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III. Das Gesetz als Berliner Landesgesetz

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In Berlin ist das Bundesgesetz in der jeweils geltenden Fassung seit dem 1.10.1953 ununterbrochen als Landesgesetz in Kraft (GVBl. 1953 S. 361; GVBl. 1958 S. 951). Gegenwärtig beruht diese Rechtslage auf § 8 Abs. 1 S. 1 des Gesetzes über das Verfahren der Berliner Verwaltung vom 21.4.2016 – VwVfG Berlin – (GVBl. S. 218; zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 5.7.2018, GVBl. S. 462). Abweichungen vom Bundesrecht sind in § 8 Abs. 1 S. 2-4 VwVfG Berlin geregelt: § 11 Abs. 3 des VwVG gilt mit der Maßgabe, dass die Höhe des Zwangsgeldes höchstens 50 000 Euro beträgt. § 7 VwVG gilt mit der Maßgabe, dass für Maßnahmen im Straßenverkehr auch der Polizeipräsident in Berlin, die Bezirksämter von Berlin und die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) Vollzugsbehörden sind. § 19 Abs. 1 VwVG gilt mit der Maßgabe, dass für Amtshandlungen im Zusammenhang mit Vollstreckungsmaßnahmen nach § 10 VwVG zur Deckung des Verwaltungsaufwands Gebühren nach den Vorschriften des Gesetzes über Gebühren und Beiträge vom 22.5.1957 (GVBl. S. 516) in der jeweils geltenden Fassung erhoben werden.

Die in Berlin vorgenommene dynamische Verweisung eines Landesgesetzes auf ein Bundesgesetz in der jeweils geltenden Fassung ist rechtlich zulässig (vgl. BVerwG U 16.1.1976 – 4 C 25/74, JR 1976, 387, 391; BVerwG B 3.3.2005 – 7 B 151/04, DÖV 2005, 745 = NVwZ 2005, 699).

Gegen eine Verweisung bestehen keine rechtlichen Bedenken (BVerfG B 23.3.1982 – 2 BvL 13/79, BVerfGE 60, 135, 155 = NJW 1982, 2859 = BayVBl. 1982, 432): Soll nach der Verweisungsnorm das Verweisungsobjekt in seiner jeweiligen Fassung, also auch mit allen Änderungen gelten, handelt es sich um eine „dynamische“ Verweisung.

Bei einem Landesgesetz, welches eine dynamische Verweisung auf ein Bundesgesetz enthält, handelt es sich um Landesrecht, für das gemäß § 137 VwGO die Revision nicht zulässig ist. Solches liegt vor, wenn eine Vorschrift des Bundesrechts nicht kraft Gesetzesbefehls des Bundesgesetzgebers, sondern nur kraft der Bezugnahme im Landesrecht und damit aufgrund einer gesetzgeberischen Entscheidung des Landes Geltung beansprucht (BVerwG B 10.8.2007 – 9 B 19/07, Buchholz 310 § 137 Abs. 1 VwGO Nr. 29; BVerwG B 2.7.2009 – 7 B 9/09, Original S. 3, 4 = NVwZ 2009, 1037 = DÖV 2009, 823 L = DVBl. 2009, 1122 L).

Soll hingegen der bei Erlass der Verweisungsnorm geltende Text maßgebend sein, liegt eine „statische“ Verweisung vor. Diese ist für die Praxis nachteilig, wie sich zum Beispiel bei § 11 des Berliner Kirchensteuergesetzes zeigt: Danach gilt das Verwaltungs-Vollstreckungsgesetz (nur) entsprechend. Hier muss der Berliner Gesetzgeber das Kirchensteuergesetz gesondert ändern und dem VwVG anpassen, wenn dieses eine neue Fassung erhalten hat. Der Praktiker hat also auf den geltenden Gesetzesstand zu achten.

IV. Verwaltungsvollstreckungsgesetze der Länder

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Wie zuvor erörtert, gilt das Bundesgesetz für die Bundesverwaltung. Demzufolge gibt es in den Bundesländern Landesverwaltungsvollstreckungsgesetze. Diese sind nach § 137 VwGO nicht revisibel (vgl. BVerwG B 30.11.1994 – 4 B 243/94, DÖV 1995, 384 = UPR 1995, 195 = NVwZ-RR 1995, 299 = BRS 56 Nr. 213 = Buchholz 310 § 80 VwGO Nr. 59). Trotz dieser Vielfalt von Einzelgesetzen herrscht weitgehend inhaltliche Übereinstimmung des Landesrechts mit dem VwVG des Bundes. In den Bundesländern sind folgende Gesetze erlassen worden:

(1) Baden-Württemberg: Verwaltungsvollstreckungsgesetz für Baden-Württemberg (Landesverwaltungsvollstreckungsgesetz – LVwVG) vom 12.3.1974 (GBl. S. 93), zuletzt geändert am 23.2.2011 (GBl. S. 99, 100).

(2) Bayern: Bayerisches Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetz (VwZVG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 11.11.1970 (GVBl. 1971 S. l), zuletzt geändert am 15.5.2018 (GVBl. S. 260).

(3) Berlin: § 8 des Gesetzes über das Verfahren der Berliner Verwaltung v. 21.4.2016 (GVBl. S. 218), zuletzt geändert am 5.7.2018 (GVBl. S. 462); siehe Rn. 3: Das VwVG gilt in seiner jeweils aktuellen Fassung.

(4) Brandenburg: Verwaltungsvollstreckungsgesetz (VwVGBbg) für das Land Brandenburg vom 15.10.2018 (GVBl. I Nr. 18 S. 29).

(5) Bremen: Gesetz über das Verfahren zur Erzwingung von Handlungen, Duldungen oder Unterlassungen (Bremisches Verwaltungsvollstreckungsgesetz – BremVwVG) in der Neufassung vom 1.4.1960 (BremGBl. S. 37), zuletzt geändert am 30.8.2016 (BremGBl. S. 510).

Bremisches Gesetz über die Vollstreckung von Geldforderungen im Verwaltungswege (BremGVG) vom 29.9.2015 (Brem.GBl. S. 448).

(6) Hamburg: Hamburgisches Verwaltungsvollstreckungsgesetz (HmbVwVG) vom 4.12.2012 (HmbGVBl. I S. 510), geändert am 21.5.2013 (HmbGBl. I S. 210).

(7) Hessen: Hessisches Verwaltungsvollstreckungsgesetz (HessVwVG) in der Neufassung vom 12.12.2008 (GVBl. I 2009 S. 2), zuletzt geändert am 21.11.2012 (GVBl. I S. 430).

(8) Mecklenburg-Vorpommern: Verwaltungsverfahrens-, Zustellungs- und Vollstreckungsgesetz des Landes Mecklenburg-Vorpommern (Landesverwaltungsverfahrensgesetz – VwVfG M-V) vom 1.9.2014 (GVOBl. S. 476, ber. 2015, 148), zuletzt geändert am 25.4.2016 (GVOBl. S. 198, 202). Der 3. Hauptteil des VwVfG M-V regelt in den §§ 110 und 111 das Vollstreckungsverfahren.

Gemäß § 110 VwVfG M-V gelten bei dem Vollzug von Verwaltungsakten, die auf Herausgabe einer Sache oder auf Vornahme einer Handlung oder auf Duldung oder Unterlassung gerichtet sind, die §§ 79 bis 100 des Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung in Mecklenburg-Vorpommern (Sicherheits- und Ordnungsgesetz – SOG M-V) in der Neufassung vom 9.5.2011 (GVOBl. S. 246). § 111 VwVG M-V betrifft die Vollstreckung öffentlich-rechtlicher Geldforderungen (§ 1 Rn. 23).

(9) Niedersachsen: Niedersächsisches Verwaltungsvollstreckungsgesetz (NVwVG) in der Neufassung vom 4.7.2011 (Nds. GVBl. S. 238), zuletzt geändert am 1.2.2017 (Nds. GVBl. S. 16).

Eine besondere Zuweisung enthält § 70 NVwVG: Verwaltungsakte, die auf die Herausgabe einer Sache oder auf eine sonstige Handlung oder eine Duldung oder Unterlassung gerichtet sind und die nicht unter § 2 Abs. 1 fallen, werden, auch wenn sie nicht der Gefahrenabwehr dienen, nach dem Sechsten Teil des Niedersächsischen Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung (Nds.SOG) durchgesetzt. Nach § 72 NVwVG gilt das auch für sofort vollstreckbare öffentlich-rechtliche Verträge.

(10) Nordrhein-Westfalen: Verwaltungsvollstreckungsgesetz für das Land Nordrhein-Westfalen (VwVG NRW) in der Fassung der Bekanntmachung vom 19.2.2003 (GV. NRW. S. 156), zuletzt geändert am 8.7.2016 (GV.NRW S. 557).

(11) Rheinland-Pfalz: Landesverwaltungsvollstreckungsgesetz (LVwVG) vom 8.7.1957 (GVBl. S. 101), zuletzt geändert am 12.9.2012 (GVBl. S. 311).

(12) Saarland: Saarländisches Verwaltungsvollstreckungsgesetz (SVwVG) vom 27.3.1974 (Amtsbl. I S. 430), zuletzt geändert am 1.12.2015 (Amtsbl. I S. 913).

(13) Sachsen: Verwaltungsvollstreckungsgesetz für den Freistaat Sachsen (SächsVwVG) in der Neufassung vom 10.9.2003 (SächsGVBl. S. 614, 615), zuletzt geändert am 6.10.2013 (SächsGVBl. S. 802).

(14) Sachsen-Anhalt: Verwaltungsvollstreckungsgesetz des Landes Sachsen-Anhalt (VwVG LSA) vom 20.2.2015 (GVBl. LSA S. 50, 51).

Eine besondere Zuweisung enthält § 71 VwVG LSA: Verwaltungsakte, die auf die Herausgabe einer Sache oder auf eine sonstige Handlung oder eine Duldung oder Unterlassung gerichtet sind und die nicht unter § 2 Abs. 1 fallen, werden, auch wenn sie nicht der Gefahrenabwehr dienen, nach dem Vierten Teil des Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung (SOG LSA) durchgesetzt. Gemäß § 73 VwVG LSA gilt das auch für sofort vollstreckbare öffentlich-rechtliche Verträge.

(15) Schleswig-Holstein: Allgemeines Verwaltungsgesetz für das Land Schleswig-Holstein (Landesverwaltungsgesetz – LVwG –) in der Fassung vom 2.6.1992 (GVOBl. S. 243); § 1 Abs. 1, §§ 2, 3, §§ 228 bis 322 LVwG, zuletzt geändert am 25.9.2018 (GVOBl. S. 648).

(16) Thüringen: Thüringer Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetz (ThürVwZVG) in der Neubekanntmachung vom 5.2.2009 (GVBl. S. 24), zuletzt geändert am 23.9.2015 (GVBl. S. 131, 133).

Nach der Wiedervereinigung Deutschlands am 3.10.1990 hatten auch die östlichen neuen Bundesländer das Recht der Verwaltungsvollstreckung in eigener Zuständigkeit zu regeln. Die erlassenen Gesetze sind eigenständige Schöpfungen mit verschiedenartigem Aufbau und unterschiedlicher Gestaltung. Sie orientieren sich am Recht des Bundes und der westdeutschen Bundesländer. Daraus sowie aus später folgenden gesetzlichen Regelungen hat sich inzwischen eine weitgehende Rechtseinheit in Gesamtdeutschland ergeben. Das ist zu begrüßen (Sadler, Die Verwaltungsvollstreckungsgesetze der neuen Bundesländer, LKV 1995, 409, 417).

V. Vollstreckung nach pflichtgemäßem Ermessen

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Das Verwaltungs-Vollstreckungsgesetz verpflichtet die Vollzugsbehörde nicht, eine Handlung, Duldung oder Unterlassung zu erzwingen. Vielmehr entscheidet sie nach pflichtgemäßem freien Ermessen im Rahmen ihrer dienstlichen Ordnung (vgl. BVerfG B 7.12.1998 – 1 BvR 831/89, BayVBl. 1999, 303 = ZBR 1999, 127 = NVwZ 1999, 290; BVerwG U 25.9.2008 – 7 C 5/08, DVBl. 2009, 132 = NVwZ 2009, 122 = DÖV 2009, 132 L = BeckRS 2008, 40173; BVerwG U 15.2.1990 – 4 C 45/87, BVerwGE 84, 354, 360 = DVBl. 1990, 583 = DÖV 1990, 705 = NVwZ 1990, 663 = UPR 1990, 226 = ZfBR 1990, 196 = StTg 1990, 506 = JZ 1991, 241 = JuS 1991, 82 = BRS 50 Nr. 205 = Buchholz 406.11 § 39b Nr. 2).

Alle Vollstreckungsvorschriften sind „Kann“-Bestimmungen. Das ergibt sich aus dem Text der §§ 6 ff. VwVG. Es herrscht das Opportunitätsprinzip. Inhalt und Bedeutung des Ermessens ergeben sich aus § 40 VwVfG; dort heißt es: „Ist die Behörde ermächtigt, nach ihrem Ermessen zu handeln, hat sie ihr Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten.“

Bund und Länder haben inhaltsgleiches Recht. Auch die Vollzugsbehörden der Länder entscheiden nach pflichtgemäßem Ermessen über die Durchführung von Zwangsmaßnahmen (vgl. OVG Bautzen B 28.5.1998 – 1 S 149/98, JbSächsOVG 6, 143 = NVwZ-RR 1999, 101).

Für die Finanzbehörden ist das Ermessen in § 5 AO im Zusammenhang mit der „Kann“-Bestimmung des § 328 Abs. 1 AO definiert. Sie entscheiden also ebenso nach pflichtgemäßem Ermessen über den Verwaltungszwang (BFH U 6.11.2012 – VII R 72/11, BFHE 239, 15 – BStBl. II 2013, 141).

Daraus folgt, dass die Behörde auch ein bereits eingeleitetes Verwaltungszwangsverfahren in jedem Stadium des Verwaltungs- und Verwaltungsgerichtsverfahrens einstellen sowie insgesamt von einem zulässigen Vollzug absehen kann. Es gibt für sie also keinen Automatismus und Zugzwang.

„Das Prinzip des Rechtsstaates fordert, dass der einzelne wissen muss, inwieweit die Verwaltung in seinen Rechtskreis eingreifen darf. Es fordert aber weder, dass der Gesetzgeber die Verwaltung bindet, den möglichen Eingriff immer zu vollziehen, noch dass der Gesetzgeber tatbestandsmäßig genau umreißt, wann die Verwaltung von einem zulässigen, nach Tatbestand und Folge eindeutig geregelten Eingriff Abstand nehmen darf.“

So lautet der Leitsatz folgender Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts: BVerfG B 3.2.1959 – 2 BvL 10/56, BVerfGE 9, 137, 147–149 = NJW 1959, 931 = DVBl. 1959, 326 = DÖV 1959, 302 = VerwRspr. 12, 15.

Insoweit ist der Aussage von Rudolph zuzustimmen (S. 25): Eine gesetzliche Verpflichtung zum Vollzug wäre auch rechtspolitisch verfehlt. Denn das Ansehen der Verwaltung in der Öffentlichkeit und damit die Bereitschaft zur freiwilligen Befolgung hoheitlich auferlegter Pflichten seitens der Bürger kann durch Verhandlungs- und Verständigungsbereitschaft der Behörden eher gefördert werden als durch die Brechung des entgegenstehenden Willens mit Zwangsmaßnahmen. Die Behörde würde aber natürlich unglaubwürdig werden, wenn sie ohne besondere Gründe von dem Vollzug absehen sollte.

Allerdings kann es Ausnahmefälle geben, in denen das Ermessen reduziert und auf „Null“ geschrumpft ist. Hier ist „nur eine einzige ermessensfehlerfreie Entschließung, nämlich die zum Einschreiten, denkbar“ (BVerwG U 18.8.1960 – 1 C 42/59, BVerwGE 11, 95, 97 = NJW 1961, 793 = DVBl. 1961, 125 = BBauBl. 1961, 24 = ZMR 1961, 181 = BayVBl. 1961, 53 = VerwRspr. 13, 180 = BRS 12 S. 174). Dann ist die Behörde verpflichtet, ein Verwaltungszwangsverfahren durchzuführen (vgl. OVG Münster B 8.2.1995 – 20 B 73/95, NVwZ-RR 1996, 182 = NWVBl. 1995, 260). Eine Ermessensreduzierung auf Null kann sowohl das Entschließungsermessen, ob ein Verwaltungszwangsverfahren durchzuführen ist, als auch das Auswahlermessen, in welcher Weise zu vollstrecken ist, betreffen.

Sollten jedoch spezialgesetzliche Vorschriften die Durchsetzung eines Verwaltungsaktes zwingend anordnen, muss die Behörde das Verwaltungszwangsverfahren durchführen. Das ist z.B. gemäß § 5 des EG-Verbraucherschutzdurchsetzungsgesetzes, § 30 Abs. 2 des Infektionsschutzgesetzes, § 41 Abs. 3, 4 des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuches, § 16a des Tierschutzgesetzes, § 2 Abs. 1 S. 1 des Katzen- und Hundefell-Einfuhr-Verbotsgesetzes, § 3 des Luftsicherheitsgesetzes, § 15 Abs. 4 des Versammlungsgesetzes, § 34a des Asylgesetzes und § 58 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes der Fall. Diese gesetzlich vorgeschriebene Handlungspflicht ergibt sich aus dem Legalitätsprinzip.

Zwischen den reinen Ermessensvorschriften, nach denen die Vollstreckungsbehörde einen Verwaltungsakt durchsetzen kann, und den gebundenen Vorschriften, nach denen die Vollstreckungsbehörde einen Verwaltungsakt durchsetzen muss, liegen die sog. Soll-Vorschriften. Ein Beispiel bildet § 57 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes. Hiernach soll ein Ausländer, der in Verbindung mit der unerlaubten Einreise über eine Außengrenze aufgegriffen wird, zurückgeschoben werden. Derartige „Soll-Vorschriften“ verpflichten die Behörde im Regelfall, das Gesollte zu tun, lassen ihr in besonders gelagerten Ausnahmefällen (atypische Fällen) aber die Möglichkeit, von der Norm abzugehen. (Zu den „Soll-Vorschriften“ siehe im Einzelnen die Kommentierungen zu § 40 VwVfG.)

Sofern der Verwaltungszwang die Wohnung des Verantwortlichen erfasst, ist auf Art. 13 Abs. 7 GG hinzuweisen; dort heißt es u.a.: „Eingriffe und Beschränkungen dürfen im Übrigen nur zur (...) Verhütung dringender Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung, insbesondere (...) zur Bekämpfung von Seuchengefahr oder zum Schutze gefährdeter Jugendlicher vorgenommen werden.“ Hierbei handelt es sich nicht um Durchsuchungen. Der Richtervorbehalt des Art. 13 Abs. 2 GG gilt also nicht.

Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung steht nach dem Volkszählungsurteil des Bundesverfassungsgerichts erforderlichen Vollstreckungsmaßnahmen nicht entgegen (U 15.12.1983 – 1 BvR 209/83, BVerfGE 65, 1, 43, 44, 70, 71 = EuGRZ 1983, 577, 596 = NJW 1984, 419, 428 = DVBl. 1984, 128, 136). Im Bereich der Gefahrenabwehr muss es hier Ausnahmen geben (Maunz/Dürig/Di Fabio, Art. 2 Rn. 179). Das gilt zum Beispiel bei Fahruntauglichkeit eines Kraftfahrers (BVerwG U 15.4.1988 – 7 C 100/86, NJW 1988, 1863 = DAR 1988, 247 = NZV 1988, 79 = VerkMitt. 1988, 82 = VRS 75, 133; VGH Mannheim U 14.9.2004 – 10 S 1283/04, NJW 2005, 234). Insoweit hat die Polizei gemäß § 2 Abs. 12 StVG eine Meldepflicht gegenüber der Fahrerlaubnisbehörde.

Hieraus ergibt sich: Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ist nicht schrankenlos gewährleistet. Der einzelne Bürger hat kein Recht im Sinne einer absoluten uneinschränkbaren Herrschaft über „seine“ Daten. Jenseits des unantastbaren Kernbereichs privater Lebensgestaltung (vgl. hierzu BVerfGE 27, 344 [350 f.]; 120, 274 [335]; 130, 1 [22]; 141, 220 [276 Rn. 120, 278 Rn. 124]) kann es auf der Grundlage eines Gesetzes beschränkt werden, sofern dies im überwiegenden Allgemeininteresse liegt, sich Voraussetzungen und Umfang der Beschränkungen klar und für den Bürger erkennbar aus dem Gesetz ergeben und der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt ist (vgl. BVerfG U 15.12.1983 – 1 BvR 209/83 (ua), BVerfGE 65, 1, 44; BVerfG U 20.4.2016 – 1 BvR 966/09, 1 BvR 1140/09, 141, 220, 264 f). Hierzu jüngst BVerfG U 19.9.2018 – 2 BvF 1/15 –, juris Rn. 220 [Zensus 2011].)

VI. Maßnahmen der staatlichen Kommunalaufsicht

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Das Einschreiten der Aufsichtsbehörde gegen einen selbstständigen Verwaltungsträger durch Zwang ist kein Verwaltungszwang im Sinne des Verwaltungs-Vollstreckungsgesetzes. Dabei handelt es sich um einen Sonderfall der Staatsaufsicht (Forsthoff, S. 290).

Nach geltendem Recht ist die insoweit vorgesehene Ersatzvornahme durch die Aufsichtsbehörde allein deren Selbsteintritt. Dieser leitet sich aus den klassischen Aufsichtsrechten: Informationsrecht, Weisungsrecht und Eintrittsrecht her. Zum Selbsteintritt kann die Aufsichtsbehörde greifen, wenn die nachgeordnete Behörde eine ihr als Pflicht übertragene Auftragsangelegenheit nicht erfüllt. Das kann zum Beispiel im Baurecht der Fall sein (BVerfG B 29.5.2007 – 2 BvR 695/07, BVerfGK 11, 241 = NVwZ 2007, 1176 = LKV 2007, 509; BVerwG U 17.9.2003 – 4 CN 14/01, BVerwGE 119, 25, 43–45 = UPR 2004, 452).

Auch die kommunalaufsichtliche Ersatzvornahme gegenüber einer Gemeinde (vgl. z.B. § 13 des Berliner Allgemeinen Zuständigkeitsgesetzes, § 116 der Kommunalverfassung des Landes Brandenburg oder § 123 Abs. 2 Gemeindeordnung NRW) ist also keine Ersatzvornahme im Sinne des § 10 und des zulässigen Vollzugs gegen eine Behörde nach § 17 des Gesetzes. – Daher wird sie dort auch nicht behandelt. Gleiches gilt für das Vollstreckungsrecht der Länder (OVG Münster B 22.8.2007 – 15 B 1328/07, NVwZ-RR 2008, 50). Hierzu Kleerbaum/Palmen/Buttler, Gemeindeordnung NRW. Kommentar für die kommunale Praxis, 2008, Erl. III. 1. zu § 123 GO NRW; Maurer/Waldhoff, § 23 Rn. 26; Waldhoff, § 46 Rn. 102.

VII. Bundesgesetzlicher Ausschluss des landesrechtlichen Verwaltungszwanges

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Die Anwendung des Verwaltungszwanges auf der Grundlage von Verwaltungsvollstreckungsgesetzen der Länder kann durch vorrangige Bundesgesetze ausgeschlossen sein. Voraussetzung hierfür ist, dass dem Bund insoweit die Befugnis der Gesetzgebung zusteht. Das ist z.B. gemäß Art. 73 Abs. 1 Nr. 12 GG bei dem Waffen- und Sprengstoffrecht der Fall.

So scheidet das Landesrecht durch § 46 Abs. 2–5 des Waffengesetzes bei der Sicherstellung und Verwertung von Waffen aus (BVerwG U 30.4.1985 – 1 C 12/83, BVerwGE 71, 234, 246–248 = DVBl. 1985, 1311 = NVwZ 1986, 558). Das trifft ebenso auf die in § 13 des Kriegswaffenkontrollgesetzes vorgesehene Sicherstellung und Einziehung von Waffen zu. Gleiches gilt nach § 32 Abs. 5 des Sprengstoffgesetzes bei der Sicherstellung und Vernichtung explosionsgefährlicher Stoffe.

Kapitel I Kommentar zum Verwaltungs-Vollstreckungsgesetz (VwVG) › Erster Abschnitt Vollstreckung wegen Geldforderungen

Erster Abschnitt Vollstreckung wegen Geldforderungen

Inhaltsverzeichnis

§ 1 Vollstreckbare Geldforderungen

§ 2 Vollstreckungsschuldner

§ 3 Vollstreckungsanordnung

§ 4 Vollstreckungsbehörden

§ 5 Anzuwendende Vollstreckungsvorschriften

§ 5a Ermittlung des Aufenthaltsorts des Vollstreckungsschuldners

§ 5b Auskunftsrechte der Vollstreckungsbehörde

Kapitel I Kommentar zum Verwaltungs-Vollstreckungsgesetz (VwVG) › Erster Abschnitt Vollstreckung wegen Geldforderungen › § 1 Vollstreckbare Geldforderungen

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