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1.4 Das poema visual
1.4.1 Hybrid und Intermedium

Die Poesía Visual wird als hybride und intermediale Gattung definiert, demgemäß das poema visual als Hybrid und Intermedium (vgl. López Fernández 2008, 1). Hauptsächliche Bestandteile der Mischung sind Literatur und bildende Kunst beziehungsweise die medialen Darstellungsformen Schrift und Bild. In der Theorie der Visuellen Poesie ist diesbezüglich von „synthesis of painting and poetry“ (Bohn 1986, 2) respektive „Synthese von Bild und Text“ (Ernst 2002, VII) die Rede.

Aus dem Begriff Hybrid – ein aus Kreuzungen hervorgehendes Produkt – abgeleitet, bedeutet Hybridität Mischung. Angewandt auf künstlerische Artefakte bilden hybride Gattungen, sogenannte Mischformen, neue Kunstformen, die aus der Kombination mindestens zweier unterschiedlicher Medien entstehen (Burdorf et al. 2007, 505). Theoretische Untersuchungen hybrider Gattungen wurden vorwiegend im Kontext der künstlerischen Avantgarden entwickelt, da die Verschmelzung der Künste - wie mehrfach ausgeführt - dort Zielsetzung ist. Im Hinblick auf literarische Werke wird mit Hybridität die Formstruktur des Textes beschrieben, denn in hybriden Texten sind allgemein die charakteristischen Merkmale eines jeden Mediums stets materiell repräsentiert. Das bedeutet, dass die formale Konstitution des hybriden Textes maßgeblich von der materiellen Repräsentation der einzelnen Bestandteile bestimmt wird. Angemessener als die Begriffe Synthese oder Verschmelzung, die vornehmlich den Mechanismus der Zusammensetzung beschreiben, zielt der Begriff Hybridität auf die Komplexität und Vielschichtigkeit der Bestandteile. Es bedeutet in diesem Zusammenhang, dass die heterogenen Bestandteile vereint existieren, sie nicht mehr präzise voneinander zu trennen sind. Allerdings ist Hybridität in poemas visuales keineswegs nur in der zweigeteilten Kategorie Bild oder Schrift zu betrachten. Vielmehr bedeutet hibridez, im Sinne einer hibridez formal, die Mischung vieler verschiedener sprachlicher (und bildlicher) Elemente:

El poema visual se compone de un lenguaje de lenguajes o, dicho de otro modo, de lenguajes integrados, es decir, lenguajes formados a su vez por sistemas de significación –fotografía, geometría, lenguaje numérico, alfabético, cromático, etc. El significado en un poema visual no opera a partir de la descodificación de un único lenguaje sino de la transcodificación de varios lenguajes y códigos diferentes – cromatismo, geometría, plasticidad, textura, iconos, grafías […]. (López Fernández 2008, 4)

Dennoch ist die Fokussierung auf die Hauptbestandteile, Schrift und Bild, insbesondere aus einer intermedialen Perspektive interessant. Wie kombinieren sich Schrift und Bild im poema visual und wie wirken sie sich gemeinsam auf die Gesamtaussage des Textes aus? Diese Frage, wie sich medial unterschiedliche Künste in einem Gesamtkunstwerk aufeinander beziehen, wie sie dialogieren oder sich gegebenenfalls beeinflussen, wird unter dem Begriff der Intermedialität gefasst. Sie bezeichnet im Allgemeinen die formale oder inhaltliche Bezugnahme medial differenter Künste (vgl. Schmitz-Emans 2007, 355). Durch Hybridisierung verschiedener Künste werden Kunstwerke erzeugt, die von vornherein intermedial sind, so beispielsweise visuelle Gedichte. Dabei wird zwischen intermedialen „Transformations- und Kombinationsprozessen“ (ebd.) unterschieden. Transformation bedeutet entweder die inhaltliche oder formale Übernahme von einem ins andere Medium oder die thematische Referenz eines Mediums auf ein anderes. Kombination bezeichnet dagegen eine Medienmischung – weniger im Sinne einer Verschmelzung als im Sinne einer zusammenwirkenden Darstellung im selben Produkt.

Bezüglich der Poesía Visual wird Intermedialität als intermedialer Kombinationsprozess verstanden. Primär geht es im poema visual um Wirkung und Funktion von Schrift und Bild als Kombination.

Das poema visual ist ein Intermedium, weil es in seiner Form die medialen Darstellungen Bild und Schrift miteinander kombiniert. Poemas visuales sind „Seh-Texte“ - wie sie Christina Weiss (1984, 16) definiert -, die „in gleicher Weise mit bildnerischen wie mit sprachlichen Mitteln arbeiten“ (ebd.). Sie sind poetische Texte, die aus Wörtern und Bildern bestehen, Texte, die zwischen Bild und Schrift „nicht zu trennen brauchen, sondern ihre Aussagekraft aus beiden Medien beziehen“ (ebd., 13). Sie verwenden ebenso Bild wie Schrift als Darstellungs- und Ausdrucksmedium und konstituieren erst in ihrer Kombination einen Sinn.

Das wichtige Gattungsmerkmal für eine didaktische Transformation ist die Intermedialität. Die vielfältigen Darstellungsweisen der schriftlichen und bildlichen Zeichen sind insofern didaktisch relevant, als sie allein durch ihre formale Beschaffenheit zusätzliche Bedeutung generieren. Indem die Unterschiede von Schrift und Bild erfasst werden, ergibt sich nicht nur eine Bewusstmachung ihrer jeweiligen Charaktereigenschaften, sondern eröffnet sich überdies die Möglichkeit einer genaueren Bestimmung der Schnittmengen und ihres Zusammenwirkens. Dafür wird die Unterschiedlichkeit von Schrift und Bild strukturalistisch-semiotisch analysiert. Die strukturalistische Betrachtung erlaubt es, formale Aspekte zu unterscheiden. Gemeint sind Kombination und Relation von Schrift und Bild im poemas visual. Auf die strukturalistische Semiotik wird zurückgegriffen, um schriftliche und bildliche Zeichen zu bestimmen sowie deren gemeinsame Funktion im poema visual zu beschreiben (vgl. Fernández Serrato 1995b, 8). Die didaktisch ausgelegte Analyse des intermedialen Zusammenspiels im poema visual sowie weitere fremdsprachendidaktische Konsequenzen werden für den Umgang mit poemas visuales im Spanischunterricht im zweiten Teil der Dissertation vertiefend dargestellt.

Im Folgenden gilt es die formale kombinatorische Intermedialität im poema visual zu bestimmen und strukturalistisch-semiotische Untersuchungen bereitzustellen, auf denen spätere didaktische Schlussfolgerungen gründen. Dabei wird besonders viel Raum der Eigenschaft des ikonischen Zeichens gegeben, weil es bislang in (fremdsprachen-)literaturdidaktischen Überlegungen selten bis gar nicht berücksichtigt wird.

1.4.2 Schrift und Bild als semiotisches Zeichenensemble: Symbol und Ikon

Zeichentheoretische Ansätze bieten eine theoretische Grundlage, die es ermöglicht, das Verhältnis von Schrift und Bild überhaupt zu begreifen. Sie dienen dabei als gemeinsame Ausgangsbasis für Literatur und bildende Kunst. Da Schrift und Bild als Zeichensysteme verstanden werden, können ihre medialen Darstellungen mithilfe zeichentheoretischer Ansätze kontrastiv untersucht werden. Sie werden hinsichtlich zeichenspezifischer Funktionen, gegenseitiger Wechselwirkungen sowie gemeinsamer Bedeutungskonstitution ausgelegt. Die Medien Schrift und Bild sind als sprachliche, wenngleich zeichentheoretisch unterschiedliche, jedoch keineswegs hierarchisch angeordnete Medien zu verstehen.

Grundlegend für die kontrastive Beschreibung von Schrift und Bild, schriftsymbolischen und visuellen Sprachcodes sind Theorien und Begriffe aus der strukturalistischen Semiotik nach Ferdinand de Saussure (1995 [1916]) sowie aus der Mediensemiotik nach Charles Sanders Peirce (vgl. Bense/Walter 1973; Clausen 1984; Eco 1972; Nöth 2000)19. De Saussure differenziert in seiner dyadischen Systematik zwischen signifiant (Bezeichnendes, Darstellung) und signifié (Bezeichnetes, Vorstellung). Diese Unterscheidung ermöglich die gezielte Betrachtung beider Zeichenseiten: wie sich das Zeichen darstellt (das signifiant) und was es bedeutet beziehungsweise welche Vorstellung es evoziert (das signifié). Ergänzend wird das triadische Zeichensystem nach Charles Sanders Peirce hinzugezogen, anhand dessen weitere wesentliche Aspekte der Funktion von Schrift und Bild fassbar werden. Peirce’ Ansatz erweist sich für die strukturalistische Untersuchung von Schrift und Bild insofern als vorteilhaft, als er sich besser als die Saussure’sche Systematik auf visuelle Kommunikationsphänomene anwenden lässt. Anders als de Saussure, der sich insbesondere auf das linguistische Sprachsystem konzentriert hatte, verfolgte Peirce einen sehr viel weiter reichenden zeichentheoretischen Ansatz, der das Medium als Phänomen zu erklären suchte und so vor allem auch auf die visuellen Facetten der Kommunikation, auf Bilder, eingeht (vgl. Eco 1972, 198). Unter einem Zeichen wird nach Peirce ein Element der menschlichen Wahrnehmung verstanden, das ein anderes repräsentiert und von jemandem verstanden wird (vgl. Bense/Walter 1973, 120). Das poema visual kann strukturalistisch-semiotisch als Zeichenensemble gesehen werden. Damit wird die Kombination verschiedener Zeichen in räumlicher oder zeitlicher Anordnung bezeichnet (vgl. ebd. 1973, 127).

Die Berücksichtigung der Peirce’schen Zeichentheorie wurde für die Analyse visuell-poetischer Texte bereits in der Forschungsarbeit von Jochen Dubiel fruchtbar gemacht (2014, 24 ff.). Auch Sabine Gross wendet Peirce Theorie auf Schrift-Bild-Kombinationen an (vgl. Gross 1994, 48).

Im Hinblick auf die strukturalistische Analyse von Schrift und Bild im poema visual wie auch auf die anschließende didaktische Anwendbarkeit erscheinen insbesondere zwei Aspekte der Peirce’schen Theorien relevant: Zum einen wird das signifiant unter dem Begriff des Objektbezugs (womit das Verhältnis von signifiant zu signifié bezeichnet wird; vgl. Nöth 2000, 63) als ikonisches oder symbolisches Zeichen genauer bestimmt. Zum anderen wird zwischen dem realen Objekt und der mentalen Repräsentation des signifié unterschieden. Letzteres wird im gegenwärtigen Zusammenhang nicht weiter vertieft. Um überhaupt die medialen Feinheiten von Schrift und Bild als Zeichen zu begreifen, erscheint für die didaktische Untersuchung insbesondere die Unterscheidung von ikonischem und symbolischem Zeichen gewinnbringend.

Die folgende Grafik (Abbildung 2) veranschaulicht die Erweiterung der dyadischen Systematik de Saussures um die zentralen Begriffe aus der Peirce’schen Theorie.20

Abbildung 2.

Grafische Darstellung der Zeichentheorie nach Ferdinand de Saussure, ergänzt um ausgewählte Peirce’sche Begriffe.

Auf der Ebene des signifié (in diesem Zusammenhang nicht weiter vertieft, daher in der Grafik grau markiert) wird die Unterscheidung zwischen realem Objekt (nach Peirce „Objekt“; vgl. Bense/Walter 1973, 70) und der mentalen Repräsentation (von Peirce „Interpretant“ bezeichnet; ebd. 44) ergänzt. Auf der Ebene des signifiant werden die Begriffe ikonisches Zeichen und symbolisches Zeichen hinzugezogen, die eine wesentliche Differenzierung zwischen Schrift und Bild, wie im Folgenden näher erläutert, gezielt ermöglichen.

Die Erkenntnis aus der Differenzierung zwischen ikonischen und symbolischen Zeichen ist, dass sich die Repräsentation des Objekts der beiden Medien auf unterschiedliche Weise vollzieht.

Das ikonische Zeichen (auch Ikon) stellt eine eindeutige Verbindung zwischen signifiant und signifié her. Es handelt sich um eine Repräsentation, die auf Ähnlichkeit basiert. Das ikonische Zeichen bildet das Objekt ab, es imitiert es, indem es bestimmte Merkmale visuell wiedergibt. Ikonische Zeichen sind zum Beispiel Bilder (oder auch Muster, Strukturen, Figuren etc.) (vgl. Bense/Walter 1973, 38).

Das symbolische Zeichen (Symbol)21 hingegen konstituiert eine nurmehr abstrakt nachvollziehbare Verbindung zwischen Signifikant und Signifikat. Ungeachtet einer Ähnlichkeit mit dem zu bezeichnenden Objekt, wie im Falle des ikonischen Zeichens, stellt das symbolische Zeichen eine konventionelle Kodierung dar, wie beispielsweise die Schrift. Der wesentliche Unterschied zwischen Schrift und Bild ist, dass Schrift vorrangig auf symbolische und das Bild vorrangig auf ikonische Zeichen zurückgreift. Obwohl diese Feststellung banal erscheint, für die Bestimmung von Schrift und Bild im poema visual erweist sich die Unterscheidung zwischen ikonischen und symbolischen Zeichen als äußerst ergiebig. Beispielhaft lässt sich diese Überlegung anhand des Gedichts Poema llave (Abbildung 3) erläutern.

Abbildung 3.

Poema llave (2007), Eddi J. Bermúdez, unveröffentlicht.

Das Gedicht stellt das Wort poema dar, dessen Buchstaben jeweils aus einem Schlüsselbart hervorgehen, entsprechend gehen die Buchstaben in grafisch dargestellte Schlüsselfiguren über. Aus zeichentheoretischer Sicht lassen sich zwei Zeichenreihen (eine lineare Annordnung von Zeichen; vgl. Bense/Walter 1973, 134) bestimmen: eine symbolische Zeichenreihe, repräsentiert durch die fünf Buchstaben p-o-e-m-a, und eine ikonische Zeichenreihe, bestehend aus insgesamt fünf grafisch dargestellten schwarzen Schlüsseln. Das ikonische Zeichen, das Bildliche in dem visuellen Gedicht, ist die visuelle Darstellung der Schlüssel, das symbolische Zeichen gibt entsprechend das schriftliche Wort poema wieder. Gemeinsam konstituieren sie die Bedeutung, poema llave und lassen auf die Funktion der Dichtung als Schlüssel zu anderen geistigen Erkenntnissen oder auf die Aussage, dass Gedichte zu entschlüsseln sind, schließen.

Allerdings lässt sich eine Zuordnung nicht immer eindeutig abgrenzen, weil, wie aus medientheoretischer Sicht betont wird, stets zu berücksichtigen ist, dass auch Schrift über ikonische und Bilder über symbolische Eigenschaften verfügen (vgl. Eco 1972, 213; Nöth 2000, 481 f.). Beim poema llave (Abbildung 3) bestehen die Schlüsselbärte aus Buchstaben, sie sind also gleichermaßen Schrift wie Bild.

Die komplexe Frage, inwiefern das Sprachsystem als symbolisch-konventionell-dominantes Zeichensystem auch ikonische Zeichen produziert und entsprechend das bildliche Zeichensystem über symbolische Eigenschaften verfügt, wird in der Theorie kontrovers diskutiert (vgl. u. a. Clausen 1984; Eco 1972; Weiss 1984). Selbstverständlich verfügt Sprache bereits in ihrer grafischen Darstellung über einen ikonischen Charakter (womit sich beispielsweise die Typografie befasst). Auch birgt das Bild symbolische Zeichen (Farben, Formen etc.), die dementsprechend symbolisch entschlüsselt werden müssen. Eine strikte Beschränkung ikonischer Zeichen auf das Medium Bild und symbolischer Zeichen auf Schrift ist nicht zweifelsfrei möglich. Die Grenzen werden als fließend definiert (vgl. Eco 1972, 216 f.).

1.5 Typen von poemas visuales

Morales Prado (2004, 11 ff.) schlägt neun tipos de poesía experimental vor, die von Maria Ángeles Hermosilla (2013, 27 ff.) übernommen und im Hinblick auf das Visuelle, “la imagen en el experimentalismo español actual” (ebd., 23), respektive die Poesía Visual auf vier Grundtypen reduziert werden. Hermosilla beschränkt sich mit ihrer Typologie auf die letzten dreißig Jahre (vgl. ebd., 27). In Anlehnung daran werden nachfolgend vier Typen von poemas visuales beschrieben und anhand von Beispielen veranschaulicht.

An zwei Stellen habe ich die Typologie von Hermosilla modifiziert: Erstens bezeichne ich den Typ „poema concreto“ (ebd., 31) als poema concreto-visual (nach Fernández Serrato 1995b). Dadurch wird einerseits die Visualität im Begriff unterstrichen und andererseits Missverständnissen ausgewichen. Zweitens habe ich den Typ „poema objeto y otras modalidades experimentales“ (ebd., 37), der neben Objektgedichten andere experimentelle Formen (wie beispielsweise el happening, la poesía acción, la videopoesía etc.) zusammenfasst, auf das poema objeto beschränkt. Aufgrund der unscharfen Beziehung zur Poesía Visual bleiben die erwähnten weiteren experimentellen Formen im Folgenden ausgespart.

Die einzelnen Typen sind als Tendenzen zu verstehen und daher nicht klar voneinander abzugrenzen. Mischformen sind die Regel.

1.5.1 Poema letrista

Bezugnehmend auf die dadaistische, von Isidore Idou gegründete Bewegung lettrisme (frz. von lettre) hat diese Gedichtform den autonomen, isolierten Buchstaben zum Gegenstand (vgl. van den Berg/Fähnders 2009, 191). Lettrismus wird von Idou beschrieben als „el arte que acepta la materia de las letras reducidas y convertidas simplemente en ellas mismas para vaciarlas en un molde de obras coherentes“ (zit. in Millán/García Sánchez 2005 [1975], 21; Hervorhebung v. d. Verf.). Der Buchstabe hat neben seiner phonetischen auch eine grafisch-visuelle Seite, die vornehmlich im poema visual letrista zum Ausdruck kommt. Die grafische Dimension der letras ist hier insofern ausschlaggebend, als weder die phonetische Entsprechung der Buchstaben übermittelt, noch eine lineare Textkonstruktion verfolgt wird. Der Buchstabe wird somit nicht nur isoliert, sondern visuell selbstverwirklicht und von seiner schriftsymbolischen Funktion befreit. Dabei können die verwendeten Buchstaben durch weitere Bildelemente (wie etwa Piktogramme, Fotos, Zeichnungen etc.) ergänzt werden (vgl. van den Berg/Fähnders 2009, 191). Auch wenn der befreite Buchstabe Gegenstand des Gedichtes ist, so können – oft unbewusst - schriftsymbolische Funktionen (wie z. B. Anordnung im Alphabet, Klein- oder Großschreibung, bestimmte kulturell konnotierte Buchstaben, etc.) oder phonetische Aspekte (Laute, Lautfolgen etc.) vom Leser nicht völlig ausgeblendet werden, was oft zu kontroversen Interpretationen führt (vgl. Morales Prado 2004, 12).

Ein Beispiel für ein poema visual letrista ist das folgende Gedicht von Julián Alonso (1994) (Abbildung 4).

Abbildung 4.

Uves migratorias (1994), Julián Alonso, in: López Gradolí 2007, 35.

Der Buchstabe V wird einundzwanzigmal pyramidenartig so platziert, dass die dreieckige pfeilartige Form des Buchstabens sich in der geometrischen Gruppierung widerspiegelt. Das Gedicht hebt daher insbesondere die grafische Form des Buchstabens V hervor. Daneben bestätigt der Titel22 Uves migratorias die Annahme, dass es sich um die Darstellung eines Vogelschwarms handelt. Die phonetische Nähe von uves zu aves lässt zudem das Sprachspiel uves migratorias anstatt aves migratorias zu und vervollständigt auf raffinierte Weise die grafische Darstellung eines Zugvogelschwarms, bestehend aus uves.

1.5.2 Poema concreto-visual

In diesem Typus werden Wörter und Begriffe aus einem Bedeutungszusammenhang befreit und visuell in Szene gesetzt – „[la] palabra se independiza de la frase“ (Hermosilla 2013, 31) – und mit Blick auf ihre Bedeutung beziehungsweise ihre Bedeutungen grafisch-visuell gestaltet oder mit Bildelementen versetzt. Die grafischen und bildlichen Zusätze stehen semantisch in direktem Zusammenhang mit dem Begriff. Das poema concreto-visual trägt nur in seltenen Fällen einen Titel, der von dem im Gedicht dargestellten und thematisierten Wort abweicht. Hauptbestandteil und Gegenstand ist das Graphem eines Wortes. Die Bezeichnung lehnt sich an die Konkrete Poesie an.

Das folgende Gedicht (Abbildung 5) veranschaulicht beispielhaft die beschriebene Charakteristik.

Abbildung 5.

Obsesión (2003), Maite Díaz Fernández, in: Diputación Badajoz 2003, o.S.

Das Wort obsesión ist in verschiedenen Größen unzählige Male übereinander abgedruckt, sodass es teilweise unlesbar und nur als schwarze Drucktinte erscheint. Die Verbindung zwischen dem visuell dargestellten Wort (signifiant) und dessen Bedeutung (signifié) wird im Gedicht deutlich. Die Besessenheit (obsesión) des lyrischen Ichs kommt durch die grafische Darstellung des Wortes, das wie verbissen und fanatisch unendlich oft über- und aufeinander getippt (oder gestempelt) wurde, zum Ausdruck.

1.5.3 Poema semiótico

Weniger solche Zeichen des Alphabets als solche, die aus ikonischen Elementen bestehen, sind die Hauptbestandteile der poesía semiótica. Jedes ikonische Zeichen – Zeichnungen, Gemälde, Fotografien, Piktogramme (wie etwa Verkehrszeichen) – kann zur Vermittlung der poetischen Botschaft verwendet werden. Die Bezeichnung semiótica, so Morales Prado, weise bewusst auf Semiologie und Semiotik und soll die visuell stark verschlüsselte Botschaft im poema zum Ausdruck bringen (vgl. Morales Prado 2004, 13). Die bildlichen Elemente müssen als Zeichen gelesen werden. Meist sind diese unkonventionell zusammengestellt, was im Titel oftmals aufgegriffen und symbolschriftlich erklärt wird. Der Titel spielt bei diesen Gedichten eine zentrale Rolle. Allerdings sind poemas semióticos nicht zwingend mit einem Titel versehen. Hauptbestandteile und Gegenstand von poemas semióticos sind ikonische Zeichen.

Anhand des Gedichts Sentimiento de culpa (Abbildung 6) lässt sich das poema semiótico beispielhaft veranschaulichen.

Abbildung 6.

Sentimiento de culpa (2007), Claudia Quade Frau, in: Diputación Badajoz 2007, 10.

Auf einem schwarzen Hintergrund mit abgerundeten Ecken ist in einem weißen Viereck, einem Verkehrsschild zum Verwechseln ähnlich, eine Tanksäule abgebildet, die das Zapfventil (aufgrund der Ähnlichkeit umgangssprachlich auch Zapfpistole genannt) wie eine Pistole gegen sich richtet. Wenn die Zapfsäule als Illustration einer menschlichen Figur gedeutet wird, hält sie das Zapfventil (die Pistole) in Kopfhöhe gegen die Schläfe. Es entsteht der Eindruck, die Zapfsäule wolle Suizid begehen. Im Titel ist das Motiv benannt, das die Zapfsäule zum Suizid bewegt: Schuldgefühle. Möglich ist, dass dieses Gedicht aus Sicht des Kraftstoffspenders (der Tanksäule) die weltweiten politischen Konflikte um den Ölmarkt thematisiert.

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9783823300700
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