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Ein Rahmen für alle Therapien?

Obgleich wir uns wissenschaftlich fundierten Konzepten und Prinzipien verpflichtet fühlen, enthalten die theoretischen Kapitel des Buches nicht nur trockene akademische Theorie. Vielmehr beschreiben und erforschen wir darin, was für jede Art psychotherapeutischer Praxis gültig ist. Deshalb hoffen wir: Sie werden feststellen, dass Sie den Verständnisrahmen und die Grundlagen, die wir hier auf Mirroring Hands bezogen beschreiben, auf jede klinische und jede private Aktivität anwenden können. In den betreffenden Kapiteln wird beschrieben, wie Systeme funktionieren, wie sie sich selbst organisieren und wie wir – als Kliniker, Klienten und Privatleute – uns als kreativ am jeweiligen Prozess Beteiligte wohlfühlen können. Wir versuchen, den Fokus von der Rolle des bewusst Kontrollierenden oder des dominierend Beeinflussenden hin zur Bejahung eines Zustandes der Teilhabe an den natürlichen Eigenschaften unseres Seins zu lenken, die weder Kontrolle noch Dominanz benötigen. Denn wir können an einer kreativen Integration unseres gesamten Systems teilnehmen. Wir sind der Auffassung, dass Kontrolle und Dominanz des Erlebens die Effizienz einer Therapie verringern und dem Kliniker und dem Klienten die Arbeit erschweren können (Rosenfeld 1992, S. 205–226; Hopps et al. 1995). Wir weisen in diesem Zusammenhang nochmals darauf hin, dass uns sehr wohl klar ist, dass pragmatisches, kontrollierendes und sogar dominantes Vorgehen manchmal notwendig sein mag, dass man dies aber kaum als Therapie bezeichnen kann. In den meisten Fällen geht es dabei darum, den Klienten oder seine Situation vor Beginn der eigentlichen therapeutischen Arbeit zu stabilisieren.

Das vorliegende Buch befasst sich größtenteils mit Situationen, die einer Therapie zugänglich sind. In diesem Sinne ist es zu verstehen, wenn wir sagen, dass Sie lernen werden, das Wissen über unsere natürlichen Rhythmen und Zyklen auf die schwierigsten Fälle anzuwenden. In Kapitel 9 (»Neugier und der Elefant im Raum«) werden Sie möglicherweise umfassendere Anwendungsmöglichkeiten entdecken, wenn wir erforschen, was Neugier weckt und was sie versiegen lässt. In Kapitel 5 (»Die Rhythmen und Zyklen des Lebens in der Therapie«) wird erklärt, was wir unter natürlichen Rhythmen und Zyklen verstehen. Nach unserer Auffassung versetzt dies die psychotherapeutische Praxis in den Kontext dessen, was an uns natürlich ist, wie die uns umgebende Welt funktioniert und wie wir selbst in der Welt aktiv werden.

Was noch?

Jeder, der Mirroring Hands in der Praxis kennengelernt hat, hat in den eigenen Händen eine energetische Veränderung und ein verändertes Empfinden gespürt. Ist Mirroring Hands nur eine kognitive Intervention? Oder geschieht dabei tatsächlich etwas? In Kapitel 14 (»Untersuchungen und Experimente«) befassen wir uns mit den Untersuchungen von Leonard Ravitz und mit unseren entsprechenden aktuellen Ergänzungen. Die faszinierende Arbeit dieses Forschers ermöglichte die grafische Aufzeichnung elektrodynamischer Vorgänge in Echtzeit, wobei elektrische Veränderungen in der linken und rechten Hand im Millivoltbereich erfasst werden. Die Aufzeichnungen dokumentieren nicht nur energetische Veränderungen, sondern auch unterschiedliche Resultate zwischen linker und rechter Körperseite. Durch den Nachweis, dass es sich um energetische Prozesse im Mikropartikelbereich handelt, haben wir die Tür zur Quantenfeldtheorie geöffnet. Wir fühlen uns verpflichtet, diese faszinierende Thematik zumindest zu skizzieren, um Ihnen bestimmte Grundlagen zu vermitteln und Ihre Neugier zu wecken und Sie so dazu anzuregen, andernorts ausführlichere Informationen zu suchen. In Kapitel 15 (»Hinab in das Kaninchenloch«) erforschen wir die Welt der Quanten und spekulieren außerdem darüber, was die Zukunft uns bringen könnte. Die »harte Wissenschaft« (u. a. auch Ausflüge in die Quantentheorie bzw. Quantenfeldtheorie) präsentieren wir hauptsächlich in Kapitel 15, um Ihnen die Möglichkeit zu geben, ein wenig in sie einzutauchen, sofern Sie möchten.

Der kreative Randbereich, in dem die Weiterentwicklung stattfindet

Wir beenden diese Einleitung, wie wir sie begonnen haben: mit einer persönlichen Betrachtung von Richard Hill:

»Obwohl ich mich glücklich schätze, das Privileg genossen zu haben, von Ernest Rossi als Mentor betreut zu werden, ging es für mich immer darum, wohin das Erleben mich führt – wie ich mich verändere, wo ich mich weiterentwickle.

Das vorliegende Buch ist ein Ausdruck dessen, was im Laufe des letzten Jahrzehnts im Rahmen meiner Zusammenarbeit mit Ernest Rossi bei der Erforschung neuer Ideen und Techniken entstanden ist. An jenem verheißungsvollen Tag im Dezember 2005 wurde definitiv etwas initiiert; aber die Last der Verantwortung für meine Entwicklung lag immer ausschließlich bei mir. Es war meine Aufgabe, mich im aufregendsten Bereich meines Seins effektiv und produktiv zu entwickeln – in jenem growing edge genannten Randbereich, in dem wir uns weiterentwickeln« (Rossi 1992, S. 216–238).

Als growing edge wird der Randbereich des Ihnen bekannten Raumes, Ihrer bekannten Fähigkeiten, Ihrer bekannten Behaglichkeit bezeichnet. Von diesem Randbereich aus begeben Sie sich in einen kreativen Raum, in dem alles neu und unbekannt ist. Das Hinaustreten aus dem Randbereich ist kein Bruch mit dem und keine Trennung von dem, wer und was Sie sind, sondern nur das, was der Begriff nahelegt: das Erreichen eines Punktes, an dem Entwicklung möglich ist. Vergessen Sie nie, dass Sie mit allem verbunden bleiben, was Sie sind. Das Abenteuer besteht darin, in einen Raum hineinzuwachsen, in dem Sie zu mehr werden, als Sie momentan sind. Ich (RH) bin immer noch dabei, meinen Randbereich der Entwicklung zu erweitern, und Ernest Rossi hat mir gesagt, dass auch er, obwohl er schon Mitte 80 ist, seinen kreativen Randbereich immer noch ausdehnt.

Sich im kreativen Randbereich der Entwicklung aufzuhalten kann schwierig sein, denn Sie sind dort allein. Sie mögen zwar in vielerlei Hinsicht unterstützt und ermutigt werden, doch ist und bleibt dies ein unbekannter Raum. Unser einzigartiger Ausdruck dessen, was wir lernen, und die Art, wie wir das Gelernte in unser Alltagsleben integrieren, ist die Erweiterung, die wir in unserem Randbereich realisieren. Jede therapeutische Technik und jeder Prozess ist Ausdruck der Bewegung eines Menschen nach außen in seinen kreativen Randbereich der Entwicklung und des Wachstums. In diesem Kontext betrachtet, gibt es keine Therapie, keine Behandlungstechnik und keine therapeutische Vorgehensweise, die perfekt für Ihre persönliche Situation geeignet ist, weil alle diese Dinge im Randbereich der Entwicklung eines anderen Menschen entstanden sind. Einige mögen Ihrer Situation und Ihren Bedürfnissen recht nahekommen, aber dies ist der Grund, aus dem ericksonsche Psychotherapie so schwer genau nachzuahmen ist: Der einzige perfekte ericksonsche Therapeut war Erickson selbst. Wir alle müssen unsere persönliche beste Form der Behandlung und unseren besten Ausdruck selbst finden, um uns bei unserer therapeutischen Arbeit natürlich, wohl und unbelastet fühlen zu können.

Als Autoren dieses Buches fragen wir uns wirklich, wohin Sie all dies führen wird und was Sie mit unseren Worten und Ideen anfangen werden. Wie könnte dieses Buch Sie dazu befähigen, ermutigen oder inspirieren, Ihren Randbereich der Entwicklung zu erforschen? Was werden Sie selbst neu entwickeln? Vielleicht ist es nur etwas sehr Kleines. Vielleicht ist es aber auch eine radikale Veränderung. Kapitel 9 (»Neugier und der Elefant im Raum«) ist aus der jahrelangen Arbeit Richard Hills mit Ernest Rossi entstanden, aber auch aus seinem eigenen Leben. Was sagt das Ihnen? Was befindet sich in Ihrem Geist, das über Ihren Randbereich der Entwicklung hinüberschwappen könnte? Ziel dieses Buches ist, Ihnen zu zeigen, wie wir es gemacht haben, damit Sie erforschen können, wie Sie es machen könnten.

»Man kann kein Neuland entdecken, ohne zuzulassen, dass man sehr lange die Küste aus den Augen verliert.«

André Gide: Die Falschmünzer

Damit wir an den Punkt kommen, an dem wir uns jetzt befinden, muss schon eine Reise stattgefunden haben. Es ist völlig normal, sich Fragen nach der Vorgeschichte zu stellen, danach, wie sich Dinge verändert und weiterentwickelt haben. Deshalb ist es auch völlig normal, wenn wir dieses Buch mit einem historischen Rückblick beginnen. Und dazu können wir in unserem Fall die Quelle selbst nutzen: Ernest Rossi. Deshalb werden wir ihn fragen, wie alles anfing.

6In diesem Buch wird bei allgemeinen Aussagen der besseren Lesbarkeit wegen in der Regel die männliche grammatische Form verwendet. Die weibliche sowie alle anderen Formen sind stets mitgemeint.

7Siehe https://www.braininitiative.nih.gov/ [22.12.2020].

1Die Geschichte von »Mirroring Hands«


Abb. 1.1: Richard Hill und Ernest Rossi im Gespräch (Juni 2016)

Im Juni 2016 begegnete ich Ernest Rossi und seiner Frau Kathryn in ihrem Haus in Kalifornien. Der Hauptgrund für diesen Besuch war die Vorbereitung auf die Arbeit am vorliegenden Buch. Wir trafen uns sieben Tage lang und zeichneten Interviews und Gespräche von insgesamt über 25 Stunden Dauer auf. In der zweiten Sitzung des ersten Tages dieser Woche fragte ich Ernest Rossi: »Wie ist der Mirroring-Hands-Ansatz historisch entstanden? Wie ist er aus Deiner ›Lehrzeit‹ bei Milton Erickson hervorgegangen?« Ich habe den größten Teil der Antwort auf diese Frage reproduziert. Das Transkript wurde um der Klarheit der Darstellung willen redigiert und um einige Kommentare ergänzt. Kursivschrift dient der Hervorhebung bestimmter Wörter.

In diesem Transkript und im gesamten weiteren Buch werden Richard Hill durch die Abkürzung RH und Ernest Rossi durch ELR gekennzeichnet.

Aus den Gesprächen zwischen Rossi und Hill

Los Osos, Kalifornien, 1. Juni 2016, 14 Uhr

RHVielleicht ist dies die Gelegenheit, was meinst du? Unter all meinen Fragen war eine, dass ich von dir wissen wollte, wie der Mirroring-Hands-Ansatz entstanden ist.

ELROh … was die Essenz ist, die tiefste Essenz …

RHGenau!

ELRIch erinnere mich, dass ich einmal mit den Worten vorgestellt wurde: »Und jetzt wird Ernie Rossi seinen Ansatz mit den Händen vorstellen.« (Wir lachen) Ist das nicht dämlich?

RHUnd das war … alles?

ELRIch habe gedacht: »Er versteht es nicht.« Was hatte er nicht verstanden? Wir haben zwei Seiten … Du weißt schon, die Sache mit der linken und rechten Hemisphäre. Es geht aber auch um die Perspektive der Quantenfeldtheorie und der Kognition, der Empathie, der Persönlichkeit, der Gehirnplastizität, der Moleküle und der Genexpression, bis hin zur Ebene der Quanten. Es ist hier (deutet auf seinen Kopf) eingebaut.

RHJa, ich bin mit vielem davon vertraut …

ELR(hält einen Augenblick inne und denkt darüber nach, wo er anfangen soll) Ich war oft dabei, wenn David Cheek bei Milton Erickson war; es gab also ein Gespräch zwischen uns dreien … genauso war es oft, wenn Ravitz da war … und ich lernte während dieser informellen Fachsimpeleien vieles, wofür die öffentliche Wahrnehmung der therapeutischen Hypnose kein Verständnis zu haben schien …

Man kann Milton Erickson mit Recht als einen der wichtigsten Vertreter der modernen Psychotherapie und der therapeutischen Hypnose bezeichnen. Er wurde in den 1920er-Jahren zum Psychiater ausgebildet und führte umfangreiche Untersuchungen auf dem Gebiet der therapeutischen Hypnose durch. Die Milton H. Erickson Foundation, die Jeffrey Zeig leitet, pflegt das Erbe Ericksons durch die Organisation von Ausbildungsaktivitäten, mithilfe eines riesigen Archivs und durch eine jährliche Konferenz, die Ericksons Arbeit würdigt und die Weiterentwicklung der Psychotherapie fördert.8 Ericksons Schriften sind am besten zusammengefasst in den 16 Bänden der Collected Works of Milton H. Erickson, M. D. (2008–2015), herausgegeben von Ernest Rossi, Kathryn Rossi und Roxanna Erickson-Klein (Erickson 2008–2015). Erickson war ein meisterhafter Lehrer. Diejenigen, die Zeit mit ihm verbrachten, von ihm lernten und in Zusammenarbeit mit ihm ihre eigenen Ansätze entwickelten, bilden ein »Who is who« der modernen Psychotherapie.

Ernest Rossi besuchte Erickson regelmäßig, oft jeden Monat gewöhnlich für etwa eine Woche. Diese Besuche begannen im Jahre 1972 und wurden bis zu Ericksons Tod im Jahr 1980 fortgesetzt. Da viele bedeutende Persönlichkeiten Erickson besuchten, war sein Haus ein fruchtbares Ambiente für jeden Studenten, Forscher und Autor. Leonard Ravitz, ein Psychiater von der Yale University, war um das Jahr 1945 Student Ericksons. Er war an der Entwicklung von Verfahren zur Messung elektrodynamischer Felder beim Menschen und der Unterschiede zwischen linker und rechter Körperseite beteiligt. In den 1950er-Jahren wendete er diese Technik in Zusammenarbeit mit Erickson auf Probanden an, die sich in hypnotischen Zuständen befanden. An dieser Stelle soll es genügen zu erwähnen, dass das Messgerät, das dazu benutzt wurde, anderen elektrodynamischen Messgeräten ähnelte, etwa dem Gerät, das die Gehirnaktivität misst und ein Elektroenzephalogramm (EEG) erstellt, oder dem Gerät, das die elektrische Aktivität des Herzens misst und ein Elektrokardiogramm (EKG) erstellt. Ravitz und Erickson instruierten Rossi im Gebrauch des Messgeräts und führten Mitte der 1970er-Jahre Experimente an sich selbst, an Familienmitgliedern und an Patienten durch, die Ravitz großenteils in seinem Buch Electrodynamic Man (Ravitz 2002) dokumentiert hat. Auch während meines Besuchs bei Rossi führten wir solche Experimente durch, unter anderem an zwei Menschen in Trance, wozu wir eine moderne Version des ursprünglichen Geräts benutzten. Bei diesem Experiment wurden Rossi und ich zur »linken« und »rechten« Seite einer Dyade, die durch Kontakt über die Hände zu einem Schaltkreis verbunden waren. Die Einzelheiten unserer Soloexperimente und anderer früher durchgeführter Experimente werden in Kapitel 14 erläutert (siehe auch: Rossi a. Rossi 2016a, S. 14–25; Rossi a. Rossi 2016b, S. 47–68). Wichtig ist, dass bei diesen Versuchen die Messelektroden an den Handinnenflächen befestigt wurden. Die Spannung wurde als Linie auf einem Papierstreifen aufgezeichnet, der Veränderungen während des Experiments dokumentierte. Weil die Werte für die rechte und die linke Körperseite in unterschiedlichen Linien aufgezeichnet wurden, konnten wir Veränderungen auf den beiden Seiten und Unterschiede hinsichtlich der Aktivität der beiden Körperseiten separat verfolgen.

Dr. David Cheek war für Rossi ein weiterer wichtiger Mentor, der seine medizinische Laufbahn als Arzt für Gynäkologie und Geburtshilfe begann. Er entwickelte starkes Interesse an Hypnose und erfand den Prozess des »ideomotorischen Signalisierens« (Cheek 1994). Dies hatte er durch seine Teilnahme an Hypnoseseminaren gelernt, die Erickson in den 1950er-Jahren veranstaltet hatte. Die positive oder »Ja«-Reaktion und die negative oder »Nein«-Reaktion werden dabei jeweils einem anderen Finger zugewiesen, und der Versuchsperson wird beigebracht, mit dem Erheben des einen oder des anderen Fingers zu reagieren. In Trance erhebt und bewegt sich der eine oder der andere Finger ohne Beteiligung des Bewusstseins – »fast wie von selbst« –, was eine Verbindung zu impliziten, unbewussten Regionen im Gehirn der Versuchsperson nahelegt. Die Bewegungen können mit dem bewussten Dialog im Einklang stehen oder nicht und in letzterem Fall auf einen Konflikt oder eine Inkongruenz zwischen Bewusstsein und Unbewusstem des Probanden hindeuten. Die nicht bewusste, nicht selbst gesteuerte Aktivität ähnelt der Handlevitation, ebenfalls eine ideomotorische Reaktion, die »von selbst« auftritt und ein Verhalten während der Hypnose ist, das einen Trancezustand anzeigen kann. Entscheidend und in diesem Zusammenhang zu beachten ist, dass unterschiedliche Reaktionen der Finger entgegengesetzte Aspekte der untersuchten Situation spiegeln können.


ELRIch lese also die Fachliteratur und sitze mit diesen Leuten zusammen, und dann wird mir klar, dass es in der Literatur den Begriff »ideomotorisch« gibt, der bei mir etwas auslöst, eine Aktivität … damit bin ich verbunden. Ich bin meinem Wesen nach ein Top-down-Mensch. Die Idee ruft etwas hervor (deutet mit seinen Händen eine Bewegung vom Kopf am Körper entlang abwärts an).

Dies war eine Sache, die ich an Cheek als brillant empfand und die der Rest der Hypnosewelt nicht verstand. Es gab da nämlich ein paar »Wissenschaftler«, die auf ihre »Wissenschaftlichkeit«, ihre »Experimente« und ihre »Forschung« im Bereich der Hypnose stolz waren und die Cheeks Ansehen zunichtemachen wollten.

Sie stellten fest, dass die Fingerbewegungen nicht zuverlässig waren. Cheek sagte: »Das ist Ihr ›Ja‹-Finger, das ist Ihr ›Nein‹-Finger, und das ist Ihr ›Ich weiß nicht‹-Finger.« Diese »Wissenschaftler« führten dann ein paar Experimente durch, stellten fest, dass die Probanden unzuverlässig reagierten, und erklärten daraufhin: »Cheek ist unwissenschaftlich!« (unterstreicht dies durch eine Pantomime). Sie brachten die ganze Welt der Hypnose und der Psychotherapie gegen die Idee der »Ideodynamik« auf.

Was für ein einfältiger Mechanismus wäre es denn, wenn jedes Mal, wenn ich »Ja« sage, sich Ihr »Ja«-Finger erhebt, und jedes Mal, wenn ich »Nein« sage, sich Ihr »Nein«-Finger erhebt? Es geht hier um menschliche Komplexität, nicht um menschliche Unzuverlässigkeit!

Die »Wissenschaftler« waren auf der Jagd nach wissenschaftlicher Objektivität, genau wie in den 1890er-Jahren, als in Würzburg in Deutschland die experimentelle Psychologie entstand. Sie sagten: »Psychologie ist eine Wissenschaft, eine experimentelle Wissenschaft«, und seither arbeitet sich diese Wissenschaft an der Subjektivität der Menschen ab … Im Grunde sprachen diese sogenannten Wissenschaftler über ihr Erleben der Welt nur aus der Perspektive ihrer linken Hemisphäre – der verbal und mathematisch orientierten Hirnhälfte –, statt die rechte Hemisphäre – die episodisch und erlebensorientierte Hemisphäre – einzubeziehen. Es war also nicht so leicht, die Wahrheit zu erkennen. Ich sah die Wahrheit in Erickson, und ich sah die Wahrheit in Cheek. Aber ich sah auch, dass die Fingersignale unzuverlässig sein konnten, und das machte mir Sorgen.

Daraufhin arbeitete ich mit Cheek zusammen an einem Buch (Rossi a. Cheek 1988), und ich entwickelte all diese Paradigmen, all diese Techniken, all diese Kästen, die sich in dem Buch befinden und die tatsächlich immer noch gut sind. Ich habe sie zwar nicht so oft benutzt, weil andere Dinge meine Aufmerksamkeit fesselten. Ich war auf der Suche nach etwas anderem, weil mir etwas Sorgen machte, nämlich die Fingersignale: Bei einigen Menschen tauchten sie einfach nicht auf.

In seiner Umgebung war Cheeks Autorität so stark, dass sich die Finger der Probanden wie von selbst erhoben. Doch die »Wissenschaftler« sagten, die Finger reagierten nicht von selbst, sondern Cheek würde sie »programmieren«. Deshalb war ich auf der Suche nach etwas weniger leicht »Programmierbarem«.

Im Grunde zielt deine Frage darauf, welche Entwicklungsschritte mich zur Erfindung der Mirroring-Hands-Technik brachten … Das war die Idee der Ideodynamik – die Essenz der sogenannten Trance. Die Ideodynamik war auch der Punkt, an dem sich meine Sicht und die Sicht Cheeks unterschieden. Er sprach von »ideomotorisch«; aber wenn von »ideomotorisch« die Rede ist, muss es auch »ideosensorisch« geben, und nach meiner Meinung umfasste das Wort »ideodynamisch« beides. Als ich mit Cheek zusammen an unserem Buch arbeitete, benutzte ich darin das Wort »ideodynamisch«. Aber er fand das nie wirklich gut.

RHWie bist du dazu gekommen, die Hände zu benutzen?

ELRIch glaube, es ergab sich aus der Körpersprache (demonstriert den Gebrauch einer Hand und dann der anderen während unserer Diskussion).

Ich dachte: »Warum soll ich nicht die ganze Hand benutzen?« Nun, das ist die Verbindung zu Erickson, der die Nutzung der Handlevitation in der therapeutischen Hypnose erfunden hat. Ich weiß nicht mehr genau, wann es passiert ist, aber ich glaube, ich habe die Ideen von Erickson und Cheek zusammengefügt, um den Geist-Hand-Spiegelungs-Ansatz der therapeutischen Hypnose zu erfinden. Erickson hat dies getan (erhebt seinen Arm vom Stuhl wie bei einer Handlevitation), und das war für viele Klienten schwierig, aber vielleicht …

(Seine Augen funkeln, als würden sie einen numinosen Aha-Moment der Entdeckung erleben.) Ah, jetzt erinnere ich mich an die Verbindung.

Dies war eine der frühesten Ideen vom Wesen von Hypnose – dass es sich dabei um eine Manifestation von Elektromagnetismus handelt. Ich glaube … Ich weiß nicht, ob ich selbst oder jemand anders es entdeckt hat … Manchmal denke ich: »War das wirklich ich, oder habe ich es irgendwo gelesen?« Jedenfalls sind in historischen Büchern über Hypnose Bilder von alten Männern mit großen Augen zu sehen … und sogenannte magische Gesten … Ich weiß, dass ich in diesen historischen Dokumenten mit der Idee magnetischer Bewegungen konfrontiert worden bin, aber ich habe irgendeine Verbindung zwischen Magnetismus und Händen und der Faszination bezüglich des von mir so genannten »Neuheits-Numinosum-Neurogenesis-Effekt« [NNNE] entdeckt, der die wissenschaftliche Grundlage der therapeutischen Hypnose ist (Rossi 2004b, S. 215–227).

Wenn du also deine Hände so positionierst (legt seine Hände getrennt vor sich), kannst du – ideosensorisch – spüren … Du kannst … es … tatsächlich subjektiv spüren … Nun, während ich meine Augen schloss, als ich demonstrierte, dass ich es wirklich spürte (agiert seine Denkprozesse aus) … Habe ich das Zusammenziehen der Hände wirklich gespürt? Ja! Aber konnte ich auch eine »Nein«-Reaktion spüren, bei der sich die Hände trennen? Im Moment, Richard, spüre ich in deiner Gegenwart das Auseinanderstreben der Hände …

Als ich das tat, verband ich das Ideomotorische mit dem Ideosensorischen … Ich spekuliere nun, dass dieses sehr fragile subjektive Erlebnis ein Quantenquale innerer Empfindung und Wahrnehmung ist, das nur ich fühlen und realisieren kann. Dies ist die Essenz des Selbst, ein geheimes inneres Empfinden meiner Lebendigkeit, das niemand außer mir erleben kann! Sollten wir dies »Quanten-Seinsgefühl« oder die »Ungewissheit des Selbst« nennen? Ich frage mich … ist dies die Essenz des sehr fragilen und numinosen Erlebens von Empathie, Mitgefühl, Beziehung und Heilung während des Mind-Mirroring zwischen Menschen, die einander im realen Leben lieben und in der psychotherapeutischen Beziehung? Darüber habe ich noch nie etwas geschrieben, oder?

RHIch glaube nicht … nein.

ELRHier versuchte Rossi also sozusagen zu »verdoppeln«. Ich versuche, die Hypnotisierbarkeit – das Wort gefällt mir überhaupt nicht – der Person zu steigern. Statt von Hypnotisierbarkeit zu sprechen, würde ich lieber von einer Quanten-Hypersensibilität gegenüber der eigenen inneren Ideodynamik sprechen … einem Quantenquale innerer Empfindung und Wahrnehmung. Übrigens basiert mein Wechsel zur Quantenfeldtheorie teilweise darauf, dass es endlich jemand kapiert hat. In der Fachzeitschrift American Journal of Clinical Hypnosis wurde ein Artikel veröffentlicht, in dem es heißt: »Ernie Rossi hat gesagt, es gehe weniger um Suggestion […]«, und dann heißt es völlig korrekt: »Erickson war kein Genie der Manipulation […]. Rossi sagt, es sei zutreffender, Erickson als genialen Beobachter zu bezeichnen.« (Hope a. Sugarman 2015, S. 212–229)

RHDu schreibst das in Band 6 der Collected Works … (Erickson 2010).

ELRDas hat mir Mut gemacht. Jemand hatte es kapiert! Ja, das genau denke ich auch. Das ist die neue Verbindung zur Quantenebene menschlichen Erlebens …

RH… die Beobachtung …

ELR… und die tiefere Quantenebene der Sensibilität. Quantum und Hypnose sind weder merkwürdig noch sonderbar. Sie sind eine weitere Dimension von Hypersensibilität gegenüber der eigenen inneren Welt.

Das Problem der Psychotherapie ist, dass Menschen Probleme haben. Warum? Weil sie nicht wissen, wie sie sich selbst und ihren eigenen Impulsen zuhören können, ihrer eigenen Wahrheit, ihrem eigenen Mythos. Warum folgen nicht alle Menschen ihrer inneren Leidenschaft? Weil die äußere Welt sie in ihrem Bann hält.

RHDer eigenen Glückseligkeit zu folgen ist auch das, was Joseph Campbell empfiehlt … (Campbell a. Moyers 1991)

ELRGenau. Ein typischer Lehrer sagt: »Nun zeichnest du ein ›a‹, und zwar so, nicht so …«, und dann muss das Kind üben, ein »a« zu zeichnen – zuerst ein kleines »a« und dann ein großes »A«. Der größte Teil dessen, was Kinder lernen, besteht darin zu lernen, wie man Dinge nicht macht. Es gibt Millionen von Arten, unendlich viele Arten, etwas nicht zu tun, aber offenbar nur eine Art, etwas »korrekt« zu tun.

RHDas ist meine Gewinner-Verlierer-Idee, die darauf basiert, dass es eine Art zu gewinnen gibt und dass alles andere verliert … (Hill 2006; Berne 1996)

ELRGenau …

RH… und zu verlieren ist schlecht.

ELR… und damit sehen wir den »Macht«-Instinkt in Aktion.

RHRichtig …

ELR… Aggression statt Sensibilität und positiver Empathie. Mit diesem Thema befasse ich mich – können Menschen sich dazu erziehen, die Werte »Sensibilität« und »Wohlbefinden« auf Quantenebene zu beherzigen, statt sich von Stress, Angst, Süchten und Depression überwältigen zu lassen?

RHGenau.

ELRIch hätte fast »subjektives Gewahrsein« gesagt, aber das subjektive Gewahrsein kann die subtilste Quantenquale-Ebene von Sensibilität sein. Sie ist so subtil, dass viele Menschen sie gar nicht bemerken, weil sie unmittelbar von der individuellen Beschaffenheit ihrer Gehirnstrukturen und von der klassischen Umgebung sowie von der Quanten-Kontingenzen-Umgebung abhängig ist. Wir alle haben im Leben unendlich viele verschiedene Möglichkeiten …

Grundsätzlich haben Menschen Probleme, weil die äußere Welt sie vor die Scheinalternative »It’s my way or the highway« stellt. Wenn wir jemandem erklären, er könne etwas nur auf eine ganz bestimmte Weise tun, vertiefen wir dadurch nur die Pathologie des Betreffenden. Deshalb ist ein Politiker wahrhaft groß, wenn es sich um jemanden wie beispielsweise Lincoln handelt, der etwas zum Ausdruck bringt, das in den flüchtigen Schatten des menschlichen Bewusstseins und der menschlichen Kognition auftaucht …

RHDer Zeitgeist?9

ELRJa, wir sollten einander nicht zu Sklaven machen usw. Ich glaube nicht, dass ich das jemals irgendwo geschrieben habe, aber das grundlegende menschliche Problem ist, dass Menschen ihre Stimme verloren haben … Der Grund ist das Schulsystem … die zentrale Bedeutung von Prüfungen und Konkurrenz … der Wettbewerb darum, wessen Stimme dominieren wird, statt dass man nach demjenigen mit dem sensibelsten Verständnis sucht … Wer wird die Welt einmal in einem neuen Licht sehen, so wie Einstein?

Weißt du eigentlich, dass Einstein nicht gut in Mathematik war und im Patentbüro nur ein Inspektor dritter Klasse?

Menschen haben also nicht deshalb Probleme, weil sie Probleme haben, sondern weil niemand ihnen beigebracht hat, ihr eigenes Genie zu respektieren. Jeder Mensch ist ein Genie, wenn er lernt, sein Bestes zutage zu fördern und optimal zu nutzen! Wie können wir einander helfen, unsere Chancen zur Selbstentwicklung zu erkennen? Das ist das wahre Problem bei den Bemühungen von Politikern um »Nation Building« – nicht ständige Selbsterhöhung, die ein Verbrechen ist …

Nun sind also Quanten-Sensibilität, Beobachtung, Empathie und Mitgefühl sich selbst und anderen gegenüber wichtig, nicht Suggestion …

RH… und ganz sicher nicht Anleitung …

ELRDa kannst du sicher sein. … Als ich im Jahr 1996 an meinem Buch A Symptom Path to Enlightenment arbeitete, kam mir plötzlich eine wichtige Erkenntnis: Symptome sind in Wahrheit unsere Orientierung (Rossi 1996) Symptome zeigen uns, wo wir mit der Konsensus-Realität kollidieren, und somit müssen wir lernen, daran zu arbeiten … Aber die äußere Welt ist natürlich nicht fair. Sie sagt nicht: »Oh ja, genau so ist es. Letztlich haben Sie wirklich recht, Richard …« Ich kenne einen Politiker, der zurzseit für seine dominierende Position kämpft; der würde so etwas nie zu dir sagen.

Auf diese Weise stellte ich die Verbindung zwischen Hypnose, Quantum-Selbstsensibilität und dem NNNE her. Die dominierende äußere Welt sagte: »Nicht deine Selbstsensibilität und Selbstschöpfung ist wichtig, sondern meine Anleitung sorgt dafür, dass sich für dich alles gut entwickelt.«

Mein Kampf konzentrierte sich immer darauf, wie ich jemanden dazu bringen könnte, sich selbst gegenüber sensibler zu sein, sein eigenes positives Erleben zu erforschen, seine eigene einzigartige Wahrheit zu finden und, nachdem der Betreffende seine Wahrheit gefunden hatte, seine Leidenschaft, sozusagen, wie er mehr Fertigkeiten entwickeln könnte, um seine Wahrheit seiner Umgebung mitzuteilen. Das ist Phase 4 des kreativen Zyklus10 – man tut seine innere Arbeit, benutzt den NNNE, um das Bestmögliche aus sich zu machen, und gibt dann etwas von Wert zurück.

Dies wurde für mich zu einer sehr wichtigen Weiterentwicklung gegenüber der Position Cheeks, der selbst festlegte, welcher Finger »Ja« und welcher »Nein« bedeutete. Mein erster Schritt auf dem Weg, der mich von diesem Ansatz zu einem neuen führte, bestand darin, den Fokus auf »Schauen wir doch mal, welcher Ihrer Finger Ihr ›Ja‹-Finger und welcher Ihr ›Nein‹-Finger sein wird« zu richten. Wir brachten den Klienten dazu, »Ja, ja, ja, ja …« zu sagen, und stellten dann fest, welcher seiner Finger sich bewegte. Das ist ein heikler Prozess. Aber als Cheek mit mir arbeitete, bewegte sich mein (von ihm zuvor festgelegter Ja-) Finger wirklich … Allerdings galt das nicht für jeden seiner Probanden. Hast du Dr. Cheek einmal kennengelernt?

5 553,05 ₽
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456 стр. 45 иллюстраций
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9783849782634
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