Читать книгу: «IRONCUTTER – Die Geheimnisse der Toten», страница 7

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Kapitel 9

Mick fand etwas Klebeband und ich klebte mit ein paar Streifen davon das Schimpfwort ab. Die anderen drei sahen mir stumm dabei zu. Als ich damit fertig war, richtete ich mich wieder auf, streckte den Rücken und spürte, wie sich ein paar meiner Rückenwirbel knackend wieder einrenkten. Es hatte Zeiten gegeben, als ich noch ohne Probleme wieder aus der Hüfte gekommen war.

»Es ist nur vorübergehend, aber fürs Erste sollte es reichen«, sagte ich. Anna nickte, sagte aber nichts weiter dazu.

Jim räusperte sich. »Ich habe gerade mit dem Chef der OPA gesprochen. Er bittet Ms. Davies darum, in sein Büro zu kommen und eine Aussage zu machen.«

Anna sah mich fragend an. »Was soll ich tun?«

»Wenn Sie meinen Ratschlag hören wollen, dann empfehle ich Ihnen, sich an der Untersuchung zu beteiligen und sich mit den Detectives der OPA zu treffen.«

»Begleiten Sie mich?«

Ich schüttelte den Kopf. »Rhoda ist momentan ziemlich durcheinander. Ich habe ihr versprochen, sofort bei ihr vorbeizufahren.« Sie nickte wieder. »Alles wird gut«, schob ich noch hinterher, um sie ein wenig aufzumuntern.

»Wenn Sie mögen, können Sie mit mir zu OPA fahren«, bot Jim ihr an.

Wieder suchte Anna bei mir nach einer Rückversicherung. Ich nickte leicht. Geräuschvoll sog sie die Luft ein. »Okay, dann folge ich Ihnen mit meinem Wagen.« Jetzt sah sie wieder zu mir. »Ich rufe Sie an, wenn ich fertig bin, okay?«

»Klar«, antwortete ich und sah ihr hinterher, wie sie zu ihrem Wagen lief.

Jim räusperte sich erneut. So langsam begann es zu nerven. »Hey, hör mal, ich wollte da vorhin nichts andeuten, als ich über häusliche Gewalt gesprochen habe.«

»Kein Problem«, versicherte ich ihm und musterte ihn aufmerksam. Seit unserem ersten Aufeinandertreffen war er sichtlich gealtert. Sein Haarschopf war mittlerweile komplett ergraut und er sah abgespannt aus. Wir waren einmal Freunde gewesen. Gute Freunde.

»Wie ist es dir so ergangen, Thomas? Arbeitest du immer noch als Privatdetektiv?«

»Ja, das tue ich. Das Leben war soweit ganz anständig zu mir. Kann mich nicht beklagen. Wie geht es dir?«

»Ach, ich kann mich auch nicht beschweren, denke ich. Vor anderthalb Jahren hatte ich Kehlkopfkrebs. Dachte schon fast, dass ich es nicht mehr lange machen würde, aber die Ärzte waren in der Lage, ihn zu behandeln. Die Kinder sind mittlerweile alle erwachsen – der Jüngste ist letzten Monat achtzehn geworden. Du würdest sie nicht wiedererkennen.«

Ich nickte. Wir waren zusammen Streife gefahren, hatten uns aber aus den Augen verloren, als man mich zur Mordkommission versetzt hatte. Wahrscheinlich hätten wir uns mehrere Stunden über die alten Zeiten unterhalten können, doch im Moment fiel mir irgendwie so gar nichts ein, was ich sagen könnte. Die Nähe zu jemandem, der früher einmal ein enger Freund gewesen war, fühlte sich seltsam an.

Ich entschloss mich deshalb, das unangenehme Schweigen zu unterbrechen. »Schätze mal, du bringst sie jetzt besser zur OPA. Ich habe eine Klientin, die gerade durchdreht, also sollte ich besser mal nach ihr sehen.«

Er nickte, vielleicht lag eine gewisse Traurigkeit in der Geste, keine Ahnung.

Ich wies mit dem Daumen über die Schulter hinter mich. »Normalerweise hänge ich viel hier rum. Wenn du mal wieder in der Gegend bist, dann schau doch mal rein. Dann können wir uns bei einem Bier ein wenig unterhalten.«

»Ja, das würde mir gefallen. Wir werden schließlich alle nicht jünger, nicht wahr?« Damit trottete er zu seinem Wagen zurück und fuhr davon. Anna folgte ihm pflichtschuldig.

In Rhodas Auffahrt stand ein dunkelblauer Ford Crown Victoria mit stark getönten Scheiben. Ich parkte meinen Truck direkt daneben und stieg aus. Ein Mann und eine Frau mit Schutzwesten, auf denen groß die Buchstaben FBI prangten, empfingen mich bereits auf dem Weg zur Hintertür.

Die Agentin war überaus attraktiv, hatte einen blonden Pferdeschwanz und nussbraune Augen. Der männliche Agent war ebenfalls durchaus als gut aussehend zu bezeichnen. Ein scharfer Blick, kurz geschorene Haare, glattrasiert. Auch er hatte braune Augen. Beide trugen kakifarbene Hosen, schwarze Polo-Shirts und bequeme Schuhe. Zusammen sahen sie aus wie Barbie und Ken. Die Frau sprach mich als Erste an.

»Ich bin Special Agent Ridgeway, und das ist Special Agent Jeffreys. Ms. Gwinnette hat uns erklärt, dass Sie ein Police Detective sind. Ist das korrekt?«, fragte sie mich rundheraus und mit strengem Blick.

Ich schüttelte den Kopf. »Ich war Detective bei der Metro Nashville Police, arbeite mittlerweile aber als privater Ermittler.«

Sie nickte verstehend.

»Darf ich fragen, wieso Ms. Gwinnette vom FBI verhört wird?«

Der Mann, Special Agent Jeffreys, beantwortete meine Frage. »Ich fürchte, die Untersuchung ist geheim.«

Ich wollte schon etwas darauf erwidern, doch Special Agent Ridgeway kam mir zuvor. »Mark, sie wird ihm die Kopie des Durchsuchungsbefehls sowieso sofort zeigen, wenn wir zur Tür hinaus sind. Von daher können wir es ihm auch gleich sagen.« Er legte die Stirn in Falten, widersprach ihr aber nicht.

Sie sah mich wieder an. »Wir stellen Ermittlungen über das Fuhrunternehmen an, für das der verstorbene Mister Gwinnette gearbeitet hat. Wir suchen nach gewissen Dokumenten. Mrs. Gwinnette wird derzeit aber nicht einer Straftat verdächtigt.«

»Oh, was für Dokumente wären das denn?«, fragte ich neugierig.

Sie lächelte mich höflich an. Ich war mir nicht sicher, wie ehrlich es gemeint war, aber so oder so war es ein hübsches Lächeln. »In diesem Punkt muss ich meinem Kollegen leider zustimmen. Die Einzelheiten dieser Dokumente sind vertraulich. Nehmen Sie es nicht persönlich, aber wir wollen nur ungern den korrekten Ablauf der Ermittlungen aufs Spiel setzen. Als ehemaliger Detective verstehen Sie das doch sicher.« Sie war sehr diplomatisch und offensichtlich nicht dumm. Ihr Kollege bedachte mich mit einem kurzen, arroganten Lächeln.

Ich lächelte zurück. »Ich verstehe. Darf ich dann vielleicht fragen, ob Sie beide dabei auch Lesters Tod untersuchen?«

Special Agent Jeffreys runzelte erneut die Stirn. »Sie meinen, ob wir seinen Selbstmord untersuchen? Natürlich nicht«, sagte er in einem Tonfall, der einem zu verstehen gab, dass es unter der Würde des FBI war, in einem Selbstmord zu ermitteln. Oder aber, und noch viel wichtiger, unter seiner persönlichen Würde.

Ich nickte. »Ich verstehe. Darf ich dann jetzt mit Rhoda sprechen? Sie hörte sich am Telefon recht aufgelöst an.«

»Sicher, wir sind hier fertig«, sagte sie. »Wir wollten gerade los.«

»Nun, dann bin ich froh, dass ich noch rechtzeitig hier war. War mir ein Vergnügen, Sie kennengelernt zu haben. Lassen Sie uns doch schnell noch unsere Visitenkarten austauschen, wenn Sie nichts dagegen haben.« Um nicht unhöflich zu wirken, ließen sie sich darauf ein, obwohl ich mir sicher war, dass sie meine Karte allerhöchstens als Lesezeichen oder um sich etwas Tofu aus ihren im Dunkeln leuchtenden Zähnen zu pulen missbrauchen würden. Ich warf einen Blick auf beide Karten und stellte fest, dass sie von einem Büro in Nashville aus operierten.

Auf dem Weg zu ihrem Wagen blieb Special Agent Jeffreys noch einmal stehen und drehte sich um. »Sie sagten Tod … als Sie über Lester Gwinnette sprachen, sagten Sie Tod, nicht Selbstmord«, stellte er fest.

Ich nickte und tippte mir mit dem Zeigefinger gegen die Schläfe. »Hier drin geistern noch ein paar Fragen herum, auf die ich eine Antwort haben will, bevor ich es guten Gewissens einen Selbstmord nennen kann.« Er dachte kurz über meine Worte nach, behielt seine Meinung darüber aber für sich. Special Agent Ridgeway lächelte höflich aber knapp, bevor die beiden sich auf den Weg machten.

Rhoda hatte unsere Unterhaltung durch die Fliegengittertür hindurch beobachtet. Sie hielt mir sofort die Kopie des Durchsuchungsbefehls hin. Die allgegenwärtige Zigarette hing ihr dabei im Mundwinkel. Ich las das Schriftstück aufmerksam durch. Ein Verzeichnis der Gegenstände, die konfisziert worden waren, fehlte allerdings.

Fragend sah ich Rhoda an. »Was haben sie denn alles mitgenommen?«

»Überhaupt nichts.« Rhoda schüttelte den Kopf. »Sie haben das gesamte Haus durchsucht, mir ein paar Fragen gestellt, einige Fotos gemacht, aber das war auch schon alles. Ich habe ihnen Kaffee angeboten, aber den haben sie abgelehnt.«

»Tja, das war äußerst dumm von ihnen. Die wissen ja nicht, was sie da verpasst haben.« Zum ersten Mal sah ich Rhoda tatsächlich lächeln. »Wieso machen Sie uns beiden nicht eine Tasse und erzählen mir, welche Fragen man Ihnen genau gestellt hat?«

Rhoda goss uns eifrig zwei Tassen ihres brackigen Gebräus ein, dann setzte sie sich und zündete sich eine weitere Zigarette an. Zumindest was das anging, war sie ein Gewohnheitstier. Sie sog den Rauch tief ein und blies ihn dann in Richtung Decke, bevor sie mit ihrer Erzählung begann.

»Sie haben mich gefragt, wo Lester seinen Papierkram aufbewahrt hat. Ich zeigte ihnen daraufhin seinen Aktenschrank. Darin befinden sich aber nur die üblichen Dinge – ein paar Quittungen, Versicherungspapiere und unsere Steuerbelege. Sie haben Fotos davon gemacht, dann aber alles wieder zurück an seinen Platz gelegt.« Wieder zog sie an ihrer Zigarette.

»Anschließend haben sie nach unseren Bankkonten gefragt und sich die Kontonummern aufgeschrieben. Wir besitzen aber nur ein Girokonto und ein Sparbuch. Oh, und sie wollten wissen, ob mich kürzlich jemand besuchen gekommen ist. Daraufhin habe ich ihnen von Ihnen und Ihrer Freundin erzählt.«

»Kam in den letzten Monaten noch irgendjemand anderes vorbei, Rhoda?«, fragte ich sie. Sie schüttelte den Kopf. Es war offensichtlich, dass Rhoda und Lester nicht viele Freunde besaßen. Nun war sie wirklich ganz allein.

»Eine letzte Frage noch, Rhoda: Wo befinden sich Lesters Fahrtenbücher?«

»Die für seine Transportfahrten?« Ich nickte. »Die bewahrte er die meiste Zeit im Schuppen auf. Er führte sie immer in zweifacher Ausfertigung. Ich fragte ihn einmal, wieso er das tat, und er meinte, das würden alle Lasterfahrer so handhaben.«

Ich hielt bewusst mein Pokerface aufrecht. »Wissen Sie, ob sie noch da sind?«

Sie zuckte unsicher mit den Achseln.

»Waren die Agenten auch dort draußen?«, fragte ich.

»Ich sah, wie einer seinen Kopf hineinsteckte, aber es muss ihm wohl zu dreckig gewesen sein, um hineinzugehen.« Sie beugte sich vor. »Lester hätte ihn bestimmt einen Schönling genannt.« Ich lächelte und musste ihm im Stillen beipflichten.

Ich zwang mich, meinen Kaffee auszutrinken, und legte noch einen Zwischenstopp an dem Schuppen ein, um einen Blick auf meinen Buick zu werfen. Nun, da ich neugierig geworden war, sah ich mich etwas genauer in dem Schuppen um, fand aber keine Spur von den Fahrtenbüchern. Nach einem letzten langen Blick auf den Buick wollte ich mich schon zum Gehen wenden, blieb aber dann urplötzlich stehen.

Einer Eingebung folgend, öffnete ich den Kofferraum, und siehe da, da waren sie, eingewickelt in ein Stück Abdeckplane und unter das Reserverad gestopft. Ich spähte kurz aus dem Schuppen hinaus, ob mich jemand beobachtete, schnappte mir die Bücher und nahm sie mit.

Wieder auf der Straße rief ich sofort Ronald an. »Wie ist der Krieg gelaufen?«, begrüßte ich ihn.

»Oh Mann, das war der Wahnsinn. Ich war der FC einer Zweihundert-Mann-Flotte. Wir hatten genau die richtige Anzahl an DPS, ECM und Logis dabei. Mein Späher aktivierte dann ein Cyno tief im feindlichen Gebiet und …«

»Ronald«, unterbrach ich ihn, »ich habe keine Ahnung, wovon du da gerade redest.«

»Oh, sorry. Ich verzettele mich da gern mal. Also, wie geht es dir? Wer war das atemberaubende Mädchen bei dir?«

»Das ist Anna, und wenn du schön brav bist, stelle ich dich ihr irgendwann vor.« Er kicherte nervös.

»Wo steckst du gerade? Laut GPS von deinem Telefon bist du in Rockvale.«

Ich seufzte. Dieser kleine Scheißer hatte über seine Computer auch Zugang zu meinem iPhone und wusste deshalb immer ganz genau, wo ich mich befand. Er hatte es eingerichtet, ohne mich um Erlaubnis zu fragen. Als ich dahintergekommen war, war ich ein wenig verärgert gewesen, aber dann hatte ich mir gesagt, dass Ronald harmlos war. Außerdem würde er so meine Leiche finden, falls mich eines Tages mal jemand entführen und umbringen würde … oder zumindest mein Telefon.

»Ich komme gerade von Rhodas Haus. Das FBI war mit einem Durchsuchungsbefehl bei ihr«, erklärte ich ihm.

»Oh wow, wonach haben die denn gesucht?«

»Ich bin mir nicht ganz sicher. Laut richterlicher Anordnung bezog sich die Durchsuchung auf eine laufende Ermittlung bei der Robard Trucking Company. Der Wortlaut war recht vage, wahrscheinlich absichtlich. Im Prinzip heißt es darin nur, dass man nach Dokumentationen, Aufzeichnungen und Fahrtberichten im Zusammenhang mit seiner Anstellung bei der Firma gesucht hat. Bei den Fahrtberichten handelt es sich wohl um eine subtile Umschreibung von Lesters Fahrtenbüchern.«

»Okay, und was wirst du jetzt tun?«

»Ich werde versuchen herauszufinden, weshalb das FBI in der ganzen Sache drinsteckt, und werde mir seine Fahrtenbücher mal genauer ansehen. Würdest du in der Zwischenzeit ein wenig bei seiner Bank in Detroit herumschnüffeln?«

»Sicher, aber das könnte ein oder zwei Tage dauern. Meine Allianz ist nämlich gerade in einen heftigen Krieg verwickelt.«

Ich biss mir auf die Zunge. Ronald verlor sich hin und wieder ganz und gar in den Fantasiewelten seiner Computerspiele. Außerdem war er, was seine sozialen Kompetenzen anbelangte, viel zu unbeholfen, um sich mit anderen Menschen irgendwo anders als im Cyberspace treffen zu können. In der Vergangenheit hatte ich versucht, ihn hin und wieder dazu zu bewegen, mehr unter Leute zu gehen, aber das war ein absolut nutzloses Unterfangen gewesen.

»Okay, Kumpel, wie du Zeit hast«, sagte ich und legte auf. Mein nächster Anruf galt einer Nummer, die mir mittlerweile nicht mehr unbekannt war.

»Hallo, hier spricht Thomas Ironcutter. Ich wollte mich ja wieder bei Ihnen melden.« Es war die ältere Dame, die wegen meiner Gage ein Riesenfass aufgemacht hatte.

»Hallo, hier spricht Esther Braxton«, antwortete sie in einem Tonfall, dem anzuhören war, dass es ihr unangenehm war, sich selbst zu erkennen zu geben. »Wir hatten bereits eine kurze Unterredung, etwas zu kurz für meinen Geschmack.«

»Ja, Ma’am. Ich erinnere mich. Bevor wir dieses Gespräch weiterführen, habe ich allerdings zwei Fragen an Sie.«

Sie atmete geräuschvoll aus, was zweifellos verdeutlichen sollte, dass sie weder die Zeit noch die Geduld für triviale Fragen hatte. »Was sind das denn für Fragen, Mr. Ironcutter?«

»Zuerst einmal … meine Gage ist nicht verhandelbar, deshalb lautet meine erste Frage: Können Sie sich mich leisten? Bevor Sie antworten, möchte ich Sie noch einmal darauf hinweisen, dass ich meine Zeit nicht mit Fällen ehelicher Untreue oder dergleichen verschwende. Ich vermute nämlich, dass dies genau der Grund ist, weshalb sie mich engagieren wollen. Weshalb meine zweite Frage lautet: Glauben Sie, Sie können mich überreden, meine Grundsätze diesbezüglich zu ändern?«

»Sie wurden mir von jemandem empfohlen, der Ihnen vertraut. Ich werde den Namen dieser Person nicht preisgeben, aber sie hat offenbar eine sehr hohe Meinung von Ihnen. Man sagte mir, Sie seien überaus kompetent und würden mit einem Höchstmaß an Diskretion zu Werke gehen. Nun, um Ihre erste Frage zu beantworten … ich kann Sie mir sehr wohl leisten, auch wenn ich Ihre Gage für geradezu unverschämt hoch halte. Die Beantwortung Ihrer zweiten Frage gestaltet sich etwas komplizierter. Ich würde diesen Punkt lieber mit Ihnen persönlich besprechen.« Sie wartete auf meine Antwort. Demnach war es also tatsächlich ein Seitensprung. Ich holte Luft, um etwas zu entgegnen, doch dann fuhr sie fort: »Ich bin bereit, Ihnen hundert Dollar dafür zu bezahlen, dass Sie sich mit mir treffen und meine … Situation mit mir besprechen. Aber nur in bar. Ich pflege nämlich sämtliche meiner Transaktionen bar abzuwickeln.« Ich nahm unwillkürlich Haltung an. Nur Bares ist Wahres, das war schon immer meine Devise gewesen. »Sehr gut«, sagte ich. »Es ist schon spät. Vielleicht können wir uns gleich morgen früh treffen? Haben Sie einen speziellen Ort dafür im Sinn?«

»Könnten wir uns vielleicht am Belle-Meade-Eingang des Percy-Wagner-Parks treffen? Oben auf dem Hügel gibt es einen Picknicktisch, von dem aus man einen wundervollen Blick über diesen hübschen Golfplatz hat. Wie wäre es dort, morgen Vormittag, um zehn Uhr?«

»Ich würde sagen, wir haben eine Verabredung. Sie erkennen mich an meinem Auto, ein ziemlich elegantes schwarzes Cadillac Cabriolet aus dem Jahre 1961. Das großartigste Gefährt in ganz Nashville. Oh, und möglicherweise ist eine meiner Angestellten bei dem Gespräch dabei.«

»Wie Sie wünschen, Mr. Ironcutter. Alles, worum ich Sie bitte, ist Diskretion. Diskretion ist hierbei unerlässlich.« Sie legte auf. Den Rest meiner Nachrichten ignorierte ich erst einmal und ließ mich auf der Heimfahrt nur von meinen eigenen Gedanken in Beschlag nehmen.

Kapitel 10

Anna wartete bereits auf mich, als ich die Auffahrt hinauffuhr. Sie saß mit untergeschlagenen Beinen in einem der Schaukelstühle und Henry leistete ihr Gesellschaft. Davon war ich gleichermaßen erfreut wie unangenehm berührt. Ich parkte meinen Truck, lief zur Veranda hinauf und ließ mich kurz darauf in einen der anderen Stühle fallen. Ihre Augen waren vom Weinen ganz rot und geschwollen.

»Ich mag diese Stühle. Sie wirken als wären sie direkt für einen angefertigt worden. Sind die von IKEA?«

Ich schnaubte verächtlich. »Ich habe sie von einem Amish-Handwerker gekauft. Die sind handgemacht und für die Ewigkeit gebaut.«

»Ja, das sind sie wohl«, erwiderte sie.

»Wie lief es denn?«, fragte ich vorsichtig.

»Es war furchtbar. Sie haben mich über alles ausgefragt. Ich meine, wir waren nur ganz kurz zusammen, aber sie wollten alles Mögliche wissen. Ich sollte ihnen jede Art von illegaler Aktivität beschreiben, in die wir je verwickelt gewesen waren. Sie wollten wissen, ob noch jemand in unsere Beziehung involviert war, ob die Möglichkeit besteht, dass ich schwanger bin … einfach alles. Es war sehr unangenehm und sogar unanständig, um ehrlich zu sein. Anschließend haben sie mich gefragt, ob es einen sicheren Ort gäbe, an dem ich mich aufhalten könne, und da musste ich sofort an Sie denken. Ich hoffe, es macht Ihnen nichts aus.« Ich zuckte mit den Achseln und verspürte den Wunsch nach einem Drink.

»Wie auch immer. Zwei Detectives begleiteten mich daraufhin in die Stadt, um dort einen Haftbefehl und eine Schutzanordnung ausstellen zu lassen, und dann fuhren wir in mein Appartement, damit ich meine Sachen zusammenpacken konnte … natürlich war er gerade dort.«

»Was ist passiert?« Eigentlich kannte ich die Antwort bereits, aber ich fragte trotzdem nach.

»Sie legten ihm Handschellen an und führten ihn ab.« Sie versuchte, sich eine Zigarette anzuzünden, doch ihre Hände zitterten dafür zu sehr. Ich zog mein Feuerzeug hervor und half ihr. Sie nahm dankbar einen tiefen Zug.

»Sie sagten, sie würden mich anrufen, falls ich vor Gericht erscheinen müsse«, sagte sie schluchzend. Dann rauchte sie minutenlang, bevor sie weitersprach.

»Die ganze Sache mit ihm ist einfach so passiert, Thomas. Eines Tages tauchte er im Klub auf und wir lernten uns kennen. Ich dachte, er wäre ganz süß. Wir redeten, ich gab ihm meine Telefonnummer und wir gingen zusammen aus. Es war nichts Ernstes … zumindest nicht für mich. Ich meine, ich mochte ihn, aber es war nichts Ernstes.« Sie beendete ihre erste Zigarette, und als sie feststellte, dass sich ihr Zittern davon etwas beruhigt hatte, zündete sie sich direkt eine weitere an.

»Also, an jenem Abend war ich mit meinen Freundinnen aus, und wir sprachen darüber, einen Ausflug zu machen. Wir gingen ins Netz und buchten uns kurzerhand Flugtickets und ein Zimmer in Vegas. Das war so eine ganz spontane Idee, wissen Sie? Als ich zurückkam, wartete er in meinem Appartement auf mich. Er besaß gar keinen Schlüssel, also kann ich nicht sagen, wie er hereingekommen ist. Er flippte total aus und beschuldigte mich, ich sei ihm untreu gewesen. Ich hatte daraufhin nur gesagt: Ist das dein Ernst, Kumpel? Haben Sie vielleicht ihren Flachmann dabei?«

»Ich dachte, Sie mögen keinen Scotch?«, sagte ich, während ich in meine Jackentasche griff und ihr die Flasche reichte. Sie nahm einen kleinen Schluck daraus und verzog das Gesicht.

»Jedenfalls haben wir uns gestritten, und schließlich habe ich ihm gesagt, dass er sich verpissen solle. Das schien ihm überhaupt nicht zu gefallen. Tja, und hier bin ich nun.« Sie sah mich mit einem Blick an, in dem nicht wenig Angst zu lesen war. »Als sie ihn abgeführt haben, hat er sich noch einmal zu mir umgedreht und mir gedroht, mich umzubringen. Diese beiden Detectives standen direkt neben ihm und es schien sie überhaupt nicht zu stören, und um dem Ganzen noch eines draufzusetzen, kam eine meiner Mitbewohnerinnen nach Hause, als ich gerade meine Klamotten zusammenpackte, und erzählte mir, dass er mit einer anderen Mitbewohnerin geschlafen hatte, während ich in Vegas war.«

Ich hörte ihr schweigend zu. Zuhören war meine große Stärke. Sie nahm noch einen Schluck, dieses Mal einen großen, hustete und gab mir die Flasche zurück. Ich hatte meinen kleinen schweigsamen Freund schon den ganzen Tag über schmählich vernachlässigt und nahm deshalb selbst einen großen Schluck.

»Ich war Ihnen gegenüber sehr unfair, Thomas. Ich habe mich letzte Nacht praktisch selbst eingeladen und Sie auf diese Weise in meine blöden Probleme hineingezogen. Ich möchte, dass Sie wissen, dass es mir sehr leidtut.«

»Ist schon okay«, sagte ich.

»Ich habe beschlossen, ganz aus meinem Appartement auszuziehen, und ich denke, ich höre auch mit dem Strippen auf. Ich meine, es ist zwar leicht verdientes Geld, aber der Hauptgrund, warum ich diesen Job damals angenommen habe, war, etwas über meine Schwester herausfinden, und das hat überhaupt nicht funktioniert. Ich dachte schon die ganze Zeit daran, aber das, was jetzt passiert ist, hat das Fass zum Überlaufen gebracht. Wenn Sie so freundlich wären, mich heute noch einmal hier übernachten zu lassen, verspreche ich Ihnen auch, dass ich mir morgen eine neue Bleibe suchen werde und Sie mich los sind.«

Wahrscheinlich war mir der großzügige Schluck Scotch auf leeren Magen zu Kopf gestiegen, aber ich fällte eine spontane Entscheidung. »Machen Sie sich nicht lächerlich. Das zweite Schlafzimmer steht sowieso leer. Wenn Sie möchten, können Sie bei mir einziehen.«

Sie sah mich überrascht an, so als würde ich mir einen schlechten Scherz erlauben. »Meinen Sie das ernst?«

»Natürlich meine ich das ernst. Aber es gibt Regeln«, sagte ich.

»Okay.« Schnell nahm sie noch einen kleinen Schluck aus meinem Flachmann. »Was für Regeln wären das denn?«

Ich grunzte. »Keine Ahnung, aber es gibt welche, und ich erwarte, dass Sie sie befolgen.« Anna kicherte. Ich musste ebenfalls lachen. Manchmal konnte ich ein echter Blödmann sein. »Wie viel haben Sie denn zusammenpacken können?«, fragte ich.

»Das meiste meiner Klamotten und meiner Frauensachen. Ein paar Möbel und meinen Fernseher musste ich leider dalassen, weil mein Auto nicht groß genug ist, um alles auf einmal hineinzubekommen.«

»Kein Problem. Wir holen den Rest morgen zusammen ab und bringen dann alles hier her.«

»Das wäre wundervoll.«

»Wir kümmern uns am Nachmittag darum, vorher muss ich mich noch mit einer potenziellen neuen Klientin treffen. Mein Gefühl sagt mir, dass sie bereit ist, Geld auszugeben, also werde ich mir anhören, was sie zu sagen hat. Sie können mich gern begleiten, aber dafür müssten Sie sich etwas züchtiger anziehen. Haben Sie so etwas?«

»Züchtige Kleidung?«, fragte sie lachend. »Ja, ich denke, das kriege ich hin.«

»Ausgezeichnet. Dann ist es beschlossene Sache: Sie sind nun offiziell meine Mitbewohnerin und Assistentin.«

»Moment mal, bin ich nicht Ihre Partnerin?«, fragte sie. Ich leerte meinen Flachmann, bevor ich ihr darauf antwortete und kicherte.

»Sie müssen sich zuerst als kompetente Privatermittlerin bewähren, bevor ich Sie zur Partnerin befördern kann.«

Anna quiekte vor Begeisterung, sprang auf und umarmte mich fest. »Machen Sie sich keine Sorgen. Ich lerne schnell«, rief sie. »Wir beide sind in Nullkommanichts Partner.«

Ich entgegnete irgendetwas, aber ich hatte keinen blassen Dunst mehr, was es war. Alles, worauf ich mich konzentrieren konnte, waren ihre Brüste, die sich gegen meinen Körper drückten.

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286,32 ₽
Возрастное ограничение:
18+
Дата выхода на Литрес:
09 ноября 2020
Объем:
530 стр.
ISBN:
9783958353633
Переводчик:
Издатель:
Правообладатель:
Bookwire
Формат скачивания:
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