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Читать книгу: «Seewölfe Paket 7», страница 22

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3.

Sotoros Männer hatten die Feuer auf Rempang rechtzeitig gelöscht, dann hatten sich alle an dem Fest Beteiligten zu den Booten begeben – außer den Wachen, die am Käfig des Tigers verharrten und die mit gemischten Gefühlen darauf warteten, daß das Tier wieder erwachte.

Im Sturmwind hatten die Männer und Frauen zu ihren Schiffen übergesetzt und die Prahos und die „Isabella“ in eine geschützte Bucht an der Leeseite der Insel Rempang verholt. Den Orang Laut war es im weiteren Verlauf der Nacht auch gelungen, ihre Auslegerboote von dem Landeplatz in die Bucht zu verholen. Bei ihrem Eintreffen waren sie an der Nordküste an Land gegangen und mußten jetzt mit den Booten die halbe Insel runden, was kein leichtes Stück Arbeit war. Aber sie waren glücklich, feststellen zu können, daß die kleinen Prahos keinerlei Schaden genommen hatten. Der Seewolf hatte vor seinem Kampf gegen Bulbas angenommen, der Tiger habe die Boote kurz und klein geschlagen, aber in diesem Punkt hatte er sich getäuscht. Bulbas heiliger Respekt vor dem Wasser hatte eine schützende Barriere vor den Booten errichtet, die der Mörder nicht hatte überbrükken können.

Die geschützte Bucht wurde zum provisorischen Lager der Seewölfe und der Malaien.

Kutabaru, der Häuptling der Wassernomaden, hatte sich inzwischen bereiterklärt, für Sotoros Sache mitzukämpfen. Mit Otonedjus Männern und den Orang Laut zählte der Trupp des Tigers von Malakka mittlerweile also weit über hundert Köpfe.

„Genug, um eine Republik zu gründen“, sagte Sotoro zu Hasard, als er sich auf die Einladung des Seewolfs hin mit Yaira an Bord der „Isabella“ begab. „Wir werden auf Rempang Dörfer bauen, das Land urbar machen und als Alleinversorger auf keine Hilfe von außen angewiesen sein.“

„Die Spanier dürfen davon nichts merken“, gab der Seewolf zu bedenken.

„Wir werden den Dschungel als Sichtschutz an den Ufern wuchern lassen“, erwiderte der Tiger. „Und für unsere Schiffe gibt es genügend Versteckmöglichkeiten. Ich denke, wir können Jahre unter diesem Tarnmantel leben, ohne eine Invasion befürchten zu müssen.“

„Meinen Segen dazu habt ihr“, sagte Hassard. „Sotoro, ich möchte dir jetzt ein paar Seekarten zeigen, die ich auf dem Weg von China hierher ergattert habe. Vielleicht kannst du mir noch ein paar Hinweise geben, die für die Fortsetzung unserer Reise von großem Wert sind.“

„Du weißt ja, ich bin unter den Spaniern gefahren.“

„Eben deswegen. Gehen wir in meine Kammer im Achterkastell.“

Kurze Zeit darauf betraten sie die gemütliche Kammer im Heck der leicht schwankenden „Isabella“. Ein mittelschwerer Sturm tobte über die Insel Rempang weg, doch die Bucht lag behütet genug in Lee, und die beiden Männer und das schöne Mädchen konnten noch lange über den Karten und in ihre Erzählungen vertieft beim Schein der Öllampe zusammensitzen.

Erst kurz vor Anbruch des neuen Tages verließen Sotoro und Otonedjus Tochter die große Galeone wieder, um auf die „Yaira“ zurückzukehren. Hasard legte sich in seiner Koje zur Ruhe. Er wollte wenigstens noch ein oder zwei Stunden schlafen.

Im Morgengrauen ließ der Wind wieder nach, und die Wogen auf offener See glätteten sich. Hasards traumdurchwebtes Dahindämmern wurde jedoch abrupt durch einen Ruf unterbrochen, der über die Bucht hallte.

„Mastspitzen in Südost!“

Hasard war sofort wach. Kein Zweifel, es war Bill gewesen, der die Worte ausgestoßen hatte. Bill, der Schiffsjunge der „Isabella“, hockte seit der Wachablösung im Großmars und hielt weisungsgemäß die Augen offen, wie sich das für einen Ausguck gehörte. Jetzt, in aller Frühe, bewies er, daß er nicht geschlafen hatte.

Hasard sprang aus der Koje, stieg in seine blaue Hose und die ledernen Stulpenstiefel, zog sich Hemd und Wams über, dann lief er durch den mittleren Achterdecksgang nach vorn, nahm den Niedergang zum etwas höher befindlichen Schott mit einem Satz und stieß das Schott auf. Er lief auf die Kuhl hinaus.

Sonnenglast ließ die frisch geschrubbten Planken der „Isabella“ schimmern und verhalf den kleinen Wellen in der Bucht zu glitzernden Kronen. So kurz nach ihrem Aufgang besaß die Sonne hier bereits große Macht, während ihr Licht weiter westlich über der Insel von aufsteigenden Nebelstreifen gefiltert wurde.

Hasard mußte die Hand als Schutz über die Augen legen, um zu Bill in den Hauptmars aufzublicken.

Ben Brighton, Carberry und Shane hatten sich ebenfalls auf Oberdeck eingefunden und gesellten sich zum Seewolf. Ferris Tucker, Smoky, Stenmark und die beiden O’Flynns stürmten ihnen soeben nach.

Der alte Donegal wetterte und rief den Deckswachen Sam Roskill und Jeff Bowie zu: „Was zum Teufel ist jetzt wieder los? Kann man nicht mal in Ruhe einen Törn an der Koje horchen?“

„Mastspitzen, du hörst es doch!“ rief Roskill eher mürrisch zurück.

Auf der „Yaira“ und den anderen Prahos war es inzwischen auch lebendig geworden, und an Land richteten sich überall die Gestalten jener Eingeborenen auf, die die Nacht allen Gefahren der Selvas zum Trotz zwischen den Büschen verbracht hatten, weil sie den Wächtern des Tigers sofort zu Hilfe eilen wollten, falls Bulbas sich regte.

Bill lehnte sich über die Umrandung des luftigen Postens, legte die Hände wie einen Schalltrichter an den Mund und rief seinem Kapitän zu: „Fünf Schiffe der großen Klasse, Sir, ich kann sie jetzt deutlich auseinanderhalten.“

„Welchen Kurs nehmen sie?“

„Offenbar Westen.“

„Also an Rempang vorbei?“

„Sieht so aus, Sir!“

„Sieht so aus“, äffte Old O’Flynn einen Yard neben der Kuhlgräting den Schiffsjungen nach. „Kann der Bengel sich nicht deutlicher ausdrükken?“

„Kann er nicht“ nahm Carberry Bill in Schutz. „Denn wenn die Himmelhunde; die die Schiffe führen, uns sichten, schlagen sie möglicherweise einen anderen Kurs ein — wer immer sie sein mögen. Holzauge, sei wachsam.“

„Meinst du damit mich?“ fragte der Alte mit verkniffener Miene.

Carberry grinste, was seinem Narbengesicht einen fratzenhaften, beinah monströsen Ausdruck verlieh. „Natürlich nicht, Donegal. Niemals würde ich so was zu dir sagen. Du hast ja auch gar kein Holzauge, sondern nur ein Holzbein. Oder?“

„Ach, geh doch zum Teufel“, knurrte der Alte.

Insgeheim maß noch keiner von der Crew den fremden Schiffen im Südosten große Bedeutung bei. Man nahm allgemein an, die Segler würden auf ihrem Kurs weiterziehen.

Hasard aber wollte es genau wissen. Er enterte katzengewandt in den Wanten auf, kletterte zu Bill in den Mars und richtete sein Spektiv in die angegebene Richtung. Der kreisrunde Ausschnitt der Optik fing zunächst die Mastspitzen ein, die sich da über die Kimm geschoben hatten, dann die dazugehörigen Rümpfe, die mittlerweile auch sichtbar geworden waren.

Etwas blaß nahmen sich die Konturen unter dem Glanz der jungen Morgensonne aus, aber der Seewolf konnte genug Einzelheiten erkennen.

„Wirklich fünf Schiffe“, bestätigte er Bills Aussage. „Vier Dreimaster – und ein imposanter Viermaster. Muß ein wirklich bildschönes Schiff sein. Lassen wir sie noch ein bißchen näher heran, dann kann ich dir auch sagen, ob es sich um Kriegs- oder Frachtschiffe oder um einen gemischten Verband handelt.“

Bill beobachtete ebenfalls unausgesetzt durch seinen Kieker. „Das letztere ist doch wohl naheliegend, Sir.“

„Glaubst du? Und noch schöner wäre es, wenn eine dieser Galeonen wertvolle Ladung an Bord hätte, nicht wahr?“

„Oder zwei, drei Galeonen …“

„In dem Fall würden wir sie angreifen, entern und von den Mastspitzen bis zum Kielschwein ausnehmen wie fette Gänse“, entgegnete der Seewolf schmunzelnd. „Das wolltest du doch ausdrücken, Bill, nicht wahr?“

„Äh – ja, Sir.“

„So erpicht darauf, daß es mal wieder Zunder gibt?“

„Ganz ehrlich?“

„Sicher doch.“

„Ja, Sir, und wir haben eine richtige Streitmacht zur Verfügung, mit der wir einen solchen Verband knakken könnten“, stieß der Junge mit stolz geschwellter Brust hervor.

Hasard hatte das Spektiv nicht abgesetzt, und der heitere Ausdruck verschwand jetzt von seinen Zügen. Sein Mund erstarrte, die Lippen schienen von granitener Härte zu sein. „Ich schätze, daraus wird nichts, jedenfalls nicht so, wie du es dir vorstellst, Junge. Das da sind fünf Kriegs-Galeonen spanischer Herkunft, augenscheinlich gut armiert und unter vollen Segeln.“

Er setzte das Fernrohr mit einem Ruck ab und wandte den Kopf. Sein Blick bohrte sich in Bills Augen. „Sie haben angeluvt und halten auf uns zu. Die Brüder haben uns entdeckt, wie auch wir sie entdeckt haben, mein Freund.“

Bill, der seinen Kieker auch hatte sinken lassen, sagte: „Und – was gedenken Sie nun zu tun, Sir?“

Der Laut, der von der Insel herüberdrang, unterbrach ihr Zwiegespräch. Bulbas’ Brüllen klang so schaurig, als stiege es geradewegs aus den Schlünden der Hölle hervor. Es fuhr Bill, dem Moses, unter die Haut und trieb ihm einen eisigen Schauer über den Rücken.

Hasard traf Anstalten, auf Deck zurückzuklettern. „Der Wächter der Insel ist erwacht, später, als ich mir ausgerechnet hatte. Jetzt trifft uns sein ganzer Groll, und ich habe die Befürchtung, das ist ein schlechtes Omen für diesen Vormittag.“

Er hangelte in den Webeleinen der Wanten nach unten, traf auf der Kuhl ein und drehte sich sofort seinem Profos zu. „Ed, alle Mann auf Gefechtsstation und klar zum Gefecht rüsten. Sieh zu, daß ihr in Windeseile fertig seid, ich will nicht von den Dons überrumpelt werden.“

„Zum Teufel, nein!“

„Wie bitte, Mister Carberry?“

„Ich meine – aye, aye, Sir!“ brüllte der Profos.

Hasard lief in Richtung Achterdeck und rief: „Wir gehen ankerauf und laufen mit Kurs Süd-Süd-Ost hart am Wind aus der Bucht!“

„Verstanden“, erwiderte Ben Brighton.

Auf der Kuhl hasteten die Männer auf und ab, die Geschütze rumpelten aus, als die Stückpforten aufschwangen, es wurden alle erforderlichen Vorkehrungen für ein bevorstehendes Gefecht getroffen. Je zwei Mann stürzten mit Handspaken bewaffnet an die Gangspille auf Vor- und Achterdeck, wenig später hoben sich Bug- und Heckanker an ihren schweren Trossen vom Grund der Bucht. Stenmark, Sam Roskill, Batuti, Will Thorne und ein paar andere krebsten in den Wanten hoch, um die Segel zu setzen.

Hasard trat auf dem Achterdeck ans Schanzkleid und blickte zur „Yaira“, die keine zwanzig Yards querab von der „Isabella“ lag. Sotoro, Otonedju, Yaira und ein paar andere drehten sich auf seinen Ruf hin ihm zu.

„Wir müssen auf alles gefaßt sein!“ schrie der Seewolf. „Ich denke, die Dons werden uns einen guten Morgen wünschen wollen.“

„Wir rüsten bereits zum Kampf“, erwiderte der Tiger von Malakka, ebenfalls spanisch sprechend. „Hast du eine Ahnung, wer den Verband befehligt?“

„Nein. Ich kenne die Schiffe nicht.“

„Seewolf!“

„Ich höre dich, Tiger!“

„Einer unserer Freunde vom Stamm der Orang Laut hat mir vom Ufer aus ein Zeichen gegeben. Die Nachricht der Wächter am Käfig von Bulbas lautet: Der Tiger sitzt sicher, er konnte trotz aller Versuche nicht aus seinem Gefängnis ausbrechen.“

„Den Rücken haben wir also frei“, sagte Hasard mit galligem Humor. Etwas leiser meinte er mehr zu sich selbst als zu seinen Männern: „Ein gutes Omen war Bulbas’ Brüllen aber trotzdem nicht. Eine Gefahr ist gebannt, jetzt rückt die nächste an.“

Ben Brighton hatte das Achterdeck ebenfalls erreicht und trat zu Hasard.

„Ob das unser lieber Freund Arturo Diaz Escribano ist?“ fragte er mit einer Geste zu dem rasch näherrükkenden Verband hin.

Hasard schüttelte den Kopf. „Selbst wenn er kurz nach seiner Niederlage aufgefischt worden ist, hat er einen neuen Verband nicht so schnell wieder zusammenstellen können. Unmöglich.“ Er blickte nach Südosten. Wie eitle Schwäne schoben sich die fünf Galeonen heran. Die „Isabella“ legte sich derweil mit Backbordhalsen an den Wind und verließ die Bucht.

„Ich möchte wirklich wissen, mit welchem Draufgänger wir es da zu tun haben“, sagte der Seewolf.

Er ahnte nicht, daß er dem Mann, der das Kommando über den spanischen Kriegsschiff-Verband führte, schon einmal unter nicht weniger dramatischen, verhängnisvollen Gegebenheiten begegnet war – ohne dessen Namen erfahren zu haben.

Lucio do Velho, der Mann mit dem ausdrucksstarken Gesicht und den Fähigkeiten eines Mimen, stand in erhabener Pose auf dem Achterdeck seines Flaggschiffes. Er suchte nirgends mit den Händen Halt, sondern hatte die Arme vor der Brust verschränkt und glich die Decksbewegungen durch geschickte Beinarbeit aus.

Sein Blick war voraus gerichtet, über die Back derViermast-Galeone „Candia“ hinaus, rechts an ihrem Bugspriet vorbei auf die Bucht, in der die vielen Schiffe lagen. „Killigrew“, sagte der Portugiese do Velho. Fast schwang Ergriffenheit in seinem Tonfall mit, aber man hätte diese Färbung leicht falsch interpretieren können. DoVelho war bewegt, aber nicht wegen des Wiedersehens, sondern wegen seines Geschickes, seiner Fähigkeit, eine im Nichts verlaufende Fährte wieder aufzunehmen.

„Seewolf“, sagte er. „Du elender Bastard, seit mehr als vier Monaten suche ich dich jetzt. Endlich habe ich es geschafft. Diesmal gelingt es dir nicht, dich aalglatt und gerissen meinen Fängen zu entziehen.“

„Sind Sie sicher, daß wir die ‚Isabella‘ vor uns haben, Senor Comandante?“ erkundigte sich eine Stimme hinter seinem Rücken.

Unwillig wandte do Velho sich um. Sein zurechtweisender Blick fiel auf das derbe Gesicht von Ignazio, dem Mann aus Porto, der nicht nur sein Landsmann, sondern auch sein treuester Mitstreiter war.

„Wie oft soll ich dir noch sagen, daß man seinen Comandante nicht von hinten anspricht, Ignazio?“

„Verzeihung.“ Iganazio tat zwei Schritte und stand neben seinem Herrn und Gebieter. „Ich habe das vergessen.“

„Du hast überhaupt ein schlechtes Gedächtnis“, erwiderte do Velho ungnädig. „Du kannst von Glück sprechen, daß ich dich auf diesem stolzen Schiff Seiner Allerkatholischsten Majestät überhaupt dulde. Aber man ist eben sentimental.“ Ignazio war außer doVelho der einzige Mann, der seinerzeit nördlich von Formosa lebend jene kleine Insel verlassen hatte, in deren Bucht der Seewolf die „Sao Fernao“ zusammengeschossen hatte.

„Dir scheint wohl ganz entfallen zu sein, wie das verdammte Schiff des verfluchten ‚Lobo del Mar‘ aussieht?“

„Comandante, ich kann es auf diese Distanz nicht so gut erkennen.“

„Dann nimm ein Spektiv zu Hilfe.“

„Ich habe es getan. Aber die Sonne blendet mich, und die vielen kleineren Schiffe in der Bucht verdecken mir die Sicht auf die Dreimast-Galeone.“

Do Velho winkte ärgerlich ab. „Du bist ein hoffnungsloser Fall. Du taugst zum Dreinschlagen, Ignazio, zu mehr aber nicht.“

„Ich bin betrübt, Senor“, murmelte der Mann aus Porto. Er schien es wirklich zu sein, denn er senkte den bulligen Schädel und starrte auf die Decksplanken.

„Vorhin, als der Ausguck die Schiffe in der Bucht von Rempang erspäht hat, bin ich selbst in denVormars aufgeentert“, setzte Lucio doVelho dem einfachen Mann auseinander. „Von dort oben habe ich die ‚Isabella‘ einwandfrei identifiziert.“

„Si, Senor. Aber was haben die verflixten Kähne der Eingeborenen in der Nähe der Galeone verloren?“

„Das sind Prahos, du Einfaltspinsel. Ich frage mich, wie ich in Manila so närrisch sein konnte, dich durch meinen Zuspruch zum Bootsmann avancieren zu lassen.“

„Ich habe Ihnen das Leben gerettet.“

„Das war deine Pflicht. Brüste dich bloß nicht damit. Außerdem wäre ich auf der Insel auch allein mit den Meuterern fertiggeworden. Du brauchst dir auf deine Tat nichts einzubilden.“

„Nein, Senor“, antwortete der Mann aus Porto untertänigst.

„Also – ich kann dich jederzeit selbst wieder zum einfachen, dreckigen Decksmann degradieren, vergiß das nicht. Unterlasse deine idiotischen Bemerkungen, sie beleidigen meine Ohren und verletzen meinen Geist. Ignazio, es interessiert mich nicht, warum die Prahos der Malaien bei den Seewölfen liegen, ich frage auch nicht danach, welche Begleitumstände dazu beigetragen haben, daß wir hier und heute auf die Hunde stoßen konnten.“

Sein Blick wanderte zur Kuhl ab, wo zwanzig bronzene 17-Pfünder-Culverinen ausgerollt und schußbereit gestellt worden waren. Auf dem darunter befindlichen Batteriedeck der „Candia“ stand noch einmal die gleiche Zahl Kanonen desselben Kalibers bereit, das Feuer auf den verhaßten Feind zu eröffnen.

„Ich bin jetzt froh, heute nacht den Sturm abgeritten zu haben“, sagte der Portugiese. „Anderenfalls hätte uns der Zufall nicht auf Rempang zugetrieben.“

„Niemals, Senor“, sagte Ignazio. „Aber mir ist etwas eingefallen. Die Eingeborenen auf den Prahos könnten Verbündete des Seewolfs sein.“

„Sehr gut, Ignazio. Ich rechne fest damit, daß es so ist. Da sie offenbar in trautem Einvernehmen bei den Bastarden von Engländern weilen, stufen wir auch die Malaien als unsere Todfeinde ein, die keine Rücksicht verdienen.“

„Mehr als ein Dutzend Schiffe gegen uns, Senor Comandante …“

„Mit unserer Armierung sind wir denen haushoch überlegen“, entgegnete do Velho. „Wage nicht, auch nur eine Sekunde daran zu zweifelh.“

„Gewiß nicht. Welches ist nun aber Ihr Plan?“

Lucio do Velhos Züge verhüllten die Grausamkeiten, die sein Geist sich ausmalte, um keinen Deut. „Wir greifen ohne jede Vorwarnung an. Wir schießen sofort aus vollen Rohren, das ist die einzige Art, diesem Dreckskerl von einem Korsaren zu begegnen.“

4.

Die „Isabella VIII.“ hatte die Bucht als erstes Schiff verlassen, jetzt ließ der Seewolf noch weiter anbrassen, luvte so weit wie möglich an und segelte tollkühn direkt auf den feindlichen Verband zu.

Die „Yaira“ folgte der großen Galeone in nach Backbord schräg versetzter Kiellinie und segelte somit am dichtesten unter Land. Sechs Kanonen schwer bestimmbaren Kalibers fuhren auf dem dreimastigen Praho des Tigers von Malakka mit. Sotoro hatte sie von einem chinesischen Freibeuter ergattert, dessen Dschunke er gekapert und anschließend versenkt hatte, als dieser ihm gefährlich geworden war. Al Conroy hatte die Geschütze als 15-Pfünder eingestuft, als die Seewölfe in der Nacht einen kurzen Abstecher an Bord der „Yaira“ unternommen hatten.

Nach und nach stießen nun auch die anderen Prahos der Rebellen von Malakka aus der geschützten Bucht, und danach glitten auch die kleinen, einmastigen Fahrzeuge der Orang Laut auf die offene See hinaus. Kutabaru und seine Krieger hatten keinen Augenblick gezögert, an dem drohenden Gefecht teilzunehmen.

Ben Brighton stand neben seinem Kapitän an der Five-Rail. Er hätte den Seewolf fragen können, wieso sie nicht durch rasches Runden der Insel nach Nordwesten und Norden versuchten, den Spaniern zu entgehen. Sotoro hätte ihnen auch helfen können, irgendwo zwischen den weiter nördlich verstreut liegenden Eilanden unterzutauchen.

Aber das wäre nicht nur ein Schwächebeweis gewesen. Sie hätten den auf sie lauernden Verband auch weiterhin ständig am Hals gehabt.

Nein, Ben konnte sich die Frage wirklich sparen.

Einige Chancen rechnete er sich noch aus, daß sie sich dem Kriegsverband gegenüber erfolgreich als Spanier ausweisen konnten. Mit diesem Trick hatten sie den Gegner schon oft genarrt. Die Anwesenheit der Eingeborenen ließ sich dadurch motivieren, daß die Malaien beispielsweise der „Isabella“, einem harmlosen Handelsfahrer, im Sturm geholfen hatten. Oder daß sie dem Kapitän der Kriegsgaleone „Isabella“ wertvolle Tips zur Ergreifung des gefürchteten Tigers von Malakka geliefert hatten. Es gab viele Möglichkeiten.

Ben lachte rauh. „Das glaubst du doch selbst nicht.“

Hasard wandte den Kopf und musterte ihn erstaunt. „Was denn?“

„Ach, ich rede mit mir selbst. Ich schätze, die Dons dort wissen, wen sie vor sich haben. Entweder kennen sie die ‚Isabella‘, die ja allmählich bekannt wird wie ein bunter Hund – oder die Prahos des Tigers. Oder gleich den ganzen Verband.“

„Ben, ich bin sicher, daß sie uns darüber nicht lange im unklaren lassen“, versetzte der Seewolf.

So war es. Vom Bug des Viermasters, der nach Hasards Schätzungen jetzt nur noch knapp eine Meile entfernt an der Spitze des Fünferverbandes segelte, stieg eine weiße Rauchwolke hoch. Das Buggeschütz sandte eine Kugel herüber, die auf diese Distanz zwar nur in etwa gezielt sein konnte, die aber die Reichweite hatte, dicht vor dem Vorsteven der „Isabella“ in die Fluten zu klatschen und eine rauschende Fontäne hochzujagen.

„Jetzt schlägt’s aber dreizehn!“ brüllte Carberry, dem solche Manieren sofort erheblich auf den Magen schlugen.

„Sir!“ rief Bill aus dem Großmars. „Der Don signalisiert uns aus den Toppen!“

„Was will er? Daß wir uns zu erkennen geben?“ fragte der Seewolf zurück.

„Das kann er haben“, sagte Ben Brighton. „Haltet die Flagge der spanischen Galeonen bereit. Vielleicht fallen die Hurensöhne ja doch auf unsere Parade herein.“

„Sir!“ schrie Bill entsetzt. „Der Don gibt uns zu verstehen, wir sollen Unverzüglich die Flagge streichen!“

„Da schau mal einer an“, sagte Hasard. Sein Lächeln war verwegen. „So packt er es also an. Er will uns gar nicht erst zum Zug kommen lassen. Was antworten wir darauf, Ben?“

„Daß wir ihm was husten.“

Carberry drückte es mal wieder drastisch aus. „Wir scheißen diesen Kakerlaken und Bastarden was. Wir hauen ihnen die Jacke voll, daß ihnen die Ohren wackeln und ihnen der Hintern abfällt, Männer!“ dröhnte sein mächtiges Organ über Deck.

„Dan“, sagte Hasard zu dem jungen O’Flynn, der schräg hinter ihm in Nähe des Besanmastes stand. „Ich frage dich, wie können wir kapitulieren, wenn wir uns überhaupt nicht mit dem überheblichen, krankhaft siegessicheren Don herumgeschlagen haben?“

„Praktisch ist das kaum drin“, erwiderte Dan grinsend. „Jedenfalls nicht, soweit es unsere Gewohnheiten betrifft.“

„Dann hiß mal schnell unsere Flagge.“

Dan befolgte die Aufforderung des Seewolfs, und Sekunden später flatterte der White Ensign, die weiße Flagge mit dem roten Georgskreuz, munter im Besantopp unter dem Einfluß des frischen Morgenwindes.

„So“, sagte Big Old Shane, dessen Platz vorläufig noch auf dem Achterdeck war. „Jetzt spielen wir mit offenen Karten.“ Den Köcher mit den Pfeilen hatte er sich schon umgehängt, und auch der Bogen hing von seiner breiten Schulter. Im Getümmel würde er zweifellos wieder seine Position im Großmars beziehen und mit Batuti, der in denVormars aufzuentern pflegte, ein Zielschießen auf die Gegner verüben.

Daß es ein Getümmel gab – daran zweifelte keiner der Seewölfe.

Das Flaggschiff des spanischen Verbandes ließ mit der Reaktion auf den White Ensign nicht auf sich warten. Die rasch nachgeladene Kanone im Vordeck und das zweite Buggeschütz krachten, wieder stiegen weiße Qualmgebilde in den Himmel auf, und bedrohlich nah heulten die Kugeln heran. Eine saß sehr, sehr nah vor dem Bug der dahinrauschenden „Isabella“, die zweite schlug an Steuerbord in Höhe der Fockwanten in die See.

Gleich darauf eröffneten auch die anderen vier Galeonen der Spanier das Feuer. Etwas nach achtern versetzt pflügten sie in breiter Formation zusammen mit ihrem Flaggschiff „Candia“ die Fluten. Die Meile Abstand zwischen ihnen und der „Isabella“ schrumpfte schnell auf eine halbe zusammen.

Acht Buggeschütze donnerten – hervorragend koordiniert — fast gleichzeitig los. Die Seewölfe zogen instinktiv die Köpfe ein und standen mit ausgebreiteten Armen und abgespreizten Fingern, um sich notfalls platt auf Deck zu werfen.

Hasard stand mit schmalen Augen hinter der Five-Rail. „Noch warten wir“, sagte er kaum verständlich. „Lassen wir uns nicht nervös machen, Männer. Wenn wir vielleicht auch scheitern, die Probe bestehen wir.“

Die Geschosse der Spanier waren heran und orgelten gegen die „Isabella“ an. Das Gros ging fehl, aber eine Kugel hieb in die Steuerbordrüsten der Fockwanten und richtete zu Ferris Tuckers Wut beträchtlichen Schaden an. Eine zweite knallte knapp unterhalb des Bugspriets in die Galion, so daß ein feiner Ruck durch das ganze Schiff lief.

„Satansbraten!“ tobte der Profos. „Hurensöhne von Dons! Das werdet ihr büßen!“

Von der „Yaira“ gellte ein Schrei herüber. Hasard und seine Männer fuhren herum und spähten zu dem in Backbord laufenden Schiff des Tigers. Zunächst dachten sie, eine der Kugeln habe den großen Praho erreicht und jemand verletzt oder gar getötet, aber dann stellte sich heraus, daß es Sotoro gewesen war, der diesen Schrei ausgestoßen hatte.

Wild schwang er seinen Parang.

„Hitzkopf“, sagte Hasard. „Seiner Meinung nach ist das Maß voll. Er fragt sich, wieso wir uns das gefallen lassen.“

„Leider können wir es ihm nicht erklären“, meinte Ferris Tucker. „Aber er wird auch so begreifen, wie unsere Taktik ist.“

Hasard blickte bereits wieder zum Gegner. Er hob das Spektiv vors Auge und gewahrte, wie die Galeonen sich anschickten, abzufallen, um ihnen auf diese Weise die Steuerbordbreitseiten zu präsentieren – alle fünf.

„Das wird ein eindrucksvolles Manöver“, befand Ben Brighton, der ebenfalls durchs Fernrohr beobachtete. „Übrigens hat der Viermaster meiner Ansicht nach vierundvierzig Geschütze, die Bug- und Heckkanonen mitgerechnet.“

„Ja“, entgegnete Hasard. „Ich versuche, die Männer auf seinem Achterdeck zu erkennen, aber es gelingt mir noch nicht. Dieser fanatische Bursche, der dort das Kommando führt – wer ist das bloß?“

„Weiß der Henker, wie sein Name lautet und welche Hure ihn gezeugt hat“, brummte Shane. „Bitte um Erlaubnis, in den Großmars aufentern und anfangen zu können, Hasard – Sir.“

Hasard grinste. Er sah verwegen aus mit seinem sonnengegerbten Gesicht und der Narbe, die von der Stirn über seine Wange lief, mit dem Verband der rechten Schulter, der unter dem Hemd hervorschaute, aber es war mit einemmal auch etwas beinahe Lausbübisches in seinen Zügen.

„Ab mit dir“, sagte er. „Und Batuti soll ’rauf in den Vormars. Ben, wir fallen ab und gehen platt vor den Wind.“

„Ed, Pete!“ rief Brighton dem Profos und dem Rudergänger zu. „Abfallen und vor den Wind!“

„Aye, aye!“ schallte es zurück, und Pete Ballie legte mit seinen schwieligen Pranken Hartruder, während Carberry „Schrickt weg die verdammten Schoten, ihr elenden Rübenschweine!“ schrie und die Rahen der Galeone herumschwangen.

Schnell vollzog die „Isabella“ das Manöver, geradezu unheimlich schnell und mit überragender Präzision. Obwohl sie später angesetzt hatte als die spanischen Kriegsschiffe, war sie um Sekunden eher auf dem neuen Kurs und beschleunigte ihre Geschwindigkeit vor dem Wind segelnd von zwei auf vier, schließlich auf über fünf Knoten.

Rund zweieinhalb Kabellängen trennten die feindlichen Parteien.

Hasard kannte die Vorzüge seines Schiffes, die zum Teil in einer überaus fortschrittlichen Bauweise begründet lagen – nicht umsonst hatten er und seine Crew sich an Englands besten Schiffsbauer gewandt, als sie den großen Dreimaster käuflich erstanden hatten. Die flache, schlüpfrige Konstruktion des Rumpfes, die niedrigen Kastelle und die überhohen Masten mit der großen Segelfläche verliehen der „Isabella“ den berechtigten Ruf eines der schnellsten und wendigsten Rahschiffe seiner Zeit.

Und noch etwas sollte jetzt zum Tragen kommen: die ungewöhnlich langen Rohre der 17-Pfünder-Culverinen, mit denen die Seewölfe ein Ziel auf fast eine Seemeile genau treffen konnten. Acht Geschütze waren es an Steuerbord der Kuhl, ebenso viele an Backbord.

Hasard fackelte nicht lange, er nutzte den zeitlichen Vorteil aus.

„Klar bei Lunten!“ rief er. „Feuer!“

„Feuer!“ brüllte auch Carberry auf der Kuhl. Sein Organ war die natürliche Verstärkung der Stimme Hasards, die die Männer nicht nur zusammenstauchte, sondern sie in Situationen wie dieser auch anspornte.

Knisternd fraß sich das Luntenfeuer durch die Zündkanäle in den Bodenstücken der Backbordkanonen. Rasend fuhr die Glut in das trockene Zündkraut, wie ein einziger Donnerschlag erfolgten die Explosionen, und heiß stoben die Kugeln aus den acht Rohrmündungen.

Wie gebannt blickten die Geschützführer zum Feind hinüber, während die Culverinen in ihrem vehementen Rückstoß von den Brooktauen aufgehalten wurden.

Drüben bei den Spaniern krachte und splitterte es plötzlich – und die Männer der „Isabella“ pfiffen und johlten vor Begeisterung. Bob Grey warf seine Mütze hoch und fing sie wieder auf, ehe er wie die anderen in die Hände spuckte und daranging, die Geschütze in Ladestellung zu hieven.

Zwei Schiffe der Spanier waren getroffen worden – nicht die „Candia“ allerdings, an deren Bugpartie eine der 17-Pfünder-Kugeln haarscharf vorbeigefegt war. Die inzwischen vor dem Flaggschiff segelnden zwei Dreimast-Galeonen jedoch, denen der neue Kurs die führende Position im Verband verliehen hatte, hatten die restliche Breitseite, sieben Kugeln, in ihre Bordwände erhalten.

Da wirbelten Balken, Trümmer, Menschen, da klafften Lecks über der Wasserlinie. Auf Hasards Geheiß hin war die erste Breitseite der „Isabella“ hoch angesetzt worden. Er wollte mit eisernem Besen auf den Decks des Gegners kehren, Verwirrung und Panik stiften, um den Zusammenhalt des Verbandes zu zerrütten. Der Seewolf hatte immer noch nicht erkunden können, mit wem er es bei dem Flaggschiffkommandanten zu tun hatte. Aber ob er den Mann möglicherweise kannte oder nicht, interessierte ihn auch nur am Rande. Fest stand, daß er, Hasard, genauso unnachgiebig und draufgängerisch kämpfen würde wie der Gegner, der von Anfang an keinerlei Fairneß gezeigt, sondern die Partie mit einem Hieb ins Gesicht eröffnet hatte.

Die „Yaira“ hatte ins Kielwasser der „Isabella“ gedreht, Sotoro ließ nun gleichfalls das Feuer eröffnen.

Die anderen zwei- und einmastigen Prahos der Malaien glitten heran und beteiligten sich an dem Gefecht, als die spanischen Kriegssegler ihre vollen Steuerbordbreitseiten in Richtung auf die dschungelbedeckten Hänge Rempangs zündeten.

Zu diesem Zeitpunkt hatte die „Isabella“ noch mehr an Fahrt gewonnen. Sie überholte den in Kiellinie segelnden Feindverband und schickte sich an, nach Backbord anzuluven.

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