Читать книгу: «Achtsames Selbstmitgefühl unterrichten», страница 4

Шрифт:

Die Elemente des Selbstmitgefühls

Selbstmitgefühl hat die gleiche Qualität wie Mitgefühl für andere – mit dem einzigen Unterschied, dass es nach innen gerichtet ist. Es geht um das klare Erkennen unseres eigenen Leidens, um eine fürsorgliche Antwort auf unser Leiden, die den Wunsch zu helfen sowie die Erkenntnis einschließt, dass Leiden Teil der gemeinsamen Erfahrung des Menschseins ist (Neff, 2003b). Die Elemente des Selbstmitgefühls unterscheiden sich, je nachdem, wie Individuen emotional auf Leiden antworten (mit Freundlichkeit anstatt mit Urteilen), wie sie ihr Leiden kognitiv einordnen (als Teil des menschlichen Daseins oder als isolierend) und Schmerz wahrnehmen (auf achtsame Weise anstatt übermäßig identifiziert; Neff, 2016b). Beachten Sie, dass wir den Begriff »Leiden« umfassend verwenden, um jeden Moment des Schmerzes oder Unbehagens, sei er groß oder geringfügig, zu bezeichnen. Selbstmitgefühl ist sowohl im Hinblick auf persönliche Unzulänglichkeiten, Fehler und Misserfolge relevant als auch in der Konfrontation mit schmerzlichen Lebenssituationen, die unserer Kontrolle entzogen sind (Germer, 2009).

Freundlichkeit gegenüber sich selbst versus Selbstverurteilung

Die meisten von uns versuchen, freundlich und rücksichtsvoll gegenüber Freunden und Angehörigen zu sein, wenn diese einen Fehler machen, sich unzulänglich fühlen oder ein Unglück erleben. Wir bieten vielleicht Unterstützung an und äußern Verständnis, um sie wissen zu lassen, dass wir Anteil nehmen – auch eine körperliche Geste der Zuneigung wie eine Umarmung kommt in Betracht. Wir fragen sie vielleicht: »Was brauchst du jetzt, in diesem Moment?« Und wir überlegen, was wir tun können, um zu helfen.

Seltsamerweise behandeln wir uns selbst oft ganz anders. Wir sagen uns harte und grausame Dinge, die wir niemals zu einer Freundin sagen würden. Tatsächlich sind wir oft härter gegen uns selbst als gegenüber Menschen, die wir nicht einmal besonders mögen. Die Freundlichkeit, die mit Selbstmitgefühl verbunden ist, beendet jedoch die ständige Selbstverurteilung und abwertenden inneren Kommentare, die die meisten von uns als normal ansehen. Unsere inneren Dialoge werden wohlwollend und ermutigend anstatt strafend oder herabwürdigend, was eine freundlichere und eher unterstützende Haltung uns selbst gegenüber widerspiegelt.

Wir beginnen unsere Schwächen und unser Versagen zu verstehen, statt sie zu verurteilen. Wir erkennen unsere Unzulänglichkeiten an, während wir uns bedingungslos als fehlerhafte und unvollkommene Menschen akzeptieren. Und vor allem erkennen wir, in welchem Maße wir uns durch unerbittliche Selbstkritik schaden, und wählen einen anderen Weg.

Zur Freundlichkeit gegenüber uns selbst gehört jedoch mehr, als die Selbstkritik zu beenden. Es geht darum, bewusst unser Herz für uns selbst zu öffnen und auf unser Leiden zu antworten, wie wir es bei einem lieben Freund in Not tun würden. Wir können uns urteilslos akzeptieren und darüber hinaus inmitten emotionaler Turbulenzen auch trösten und gut für uns sorgen. Wir wollen versuchen, uns selbst zu helfen, wollen unseren Schmerz lindern, wenn wir können. Normalerweise konzentrieren wir uns sogar bei unvermeidbaren Problemen wie einem unvorhergesehenen Unfall mehr darauf, das Problem zu lösen, als auf den fürsorglichen Umgang mit uns selbst. Wir behandeln uns mit kaltem Stoizismus anstatt mit liebevoller Fürsorge und wechseln direkt in den Problemlösungsmodus. Aber wenn wir freundlich mit uns umgehen, lernen wir, uns in schwierigen Lebensphasen zu nähren, und können uns unterstützen und ermutigen. Wir lassen uns von unserem eigenen Schmerz berühren. Wir halten inne und sagen uns: »Das ist jetzt wirklich schwierig. Wie kann ich in diesem Moment für mich selbst sorgen?« Wenn wir in irgendeiner Weise bedroht sind, versuchen wir, uns aktiv zu schützen.

Wir können nicht perfekt sein, und es wird immer Konflikte und Probleme in unserem Leben geben. Wenn wir unsere Unzulänglichkeiten leugnen oder ablehnen, vergrößern wir unser Leiden durch Stress, Frustration und Selbstkritik. Bringen wir uns aber Güte und Wohlwollen entgegen, rufen wir positive Gefühle der Liebe und Fürsorge wach, die uns helfen, mit den Schwierigkeiten umzugehen.

Erfahrung gemeinsamen Menschseins versus Isolation

Selbstmitgefühl geht eher mit einem Gefühl der Verbundenheit als mit dem Gefühl des Getrenntseins einher. Eines der größten Probleme mit harter Selbstverurteilung besteht darin, dass sie uns normalerweise das Gefühl gibt, isoliert und von anderen abgeschnitten zu sein. Wenn wir scheitern oder uns in irgendeiner Weise unzulänglich fühlen, kommen wir zu dem irrationalen Schluss: »Alle anderen sind in Ordnung. Ich bin der einzige hoffnungslose Versager.« Das ist kein logischer Denkprozess, sondern eine emotionale Reaktion, die unser Denken verengt und die Realität verzerrt. Selbst wenn in unserem Leben Dinge schiefgehen, für die wir uns nicht verantwortlich machen (leider geben wir uns an fast allem die Schuld), neigen wir dazu zu glauben, andere hätten es leichter und unsere eigene Situation sei nicht normal. Wir tun fast so, als hätten wir vor der Geburt einen Vertrag unterschrieben, mit dem zugesagt wird, dass wir perfekt sein werden und dass alles in unserem Leben stets nach Wunsch laufen wird: »Entschuldigung, da muss ein Irrtum vorliegen. Ich habe mich für das Programm ›Alles wird bis zu meinem Todestag perfekt laufen‹ angemeldet. Kann ich bitte mein Geld zurückhaben?« Es ist absurd, und doch glauben die meisten von uns, dass etwas furchtbar schiefgelaufen ist, wenn wir scheitern oder wenn das Leben eine unerwünschte Wendung nimmt. Tara Brach (2003) schreibt: »Das Gefühl, nichts wert zu sein, geht Hand in Hand mit dem Gefühl, von anderen getrennt zu sein, vom Leben getrennt zu sein. Wie können wir überhaupt dazugehören, wenn wir defekt sind?« Das erzeugt erschreckende Gefühle der Isolation und Einsamkeit, die unser Leiden enorm verschlimmern. Mit Selbstmitgefühl erkennen wir jedoch, dass Herausforderungen und persönliches Versagen zum Menschsein gehören; wir alle machen solche Erfahrungen. In Wirklichkeit sind unsere Fehler und Schwächen das, was uns zu Mitgliedern der menschlichen Spezies macht. Dieses Element der gemeinsamen menschlichen Daseinserfahrung hilft uns auch, zwischen Selbstmitgefühl und Selbstakzeptanz oder Selbstliebe zu unterscheiden. Selbstakzeptanz und Selbstliebe sind zwar wichtig, aber sie sind für sich allein unvollständig. Sie lassen einen wesentlichen Faktor aus: andere Menschen. Mitgefühl hat per Definition mit »Beziehung« zu tun. Es impliziert eine grundlegende Gegenseitigkeit in der Erfahrung des Leidens und beruht auf der Anerkennung der Tatsache, dass die menschliche Daseinserfahrung unvollkommen ist. Warum sonst würden wir sagen: »Es ist nur menschlich«, um jemanden zu trösten, der einen Fehler gemacht hat?

Selbstmitgefühl erkennt die Tatsache an, dass alle Menschen fehlbar sind, dass es unvermeidlich zum Leben gehört, »falsch abzubiegen«. (Wie sagt man so schön: »Ein gutes Gewissen weist gewöhnlich auf ein schlechtes Gedächtnis hin.«) Wenn wir in Kontakt mit unserer gemeinsamen Menschlichkeit sind, erinnern wir uns daran, dass jeder und jede von uns Gefühle der Unzulänglichkeit und Enttäuschung kennt. Der Schmerz, den ich in schwierigen Zeiten empfinde, ist der gleiche Schmerz, den du in schwierigen Zeiten empfindest. Die Auslöser, die Umstände und der Grad des Schmerzes mögen sich unterscheiden, aber der Prozess ist derselbe. Mit Selbstmitgefühl ist jeder Moment des Leidens eine Gelegenheit, sich anderen näher und verbundener zu fühlen. Es erinnert uns daran, dass wir nicht allein sind.

Achtsamkeit versus Überidentifikation

Um Mitgefühl mit uns selbst zu haben, müssen wir bereit sein, uns unserem eigenen Schmerz zuzuwenden, ihn achtsam anzuerkennen. Achtsamkeit ist eine Art ausgeglichenes Gewahrsein, das unsere Erfahrung in jedem Augenblick weder ablehnt noch meidet oder übertreibt. Wie Jon Kabat-Zinn (1994) schreibt, bedeutet Achtsamkeit, »auf eine bestimmte Art aufmerksam zu sein: bewusst, im gegenwärtigen Moment und unvoreingenommen«. In diesem empfänglichen Geisteszustand werden wir unserer negativen Gedanken und Gefühle gewahr und können einfach mit ihnen sein, so wie sie sind, ohne dagegen anzukämpfen oder sie zu leugnen. Wir erkennen, wenn wir leiden, ohne sofort zu versuchen, unsere Gefühle »in Ordnung« oder zum Verschwinden zu bringen.

Wir denken vielleicht, dass wir unseres Leidens gar nicht achtsam gewahr werden müssen. Es ist doch offensichtlich, nicht wahr? Nein, eigentlich nicht. Natürlich spüren wir den Schmerz darüber, dass wir unseren Idealen nicht gerecht werden, aber unser Geist neigt dazu, sich auf das Scheitern zu konzentrieren und nicht auf den Schmerz, den es auslöst. Das ist ein entscheidender Unterschied. Wenn unsere ­Aufmerksamkeit ­vollständig von unseren wahrgenommenen Unzulänglichkeiten in Anspruch genommen wird, können wir keine Distanz dazu herstellen. Wir identifizieren uns übermäßig mit unseren negativen Gedanken oder Gefühlen und werden von unseren aversiven Reaktionen mitgerissen. Dieses ständige Grübeln verengt unseren Blick und hat negative Konsequenzen für unsere Selbstachtung (Nolen-Hoeksema, 1991): »Ich habe nicht nur versagt, ich bin eine Versagerin. Ich bin nicht nur enttäuscht, mein Leben ist enttäuschend.« Überidentifikation bedeutet, dass wir unsere momentane Erfahrung verfestigen und vorübergehende Ereignisse als endgültig und permanent wahrnehmen.

Mit Achtsamkeit ändert sich jedoch alles. Anstatt unsere negativen Vorstellungen über uns selbst mit unserem eigentlichen Selbst zu verwechseln, können wir erkennen, dass unsere Gedanken und Gefühle eben nichts weiter sind als das: Gedanken und Gefühle. So müssen wir uns nicht länger von der »Story« über unser unzulängliches, wertloses Selbst vereinnahmen lassen. Wie ein klarer, stiller See ohne Wellen spiegelt Achtsamkeit ohne Verzerrung wider, was geschieht, sodass wir einen objektiveren Blick auf uns selbst und unser Leben bekommen können. Achtsamkeit gibt uns auch den geistigen Raum und die Gelassenheit, die wir brauchen, um Dinge anders zu sehen und zu tun. Indem wir achtsam sind, können wir weise die beste Handlungsrichtung bestimmen, um uns selbst zu helfen, wenn wir in Not sind – auch wenn das bedeutet, unsere Erfahrung einfach nur in freundlichem Gewahrsein zu halten. Es erfordert Mut, sich dem eigenen Schmerz zuzuwenden und ihn anzuerkennen, aber dieser mutige Akt ist unerlässlich, wenn sich unser Herz als Antwort auf das Leiden öffnen soll. Wir können nicht heilen, was wir nicht fühlen. Aus diesem Grund ist Achtsamkeit die Säule, auf der Selbstmitgefühl ruht. Sharon Salzberg (2011a) schreibt:

»Achtsamkeit, die uns aus der Umklammerung negativer Gefühle befreit, lässt unsere Aufmerksamkeit flexibel und umfassend werden und gibt uns Auftrieb. Das verleiht uns die Flexibilität, unsere Erfahrung aus unterschiedlichen Blickwinkeln zu betrachten, um über starre Charakterisierungen wie ›Ich bin so dumm und werde es immer bleiben‹ oder ›Du bist so ein schlechter Mensch und wirst es immer sein‹ hinausblicken zu können. Sie öffnet die Tür für liebevolle Güte und Mitgefühl.«

Während sich die Elemente des Selbstmitgefühls konzeptionell unterscheiden und nicht »im Gleichschritt« gehen, beeinflussen sie sich gegenseitig. Beispielsweise trägt die akzeptierende Haltung der Achtsamkeit dazu bei, dass wir uns weniger verurteilen, und sie schenkt uns die Einsichten, die wir brauchen, um unsere gemeinsame Erfahrung des Menschseins erkennen zu können. In ähnlicher Weise mildert Freundlichkeit gegenüber uns selbst die Auswirkungen negativer emotionaler Erfahrungen ab und macht es uns leichter, sie achtsam wahrzunehmen. Die Erkenntnis, dass Leiden und persönliches Versagen eine universale menschliche Erfahrung sind, verringert das Ausmaß der Selbstbeschuldigung und trägt auch dazu bei, den Prozess der Überidentifikation zu stoppen. So kann Selbstmitgefühl als dynamisches System betrachtet werden, das ein synergistisches Geschehen zwischen seinen verschiedenen Elementen darstellt (Neff 2016b).

In welchem Verhältnis steht Selbstmitgefühl zu Achtsamkeit?

Weil so viel über die positiven Auswirkungen von Achtsamkeit auf das Wohlbefinden geschrieben wurde (Davis und Hayes, 2011; Keng, Smoski, Robins, Ekblad und Brantley, 2012) und weil Achtsamkeit ein Kernelement des Selbstmitgefühls ist, lohnt es sich, einmal darüber nachzudenken, worin sich Achtsamkeit und Selbstmitgefühl ähneln und unterscheiden. In einem viel beachteten Artikel von Bishop und Kollegen (2004) definierte ein Team von Wissenschaftlern Achtsamkeit als die ­metakognitive Fähigkeit, die Aufmerksamkeit auf die Erfahrung des gegenwärtigen Moments zu lenken und gleichzeitig eine interessierte, urteilsfreie Einstellung gegenüber dieser Erfahrung aufrechtzuerhalten. Beides erklärt, wieso Achtsamkeit so wirksam ist. Das achtsame Wahrnehmen des gegenwärtigen Moments hält uns davon ab, uns in der Grübelei über die Vergangenheit oder in der Angst vor der Zukunft zu verlieren. Das Annehmen unserer Erfahrung hilft uns, die Frustration und den Stress zu vermeiden, die aus dem Kampf und Widerstand gegen das resultieren, was uns nicht gefällt. Anders ausgedrückt, bedeutet dies, dass wir nicht mit dem Kopf gegen die Wand der Realität schlagen und eine ohnehin schwierige Situation dadurch noch viel schlimmer machen.

Erwähnenswert ist, dass Achtsamkeit als Element von Selbstmitgefühl auf einen engeren Bereich begrenzt ist als Achtsamkeit im allgemeineren Sinn. Die Achtsamkeitskomponente des Selbstmitgefühls bezieht sich speziell auf das Gewahrsein negativer Gedanken und Gefühle. Achtsamkeit im Allgemeinen bezieht sich jedoch auf die Fähigkeit, jede Erfahrung – positiv, negativ oder neutral – mit Gleichmut wahrzunehmen. Während es möglich ist, Achtsamkeit beim Essen einer Rosine zu üben (eine Übung, die häufig beim Lehren von Achtsamkeit angewandt wird, siehe Kabat-Zinn, 1990), würde es keinen Sinn ergeben, sich für das Essen einer Rosine Mitgefühl entgegenzubringen – es sei denn, man hätte vielleicht als Kind beim Essen einer Rosine eine traumatische Erfahrung gemacht!

Selbstmitgefühl in seiner Gesamtheit ist wiederum umfassender als Achtsamkeit, wie sie von Bishop und Kollegen (2004) definiert wurde, weil es die Elemente der Freundlichkeit gegenüber sich selbst und der gemeinsamen Erfahrung des Menschseins impliziert: sich selbst aktiv beruhigen und trösten, wenn schmerzliche Erfahrungen auftauchen, und sich daran erinnern, dass solche Erfahrungen zum Menschsein gehören. Diese Qualitäten sind nicht von Natur aus Teil der Achtsamkeit, wie sie im engeren Sinne definiert wird. Freundlichkeit gegenüber sich selbst und das Gewahrsein der gemeinsamen Erfahrung des Menschseins können natürlich die achtsame Wahrnehmung schmerzhafter Erlebnisse begleiten, sodass mit der Achtsamkeit oft Selbstmitgefühl aufkommt. Die beiden tauchen jedoch nicht immer in voller Ausprägung gemeinsam auf. Es ist ja möglich, schmerzlicher Gedanken und Gefühle bis zu einem gewissen Grad gewahr zu sein, ohne sich aktiv zu beruhigen oder zu trösten oder sich daran zu erinnern, dass diese Gefühle Teil unserer gemeinsamen menschlichen Daseinserfahrung sind. Unsere Achtsamkeit steht nicht immer »in voller Blüte«. Manchmal ist ein zusätzliches bewusstes Engagement erforderlich, um mitfühlend mit unserem eigenen Leiden umzugehen, insbesondere wenn unsere schmerzlichen Gedanken und Emotionen mit Selbstverurteilung und Gefühlen der Unzulänglichkeit einhergehen.

Ein weiterer Unterschied zwischen Achtsamkeit und Selbstmitgefühl ergibt sich durch ihre jeweiligen Zielobjekte. Während Achtsamkeit ein Weg ist, sich auf die jeweilige Erfahrung zu beziehen, stellt Selbstmitgefühl eine Beziehung zum leidenden Erfahrenden her (Germer, 2009; ­Germer und Barnhofer, 2017). Achtsamkeit akzeptiert, ohne zu urteilen, die Gedanken, Gefühle und Empfindungen, die im Gewahrsein des gegenwärtigen Moments auftauchen. Mitgefühl entspringt dem Wunsch, alle fühlenden Wesen mögen glücklich und frei von Leiden sein (Salzberg, 1995). Wenn Sie beispielsweise einen stechenden Schmerz in Ihrem linken Knie achtsam wahrnehmen, bedeutet dies, dass Sie der heißen, pulsierenden Empfindung ohne Wertung oder Widerstand gewahr sind, was einen inneren Raum schafft, in dem die Empfindung einfach so erfahren werden kann, wie sie ist. Wenn Selbstmitgefühl als Reaktion auf das Leiden entsteht, löst die Tatsache, dass Sie Knieschmerzen haben, auch Gefühle der Zuwendung und Fürsorge aus. Das bedeutet, dass gleichzeitig mit der achtsamen und widerstandslosen Akzeptanz Ihrer Erfahrung im gegenwärtigen Moment auch der Wunsch besteht, Sie als Erfahrender mögen in zukünftigen Momenten frei von Leiden sein.

Achtsamkeit und Selbstmitgefühl erscheinen auf gewisse Weise paradox. Achtsamkeit lädt uns ein, einfach mit der Erfahrung zu »sein«, während Selbstmitgefühl mehr aufs »Tun« ausgerichtet ist. Selbstmitgefühl motiviert uns, uns selbst zu beruhigen, zu trösten und so weit wie möglich zu unterstützen, wenn wir mit einer schwierigen Erfahrung konfrontiert sind (beispielsweise könnte Aufstehen und Dehnen eventuell dazu beitragen, die Knieschmerzen zu lindern). Der Grund, warum dieses »Sein« und »Tun« gleichzeitig möglich ist, liegt darin, dass das »Tun« hier eine besondere Art und Weise ist, mit dem fühlenden Wesen, das diese Erfahrung macht, in Beziehung zu treten. Eine selbstmitfühlende Haltung bedeutet, dass wir uns selbst voller Mitgefühl annehmen, weil wir leiden, und dass wir nicht die Einstellung haben: »Ich werde freundlich zu mir sein, um diesen Schmerz loszuwerden!« Wenn Selbstmitgefühl in den Dienst des Widerstands gestellt wird, wird es unser Leiden vergrößern, anstatt es zu lindern. Achtsamkeit hilft uns, den inneren Raum der Akzeptanz aufrechtzuerhalten.

Dasselbe kann passieren, wenn wir mit dem Leiden anderer konfrontiert sind. Wenn Ihnen jemand von einer schmerzlichen Situation berichtet und Sie nicht wirklich zuhören und sich in den Schmerz dieser Person einfühlen, sondern sofort Ratschläge geben, um das Problem zu lösen (und Ihr eigenes Unbehagen loszuwerden), sind Sie nicht wirklich mitfühlend. Mitgefühl setzt die Achtsamkeit voraus, sich dem Schmerz zuzuwenden und seine Existenz ohne Widerstand zu akzeptieren. Während Mitgefühl auf die Linderung des Schmerzes fokussiert ist, ist es nicht abhängig vom Ergebnis (zum Beispiel: »Ich werde weiterhin freundlich und verständnisvoll sein, auch wenn der Schmerz nicht nachlässt.«). Andererseits bietet Mitgefühl die emotionale Sicherheit, die notwendig ist, um den Schmerz ganz zu fühlen, offen für ihn zu sein und seine Existenz zu akzeptieren: um achtsam zu sein. So verstärken sich Achtsamkeit und Mitgefühl gegenseitig und sind im Grunde miteinander verbunden.

Das Yin und Yang des Selbstmitgefühls

Wenn wir die Qualitäten untersuchen, die beim Selbstmitgefühl eine Rolle spielen, sehen wir scheinbar entgegengesetzte Eigenschaften, die sich auch ergänzen und voneinander abhängig sind, wie die Konzepte von Yin und Yang in der traditionellen chinesischen Philosophie. Das Yin des Selbstmitgefühls umfasst die Qualitäten des »Seins« mit uns selbst auf eine mitfühlende Weise: Wir trösten, beruhigen und wertschätzen uns selbst. Das Yang des Selbstmitgefühls spielt eine Rolle beim »Handeln« in der Welt: Wir schützen, versorgen und motivieren uns selbst.

Yin:

 Trösten: Trost können wir einer lieben Freundin spenden, die in Schwierigkeiten ist, und wir können uns selbst trösten. Es bedeutet, für die Erfüllung unserer emotionalen Bedürfnisse zu sorgen.

 Beruhigen: Beruhigen ist eine weitere Art, uns selbst zu helfen, uns besser zu fühlen, insbesondere physisch ruhiger zu werden.

 Anerkennen: Anerkennen bedeutet, dass wir unsere Erfahrung klar verstehen, dass wir Worte für diese Erfahrung finden können und dass wir freundlich und liebevoll mit uns selbst sprechen können.

Возрастное ограничение:
0+
Объем:
793 стр. 23 иллюстрации
ISBN:
9783867813242
Переводчик:
Издатель:
Правообладатель:
Bookwire
Формат скачивания:
epub, fb2, fb3, ios.epub, mobi, pdf, txt, zip

С этой книгой читают

Новинка
Черновик
4,9
172