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Kapitel 10
Ein ganzer orientalischer Zoo

Von der Tür zum Audienzzimmer trennten Shanli und Navid nur noch wenige Mädchen, die vor ihnen in der Reihe warteten. Mittlerweile war es Mittag, und unzählige Male hatte Shanli die Wünsche aussprechen müssen, die Navid und sie in Form hielten. Allerdings hatten sie während des Wartens zwei wichtige Erkenntnisse gewonnen. Die eine war: Je öfter Navid ihre Wünsche erfüllt hatte, desto länger hielten die Veränderungen an. Offenbar nahm seine Zauberkraft durch das ständige Wünschen nicht ab, sondern zu. Ihre Rückverwandlung setzte nun nicht mehr abrupt, nach wenigen Augenblicken ein, sondern erst nach geraumer Zeit, und sie ging wesentlich langsamer vonstatten als zuvor. Die zweite Erkenntnis war, dass es sogar ausreichte, wenn Shanli den Wunsch lediglich in Navids Ohr flüsterte und nicht laut aussprach. Da vor und hinter ihnen weitere Bewerberinnen standen, die Shanlis ständige Wünsche gehört hätten, beschlossen sie, auf diese Weise den Zauber auszulösen. Denn zwei tuschelnde Blondinen waren lange nicht so auffällig, wie ein Mädchen, das sich fortwährend laut wünschte, etwas zu sein, was es schon war – nämlich schlank und blond.

Navid trat von einem Fuß auf den anderen. Er hob den Rock an und sah stöhnend auf seine zierlichen Füße. »Diese Riemenschuhe bringen mich noch um. Schau her! Zwischen den Zehen bin ich schon ganz wund!«

Knurrig stauchte Shanli den Dschinn zusammen. »Kannst du jetzt endlich mal aufhören, herumzuheulen. Erst passt dir die Farbe des Kleides nicht. Dann beschwerst du dich über den Schleier. Danach jammerst du, weil dir deine Frisur nicht passt, und nun wegen der Schuhe. Fehlt bloß noch, dass du mich fragst, ob dein Hintern in dem Kleid fett aussieht.«

Erschrocken drehte sich Navid zu ihr. »Tut er das etwa?« Bei dem Versuch, die Ausmaße seines Allerwertesten abzuschätzen, verrenkte er sich beinahe den Hals.

Shanli zog schüttelnd den Kopf ein. Wie konnte ein Dschinn nur so eitel ein?

»Nein, beruhig dich endlich!«, nuschelte Shanli. »Alles perfekt. Du wirst Parviz bestimmt gefallen.« Kurz kräuselte sich ihre Stirn. »Hoffentlich nicht zu gut.« Erneut schüttelte sie den Kopf, um den Gedanken zu vertreiben. »Also, was tust du, wenn du nicht weißt, was du ihm erzählen sollst?«

Navids Oberlippe stülpte sich missmutig hervor, bevor er antwortete: »Dumm kichern und ›Ja‹ sagen.«

»Genau!«, sagte Shanli und atmete durch, denn das nächste Mädchen kam weinend aus dem Audienzzimmer.

Im selben Moment lief ein Trupp prunkvoll gekleideter Diener an der Schlange der Wartenden vorbei. In dessen Mitte stolzierte eine hochgewachsene junge Frau. Deren hochmütige Haltung verriet, dass sie die Tochter eines Emirs sein musste. Auch ihre gen Himmel gereckte schmale Nase ließ Shanli ahnen, dass das Mädchen sehr wahrscheinlich gewohnt war, das zu bekommen, was es wollte. Vielleicht war die junge Frau gerade deswegen eine strahlende Erscheinung und erfüllte sofort den Raum mit ihrer Anwesenheit. Alle Augen waren auf sie gerichtet, was ihr entweder gleich war oder nicht fremd. Ihre wallende Löwenmähne wippte im Takt ihrer entschlossenen Schritte. Der zartgoldene Stoff ihres Kleides war hauchdünn gesponnen, nahezu durchsichtig. Er schmiegte sich an ihre schmale Figur und besonders an ihre Beine, die schier endlos schienen.

»Hallooo! Wen haben wir denn da?«, grölte Navid der stolzen Schönheit hinterher. Er ließ einen eindeutigen Pfiff los, worauf sich die Prinzessin prompt umdrehte.

Neugierig musterte sie die Reihe der Mädchen, aus welcher der Ruf und der Pfiff erklungen waren. Mit einem irritierten Gesichtsausdruck wandte sie sich ab, setzte letztlich ihren Weg fort und wollte mit ihrem Gefolge einfach ins Audienzzimmer einmarschieren.

Zwischenzeitlich rammte Shanli Navid den Ellbogen in die Seite. »Sag mal! Geht‘s noch?«

»Was denn?«, meinte dieser unschuldig dreinblickend und flüsterte enerviert: »Ich bin schließlich immer noch ein Mann, zwar verflucht, aber nicht tot.«

»Aber im Moment bist du ein Mädchen, du Dumpfbacke!«, zischte Shanli vorwurfsvoll zurück. »Außerdem drängelt die Olle sich vor.« Gleich darauf beschwerte sie sich lautstark, mit all den anderen Mädchen, die ebenfalls warteten.

»Hey, du da, was soll das? Stell dich gefälligst hinten an!«

Doch die Prinzessin kehrte sich eine feuchte Sanddüne darum. Ihre Diener drängten die vorderen Mädchen rücksichtslos beiseite und beschützten sie vor wütenden Übergriffen derer, die sich das nicht gefallen lassen wollten. Plötzlich ging die Tür des Bewerbungszimmers auf, und Parviz schritt heraus. Der Schah baute sich zu seiner vollen Größe auf. Mit aufgestützten Händen und einem charmanten Lächeln schaute er in die aufgebrachte Runde. Er genoss sichtlich die bewundernden Blicke und Seufzer, die er den Damen entlockte.

»Was ist das hier für ein Tumult, meine süßen Vögelchen?«

Die zurückgedrängten Mädchen ereiferten sich: »Die hat sich vorgedrängelt!«

»Sie soll sich hinten anstellen, wie wir alle!«

»Was glaubt die, wer sie ist?«

Parviz' Brauen hoben sich, als er die stolze Unruhestifterin inmitten ihrer Diener bemerkte. »Ah, Prinzessin … ähm … Manizeh.« Er deutete mit einem Nicken auf eine Brünette, die eingeschüchtert vor ihm stand. »Ist dies das Mädchen, welches Euch vertritt? Wäre sie jetzt an der Reihe?«

Es war nicht zu übersehen, dass Manizeh ganz und gar nicht damit einverstanden war, dass der Schah ihr keine Sonderstellung einräumte, sondern sie, wie alle anderen auch, warten musste. Allerdings hatte sie nicht selbst in der Schlange gestanden, sondern das brünette Mädchen dafür engagiert, das nun zur Seite trat. Tatsächlich wäre es als Nächstes an der Reihe gewesen. Die Prinzessin nickte lediglich mit einem einseitigen, arroganten Augenbrauenzucken. Kein Wort kam über ihre starren Lippen.

Parviz machte den Weg für sie frei. »Nun denn, kommt herein, Prinzessin, es wird mir eine Ehre sein, eure Bewerbung anzunehmen.«

Die Tür schloss sich hinter ihnen, und ein genervtes Raunen und Stöhnen ging durch die Reihe der Wartenden.

»Uäh! Das ist er? Diesem Schmiernippel soll ich … Ich will gar nicht daran denken!«, würgte Navid hervor und sah aus, als würde er sich gleich übergeben.

Shanli seufzte wohlig. »Ja. Ist er nicht fantastisch? Groß, stark und gerecht.«

Navid schwieg mit vielsagender Miene.

Bald darauf schwebte Prinzessin Manizeh ungerührt mit ihrem Kommando wieder davon, und bald durften auch Shanli und Navid ins Audienzzimmer. Da sie sich als Schwestern vorstellten und beide dem Schah ihre Hand anbieten wollten, ließ man sie gemeinsam vorsprechen.

Wie schon tags zuvor, saß Parviz mit dem Wesir und einem Schreiber vor Shanli. Bloß Aazar, die Mutter des Schahs, war nicht anwesend.

Parviz strahlte sofort über das ganze Gesicht, als die zwei Mädchen den Iwan betraten.

»Welch ein doppelt schöner Anblick! Kommt näher, ihr zwei hübschen Schmetterlinge. Ihr seid wahrlich eine außergewöhnliche Wohltat für meine Augen!«

Während Shanli ins Kichern verfiel, verkrampfte sich Navids Gesicht zu einem unglücklichen Lächeln. Leise konnte die Bäckerstochter ihren Dschinn neben sich lästern hören. »Schleimer!«

Die zwei schlanken Blondinen ließen sich vor dem Thronsessel des Schahs ehrerbietig nieder. Die Bäckerstochter hielt den Kopf gesenkt und strich verlegen über ihr blaues Seidenkleid. Die vielen Glitzersteine, die in den Stoff eingearbeitet waren, brachten ihre ganze Gestalt zum Funkeln, was Parviz nicht entging. Mit einem betörenden Schmunzeln betrachtete er das Mädchen und dann dessen Schwester. Die beiden sahen sich zwar von den Gesichtszügen nicht ähnlich und ihr Gebaren war ebenfalls sehr unterschiedlich, doch beide hatten seidige Locken, die ihn an die sonnengereiften Ähren auf dem Feld erinnerten. Er liebte blonde Frauen, denn sie waren eine Seltenheit in seinem Reich. Vor allem wenn sie noch, wie die eine, grüne Augen hatten. Wie Smaragde leuchteten sie ihm aus dem anmutigen Gesicht des Mädchens entgegen, das ihn seinerseits ernst beobachtete. Die hübsche junge Frau schien dem Schah nicht hochnäsig zu sein, wie die Prinzessin, sondern lediglich erwartungsvoll, vielleicht sogar skeptisch.

»Ihr seid Schwestern? Stimmt das?«, fragte er freundlich.

Die Kleinere antwortete mit einem schüchternen Lächeln. »Ja, Euer Hoheit.«

»Wer von euch ist die Ältere?«, wollte Parviz wissen und bekam sogleich Antwort von der Größeren. »Ich, Schah Parviz.«

Aus ihrer Stimme tönte keinerlei Furcht, eher Trotz. Das war außergewöhnlich und sehr interessant. Normalerweise benahmen sich die Mädchen so, wie die jüngere Schwester: Sie kicherten und himmelten ihn schüchtern an. Aber diese grünäugige Schönheit tat weder das eine noch das andere.

»Deine Augen sind fürwahr funkelnde Edelsteine, mein Herz.«

Entsetzt sah Shanli auf. Da brat ihr doch einer 'nen Storch! Jetzt verdrehte der Dschinn dem Schah den Kopf! So eine Frechheit!

Navid kicherte indessen ein unglückliches: »Hehehe, ja.« Mit einem Blinzeln erhob er auf gezierte Weise seine Hand, um neckisch abzuwinken. »Ihr seid mit ja einer, Schah Parviz.«

»Oho, das hoffe ich doch«, schäkerte Parviz mit ihm weiter, und Shanli konnte nicht anders, als die Augen zu verdrehen.

Dies traute sie sich jedoch nur, weil Parviz es nicht sehen konnte, da sie erneut ihr Haupt gesenkt hatte.

Der Schah grinste breit. »Ihr zwei süßen Täubchen seid also gekommen, um euch als Bräute zu bewerben?«

Shanli hauchte und Navid knurrte: »Ja.«

Parviz' Blick wanderte zurück zu Shanli. Auch sie gefiel ihm. Denn sie hatte nicht nur ein reizendes Gesicht und eine wohlgestaltete Figur, sondern auch eine ebenmäßige Haut, die wie goldener Samt schimmerte. Es juckte den Schah förmlich in den Fingern, zu erfahren, ob sie sich auch so anfühlte.

»Das Schicksal muss es wirklich gut mit mir meinen, wenn zwei solch schöne Schwestern um meine Gunst buhlen. Wie ist dein Name, kleine Perle?«

Verlegen strahlte Shanli Parviz an, der sie nicht aus den Augen ließ.

»Shanli, Herr.«

Der Schah grübelte laut vor sich hin. »Shanli. Shanli?«

Die Bäckerstocher konnte es nicht fassen, erinnerte Parviz sich wirklich an sie. Sie konnte ihre Unruhe nur mühsam verbergen, am liebsten hätte sie ihm mitten ins Gesicht geschrien, dass sie diese Shanli war, die ihm … mit einem Keks fast den Zahn abgebrochen hätte. Nein, das zuzugeben, wäre wirklich eine zu dusslige Idee.

Parviz wandte sich schließlich an den Wesir. »Shanli, der Name kommt mir bekannt vor. Haben wir nicht ein Stachelschwein im Palastgarten, das Shanli heißt?«

Der Riesenschnauzer des Wesirs zuckte. »Möglich, Herr. Allerdings hieß so auch die Zuckerbäckerin, die Ihr zu Euch bestellt hattet.«

»Nein! Die hieß doch Panli. Oder Ramdi? Na, egal!« Er schüttelte den Kopf und widmete dann dem Dschinn seine Aufmerksamkeit, der ihn mit großen Augen anglotzte.

»Und du mein kostbares Juwel. Wie darf ich dich nennen?«

»Navida, wenn es sein muss. Vielleicht habt Ihr ja einen Esel, der so heißt, dann könnt Ihr Euch den Namen besser merken«, erwiderte der Dschinn zynisch.

Parviz' Lachen hallte laut durch die Halle. »Du bist köstlich, Kleines. Ich mag Frauen mit Humor.«

»Was hab ich doch für ein Glück!«, flötete Navid voller Sarkasmus, den jedoch bloß Shanli heraushören konnte.

Parviz grinste, als vollbringe er eine Wohltätigkeit. »Ja, wohl war. Nun – ich nehme eure Anträge an. In zwei Tagen werde ich ein Fest ausrichten, bei dem ich die Bewerberinnen näher kennenlernen will. Ich würde mich freuen, wenn ihr meine Einladung annehmt und gegen Abend im Palast erscheint.«

Shanlis Magen hüpfte im Kreis, und sie musste ihre Lippen zusammenpressen, um nicht laut vor Freude zu jubeln. Navid dagegen hatte keine Probleme mit dem Sprechen und meinte fast schon zu überschwänglich: »Oh, wie wundervoll! Natürlich feiern wir mit Euch, Hoheit. Es gibt nichts, was wir lieber tun würden.«

Außer vielleicht, dir einen Tritt in den hoheitlichen Hintern zu verpassen, führte Navid in Gedanken fort.

Plötzlich stammelte Shanli aufgeregt: »Wir … wir sollten Eure Zeit nicht länger in Anspruch nehmen, Herr. Wir werden uns pünktlich zum Fest einfinden.«

Parviz entließ sie mit einem Nicken, und Shanli erhob sich. Mit tief gebeugtem Kopf verbarg sie ihre Hände hinter dem Rücken und lief rücklings zum Ausgang. Navid tat es ihr gleich, denn auch er hatte bemerkt, dass allmählich die Rückverwandlung einsetzte.

Die Bäckerstochter war heilfroh, die Audienz mit Erfolg bewältigt zu haben. Vor der Tür wünschte sie sich umgehend den Dschinn und sich selbst wieder in Form.

Navid begriff unterdessen, dass Shanli von dem Schah völlig eingenommen war. Niemals würde er gegen diese Vernarrtheit ankommen, die von ihr Besitz ergriffen hatte. Die sonst so schlagfertige Bäckerstochter, die ihre Krallen und haarigen Reißzähne wie ein Raubtier ausfahren konnte, wurde in der Gegenwart des schleimspurlegenden Schahs zu einem rammdösigen Kätzchen, das nicht mehr knurren, sondern höchstens noch lahm schnurren konnte. Ihm blieb allein die Hoffnung, dass Shanli ihm den Wunsch nach Freiheit erfüllte, wenn sie Parviz' Herz erobert hatte. Denn für was bräuchte sie dann noch einen Dschinn? Wenn sie die Gemahlin des Schahs war, besaß sie alles, was man sich wünschen konnte: Liebe, Reichtum und Macht. Vielleicht war der Plan, sie unter Parviz' Haube zu bringen, sogar noch besser als sein alter, bei dem er ihr den Kopf verdrehen sollte? Das Problem war nur, dass der neue Plan nicht so leicht umzusetzen war. Denn Parviz, der Schleimbolzen, jagte allem nach, was keine Hose trug. Ja, wahrscheinlich auch Kamelen. Andererseits … war dieser Weiberheld überhaupt in der Lage, jemand anderen zu lieben – abgesehen von sich selbst? Und wenn ja, dann waren da noch eine ganze Menge anderer Mädchen (allen voran die langbeinige Prinzessin Manizeh, die nicht leicht auszustechen sein würde), die Parviz ebenfalls wollten – und die Prüfungen. Weiß der Wüstengeier, was der Süßholz raspelnde Schah sich da ausgedacht hatte! Allerdings gab es noch eine viel dringendere Frage: Könnte er Shanli irgendwann dauerhaft blond und schlank wünschen? Aber war dies überhaupt noch nötig, wenn sie mit Parviz verheiratet war?

Kapitel 11
Süßigkeiten der besonderen Art

Die folgenden zwei Tage vergingen wie im Fluge. Shanli backte wie immer ihre Kekse und verkaufte diese über ihr Küchenfenster. Die Einnahmen waren gering, doch das störte sie nicht, denn dank Navid konnte sie sich alle Zutaten herbeiwünschen, die sie wollte.

Der Dschinn half ihr sogar beim Zubereiten der Köstlichkeiten und sie verzichtete darauf, seine Magie einzusetzen. Es schien, als mache es ihm Spaß, mit den Händen zu arbeiten, obwohl Shanli manchmal über seine verunglückten Kekse schallend lachen musste. Aber Navid nahm ihr das nicht übel, sondern amüsierte sich mit ihr. Ihre frechen Bemerkungen über seine Kunstwerke zahlte er ihr mit gleicher Münze heim, und so kabbelten sie sich in freundschaftlicher Weise.

Shanli zeigte Navid Gewürze, die ihm unbekannt waren, und nötigte ihn, ihre neusten Leckereien zu probieren, was er schnaubend über sich ergehen ließ. Zufrieden grinsend beobachtete sie ihn dann, wie er die Süßigkeiten verspeiste, und wartete gespannt auf sein Urteil. Meistens schmeckten sie ihm gut, was er sich anfangs nur unwillig aus der Nase ziehen ließ. Aber als er bemerkte, wie Shanlis dunkle Augen jedes Mal fröhlich glitzerten, wenn er dies zugab, kamen ihm die Eingeständnisse leichter über die Lippen. Wenn es ihm nicht mundete, probierte sie ebenfalls von den Backwaren und überlegte laut, woran es liegen mochte. Sie fand immer einen Weg, die Kekse doch in kleine Köstlichkeit zu verwandeln. Navid musste lächelnd den Kopf schütteln, wenn sie sich danach selbst lobte und über ihr eigenes Backwerk vollkommen ins Schwärmen geriet.

Währenddessen wollte Shanli, dass er sie immer wieder blond und schlank zauberte, damit die Zeitspanne der Veränderung sich vergrößerte. Manchmal erschrak die Bäckerstochter jedoch, wenn sie ihr blondes Spiegelbild auf einer blanken Fläche entdeckte. Ab und an vergaßen sie aber auch, den Wunsch zu erneuern. Und zeitweise war es Shanli lästig, ständig auf der Lauer zu liegen und daran zu denken. Allerdings mussten sie hin und wieder auch Navid verwandeln, wenn Golroo, Taliman oder Käufer vorbeischauten. Denn wie sollte sie ihnen erklären, dass ein junger Mann bei ihr wohnte, der, wie alle wussten, weder ihr Bruder noch ihr Ehemann war.

Schließlich brach der Abend des Festes an, und Shanli war ein einziges Nervenbündel. Da Parviz erwähnt hatte, er wolle die Bewerberinnen näher kennenlernen, gab sie sich der Hoffnung hin, mit ihm einige Augenblicke allein verbringen zu können.

Stunden hatte sie mit Navid diskutiert, gestritten und herumgealbert auf der Suche nach dem perfekten Kleid. Mittlerweile trug sie ein elfenbeinfarbenes Ensemble, welches reich mit goldenen Stickereien verziert und umsäumt war. Es betonte nicht nur ihre Figur und ihren makellosen Teint, sondern brachte ebenso ihre helle Haarpracht zum Leuchten. Navid bestand darauf, dass sie sich ein Diamantgeschmeide wünschen sollte. Aber Shanli wollte nur den Smaragd tragen, den sie wie die vorigen Tage unter ihrem Kleid verbarg. Navid gelang es lediglich, sie zu einem filigranen Stirnband zu überreden. Ein kleiner tropfenförmiger Brillant ruhte zwischen ihren Augen und funkelte mit ihnen um die Wette. Selbst Navid musste sich eingestehen, dass dieses Schmuckstück eine unvergleichliche Wirkung hatte. Unweigerlich zog es den Blick auf sich, und man versank in ihren schwarzen glänzenden Tiefen. Da Navid dem Schah nicht noch mehr gefallen wollte, bestand er darauf, dass sein Kleid auf keinen Fall grün sein dürfe. Er schwor, sollte der Schah ihn noch einmal wie einen Stein betiteln, würde er ihm besagten in den Rachen stopfen.

So schlappte der Dschinn in der Abenddämmerung, in ein violettes Kleid gewandet, mit der Bäckerstochter den Hügel hinauf.

Das Fest war bereits in vollem Gange, und der größte Teil der Bewerberinnen war schon da. Es mussten an die dreißig Mädchen sein, die in dem Iwan herumschwirrten. Eine breite Marmortreppe führte in den gepflegten und symmetrisch angelegten Palastgarten hinab. Mitten in der Anlage verlief ein langes, rechteckiges Wasserbecken, auf dem unzählige Lichter trieben und sich in der dunklen Oberfläche spiegelten. Palmen und Zypressen waren in Reih und Glied gepflanzt – wie Soldaten, die Wache hielten. Auch die akkurat verlaufenden Wege waren mit Fackeln bestückt und luden zum Flanieren ein. Zelte und Pavillons waren in regelmäßigen Abständen zu finden und boten genügend Gelegenheiten zum Ausruhen. Die weißen Sternblüten des Jasmins waren trotz der hereinbrechenden Dunkelheit noch überall im Park auszumachen. Orangenbäume verströmten ihren süßen Duft und verliehen der lauen Brise, die in den Iwan hineinwehte, eine besondere Frische. Die ausladenden Vorhänge bewegten sich sanft zwischen den monumentalen Arkadenbögen. Lange Tafeln waren über und über mit Speisen beladen. Äpfel, Trauben, Datteln und Kirschen glänzten prall und saftig in wuchtigen Messingschalen. Knusprig gebratene Hühner, Fische und Lammkeulen türmten sich verschwenderisch auf ovalen Platten, in deren gehämmertes Muster sich der ölige Fleischsaft sammelte. Dazwischen standen Schüsseln bereit, in denen heißer Reis und Bulgur dampften, die mit gerösteten Pinienkernen, Mandelblättchen und Korinthen verfeinert worden waren. Baklava, Reismehlpudding, Helva und mit Walnüssen gefüllte Feigen lockten mit ihrem zuckrigen Glanz. Zahlreiche bunte Sitzkissen lagen, unter ausladenden Palmen, im ganzen Saal verteilt. Dienerinnen reichten den Gästen heißen Tee und Mokka, aber auch kühles Wasser und frisch gepressten Saft.

»Hier sind nur Frauen«, flüsterte Navid.

Er schaute sich heimlich um, doch Shanli hörte seine Feststellung wohl nicht, denn sie stand mit verklärtem Gesicht einfach nur da und schwieg.

»Ach, du grüne Dattel! Ich bin in Parviz' Harem gelandet.« Panisch wisperte er: »Shanli, wenn die spitz kriegen, dass ich ein Mann bin, dann war ich das die längste Zeit. Die schneiden mir die Glocken ab.« Aufgrund des erschreckenden Gedankens krochen Navids Hände beschützend vor seinen Schoß, wo gewöhnlich besagte Körperteile zu finden waren.

»Blödsinn!«, murmelte Shanli, die immer noch völlig baff wegen der Pracht des Festes war. »Parviz' hat keinen Harem, das ist nur ein Fest.« Kritisch beäugte sie Navid. »Und von was für Glocken sprichst du überhaupt?«

»Na, von …« Navid verstummte und schüttelte den Kopf. »Vergiss es!«

Plötzlich rumpelte rücklings eine junge Frau gegen ihn, die sich erschrocken zu ihm umdrehte. Sie hatte eine wallende rote Mähne und war aufgrund ihrer hellen Alabasterhaut eine außergewöhnliche Schönheit. Mit zusammengekniffenen Augen betatschte sie Navids Brustbein und ließ ihre Hand weiterwandern, bis sie auf seiner linken Brust lag. Überrascht schnappte das Mädchen nach Luft. Aber anstatt ihre Hand zu entfernen, überprüfte sie ihren Verdacht mit der anderen und setzte diese auf Navids rechten Busen. Synchron drückte sie beide leicht, um dann entsetzt ihre Finger zu entfernen und aufzuschreien: »Oh, Verzeihung!« Sie rückte näher an Navids Gesicht heran, der das alles schweigend und mit versteinerter Miene über sich ergehen ließ. Ihre Nase kräuselte sich, als sie vor seiner weiterplapperte. »Ich dachte … Ihr wärt eine Säule, um die ein Vorhang drapiert ist. Aber anscheinend seid Ihr das nicht.« Sie kicherte einfältig. »Witzig, nicht wahr?«

Parviz erschien neben ihnen. »Ihr zwei Schneckchen, was spielt ihr denn da für ein Spiel? Darf ich mitmachen?«

»Auf keinen Fall!«, meinte Navid, während die Rothaarige fragte: »Schah Parviz, seid Ihr das?«

Nun rückte sie dem Schah auf die Pelle, der sich sogleich bei ihr unterhakte. »Natürlich, meine Blume. Wer sonst? Komm, wir gehen in den Garten«, säuselte er. Kurz wandte er den Kopf zu den blonden Schwestern. »Und um euch zwei Hübschen kümmere ich mich später.«

Damit ließ er sie stehen. Navid wurde schlagartig einiges klar, als er die Kehrseite der rassigen Rothaarigen sah. Sie hatte einen Hintern, der rund wie ein Apfel war und bei jedem Schritt appetitlich wogte. Prompt krabbelten Parviz' Finger von der Taille an abwärts. Frech erkundeten sie, was der Knackpo des kurzsichtigen Mädchens zu bieten hatte.

Navid schnaubte. »Ein feiner Schah, dein Parviz.«

»Ja, stimmt!«, staunte Shanli angetan. »Ihm ist es vollkommen egal, dass sie fast nichts sieht.«

»Ja«, lachte Navid auf. »Er legt auf andere Dinge wesentlich mehr Wert.«

Shanli schmunzelte. »Endlich siehst du ein, dass Parviz wirklich ein guter Mann ist.«

Navids blonde Brauen zogen sich zusammen. »Entweder du verschließt absichtlich deine Augen vor den Tatsachen, oder du bist blinder als die Rothaarige.«

Verärgert starrte Shanli ihn an, um ihn dann zu ignorieren. Missmutig stiefelte sie zur Tafel, wo sie auf ein bekanntes Gesicht traf.

»Simin! Schön, dich hier zu treffen. Parviz hat dich also ebenfalls erwählt?«

Verstört schaute die Tochter des Wesirs sie an. »Entschuldige – wer bist du? Müsste ich dich kennen?«

Entsetzt hielt Shanli den Atem. Verflixt! Wie hatte ihr nur solch ein Fehler unterlaufen können?

»Ich … ich …«

Navid drängte sich auf einmal neben sie. »Wir sind Shanlis Cousinen. Sie hat uns von dir so viel erzählt, dass wir schon glauben, dich selbst zu kennen.«

Simins Gesicht klärte sich. »Ach, die Bäckerstochter? Ja! Ich hatte so gehofft, dass Parviz auch sie erwählen würde. Shanli ist so lieb und lustig. Ich mag sie sehr.«

Shanli entfloh lediglich ein erfreutes Lachen. Doch Navid grummelte nickend: »Oh, ja. Allerdings kann sie auch ein ganz schön gemeines Biest sein.«

Der letzte Satz brachte ihm einen verstohlenen Fußtritt von Shanli ein. Er zuckte leicht zusammen und fuhr ächzend fort: »Wie ich immer wieder feststellen muss.«

Shanli lächelte säuerlich, gewann indessen aber ihre Selbstsicherheit zurück. »Meine Cousine wird bloß unleidig, wenn sie auf verbohrte Trottel trifft, die glauben, immer das letzte Wort haben zu müssen.«

»Ja, solche Leute mag ich auch nicht«, pflichtete Simin ihr bei. »Ihr habt also auch um Parviz' Hand angehalten? Wo kommt ihr her? Ich habe euch noch nie in Al Hurgha gesehen.«

»Aus Hesch Tael«, sprudelte es aus Navid heraus.

»Hesch Tael? Dann seid ihr fast drei Tage durch die Wüste gereist? Wie habt ihr so schnell von Parviz' Suche erfahren?«

»Oh, wir besuchten Shanli rein zufällig. Sie erzählte uns von Parviz' Suche nach einer Braut, und wir packten die Gelegenheit beim Schopfe.« Mit ernster Miene spann Navid die Lüge weiter.

Simin hörte aufmerksam zu und meinte: »Ich freue mich, dass es bei euch geklappt hat mit der Bewerbung. Dass ich Simin bin, wisst ihr ja, aber eure Namen kenne ich noch nicht.«

»Ich heiße Navida«, sagte der Dschinn.

Aber Shanli schaute ängstlich zwischen ihm und Simin hin und her. Was sollte sie nur sagen? Einen falschen Namen anzugeben, würde nur weitere Fragen und Lügen aufwerfen, wenn Parviz sie vor Simin mit »Shanli« ansprechen würde.

Kurz entschlossen stellte sich die Bäckerstochter mir ihrem richtigen Namen vor. Simin legte den Kopf schief und grinste.

»Du hast den gleichen Namen wie deine Cousine? Wohl sehr beliebt in eurer Familie?«

Abermals kam Navid zur Hilfe. »Ja, es war der Name unserer Großmutter.« Und um Simin nicht die Gelegenheit zu geben, noch weitere Fragen zu stellen, übernahm er das Gespräch. »Und, hast du mit Parviz schon deine Unterredung gehabt? Er wollte ja jede der Bewerberinnen heute Abend besser kennenlernen.«

Auf Simins Gesicht spiegelte sich Traurigkeit. »Nein, noch nicht. Ich denke, er wird sich mit mir auch nicht unterhalten wollen. Wir sehen uns ja fast täglich im Palast.«

Navid wirkte überrascht und musterte Simin genauer. »Wieso das? Arbeitest du für ihn?«

Simin grinste betreten, denn wieder einmal würde zur Sprache kommen, wessen Tochter sie war. »Ich bin Wesir Ziars Tochter und diene Parviz' Mutter.«

»Ahh«, meinte Navid und geriet ins Grübeln.

»Hannihanno, anne zusammen! Könntet ihr wohn einen Schritt zur Seite gneiten, damit ich besser an die köstnichen Fneischbännchen herankomme?«, trötete es unerwartet neben ihnen. Eine kleine Schwarzhaarige lächelte sie fröhlich an. »Ich bin übrigens Neinah und komme aus Pannagur.«

Während Simin sich auf die Lippen biss, um nicht naut – äh – laut loszugrölen, verzog Navid schmerzvoll das Gesicht, und Shanli blinzelte perplex.

Das Mädchen bemerkte offenbar das Verhalten jedoch nicht und plapperte munter weiter. »Ihr sonntet euch diese Köstnichkeiten wirknich nicht entgehen nassen. Die gefünnten Manden-Äpfen sind totan necker, und die Ninsensuppe ist einfach unvergneichnich.«

Navid trat schließlich beiseite, damit das Mädchen an die Platte mit den Fleischbällchen gelangen konnte, und fragte sie: »Du meinst, du kommst aus Pallagur.«

Sie blickte Navid zweifelnd an. »Ja, sagte ich doch.«

Shanli hatte nun ebenfalls zwei und zwei zusammengezählt und begriffen, dass das Mädchen kein L aussprechen konnte, sondern stattdessen immer ein N verwendete. Sie nickte aufatmend. »Ach, ja, dein Name ist Leilah.«

Skeptisch kräuselte sich die Stirn des Mädchens. »Nein! Wie kommst du denn da drauf? Bnoß wein ich kein N sprechen kann, gnaubst du, mein Name muss vonner Ns sein?«

Simin rutschte ein Prusten heraus, und Shanli schluckte nervös. »Entschuldige. Ich wollte nicht … ich dachte nur …«

Plötzlich lachte Leilah. »Ha, reingenegt! Natürnich, heiße ich Neinah. Wer heißt schon Neinah?«

Alle vier krümmten sich vor Lachen. Navid war der Erste, der sich wieder fing. »Allerdings könnte es schon passieren, dass Parviz dir diesen Namen gibt, denn anscheinend kann er sich keinen einzigen merken. Abgesehen von dem seines Stachelschweins.«

Leilah nickte vielsagend. »Ja, das ist mir auch schon aufgefannen. X-man musste ich ihm erknären, wie ich heiße und dass ich einen Sprachfehner habe. Ehrnich gesagt wäre ich nicht hier, wenn er nicht so schrecknich gut aussehen würde und ein Schah wäre.«

Simin zuckte mit den Schultern. »Er kann sich die Namen durchaus merken. Er benötigt nur etwas länger Zeit als andere. Um diese Schwäche zu verbergen, benutzt er auch immer Kosenamen.«

»Aha«, sagt Shanli und blickt vorwurfsvoll zu der blonden Dschinni. »Er ist gar kein Schleimer, wie du behauptest, Navida!«

Leilah lachte. »Schneimer?! Haha, wie nustig.«

»Ach, komm, Shanli, schau dir die ganzen Mädchen doch mal genauer an.« Navid platzte der Kragen, und er ereiferte sich weiter: »Parviz achtet nur auf das Äußere. Die Rothaarige, die fast genauso viel sieht wie eine Kichererbse, hat er ausgewählt, weil sie rote Haare und einen Knackarsch hat.« Erbost zeigte er mit dem Finger auf Shanli und sich selbst. »Und uns, weil er auf schlanke Blondinen steht.«

Die schwarzhaarige Leilah nickte. »Ja, das gnaube ich auch. Über die Hänfte der Mädchen hat bnonde Nocken. Und ich bin sichernich nur auserwähnt worden, wegen meines prannen Busens.«

»Ja«, sagte Navid und starrte genau dorthin. »Der Gedanke kam mir auch schon!«

»Und warum bin ich dann hier?«, fragte Simin und schaute die zwei erwartungsvoll an. »Ich habe weder blonde Haare und einen Knackarsch noch eine große Oberweite. Weswegen hat er mich dann ausgesucht?«

»Ja«, murmelte Navid. »Die Frage habe ich mir auch schon gestellt. Du passt irgendwie nicht in sein Beuteschema.«

Simins Augen wurden groß. »Willst du mir sagen, ich bin nicht hübsch genug?«

»Nein«, erwiderte Navid. »Ich habe einen anderen Verdacht, warum du hier bist.«

Shanli wollte schon fragen, welchen Vermutung Navid hege, als Parviz seinen Arm um Simin legte.

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9783753195278
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