Читать книгу: «Seewölfe Paket 9», страница 4

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5.

Im Mittelgang des Vorschiffs, nicht weit vom Eingang des Mannschaftslogis’ entfernt, traf Francisco Sampedro mit dem verschlafen blinzelnden Juan Flores zusammen.

„Wieso sind Sie denn schon auf?“ fragte Juan. „Haben wir beide nicht Freiwache, Senor Francisco?“

„Schon“, erwiderte der Koch grimmig. „Aber ich bin eben durch Zufall Zeuge einer verdammten Schweinerei geworden. Eigentlich sollte ich dir davon nichts erzählen, aber ich habe eine solche Wut im Bauch – Himmel, ich kann einfach nicht schweigen.“ Leise berichtete er, daß er de Bobadilla und Alvarez bei ihrem heimlichen Handel beobachtet hatte. Nur ein paar Worte von dem, was sie gesprochen hatten, hatte er aufschnappen können, aber er hatte deutlich genug gesehen, wie Goldmünzen und Segeltuchsack den jeweiligen Besitzer gewechselt hatten.

Und purer Zufall war es nicht, daß Sampedro den Kerlen auf die Schliche gekommen war. Der Koch hatte nämlich wie de Mendoza schon seit einiger Zeit den Verdacht, daß der Zahlmeister und der Proviantmeister „nicht ganz sauber“ waren. Jetzt hatte er sich die Gewißheit verschafft, und glaubte, vor Wut erstikken zu müssen wegen dieser Ungeheuerlichkeit. De Bobadilla schlug sich auf Kosten der gesamten Besatzung den Bauch voll und umging mittels Bestechung die Rationierung!

„So eine Gemeinheit“, flüsterte Juan Flores. Er war fassungslos.

„Ich glaube, die Kerle sind auf die Back geklettert“, zischte Sampedro. „Weißt du was? Ich verlasse das Vordeck durchs vordere Schott, steige von der Galionsplattform auf die Back und sage den Hunden mal gründlich meine Meinung. Wer weiß, wie lange die diese Sauerei schon betreiben.“

„Sollten wir nicht lieber Kapitän de Mendoza Meldung erstatten?“

„Nein. Ich erledige das allein. Auf meine Art.“

Köche an Bord von Schiffen genossen eine Sonderposition. Wenn sie ihr Fach verstanden und so ehrlich und hilfsbereit waren wie Francisco Sampedro, wurden sie von der Mannschaft geschätzt und geachtet wie ein Offizier. Daraus rührte nun Sampedros Überzeugung, die Dinge auf seine Weise bereinigen zu können.

Angst vor Alvarez und de Bobadilla? Nein, die hatte er nicht.

„Ich komme mit“, stieß Juan hastig hervor. „Sie brauchen doch Unterstützung, Senor Francisco – und vielleicht einen Zeugen.“

„Ach was. Leg dich wieder schlafen.“

„Senor …“

„Das ist ein Befehl.“

„Ich bitte Sie darum, mitgehen zu dürfen.“

„Du bist krank, brauchst Ruhe und hast an Oberdeck nichts zu suchen“, sagte Sampedro beharrlich.

„Es geht mir schon viel besser, dank der Medizin, die Sie mir gegeben haben. Das vergesse ich Ihnen nicht, Senor Francisco. Sie haben mir geholfen, jetzt helfe ich Ihnen.“

Sampedro mußte lächeln. trotz des Zorns, der in ihm gärte. „Juan, das rechne ich dir hoch an. Allein deine gute Absicht zählt für mich. Aber jetzt gehorche.“

„Ich kann es nicht zulassen, daß Ihnen was passiert“, versetzte der Junge. „Ich hätte das dann auf dem Gewissen, und ich schwör’s Ihnen, Senor, ich würde mich wirklich in die See stürzen. Bezichtigen Sie mich ruhig der Meuterei, der Befehlsverweigerung, aber ich kann nicht gegen meine Natur an.“

Sampedro nickte. „Also gut. Komm. Du weckst mir sonst noch die ganze Mannschaft auf.“

Sie schlichen zum vorderen Backbordschott. Sampedro öffnete es behutsam. Der Sturmwind drückte dagegen und entriß ihm fast die Klinke, aber der Koch war auf der Hut und verhinderte, daß das Schott gegen die Wand des Vorkastells krachte.

Juan Flores schlüpfte an Sampedro vorbei, und so war er der erste, der Luis de Bobadilla sah.

Der Zahlmeister hatte sich auf der Steuerbordseite der Galionsplattform zusammengekauert und hielt den Segeltuchsack an sich gepreßt. Warum er hier hockte und nicht oben auf der Back, wußte Juan im selben Augenblick, denn er vernahm, wie Sampedro, die Stimmen, die von der Back ertönten.

Durch das Heulen des Sturms war zu hören, wie der erste Offizier Vega de la Torre zu Alvarez sagte: „Alles in Ordnung hier vorn, Alvarez?“

„Aber sicher doch“, erwiderte der Proviantmeister. „Sonst hätte ich mich schon gemeldet. Was sollte wohl auch nicht in Ordnung sein? Wir können froh sein, daß wir dieses geschützte Plätzchen gefunden haben, nicht wahr?“

„War hier nicht eben ein zweiter Mann auf Back?“

„Hier? Ach wo …“

„Vallone und ich meinten, eine zweite Gestalt gesehen zu haben“, sagte de la Torre unbeirrt.

Francisco Sampedro hatte das Schott geschlossen und schritt neben Juan Flores über die Galionsplattform auf Luis de Bobadilla zu.

Der begriff jetzt, daß Alvarez mit seiner Vorsicht nicht übertrieben hatte. Das Geräusch, das er unter Deck vernommen hatte, konnte nur von dem Koch oder dem Moses verursacht worden sein. Die beiden mußten mitgekriegt haben, was sich abgespielt hatte. Das ging eindeutig aus ihrer feindseligen Haltung hervor.

De Bobadilla steckte in einer fürchterlichen Klemme. Auf die Back konnte er nicht klimmen, dort würde ihn de la Torre festhalten. Ins Vorkastell konnte er auch nicht mehr fliehen, dazu war es zu spät. Den Unschuldigen, Überraschten mimen? Auch das zog nicht, es gab keine Rechtfertigungen, denn der Segeltuchsack in seinen Händen war Beweis genug.

Sampedros und Flores sprachen kein Wort.

Der Koch trat vor de Bobadilla hin. De Bobadilla wollte an den Gurt greifen und die Pistole zücken, aber er kriegte sie nur halb heraus. Sampedro schlug sie ihm aus der Hand.

Oben auf der Back sagte Alvarez gerade: „Also ehrlich, Senor, da müssen Sie sich getäuscht haben. Ich bin hier vorn mutterseelenallein. An sich ist das sogar ein verdammt langweiliger Dienst hier. Ich wollte mich gerade unter mein Stück Segeltuch verziehen, wegen des Regens, und …“

„Und ein Nickerchen halten?“

„Nein, das natürlich nicht.“

„Vallone ist fast sicher, in der zweiten Gestalt Luis de Bobadilla erkannt zu haben“, sagte de la Torre.

Alvarez lachte gekünstelt und erwiderte: „Das ist aber wirklich ein guter Witz. Was sollte denn wohl der Zahlmeister bei dem ungemütlichen Wetter und in aller Herrgottsfrühe ausgerechnet hier suchen?“

„Das fragten wir uns auch …“

De Bobadilla hatte die Fäuste gegen Sampedro gehoben und wollte auf ihn einschlagen. Der Koch spürte die Wut in sich überschäumen. Er hieb zurück, entriß dem beleibten Mann den Segeltuchsack, schleuderte den Sack von sich und wehrte de Bobadillas erneuten Angriff ab.

Juan Flores fing den Sack auf.

Sampedro rammte dem Zahlmeister die Faust unters Kinn, bückte sich plötzlich und hievte den Mann, der jetzt erschlaffte, an den Beinen hoch.

Juan Flores stockte der Atem. Nie hätte er geglaubt, daß der Koch zu einer solchen Tat fähig sei. Aber er begriff, was es war, das Francisco Sampedro so weit trieb: die unglaubliche Niedertracht de Bobadillas, die Selbstsucht, durch die er der Mannschaft die letzten Proviantreserven geraubt hatte.

De Bobadilla flog außenbords. Klatschend landete er im Wasser, aber im Sturm hörten das weder de la Torre und Alvarez noch sonst jemand – außer Sampedro und dem Jungen natürlich.

Mit den eingenähten Münzen in Wams und Hosen sank der Zahlmeister wie ein Stein. Die Fluten verschlangen ihn.

Juan Flores wollte dem Mann einen Blick nachwerfen, aber Francisco Sampedro packte ihn am Arm und zog ihn mit sich zum Steuerbordschott der Back. Erst als sie sich im Inneren befanden, lehnte sich Sampedro schwer atmend gegen die Wand.

Juan griff in den Segeltuchsack und zeigte vor, was de Bobadilla gegen klingende Münze von Alvarez erstanden hatte. Seine Miene war verbittert, denn er dachte daran, was wohl der arme Miguel darum gegeben hätte, vor seinem Tod noch einmal Salchichas zu essen oder Rioja-Wein zu trinken.

„Die Spezialreserven des Proviantmeisters“, flüsterte Francisco Sampedro erregt. „Den Kerl würde ich mir gern auch noch kaufen.“

„Aber der Erste …“

„Ich weiß, Juan. Keiner darf wissen, was mit de Bobadilla geschehen ist. Was immer er auf dem Kerbholz hatte, für mich hat es üble Folgen, wenn die Wahrheit herauskommt.“

„Ja, Senor Francisco“, raunte Juan. „Ich werde schweigen wie ein Grab.

Sampedro atmete jetzt langsamer und regelmäßiger. Er begriff, daß er mit Alvarez kaum noch abrechnen konnte, er würde sich dabei zweifellos demaskieren. Totales Schweigen schien auch für ihn das beste zu sein.

Fünf Glasen später hatte der erste Offizier Vega de la Torre auf Kapitän Pedro de Mendozas Befehl hin einen Trupp von zwanzig bleichen, ausgemergelten Gestalten zusammengestellt, der zwei Aufgaben zu versehen hatte: Erstens sollte er unter der Leitung von de la Torre nach dem spurlos verschwundenen Luis de Bobadilla suchen, zweitens das Land erkunden, an dessen Küste man vertäut hatte.

Zwei Boote lösten sich in der immer noch stürmischen See von der Bordwand der „Gran Grin“. Zehn Mann saßen auf den Duchten jeder Jolle und pullten zum Ufer. De la Torre war der erste Bootsführer, Vallone, der Bootsmann, der zweite. Sie hockten auf den Heckduchten und dirigierten die Jollen durch geschicktes Bedienen der Ruderpinnen zwischen tückischen Felsen hindurch in die donnernde Brandung.

Allein das Landen war ein schwieriges, waghalsiges Unternehmen. De la Torres Boot kenterte beinah, nur wie durch ein Wunder schlug es nicht um. Vallones Boot wurde von einer Woge hochgehoben und auf den Kiesstrand geschmettert. Die leidgeprüften Männer fluchten, sprangen aus den Booten und zogen sie in Wind und Wasser aufs Land.

Im Wasser war de Bobadilla nirgendwo zu entdecken gewesen, und Kapitän de Mendoza hatte nach einem Blick in die Kriegskasse des Geschwaders die berechtigte Behauptung aufgestellt, der Zahlmeister habe das Weite gesucht, man solle an Land nach ihm fahnden.

Vega de la Torre, Vallone und die anderen Männer des Trupps suchten zunächst die Küste ab, ohne eine Spur von de Bobadilla zu entdecken. Auch stießen sie auf keine Bewohner der Gegend, die Uferregion lag wie ausgestorben da.

„Wir steigen in die Felsen auf“, sagte de la Torre.

Wenig später sollte er einsehen, daß dies ein tragischer Fehler war. Auf der Mitte eines ausgedehnten Plateaus, das sie auf der Höhe von rund einhundert Yards erreichten, wurden sie von einer Bande angegriffen, die ihnen zahlenmäßig weit überlegen war.

Mindestens vierzig wilde, bärtige Kerle in abgerissener Kleidung fielen aus Verstecken über sie her. Nachdem die Männer der „Gran Grin“ die letzten Kugeln und das letzte Pulver verfeuert hatten, die noch in ihren Musketen, Arkebusen und Blunderbüchsen steckten, mußten sie sich auf einen mörderischen Nahkampf mit den Wegelagerern einlassen.

„Kontakte mit der Bevölkerung aufnehmen“ – so hatte de Mendozas Befehl gelautet. Und so sah nun die bittere Praxis aus: keine Chance, mit den Iren zu verhandeln, keine Aussicht auf Proviant und Trinkwasser. Kapitän de Mendoza hatte die Kriegskasse, die de Bobadilla bislang verwaltet hatte, aber sie nutzte ihm nichts, er konnte mit dem Geld nicht kaufen, was seine Mannschaft und auch er so dringend benötigten. Keine Chance.

Im Handgemenge auf dem Plateau hatten die Spanier das Nachsehen. Zu schwach, um sich auf die Dauer mit ihren Blankwaffen verteidigen zu können, fielen sie rasch, Mann um Mann. De la Torre, Vallone und eine kleine Restgruppe zogen sich fechtend immer weiter zurück.

Der Anführer der johlenden Bande hieß Dubhdara Rua O’Malla und war der Inselhäuptling von Clare Island, aber das sollten de Mendoza und die letzten Überlebenden der Galeone erst sehr viel später erfahren.

O’Malla drang auf Vallone ein, schlug dessen Verteidigung nieder und säbelte ihn zu Boden. De la Torre, rasend vor Wut, versuchte bis zu Vallone vorzudringen, aber zwei andere Iren versperrten ihm den Weg und setzten ihm selbst so hart zu, daß er beinah unterlag. Nur einen konnte er töten. Der andere stürzte, rappelte sich aber wieder auf, erhielt Verstärkung durch seine Kumpane und rückte mit ihnen erneut auf de la Torre zu.

De la Torre hatte keine andere Wahl mehr, er mußte mit den drei letzten Soldaten den Rückzug antreten. O’Malla und dessen wilder Haufe verfolgte sie bei der Flucht zum Ufer hinunter, und voll Verzweiflung mußte Vega de la Torre erleben, wie noch zwei seiner Männer niedergemetzelt wurden.

Fast gelang es dem ersten Offizier und seinem letzten Begleiter nicht, eine der Jollen klar zu kriegen. In nackter Todesangst schoben sie das Boot dann aber doch in die Brandung, warfen sich hinein und begannen zu pullen, während die O’Malla-Meute heranstürmte und Pfeile hinter ihnen herschoß. De la Torre und sein Begleiter entgingen diesen Pfeilen. Sie erreichten die „Gran Grin“ und sanken dort erschöpft auf die Planken der Kuhl. De la Torre berichtete, was sich ereignet hatte.

Kapitän de Mendoza blickte erschüttert zum Ufer, zu den johlenden, fluchenden Kerlen, die das zweite Boot der Galeone umringt hatten.

„Nach Calais dachte ich, es würde keinen schwärzeren Tag in meinem Leben geben“, sagte er. „Aber nun ist er doch gekommen.“

„Senor“, meldete der Ausguck aus dem Vormars. „Die Hunde ziehen sich zurück.“

„Ja, sie verschwinden“, murmelte der Kapitän. „Aber sie werden wiederkommen. Irgendwann kriegen sie heraus, daß wir keine Munition für unsere Kanonen haben, um sie zu beschießen. Dann werden sie herüberpullen und zu entern versuchen. Sie wollen uns alle umbringen und an sich reißen, was das Schiff noch birgt.“ Er schwieg eine Weile, dann sagte er zu de la Torre gewandt: „Ich habe einen Fehler begangen. Ich hätte Ihnen Verstärkung schicken sollen, als wir die Musketenschüsse vernahmen, die Sie und Ihr Trupp auf dem Plateau abgaben.“

„Senor“, erwiderte de la Torre. „Wer hätte denn diese Verstärkung gebildet? Die Kranken etwa?“

„Wir“, sagte Francisco Sampedro und wies auf Juan Flores und einige andere Männer in seiner Nähe.

„Womit wärt ihr denn zum Land gepullt?“ fragte de la Torre. „Mit dem dritten Boot etwa, das heute nacht leckgeworden ist, als wir die Trossen und Leinen zum Land ausbrachten? Unterwegs abgesoffen wärt ihr, das ist die bittere Wahrheit. Nein, Senor Capitán, Sie dürfen sich keine Vorwürfe machen. Schicksal ist nun mal Schicksal, und wir stehen ihm hilflos gegenüber.“

„Kappen wir also die Trossen und lichten wir den Notanker“, sagte de Mendoza. „Wir segeln an der Leeküste weiter – in der Hoffnung, irgendwo auf eine Siedlung und auf friedliche Menschen zu treffen. Es muß eine Lösung geben.“

De la Torre schüttelte den Kopf. „Senor, eins haben wir bei unserem Erkundungsgang herausgefunden: Wir liegen an einer Insel, und sie scheint nicht so groß zu sein, daß wir auf unterschiedliche Bevölkerungsgruppen hoffen dürfen. Mit anderen Worten, die Insel wird meiner Ansicht nach von diesen barbarischen Halbwilden beherrscht.“

Nach dieser niederschmetternden Nachricht ließ de Mendoza zum Land hin Posten aufziehen, weil er weitere Angriffe der Iren befürchtete. Mehr konnte er vorläufig nicht tun. Es war nicht sehr klug von de la Torre gewesen, vor versammelter Mannschaft preiszugeben, daß sie vor einer Insel lagen, aber andererseits konnte de Mendoza seinem Ersten diese Äußerung nach dem Gemetzel, dem er nur mit knapper Not entronnen war, auch nicht verübeln.

De Mendoza hatte Mühe, seine aufkeimende Verzweiflung niederzukämpfen.

Am späten Vormittag klarte es etwas auf, und erst jetzt erkannte der Ausguck, daß die Insel einer großen Bucht vorgelagert war. Pedro de Mendoza betrachtete diese Bucht im Osten durch sein Spektiv, dann fällte er seinen Entschluß.

„Primero“, sagte er auf dem Achterdeck zu de la Torre, der dicht neben ihm stand. „Unternehmen wir einen letzten Versuch. Erkunden wir diese Bucht, vielleicht gibt es dort einen Ankerplatz, der sicherer ist. Wenn wir dort auch nicht die Hilfe finden, die wir brauchen, kämen wir auf jeden Fall von dieser dreimal verfluchten Insel weg.“

„Sechs Rudergasten genügen mir, Senor Capitán“, erwiderte de la Torre mit unbewegtem Gesicht. „Ich nehme Francisco Sampedro, Juan Flores und vier andere mit, die sich noch halbwegs aufrecht halten können.“

„Es ist unser letzter Versuch, de la Torre.“

„Ja, Capitán. Er bringt uns neue Hoffnung – oder den sicheren Tod.“

6.

Durch die nachlassende Dünung pullten sie in die Bucht. Sampedro saß dem ersten Offizier auf der Ducht gegenüber, und er dachte an das, was am frühen Morgen geschehen war. Er hatte erfahren, daß de la Torre nach seinem Dialog mit Alvarez an die vordere Balustrade der Back getreten war und auf die Galionsplattform hinuntergeschaut hatte. Das konnte nur Sekunden nach dem Verschwinden des Kochs und des Moses von der Plattform gewesen sein, um ein Haar hätte der Erste sie dort also entdeckt!

Die Wahrheit beichten? Sampedro fragte sich, welchen Wert es hatte. Keiner weinte dem Geschwader-Zahlmeister de Bobadilla eine Träne nach, auch de la Torre nicht. Gestand der Koch aber, so war der Offizier gezwungen, seinem Kapitän darüber Meldung zu erstatten und Sampedro bestrafen zu lassen.

Juan Flores saß hinter Sampedro und blickte auf den Rücken des Mannes, während er sich mit dem Riemen abmühte. Der Koch war sein bester Kamerad geworden, und er, Juan, würde sich lieber totschlagen lassen, als den Mann zu verraten.

Ein Baske hatte seinen ganz besonderen Stolz und Dickschädel. Juan hatte sich selbst ‚amor proprio“ geschworen, das Gesetz der Selbsterhaltung bis zur äußersten Konsequenz, weil Francisco Sampedro es von ihm verlangte. Nie wieder würde er versuchen, seinem Leben selbst ein Ende zu setzen, aber er wußte, daß er es für den Koch und die anderen Kameraden opfern würde, falls das erforderlich sein würde. Was immer er tun konnte, um ihnen zu helfen – er würde es tun.

Die Jolle gelangte in den Dunstschleiern, die noch zäh über weiten Bereichen der Bucht hingen, ans Ufer. De la Torre stieg als erster aus und blickte sich mißtrauisch nach allen Seiten um. Seine sechs Begleiter zogen unterdessen die Jolle an Land.

„Ich glaube, weiter im Süden stehen Häuser“, sagte er plötzlich. „Juan, das Spektiv bitte.“

Juan Flores reichte ihm das Rohr. Der Erste hob es vors Auge und spähte durch die Optik. „Eine Stadt“, stellte er fest. „Mit einem Hafen. Wir schleichen uns etwas näher heran und versuchen, Genaueres auszukundschaften. Ich möchte zumindest feststellen, ob in der Stadt zivilisiertere Menschen leben als auf der Insel, ehe ich an sie herantrete und mit Verhandlungen beginne.“

„Gott gebe, daß wir diesmal Glück haben“, sagte Francisco Sampedro.

Sein Wunsch ging nicht in Erfüllung. Keine halbe Stunde später wurden sie zwei Meilen nördlich von Westport von Uniformierten gestellt, die als Reiterpatrouille des Gouverneurs Bingham einen Routineausflug unternommen hatten – und nun fündig wurden. Acht Mann, die ihre Musketen auf die Spanier richteten …

„Die Waffen weg“, befahl ihr Anführer, ein Leutenant der Stadtgarde, der von Sir Richard Bingham bezüglich „umherschweifender irischer Rebellen und spanischer Bastarde“ seine präzisen Anweisungen erhalten hatte.

De la Torre und seine sechs Männer befolgten den Befehl, denn sie hatten nicht die geringste Chance, sich mit ihren Säbeln und Schiffshauern gegen die Schußwaffen der Engländer zu behaupten.

De la Torre beherrschte die englische Sprache recht gut. Er verstand nicht nur die barschen Rufe, mit denen die Reiter sie jetzt in die Stadt trieben, er begriff etwas später auch fast jedes Wort von dem, was der fette Mann in dem größten Gebäude Westports, der Stadtkommandantur und Verwaltung, zu ihnen sagte.

Sir Richard Bingham – er betrachtete die sieben Jammergestalten mit angewiderter Miene und bedeutete den Gardisten, sie ja nicht zu nah an sein Pult heranzudirigieren.

„Spanisches Lumpenpack, heruntergekommene Bastarde“, urteilte er. „Wer, zum Teufel, hat euch die Erlaubnis gegeben, hier frei herumzulaufen? Von welchem Schiff stammt ihr? Himmel, man muß diese stinkenden Hunde untersuchen lassen, denn es könnte sein, daß sie uns die Cholera nach Westport bringen. Wer seid ihr? Was wollt ihr?“

De la Torre war nicht so dumm, ihm auf englisch zu antworten. Er erkundigte sich vielmehr in seiner Muttersprache: „Versteht hier jemand Spanisch?“

„Lieutenant“, sagte Bingham. „Offenbar ist keiner von diesem Gesindel unserer Sprache mächtig. Holen Sie sofort einen Dolmetscher – und den Arzt, verdammt noch mal. Und daß mir sonst keiner in die Kommandantur kommt, verstanden?“

„Ja, Sir.“

Bingham wollte auf keinen Fall von diesem Killigrew, diesem Ribault oder einem ihrer Männer gestört werden, denn er rechnete damit, daß sie ihm kräftig ins Handwerk pfuschten, wenn sie erst einmal mitansahen, wie er mit solchen Gefangenen wie diesen umzuspringen pflegte. Obwohl er gegen die Spanier kämpfte, sollte dieser Seewolf ein ritterlicher Typ sein, und es konnte gut möglich sein, daß er und seine Kameraden mit so rüden Methoden, wie Bingham sie anwandte, nicht einverstanden waren. Killigrew, so schätzte der Gouverneur, war glatt in der Lage, ihm diese sieben Gefangenen wegzunehmen.

Bingham hatte keine Skrupel, diese Burschen einzeln über die Klinge springen zu lassen, aber erst, wenn er von ihnen erfahren hatte, wo sich ihr Schiff befand und was es an Bord mitführte.

Die Garde hatte zu berichten gewußt, daß weiter nördlich eine Jolle auf dem Ufer der Clew Bay liege, die nicht aussah wie eine englisches oder irisches Boot. Zweifellos waren die sieben spanischen Strolche mit dieser Jolle eingetroffen.

Während der Lieutenant unterwegs war, um den Dolmetscher und den Arzt zu holen, wandte de la Torre sich an seine Begleiter.

„Jetzt können wir noch reden, da hier ja niemand Spanisch versteht“, sagte er. „Kameraden, ich habe den Eindruck, wir sind vom Regen in die Traufe geraten. Meine Menschenkenntnis sagt mir, daß der dicke Kerl dort hinter dem Pult uns nur ausplündern will. Wir dürfen ihm nicht verraten, wo unser Schiff liegt – um keinen Preis.“

„Ruhe!“ rief Bingham. „Ich dulde nicht, daß ihr Hunde miteinander tuschelt!“

„Senor“, sagte Francisco Sampedro zu seinem ersten Offizier. „Der Fettwanst scheint seiner Uniform nach den englischen Besatzungstruppen in Irland anzugehören. Der wird auch nicht davor zurückschrecken, uns ins peinliche Verhör zu nehmen, schätze ich.“

„Hast du Angst davor?“

„Nein, ich nicht.“

„Madre de Dios“, stammelte Juan Flores.

„Ruhe!“ brüllte Bingham. „Bringt diese Bastarde zum Schweigen!“

„Sir“, entgegnete ein Mann der Garde. „Sie verstehen uns doch nicht.“

„Legt mit den Musketen auf sie an, dann werden sie’s schon kapieren!“ schrie der sehr ehrenwerte Sir Bingham, der mittlerweile bedenklich rot im Gesicht geworden war.

Die Stadtgardisten hoben ihre Musketen und zielten auf die Köpfe der Spanier. Das wirkte. De la Torre, Sampedro, Flores und die anderen vier verstummten tatsächlich.

Bingham musterte sie aus schmalen, wäßrigen Augen, Vielleicht hatten sie ihn hereingelegt. Vielleicht verstand einer von ihnen ja doch die englische Sprache. Aber auch das würde er bald herausfinden. Sehr schnell würde er sie zum Sprechen bringen. Oh, sie würden noch froh sein, ihm alles über sich und ihr Schiff beichten zu dürfen.

Der Lieutenant kehrte mit dem Dolmetscher, einem hageren Asketen namens Harris, und dem Arzt von Westport, Doc Wheeler, zurück. Sir Richard Bingham gab den Männern knappe Anweisungen. Die Stadtgardisten hatten die Musketen inzwischen wieder sinken lassen, und der Arzt begann mit einer kurzen Untersuchung der Gefangenen, wobei Harris seine Worte übersetzte – beispielsweise: „Mund auf und Zunge ’raus!“

„Diese Männer leiden an Unterernährung und sind halb verdurstet“, verkündete Doctor Wheeler dann seine Diagnose. „Einige von ihnen sind dem Skorbut sehr, sehr nahe, aber Anzeichen von Cholera und anderen schweren Ansteckungskrankheiten kann ich nicht entdecken.“

De la Torre hatte auch dies verstanden und folgerte im stillen daraus, daß der Feldscher der „Gran Grin“, der seine Befürchtungen außer Kapitän de Mendoza nur ihm, de la Torre, anvertraut hatte, wahrscheinlich doch etwas übertrieben hatte. Noch schien der Hauch der Cholera nicht über der Galeone zu schweben, und das war ein winziger Lichtblick, denn die Mangelerscheinungen konnte man bei den leichteren Fällen auskurieren.

De la Torre war drauf und dran, den Gouverneur und besonders den Arzt jetzt doch um Hilfe zu ersuchen, da sagte Bingham: „Sehr gut, wir brauchen also nicht um unsere Gemütlichkeit zu fürchten. Harris, erklären Sie diesen Elendsgestalten, daß ich sie in den Kerker werfe und der Folter aussetze, wenn sie nicht sofort verraten, wo ihr Schiff liegt und was sie an Bord haben.“

Harris tat sein Bestes, aber de la Torre und seine sechs Begleiter schwiegen eisern. Kein Wort war aus ihnen herauszubringen.

„Führt sie ab“, ordnete Bingham vor Wut keuchend an. „Im Kerker hört man ihr Schreien nicht, wenn ich sie vom Foltermeister einer intensiven ‚Behandlung‘ unterziehen lasse.“

Doc Wheeler wandte sich um und trat zu Bingham ans Pult. „Du solltest dir reiflich überlegen, wie du mit diesen Männern verfährst, Richard“, sagte er. „Sie haben ärztliche Hilfe bitter nötig.“

„Wie? Du würdest sie wirklich pflegen?“

„Sie sind völlig am Ende.“

„Warum stellen sie sich dann so verbohrt an? Die haben noch Reserven, das sind zähe Hunde, sage ich dir.“

„Trotzdem …“

„Welches Gesetz schreibt mir vor, daß ich ihnen Beistand leisten muß?“

„Das Gesetz der Menschlichkeit, das Gesetz der Fairneß und Ritterlichkeit einem Feind gegenüber, der sich in unserer Hand befindet“, sagte der Arzt.

Binghams Blick wurde feindselig. „Solche Gesetze kenne ich nicht. Hör zu, mein lieber Freund, bisher haben wir uns nie gestritten, und ich möchte, daß das auch weiterhin so bleibt, denn ich schätze dich wirklich und würde es bedauern, wenn du für immer aus Westport verschwinden würdest. Ein anderer Arzt an deiner Stelle – nein, das mag ich mir nicht vorstellen, mein lieber Wheeler. Würdest du so weit gehen, das Schicksal dieser spanischen Bastarde zu teilen? Du, der du eine Familie mit drei Kindern zu ernähren hast?“

Doctor Wheeler war bleich geworden. „Ich will nichts gesagt haben“, entgegnete er.

Nach dem üppigen „Frühstück“, das sowohl auf der „Isabella“ als auch auf der „Vengeur“ stattgefunden hatte, fühlten sich Hasard, Jean Ribault, Karl von Hutten und die beiden Crews so richtig faul und zufrieden. Alle blieben vorläufig an Bord ihrer Schiffe, denn wer in der Nacht die Kneipe besucht hatte, hatte jetzt keine Genehmigung zum Landurlaub und vorläufig auch kein Interesse mehr daran. Wer hingegen nachts die Ankerwache hatte schieben müssen und jetzt berechtigten Anspruch auf Ausgang hatte, verspürte ebenfalls keine Lust, sich umzutun und an Land auf die Pauke zu hauen.

„Später vielleicht“, sagte Ben Brighton, der mit Big Old Shane, Ferris Tucker, Carberry, Old O’Flynn und Smoky beim Seewolf in der Kampitänskammer saß.

Ben hatte die acht Glasen dauernde Mittelwache, die von Mitternacht bis vier Uhr morgens dauerte, mit Matt Davies, Jeff Bowie und Al Conroy zusammen durchgeführt. Jetzt streckte Ben auf seiner Sitzgelegenheit die Beine weit von sich und gähnte herzhaft.

„Verzeihung, Sir“, sagte er. „Darf ich mich mal ein wenig gehenlassen? So gut habe ich seit mindestens zwei Wochen nicht mehr gefrühstückt.“

„Bitte, bitte“, entgegnete Hasard. „Du kannst dich auch in deine Koje packen, wenn du willst, es stünde dir rechtmäßig zu.“

„Nein, danke, darauf verzichte ich lieber.“

„Es ist wohl besser, wenn wir alle auf der Hut sind“, sagte nun Big Old Shane. „Diesem Bingham ist nicht über den Weg zu trauen. Der ist imstande und versucht, mit seiner Garde unsere Bordwachen zu überwältigen, sich seinen Proviant wiederzuholen und unsere Schiffsräume auszuplündern.“

„Viel ist bei uns doch nicht mehr zu holen, seit wir der Lissy unsere Schätze abgeliefert haben“, meinte Old Donegal Daniel O’Flynn. „Der würde schön dumm glotzen, der Fettwanst, wenn er unsere leeren Frachträume sehen würde.“

„Spielt keine Rolle“, sagte der Profos. „So ein Widerling wie Bingham ist zu allem fähig. Möchte wissen, was der jetzt in seinem alten Stinkstall, der Stadtkommandantur, ausbrütet.“

„Er will uns doch auf spanische Schiffe hetzen“, sagte Ferris Tucker. „Bestimmt ist er am Tüfteln, wie sich das am besten hinkriegen läßt, statt in seinem Bett zu liegen und zu schnarchen.“

„Eben deswegen habe ich ja Dan und Bill auf Erkundungsgang geschickt“, sagte Hasard. „Sie waren die einzigen, die Lust dazu hatten, sich ein wenig die Beine zu vertreten und bei der Gelegenheit in der Stadt herumzuspionieren.“

Carberry grinste. „Diese beiden Lausekerle sind doch bloß darauf aus, hinter Weiberröcken herzuspionieren. Stimmt’s?“

Jemand klopfte an die Tür der Kapitänskammer, und Hasard hob den Kopf. „Herein.“

Unwillkürlich tasteten die Männer nach ihren Pistolen. Sollte sich jemand an Bord der „Isabella“ geschlichen haben? Das wäre ungeheuerlich! Aber nein, ein Eindringling hätte nicht angeklopft.

In der Tat, es waren Dan O’Flynn und Bill, die jetzt eintraten und sich gleich dem Profos zuwandten.

„Wir haben schon verstanden, was du gesagt hast, Mister Carberry“, erklärte Dan O’Flynn. „Aber du irrst dich. Wir haben unsere Pflicht erfüllt und herausgekriegt, daß der saubere Sir Richard Bingham Spanier gefangen hat.“

„Nun laßt mich mal raten“, sagte Hasard, während Carberry verdrießlich schnaufte. „Bestimmt handelt es sich um Schiffbrüchige.“

Bill nickte eifrig. „Sieben Mann. Es sind bis auf die Knochen abgemagerte Jammergestalten, bei deren Anblick einem ganz elend zumute wird. Wir haben nur gesehen, wie berittene Gardisten die Spanier in den Hof der Kommandantur getrieben haben, mehr nicht.“

„Aber als barmherziger Samariter wird Bingham sich bestimmt nicht aufführen“, fügte Dan O’Flynn hinzu.

„Der Himmelhund“, sagte sein Vater. „Er wird aus ihnen ’rausprügeln, wo ihr Schiff liegt. Dann erscheint er bei uns und verlangt, auszulaufen und den Kahn zu entern.“

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9783954394982
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