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Einleitung
Richard Hill lernt Ernest Rossi kennen

Ich habe Ernest Rossi das erste Mal im Dezember 2005 »mirroring hands« demonstrieren sehen. Ich war von seiner unbestreitbaren intellektuellen Kompetenz und seinen vielfältigen Ideen regelrecht umgehauen. Mir war klar, dass dies ein wichtiger Wendepunkt in meinem Leben war. Es musste einen Grund dafür gegeben haben, dass ich 7500 Meilen weit geflogen war, um an der Evolution of Psychotherapy Conference teilzunehmen. Ich hätte mir im Traum nicht vorstellen können, dass diese Reise eine zehnjährige Auseinandersetzung mit Ernest Rossi nach sich ziehen würde, die in unserer gemeinsamen Arbeit an diesem Buch gipfelte.

Aber Dinge geschehen nun einmal, und es entspricht ihrer Eigenart, uns über alles, was wir wissen müssen, aufzuklären. Manchmal merkt man schnell und leicht, worauf es ankommt, in anderen Fällen muss man mehrmals unsanft aufgeschreckt werden, bis man endlich versteht, worum es geht und was im Gange ist. Was also hat mich unsanft aufgeweckt? Das waren im Laufe der vergangenen zehn Jahre eine ganze Menge Ereignisse. Ich werde Ihnen nun ein Erlebnis schildern, das einige Jahre zurückliegt und durch das mir völlig klar wurde, warum ich mich zu Mirroring Hands so sehr hingezogen fühlte. Ich hoffe, dass ich es Ihnen durch die Beschreibung dieser Fallgeschichte erleichtere, eine Weile »in meinen Schuhen zu gehen«.

Hills Fallgeschichten: Eine Besichtigungstour

Ich öffnete auf ein unerwartetes Klopfen hin die Tür zu meinem Behandlungsraum. Eine Frau Mitte oder Ende 30 stand vor mir und fragte, ob sie mich sofort konsultieren könne. Das ist zwar ein ziemlich ungewöhnlicher Einstieg, aber ich hatte tatsächlich gerade etwas Zeit und bat sie deshalb einzutreten. Sie sprach schnell und starrte mich ziemlich unumwunden an, was mir etwas auf die Nerven ging; allerdings kam mir ihr Blick nicht psychotisch vor, sondern nur ungewöhnlich intensiv. Mit der Geschwindigkeit eines Maschinengewehrs erläuterte sie mir ihre Bedingungen für die bevorstehende Therapiesitzung.

Auf Ihrem Praxisschild steht, dass Sie Beratung und Gehirntraining anbieten. Ich weiß nicht, was Gehirntraining ist. (Sie wartete nicht ab, ob ich es ihr erklären würde.) Ich komme von einem anderen Psychiater direkt zu Ihnen. Ich habe schon viele Therapeuten kennengelernt und praktisch jede Therapieform ausprobiert … und ich habe alles gelesen. Glauben Sie, dass Sie etwas anders machen können als Ihre Kollegen? Ich gebe Ihnen dafür 60 Minuten Zeit.

Die ganze Situation war eine recht ungewöhnliche Herausforderung für mich. Wir fingen also mit der Arbeit an. Die Frau setzte sich, und ich spulte meine Routine für Erstgespräche ab. Die Klientin war nicht besonders begeistert darüber, dass sie ihre Geschichte ein weiteres Mal einem Therapeuten erzählen sollte.

Dann schaute sie auf ihre Uhr und sagte:

Sie haben noch 45 Minuten.

Nur kein Druck! Im Sinne der Tradition Milton H. Ericksons hielt ich bei der Klientin Ausschau nach ein paar Anhaltspunkten für mein weiteres Vorgehen (Erickson 2008, S. xii). Sie hatte sich eigentlich klar ausgedrückt: Komm mir gar nicht erst mit einem der Standardbehandlungsverfahren! Es war fast, als hätte sie gesagt: »Behandle mich überhaupt nicht!« Das war ein ziemlich außergewöhnliches Erlebnis, und um ehrlich zu sein: Ich wusste wirklich nicht, was ich tun sollte. Deshalb beobachtete ich sie. Sie benutzte Ihre Hände sehr ausdrucksvoll, indem sie sie in meine Richtung bewegte, um beim Sprechen bestimmte Dinge zu betonen. Plötzlich fühlte ich mich in einen meiner Workshops mit Ernest Rossi versetzt. Was ich sah, ähnelte dem, was bei der Mirroring-Hands-Arbeit geschieht. Ich war mir ziemlich sicher, dass noch kein Therapeut diese Technik bei der Arbeit mit ihr genutzt hatte.

Mir fällt auf, dass Sie Ihre Hände sehr ausdrucksvoll bewegen. Haben Sie sich schon einmal genauer angeschaut, was mit Ihren Händen vor sich geht? … Ist Ihnen schon aufgefallen, was wirklich interessant an den Händen ist?

Sie reagierte erstaunlich kooperativ, schaute sich etwa 30 Sekunden lang ihre Hände an und wendete ihren Blick dann wieder mir zu.

Was tun Sie da?

Sie hatte mir im Grunde erklärt, sie halte nicht viel davon, was Therapeuten dächten. Außerdem war sie es leid, dass ihre Therapeuten ihr immer wieder neue Therapien angedient hatten. Ich täuschte Verwirrung vor und antwortete:

Ich weiß es nicht. Aber Sie haben gesagt, Sie hätten alles getan. Also noch einmal … Haben Sie so etwas schon jemals getan?

Die Frau starrte mich einen Moment lang konzentriert an, schaute dann auf ihre Uhr und sagte schließlich betont sachlich:

Sie haben noch 35 Minuten.

Ich fing mit der Mirroring-Hands-Arbeit an. Wie das im Einzelnen vor sich geht, wird später in diesem Buch erklärt. An dieser Stelle möchte ich nur erwähnen, dass mir die Frau irgendwann im Laufe dieser Arbeit ein wenig überrascht mitteilte, sie habe das Gefühl, ihre Hände repräsentierten zwei Aspekte ihrer Persona. Die eine Hand stehe für einen Teil, den sie verberge, wohingegen die andere Hand darstelle, wie sie sich öffentlich zeige. Ich wiederum hatte das Gefühl, dabei zuzuschauen, wie diese Frau Türen zu Räumen öffnete, in die sie lange nicht hineingeschaut hatte. Manchmal teilte sie mir mit, was in ihr vor sich ging, in anderen Fällen erforschte sie ihre inneren Räume nur privat. Während der nächsten 30 Minuten geschahen viele Dinge, die für diese Darstellung nicht wichtig sind, doch schließlich kamen ihre beiden Hände zusammen und zur Ruhe, wobei die Hand, die ihr »öffentliches Selbst« repräsentierte, von der Hand, die für ihr »privates Selbst« stand, völlig bedeckt wurde.

Die Klientin blieb kurze Zeit still und schaute dann empor. Der bohrende Blick ihrer Augen war einem weicheren Schauen gewichen. Auch sprach sie nun langsamer, und ihre Stimme wirkte kontemplativer. Offensichtlich wusste sie jetzt etwas, das ihr 30 Minuten vorher noch nicht klar gewesen war. Im Laufe der nächsten 15 Minuten – ja, sie blieb länger, als sie mit ihrer Deadline von 60 Minuten prognostiziert hatte – berichtete sie mir, sie habe das »öffentliche Selbst« als ihren Beschützer geschaffen, der ihr geholfen habe, mit frühen familiären Problemen fertigzuwerden. Ihr war nun klar, warum sie sich so frustriert gefühlt und sich vorangegangenen Therapieversuchen verweigert hatte. Alle meine Vorgänger hatten ihr öffentliches Selbst zu »reparieren« versucht, das aber ja ihr Beschützer war. Wäre es jemandem gelungen, ihr den Beschützer wegzunehmen, wäre das für ihr privates Selbst eine Katastrophe gewesen.

Nachdem sie ihren Therapeuten viele Jahre lang nur erlaubt hatte, ihr Beschützer-Selbst zu sehen, waren ihre Hände an diesem heutigen Tag zu Spiegeln ihres tieferen, verborgenen Selbst geworden. Während dieses Mirroring-Hands-Erlebnisses hatte sie Räume erforschen können, die ihr normalerweise verschlossen gewesen waren oder die sie gemieden hatte. Sie hatte sich um ihr verletzliches privates Selbst kümmern können und hatte ihrem »Schutzengel-Selbst« so eine wohlverdiente Ruhepause ermöglicht. Erstaunlicherweise hatte sie den größten Teil dieser Arbeit ohne jedes Eingreifen meinerseits und ohne jede Anweisung von mir erledigt. So hatte sie gefunden, wonach sie gesucht hatte: eine Möglichkeit, ihre Heilung selbst einzuleiten. Wahrscheinlich würde sie bestätigen, dass diese 60 Minuten ihr Leben völlig verändert haben. Gleichzeitig haben sie auch mir einen sehr wichtigen Anstoß gegeben.

Worum geht es in diesem Buch?

Wir werden im Folgenden erklären, wie man mithilfe der Mirroring-Hands-Technik therapeutische Prozesse der geschilderten Art ermöglichen und fördern kann. Außerdem werden wir aufzeigen, wie sich unser therapeutischer Ansatz in alle Arten von Therapien und sogar in das Alltagsleben integrieren lässt. Die Frau in unserem Beispielfall fand auf zahlreichen Ebenen natürliche »innere« und »zwischen«-Verbindungen, die buchstäblich ihre Psychoneurobiologie veränderten. Die Realisationen und Wandlungen, die sie erlebte, deuten auf zahlreiche implizite Aktivitäten hin, unter anderem hinsichtlich der Neuroplastizität und neuronaler Integrationen, kognitiver Wahrnehmungen, die das Gewahrsein verändern, der Genexpression und Proteinsynthese, die diese Prozesse ermöglichen, und potenzieller epigenetischer Veränderungen ihrer DNS (Rossi et al. 2008 b, S. 39–44; Simpkins a. Simpkins 2010). Auf der beobachtbaren Ebene erlebte die Klientin offensichtlich neue Gedanken und ein tieferes Selbstverständnis. Sie war zu ihren Problemlösungsfähigkeiten in Kontakt getreten und war bereit, selbst an ihrer Heilung zu arbeiten. Wir werden beschreiben und demonstrieren, wie man Mirroring Hands einsetzen kann, aber wir werden auch – und das ist mindestens genauso wichtig, wenn nicht sogar noch wichtiger – den Wissens- und Verständnisrahmen erforschen, der mit diesem Prozess zusammenhängt und ihn unterstützt. Wir unterscheiden sieben Varianten von Mirroring Hands. Sie werden in Kapiteln dargestellt, die unterschiedliche Aspekte des umgebenden und unterstützenden Rahmens beleuchten. Das vollständige Bild wird im Laufe des Buches sichtbar werden, während wir Sie mit den Einzelheiten der Technik und den Grundlagen des Mirroring-Hands-Ansatzes vertraut machen.

Wann, wo und warum?

Wir möchten gleich zu Beginn klarstellen, dass wir Mirroring Hands hier nicht als die Therapie für alles und jedes hinstellen werden. Es handelt sich dabei ebenso wenig um ein Wundermittel wie bei irgendeiner anderen Therapie. Die Therapieforschung ist gerade zu der Erkenntnis gelangt, dass keine Therapie zwangsläufig wirksamer ist als eine andere (Wampold et al. 2016, S. 14–32; Connoly et al. 2014, S. 47). Was die Situation noch verwirrender macht, ist der Hinweis, dass Therapeuten aus eigener Erfahrung wissen, dass eine bestimmte Therapie bei einem Klienten durchaus wesentlich erfolgreicher sein kann als andere Ansätze, bei einem anderen Klienten hingegen eine andere Behandlung wirksamer ist. Das Rätsel lässt sich lösen, wenn wir den Klienten6 ins Zentrum des therapeutischen Prozesses stellen, wenn wir Erfahrung und Effizienz des Therapeuten und der Therapien, die er benutzt, berücksichtigen und wenn zwischen Therapeut und Klient eine angenehme und fruchtbare Beziehung (eine therapeutische Allianz) besteht (Ardito a. Rabellino 2011, S. 270; Miller et al. 2013, S. 88–97). Eine pragmatische Definition evidenzbasierter Praxis hat einen Druck erzeugt, der darauf abzielt, für die Arbeit mit Klienten Therapien vorzuziehen oder sogar als ausschließlich zulässig zu beurteilen, die als wissenschaftlich fundiert gelten. Diese Sicht scheint bei Krankenversicherern, Kostenträgern anderer Art und in vielen Ausbildungsinstitutionen immer mehr Bedeutung zu gewinnen. Obgleich wir das Bemühen um zuverlässig positive Behandlungsresultate schätzen, haben wir andererseits das Gefühl, dass solche einschränkenden Zielsetzungen nicht der Weg sind, dem wir folgen sollten.

Vielleicht wird es Sie überraschen zu hören, dass die Presidential Task Force der American Psychological Association im Jahre 2006 eine formelle Definition entwickelt und publiziert hat, die nicht die Bedeutung der Evidenz in den Mittelpunkt stellt:

»Evidenzbasierte Praxis in der Psychologie (EBPP) ist die Integration der besten verfügbaren Forschungsergebnisse und klinischer Expertise im Kontext der Charakteristika, der Kultur und der Präferenzen des Patienten« (Übers. d. Ü.; American Psychological Association Presidential Task Force on Evidence-Based Practice 2006, S. 273).

Es ist ziemlich klar, dass der Klient der Kontext ist und dass die Therapie, die Intervention oder die benutzte Technik nur ein Teil der Integration von zuverlässiger Praxis, Erfahrung des Klinikers und Reaktion des Klienten ist. Ein klientenzentrierter Ansatz ist nichts Neues. Ein solcher wurde erstmals von Carl Rogers in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts vorgestellt (Rogers 1957a, S. 199–203; Rogers 2007, S. 240–248.). Wir sind der Auffassung, dass beim Bemühen um eine wirksame Therapie ein noch tiefgründigeres Engagement möglich ist, wenn man den Therapeuten bittet, noch einen weiteren Schritt vom Klienten zurückzutreten, sobald dieser »zentriert« ist, und es so der Therapie zu ermöglichen, sich auf klientenresponsive Weise zu entfalten. Bei der Frage nach dem Wann, Wo und Warum geht es also wesentlich um den Klienten, nicht um eine irgendwie vorgeschriebene oder übliche Behandlung und um vorgegebene Therapieprogramme oder -pläne. Nun ist auch dies zu relativieren, will man der Tatsache Rechnung tragen, dass es Fälle gibt, in denen ein Therapeut bei einem Klienten einen großen Teil der Arbeit selbst tun und eventuell sogar ein Therapieprogramm entwickeln muss. Bei genauerer Betrachtung kann man allerdings sogar solche Situationen als klientenresponsiv bezeichnen, weil der Klient zeigt, dass er Hilfe braucht, um an einen Punkt zu gelangen, wo er mit der eigenen Arbeit beginnen kann.

Die Methode »Mirroring Hands« wird zum bestmöglichen Zeitpunkt, am bestmöglichen Ort und mit den besten Absichten vorgestellt – wann, wo und warum – in Reaktion auf die Äußerung des Klienten über seine Bedürfnisse. Nach unserer Auffassung ist das in jeder Art von Therapie möglich, weil die bestmögliche Therapie grundsätzlich aus der Interaktion zwischen dem Klienten und dem Therapeuten resultiert (Stiles et al. 1998, S. 439–458; Hatcher 2015, S. 747–757). Deshalb ist es nicht in unserem Interesse, im Voraus festzulegen, unter welchen Bedingungen Sie Mirroring Hands einsetzen sollten, sondern es geht uns darum, Ihnen aufgrund unserer eigenen Erfahrungen mit dieser Methode Empfehlungen an die Hand zu geben.

Wenn Sie »einfach nicht wissen«

Mirroring Hands wird oft benutzt, um den Stillstand, das »Ich weiß nicht« eines Klienten, zu überwinden oder sogar ein »Wir wissen nicht« wie in dem zu Beginn dieser Einleitung beschriebenen Fall. Natürlich ist das letztlich der Grund, aus dem Menschen zur Therapie kommen – weil sie nicht wissen, was Sie tun sollen, oder weil sie nicht wissen, was Ihr Problem wirklich beinhaltet. Manchmal sprechen sie über das Gefühl, dass es da etwas zu wissen gibt, das sie aber einfach nicht erreichen können, oder dass etwas den Zugang zu diesem Wissen versperrt.

Abgesehen von den Techniken oder Prozessen, die im Laufe einer Therapiesitzung genutzt werden, geht es zunächst immer um den Aufbau einer therapeutischen Allianz (Lambert a. Barley 2001, S. 357–361). Dies beginnt oft mit einem Gespräch über die Probleme des Klienten – ein für die meisten Therapeuten sehr vertrauter Anfang. Das Gespräch basiert weitgehend auf explizitem Gewahrsein, und sowohl der Klient als auch der Therapeut verbalisieren dabei oder drücken auf andere Weise bewusst aus, was sie denken oder fühlen. Interpersonaler Rapport ist für den Aufbau einer Vertrauensbeziehung zum Klienten und für sein Sicherheitsgefühl unverzichtbar. Sobald Vertrauen und ein Gefühl der Sicherheit entstanden sind, kann mit der Arbeit an dem Problem begonnen werden, dessentwegen der Klient sich in Therapie begeben hat.

Unterhalb des Bewusstseins befindet sich eine innere, implizite Welt, die weder sprachlichem Ausdruck noch bewusstseinsgesteuertem Verhalten unmittelbar zugänglich ist. Diese Welt ist verborgen, schwer fassbar und abstrakt. Erinnerungen und Gefühle, die kaum zu ertragen sind, werden oft »absichtlich« in der impliziten inneren Welt verborgen. Verhaltensweisen und Emotionen können an der Oberfläche des Bewusstseins zutage treten, als sei ihr Ursprung völlig unbekannt. Solche Phänomene werden gewöhnlich »Symptome« genannt, aber gleichzeitig ist dies die Art, auf die sich das Implizite im Expliziten zeigt. Symptome erzeugen Gefühle der Unverbundenheit und Desintegration, wodurch eine Disharmonie entsteht, die Klienten dazu bringt, einen Therapeuten aufzusuchen. Mirroring Hands ist eine natürliche und responsive Art, einen Klienten zu befähigen, diese Verbindungen wiederherzustellen. Wir werden zeigen, wie dies selbst dann gefahrlos und zuträglich geschehen kann, wenn das Erleben des Klienten in der Therapie schwierig und für ihn belastend ist.

Wie genau in der Therapie verfahren wird, hängt davon ab, was der Klient tun kann, was er zu tun erwartet und wozu er bereit ist. Weiterhin kann dabei eine Rolle spielen, was er über Sie als den Therapeuten und über Ihre Arbeitsmethode weiß. Klienten, die gezielt wegen Mirroring Hands zu Ihnen gekommen sind, wollen vielleicht augenblicklich mit dieser Art der Arbeit beginnen. Diesem Wunsch kommen wir nicht immer sofort nach. Wir berücksichtigen vielmehr alle Botschaften, die ein Klient übermittelt. Mit der Sensibilität, die ein Therapeut gegenüber den vielen Ebenen der Kommunikation eines Klienten aufbringen muss, werden wir uns in Kapitel 7 (»Natürliche, angenehme und sensible Beobachtung«) ausführlich beschäftigen.

Wir beschreiben zwar nur einige Varianten der Nutzung von Mirroring Hands, doch kann der Ansatz auch noch auf viele andere Arten verwendet werden. Durch das Zusammenwirken von Klient und Therapeut entsteht, was im betreffenden Augenblick erforderlich ist. Wir werden in Kapitel 12 (»Improvisation, Drama und Mirroring Hands«) näher auf diesen Aspekt eingehen. Improvisation ist im Grunde eine ungeplante Form der Nutzung Ihrer Wissensbasis und Ihrer vorhandenen Fertigkeiten. Was genau in der Psychotherapie geschieht, ist charakteristisch für die Kunst des betreffenden Therapeuten (Schore 2012; Storr a. Holmes 2012). Stellen Sie sich einen Pianisten vor, der sich von der Melodie des Stücks, das er spielt, entfernt und zu improvisieren beginnt. In den Tönen, die er dann produziert, kommen seine Fertigkeiten, seine Erfahrung und seine Expertise zum Ausdruck, und sie werden außerdem vom eventuellen Zusammenspiel mit anderen Musikern, vom Publikum und von seiner Vorstellungsfähigkeit beeinflusst. Ein schlecht ausgebildeter oder unerfahrener Spieler mit unzureichenden technischen Fertigkeiten ist einfach nicht in der Lage, ebenso gut zu improvisieren wie ein Meister seines Instruments. Diese Kompetenz entwickelt sich im Laufe der Zeit. Weil uns wichtig ist, dass jeder Therapeut seine eigenen, besonderen Qualitäten bei der Arbeit mit Mirroring Hands zur Geltung bringt, empfehlen wir Ihnen dringend, alles zu lernen, was Sie interessiert. Es ist uns ein wichtiges Anliegen, dass Sie sich an Ihrem Interesse orientieren. Außerdem sollten Sie sich durch regelmäßige Supervision um Feedback über Ihre Arbeit bemühen und Ihre Klienten immer wieder fragen, was ihnen nützlich ist (Miller et al. 2006, S. 5–22). Wir werden unterschiedliche Möglichkeiten erforschen, sich Feedback von Klienten zu verschaffen und so die Wirkung der therapeutischen Arbeit zu überprüfen, während wir uns mit verschiedenen Varianten von Mirroring Hands befassen und einige Fallbeispiele betrachten. Wir hoffen, dass Ihnen das hilft, als Kliniker Vertrauen zur Anwendung aller Ihrer Möglichkeiten zu entwickeln und sich dabei wohlzufühlen. Ebendeshalb hat der Klient Sie aufgesucht und lässt Sie an seinem Erleben teilhaben!

Wo beginnen wir?

Bücher beginnen häufig mit einer historischen Reflexion und Evaluation. Im Einklang mit dieser Gepflogenheit geht es in unserem ersten Kapitel um die Geschichte von Mirroring Hands und darum, wie dieser Ansatz aus der Psychotherapie im Allgemeinen, der therapeutischen Hypnose und Ernest Rossis langjähriger Zusammenarbeit mit Milton H. Erickson im Besonderen hervorgegangen ist. Ungewöhnlich ist allerdings, dass man zu einem Protagonisten einer solchen Vorgeschichte Kontakt hat. Kapitel 1 (»Die Geschichte der ›Mirroring Hands‹«) gibt ein Interview – eigentlich ein Gespräch – zwischen Ernest Rossi und Richard Hill wieder. Darin werden Informationen erwähnt, die der Öffentlichkeit bisher noch nicht zugänglich waren. Außerdem werden einige als bewährt geltende psychotherapeutische Vorgehensweisen hinterfragt, und schließlich erläutern wir unsere persönliche Sicht auf Gesundheit und Wohlbefinden.

Das wiedergegebene Gespräch macht auf eine erste Herausforderung aufmerksam, mit der sich Kapitel 2 (»Denken in den Systemen des Lebens«) beschäftigt. Wir beginnen unsere Untersuchung mit einem frischen Blick auf unsere Art zu denken. Wir alle wurden im Sinne einer logischen Tradition erzogen, die auf dem Ursache-Wirkungs-Prinzip basiert, obwohl die Realität der Welt, in der wir leben, sich von dieser Sicht ein wenig unterscheidet. Kapitel 2 widmet sich den Wundern und den scheinbar mysteriösen Prozessen, die mit Systemen, Komplexität und Chaos assoziiert werden. Die Komplexitätstheorie erklärt, vereinfacht ausgedrückt, was geschieht, wenn viele Dinge zueinander in Verbindung treten, interagieren, sich integrieren und Resultate produzieren. Die meisten von uns sehen, dass wir in jedem beliebigen Augenblick allen möglichen Einflüssen unterliegen und dass man nur schwer im Voraus wissen kann, was geschehen wird. Es wäre wunderbar, wenn die Dinge so einfach lägen, dass es jeweils nur eine Ursache und ein vorhersagbares Resultat gäbe; doch aufgrund unserer Lebenserfahrung wissen wir, dass jedes Geschehen tatsächlich deutlich unvorhersehbarer ist.

Die neuesten Ansätze der Gehirnforschung, die durch die im Jahr 2013 von Präsident Obama in den USA lancierte Brain Initiative gefördert wurden, haben zu einer Verlagerung des Forschungsfokus von einzelnen Gehirnkomponenten und Verarbeitungsmechanismen zur Betrachtung des Gehirns als eines komplexen Systems geführt, das sich durch den Energie- und Informationsfluss ständig verändert.7 Beim Durcharbeiten des vorliegenden Buches werden Sie feststellen, dass auch wir uns um eine Veränderung etablierter Denkmuster bemühen. Statt einen Therapeuten als jemanden zu sehen, der zwar mit Klienten zusammensitzt, sich aber außerhalb von ihnen befindet und damit in einer vom Geschehen distanzierten Position – mithin als jemanden, der Interventionen vorschlägt, die schließlich zur Auflösung des Problems führen –, werden wir Ihnen erläutern, wie man ein Therapeut sein kann, der sich zusammen mit dem jeweiligen Klienten in einem therapeutischen System befindet. Wir werden zeigen, inwiefern das Im-System-Sein (statt des Einwirkens auf das System) eine völlig andere Verbindung zum Klienten schafft. Der Therapeut wird dadurch auf ganz natürliche Weise klientenresponsiv, und der Klient braucht dem Therapeuten nicht mehr zu folgen, sondern gelangt ins Zentrum des Therapieprozesses. Damit wird der Klient zur Quelle seiner eigenen therapeutischen Veränderung (Rossi 2004b; Scheel et al. 2013, S. 392–427).

5 553,05 ₽
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456 стр. 45 иллюстраций
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9783849782634
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