrach.

»Halt! Warte! Erst nur einen Wunsch, damit ich mich besser konzentrieren kann.«

Nach einem kurzen, verstörten Nicken ließ Shanli die Luft aus ihren Lungen heraus und stürzte sich ins Abenteuer, indem sie laut verkündete: »Ich wünschte, ich wäre schlank.«

Kapitel 7
Unerwünschte Wünsche

Ein Sternenreigen setzte ein, und Shanli fühlte sich, als würde ihr Körper, von den Zehenspitzen an, in ein zu enges Loch gezogen. Als würde sie in einen schmalen Ring gesaugt und zum anderen Ende wieder ausgespuckt werden. Während das Engegefühl ihren Hals erreichte, befürchtete sie für einen Moment, erwürgt zu werden. Doch das beängstigende Gefühl wanderte zügig weiter, und nachdem es ihre Schädeldecke überwunden hatte, gab es ein dumpfes, ploppendes Geräusch, wie wenn man einen vollen Wasserbeutel entkorkte.

Etwas benommen blinzelte Shanli. Sie fühlte sich ungewohnt leicht, als würde sie im Wasser treiben. Sie schaute an sich herab. Die gute Nachricht war, sie war offenbar noch immer eine Frau, denn sie hatte einen Busen. Zwar nicht mehr so gewaltig wie zuvor, aber immerhin war er da. Was aber nicht hieß, dass wieder etwas zwischen ihren Schenkeln baumelte. Schnell fasste sie sich in den Schritt. Erleichterung machte sich in ihr breit. Puh! Alles in Ordnung.

»Was zum Geier machst du da?«, fragte Navid, der sie bisher stumm beobachtet hatte.

Shanli zuckte mit den Schultern. »Ich schau nach, ob nichts dazugekommen ist.«

Dann hob sie ihre Hände an und konnte nicht fassen, was sie sah. Lange, schlanke Finger und ein dünnes Handgelenk. Und auf jeder Seite gleich! Erfreut lachte sie auf.

»Keine Dattelfinger mehr. Ich kann sogar meine Knöchel auf dem Handrücken sehen. Schau dir das an, ich umfasse mein Handgelenk mit zwei Fingern.« Shanli begann, vor lauter Aufregung zu kreischen. »Oh, das ist ja … das ist ja unglaublich.« Sie hob ihr Kleid an, das nun nicht mehr spannte, sondern viel zu weit war. Neugierig betrachtete sie ihre Beine und streckte ihr rechtes aus. »Ich habe schlanke Fesseln. Und meine Waden erst!«

Begeistert raffte die junge Frau den Rock noch höher und bestaunte ihre neuen, wohlgeformten Gliedmaße, ohne einen Gedanken daran zu verwenden, dass ein Mann neben ihr stand. »Sind das nicht wunderschöne Beine? Sieh dir das an. Die sind doch eine Wucht, oder?«

Glücklich strahlend blickte Shanli zu ihrem Dschinn auf, der mit einem ziemlich seltsamen Gesichtsausdruck ihrem Befehl Folge leistete und ihre nackten Beine anstarrte.

»Das … äh … also …«

Grimmig fuhr Shanli ihn an »Was?! Sind sie etwa nicht schön?«

»Doch, doch! Sie sind … wunderschön«, stammelte Navid und schluckte. »Du bist wunderschön.«

Heiliger Bim-Bam, Shanli war wirklich eine Schönheit. Zuvor hatte sie schon ein hübsches Gesicht gehabt, trotz ihrer feisten Wangen, aber nun … Sie war eine Augenweide. Die hohe gewölbte Stirn kam erst jetzt richtig zur Geltung. Selbst ihre Stupsnase, die vorher bereits niedlich war, war nun entzückend. Aber ihre dunklen Augen und ihr süßer Mund wirkten jetzt noch betörender und raubten ihm schier den Atem, wenn er sie betrachtete.

»Ist das wahr?«, fragte Shanli ungläubig. »Ich bin wirklich schön?«

Navid nickte mit einem Schmunzeln. »Ja.« Er reichte ihr eine kleine glänzende Kupferkanne, die über der Kochstelle hing. »Hier, schau dir dein Spiegelbild an.«

Mit einem unsicheren Lächeln nahm Shanli ihm die Mokkakanne ab und betrachtete ihr Abbild. Langsam fuhren ihre Finger über ihr Gesicht. Nach einer Weile ließ sie die Kanne sinken.

»Und jetzt die blonden Haare«, flüsterte sie erwartungsvoll.

Navids Blick wurde kritisch. »Warum? Du bist schön genug Shanli. Der Schah wird sich jetzt schon in dich verlieben.«

Verbissen schüttelte Shanli ihr Haupt. »Nein. Ich will blond werden. Ich wünsche mir blonde … Körperbehaarung.«

Sie wollte nur auf Nummer sicher gehen, nicht dass sie an den Armen und Beinen plötzlich aussah wie ein Affe.

Abermals wehte eine Sternenbrise, und sogleich hob Shanli die Kanne an, um die Erfüllung ihres Wunsches zu überprüfen. Sie hatte tatsächlich eine goldblonde Haarpracht, die herrlich schimmerte. Sogar ihre Wimpern und Augenbrauen waren hell, genau so, wie sie es beabsichtigt hatte. Shanli konnte es nicht fassen. Sie war eine ganz andere Person, eine wunderschöne, schlanke Blondine. Von der kleinen dicken, dunkelhaarigen Shanli war weit und breit nichts mehr zu entdecken. Vielleicht noch eine leichte Ähnlichkeit in den Zügen, die einem jedoch nur auffiel, wenn man wusste, wonach man suchte.

Navid beäugte die neue Shanli mit Argwohn. Sein Zauber war gelungen, sogar mehr als das, er war vollkommen. Aber dennoch gefiel ihm nicht, was er sah. Die dunkle dicke Shanli war weg, und vor ihm stand eine anmutige Schönheit. Obwohl das Mädchen überglücklich wirkte und immer wieder ihren neuen Körper und ihr Gesicht in der Kanne bestaunte, hatte er das Gefühl, etwas Falsches getan zu haben.

»Das ist wunderbar, Navid. Warum schaust du denn so betrübt? Kannst du dich denn nicht mit mir darüber freuen, dass du meine Wünsche erfüllen konntest, dass alles so geworden ist, wie ich es mir vorstellte?«

»Ich weiß nicht. Ich finde es nicht richtig«, murmelte Navid leise.

Stürmisch konterte Shanli mit einem Kopfschütteln. »Nein. Es ist genau richtig. Parviz wird glücklich sein.«

»Aber … wirst auch du glücklich sein?«

Mürrisch verzog sich Shanlis Mund. »Natürlich. Es geht nur darum, dass ich so bin, wie Parviz es sich wünscht. Wenn er glücklich ist, bin auch ich glücklich.«

Navid musterte sie ernst. »Mag sein. Ich glaube jedoch …«

Navid vollendete seinen Satz nicht, denn er verfolgte, wie Shanli die Kupferkanne wegstellte und den Korb holte, welcher noch immer die Süßigkeiten enthielt, die sie für Parviz zubereitet hatte. Sie stellte ihn auf den Tisch, schlug die Tücher beiseite und suchte sich eine Leckerei heraus, die ohne Umschweife den direkten Weg in ihren Mund fand. Genüsslich schmatzte sie vor sich hin und schien, Navid vollkommen vergessen zu haben.

»Was tust du da?«, fragte er mit runden Augen.

Shanli schaute ihn an, als zweifle sie an seinem Verstand. »Wonach sieht es denn für dich aus? Ich esse. Kennst du das nicht?« Dann glaubte sie, zu begreifen, um was es Navid ging. »Ach so! Du willst auch probieren? Klar, du hast ja seit ein paar Jahrzehnten nichts mehr gegessen. Entschuldige.« Sie hielt ihm den Korb hin. »Hier, was magst du?«

»Nein, nein, nein!«, wehrte Navid ab. »Du hast dich doch gerade schlank gewünscht, und was machst du jetzt?«

Mit offenem Mund, in dem noch die letzten Reste des Marzipankonfekts auszumachen waren, glotzte Shanli ihn an. »Essen!«, war alles, was sie erwiderte.

»Das kann doch nicht dein Ernst sein? Du wünscht dich schlank und futterst dir gleich wieder einen runden Bauch an?«

Wut tauchte in Shanlis Miene auf, und laut fuhr sie Navid an. »Was, wenn dem so wäre? Ich kann mich ja immer wieder schlank wünschen? Oder darf ich ab jetzt nie wieder etwas essen?« Mit Nachdruck donnerte sie den Korb auf den Tisch.

In einer vorwursvollen Geste deutete der Dschinn auf ihre Figur. »Na, dann brauchst du dich ja nicht wundern, dass du so …« Er brach seinen Satz ab, denn er bemerkte, wie das Gesicht der blonden Shanli allmählich rot wurde vor Zorn

Schnaubend trat sie an Navid heran, um unter seiner Nase lautstark auszurasten. »Was? Na komm, sag es! Spuck es aus! Dass ich so fett bin! Das wolltest du doch sagen.«

Navids ballte seine Hände zu Fäusten. Die Frau war unverbesserlich, unmöglich und rechthaberisch. »Ja, das wollte ich!«, schrie er. »Wenn du ständig Süßigkeiten in dich hineinstopfst, ist es kein Wunder, dass du so dick und rund bist.«

»Weißt du was?«, giftete die schlanke Shanli ihn an und stach bei jeder Silbe mit ihrem Finger auf seine Brust ein. »Das ist mir egal. Sieh her!« Blindlings ging die Blondine zurück an den Tisch, griff in den Korb, nahm sich einen Keks heraus, zeigte ihm diesen und stopfte ihn sich danach demonstrativ ganz in den Mund. Mit dicken Hamsterbacken sprudelte sie wütend weiter und verteilte dabei beachtliche Mengen von Kekskrümeln. »Ich esse, so viel ich will. Und es ist mir egal, was die Leute hinter meinem Rücken tuscheln. Sollen sie doch sagen, dass sie froh sind, nicht so dick zu sein, wie ich es bin. Oder dass es für mich schon längst an der Zeit wäre, abzunehmen. Oder dass ich doch zu Hause bleiben soll, weil mein Anblick sie anekle.« Kaum hatte Shanli den letzten Satz ausgesprochen und den Keks hinuntergeschluckt, war ihre Wut hinfort und nur noch ihre Traurigkeit blieb übrig. Ihre dunkelbraunen Augen, die Navid an Ort und Stelle gefangen hielten, füllten sich mit Tränen. Heiser raunte sie: »Es ist mir egal, was du sagst. Denn es gibt nichts mehr, was mich noch verletzen könnte!«

Das Mädchen wandte sich ab, doch Navid fasste nachihrem Arm. »Shanli, warte! Es tut mir leid.« Langsam drehte sie sich zu ihm um und leise sprach er weiter: »Ich wollte dich nicht beleidigen oder dir wehtun. Ich wollte nur …« Abrupt hörte Navid auf, zu reden, und stierte entgeistert auf Shanlis rechte Wange. Er ließ sie los und murmelte entgeistert: »Oh je, oh je, das ist nicht gut! Das ist gar nicht gut!«

Erschrocken schrie die Bäckerstochter auf: »Was? Was ist nicht gut? So sag doch! Was stimmt nicht mir?«

Navid nahm geschwind die Kupferkanne vom Tisch und reichte sie ihr wieder. »Deine Wange sie … sie …«

Hastig sah Shanli auf das polierte Kupfer und musste beobachten, wie ihre Wange bebte und blubberte, wie kochender Reismehlpudding.

»Nein. Nein. Nein!«, jammerte sie hysterisch.

Es wurde schlimmer und schlimmer. Bis es einen Schnalzer gab und ihre Wange wieder die alt gewohnte pralle Rundung hatte. Shanli schaute Hilfe suchend zu Navid. Der allerdings war viel zu sehr geschockt, um etwas anderes sagen zu können als: »Ach, du liebes Bisschen.«

Seine Augenbrauen rutschten in unterschiedliche Höhen und machten Shanli deutlich, dass ihr Zustand bedenklich war.

Sie japste gerade »Oh, nein, bitte, bitte nicht!«, als es mehrmals hintereinander schnalzte. Wie Mais zu Popcorn ploppte, so sprang auch ihre linke Wange wieder in ihre alte Form. Waden, Schenkel, Bauch und Brüste, eins nach dem anderen folgte. Alles sprang wieder in seinem alten Umfang aus ihrem schlanken Körper hervor, bis Shanli wieder die mollige Bäckerstochter war.

Enttäuscht ließ sie ihre Schultern hängen. »Na, wenigstens bin ich noch blond!«

Navid verzog unglücklich das Gesicht. »Hmm, das würde ich jetzt so … nicht sagen!«

Mit einem Aufheulen schaute Shanli wieder in die Kupferkanne. Ganz allmählich wurden ihre Wimpern und Augenbraune von außen wieder dunkler, bis sie völlig schwarz waren. Sie schaute auf ihre Haarspitzen, wo das gleiche Spiel stattfand. Langsam stieg die Schwärze an ihren Wellen empor bis zum Scheitel. Einen Moment später war sie wieder ganz die Alte. Schwarzhaarig, dick und unglücklich.

Niedergeschlagen seufzte die Bäckerstochter auf. Der Traum, Parviz‘ Braut zu werden, war zum Greifen nah gewesen, und den wollte sie sich nicht nehmen lassen. Verflixt! Nein, sie müsste lediglich darauf achten …

»Du musst mich begleiten!«, sagte Shanli leichthin.

»Wohin?«, fragte Navid.

»Du wirst mich in den Palast begleiten. Ich werde das Amulett ständig bei mir tragen, und wenn ich beginne, mich zurückzuverwandeln, werde ich mich wieder schlank und blond wünschen. Ganz einfach.«

Der Dschinn schüttelte den Kopf. »So einfach ist das nicht. Um deine Wünsche zu erfüllen, muss ich außerhalb des Smaragdes sein.«

Shanli rieb sich über die Stirn und überlegte. Sie konnte schlecht mit ihm im Schlepptau in den Palast dackeln, und das nicht nur wegen seiner unmöglichen lilafarbenen Pumphose. Sie würden aussehen wie ein Paar. So könnte sie nicht um Parviz werben. Sie könnte Navid als ihren Bruder ausgeben. Aber ob man ihnen das glauben würde? Und was, wenn sie in die engere Auswahl gelangte und er sie dann nicht mehr begleiten dürfte? Nein, nein! Das war keine gute Idee. Wenn er jedoch … Genau, das war die Lösung!

»Du wirst mich, als meine Schwester, begleiten. Wir beide werden uns als Braut bewerben.«

»Was?«, rief Navid voller Entsetzen. Ihm stockte der Atem bei Shanlis abstruser Idee. Vehement schüttelte er den Kopf. »Nein! Nie und nimmer werde ich eine Frau und halte um die Hand eines Kerls an! Vergiss es! Was, um Himmels willen, war in diesem Keks drin, dass du solche bescheuerten Ideen hast?!«

Shanlis Augen wurden schmal, und sie stützte ihre Hände auf die Hüften. Ihr selbstgefälliges Grinsen bereitete Navid Sorgen. Äußerst große Sorgen!

»Shanli! Ich warne dich! Tu das nicht! Wehe!«, warnte er sie noch mit eiskalten Augen.

Doch es war zu spät, die Worte verließen bereits ihre Lippen. »Ich wünschte, Navid wäre eine blonde Frau!«

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