Читать книгу: «Seewölfe Paket 9», страница 29

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Carberry stank das zwar ein bißchen, aber er sagte sich auch, daß sie schließlich nicht jeder Spanier kennen konnte.

„Wir sind aus Angst vor diesen Begleitern tagelang zurückgesegelt“, sagte Domingo. „Und nach unseren Karten ist das Mare Sargasso größer als nach den englischen.“

Daran hatte Hasard nicht gedacht. Das Gebiet war nicht stark eingegrenzt, und die Spanier rechneten tatsächlich anders.

„Erzählen Sie weiter‘“, sagte er.

„Sie folgten uns trotzdem, nachdem sie ein paar Tage lang verschwunden waren, und der Ärger ging weiter. An Bord brach Streiterei aus, die Mannschaft wollte meutern. Einige verlangten ernsthaft, der Kapitän solle die Boote abfieren. Die Männer wollten blind drauflospullen, nur um aus der Nähe der beiden schwimmenden Toten zu gelangen. Ein weiterer Mann wurde im Streit erschlagen und über Bord gegeben. Wir setzten jeden Fetzen Tuch, um die Gestalten abzuhängen, doch alles half nichts. Sie änderten den Kurs, sobald wir ihn änderten, sie schwammen schneller, sobald wir mehr Tuch setzten, und sie wurden langsamer, wenn wir abfielen.“

Unter den Seewölfen wurde Gemurmel laut. In dieser vertrackten See ging es nicht mit rechten Dingen zu, aber allen Erfahrungen nach mußte es trotzdem eine Erklärung dafür geben. So dachten jedenfalls die meisten. Einige andere aber nahmen es als durchaus verständlich hin, daß es Dinge zwischen Himmel und Erde gab, die man sich nicht erklären konnte, für die es einfach keine Erklärung gab. Da hatte der Teufel seine Hand im Spiel.

„Wir gerieten dann in diese Kalme und hatten das Gefühl, mit dem Strom nach Südwesten zu driften“, erzählte der Spanier. „Ab und zu sichteten wir kleinere Tanginseln. Um uns herum gab es zeitwiese nur Nebel und ewige Windstille. Dann, ich hatte mich wie üblich tief im Schiffsinnern verkrochen und war eingeschlafen, hatte ich das Gefühl, als wäre das Schiff verlassen. Ich hörte keins der üblichen Geräusche mehr, wurde völlig wach und stieg an Deck. Was ich sah, konnte ich nicht glauben: Die Boote waren abgefiert worden, und auf der ‚Preciosa‘ befand sich keine Menschenseele mehr. Entweder hatten sie mich in ihrer Panik vergessen oder absichtlich zurückgelassen. Ich habe bis heute keine Antwort darauf gefunden.“

„Und der Kapitän war auch mitgegangen?“ fragte der Seewolf. „Oder hat man ihn umgebracht? Gab es vielleicht einen Streit? Ein Kapitän läßt doch sein Schiff nicht so einfach im Stich und geht das Risiko ein, auf einem Boot zu verhungern oder zu verdursten, zumal er sich mehr als tausend Meilen vom Land befindet.“

„Es war die Angst, die sie von Bord trieb. Nackte, bestialische Angst vor den beiden Toten. Ich wäre gern mitgegangen, wenn ich es gewußt hätte.“

„Und dann waren sie allein und fingen an durchzudrehen“, sagte Hasard. „Es muß eine schlimme Zeit gewesen sein.“

„Ich hatte mich verkrochen, weil ich den Anblick nicht mehr ertragen konnte. Ich schlich mich nur an Deck, wenn es dunkel war, um Wasser zu trinken oder etwas zu essen. Tagsüber traute ich mich nicht mehr nach oben, und nachts hatte ich vor Angst Tobsuchtsanfälle und schlug alles kurz und klein. Übrigens glaube ich nicht, daß es Streit mit dem Kapitän gegeben hat, der war nämlich auch heilfroh, das Schiff verlassen zu können.“

„Eine verdammt merkwürdige Geschichte“, sagte Hasard. „Aber jetzt ist ein Teil des Rätsels um das Schiff gelöst. Das andere Phänomen werden wir auch noch herausfinden. Sie können gern an Bord bleiben, wir werden später, wenn es wieder mal aufbrist, irgendeine der Caicos-Inseln anlaufen und Sie dort absetzen, wenn Sie wollen.“

„Ich danke Ihnen, Senor Capitan“, sagte der Spanier einfach. „Ich möchte auch um nichts auf der Welt mehr auf das Schiff zurück. Als Sie mit dem Boot anlegten und ich Schritte oben an Deck hörte, verlor ich fast den Verstand. Ich nahm an, die beiden Toten wären aus der See gestiegen, um mich zu holen.“

„Hat man ihre Körper im Wasser gesehen?“ fragte der Seewolf. „Oder nur die Gesichter?“

„Nur die Gesichter, die sich durch das Wasser schoben, sonst nichts. Weshalb fragen Sie?“

„Hatte man die Leichen nicht eingenäht?“

„Nein, nur mit Kanonenkugeln beschwert. Warum der Kapitän das tat, weiß ich nicht. Es ist nicht üblich.“

Old O’Flynn, für den die Geschichte ein gefundenes Fressen war, schaltete sich ein.

„Das war die Rache der Verstorbenen“, behauptete er ernsthaft. „Man hat ihnen kein ordentliches Seebegräbnis gegeben, und daher schwammen sie neben dem Schiff her, um vom Kapitän das zu fordern, was ihnen zustand.“

„Du alter Spökenkieker“, sagte Carberry schroff. „Ja, hat die Welt denn schon so was gehört, was, wie? Glaubst du etwa, die Toten auf den Friedhöfen an Land, die keine Blumen kriegen, stehen wieder auf und beschweren sich darüber? Oder schleichen die vielleicht um die Gärten und holen sich selber welche?“

O’Flynns Gesicht wurde ausgesprochen lang und grimmig. Er sah jetzt fast aus wie der Stör, der Wikinger vom Schwarzen Segler.

Und dann polterte er los.

„Auf See ist alles anders, du Klotzkopf! Merk dir das endlich gefälligst. Da gibt es Dinge, für die kein Profos mehr zuständig ist. Da lachen die über einen Profos höchstens, das kann ich dir sagen, aber du kapierst das ja doch nicht. Und wie war das damals, das Unerklärliche, was wir selbst schon erlebt haben? Ha! Da hast du Augen wie Ankerklüsen gekriegt, Mann!“

„Wie war das damals, wie war das damals!“ äffte der Profos den Alten nach. „Deine lausigen Kühe auf dem Meeresgrund hat es auch nie gegeben und auch nicht deine Wassergeister, die nachts an der Bordwand kratzten und nur verschwanden, wenn man ihnen leere Flaschen zum Spielen gab!“

„Und wer hat die Flaschen geholt, hä?“ schrie der Alte erbost. „Und woher kam das Schiff, das plötzlich in der Luft stand und genau auf uns zusegelte!“

O’Flynn redete sich in Eifer und Rage, und die anderen hörten begeistert zu, daß die beiden Männer sich wieder einmal am Haken hatten.

„Jedenfalls gibt es für alles eine Erklärung, Donegal Daniel O’Flynn“, sagte der Profos. „Bloß will das nicht in deinen verdammten Holzkopf rein, weil du immer was suchst, über das du faseln kannst!“

Der Spanier verfolgte das Duell der beiden grundverschiedenen Männer mit offenem Mund. Natürlich verstand er kein Wort davon, und begriff nicht, um was sie sich stritten.

„Schluß jetzt“, sagte Hasard. „Fangt nur nicht an zu spinnen wie die Burschen von dem Don. Wir werden noch einmal hinüberpullen und die See um das Schiff herum absuchen. Dabei nehmen wir gleich die Habseligkeiten des Mannes mit.“

Der Profos hustete völlig unmotiviert und verschluckte sich fast.

„Da noch einmal hinüber?“ fragte er. „Aber ohne mich diesmal, Sir, ich kenne den Kasten jetzt in- und auswendig.“

Hasard sah seine Männer an. Sie waren durch Erfahrungen gewitzt und geläutert, sie hatten die Welt umsegelt und fürchteten nicht Tod und Teufel. Und doch entdeckte er wieder das gleiche Phänomen bei den meisten.

Sie wollten von dem Kahn nichts mehr wissen, seit sie die Geschichte gehört hatten. Ein Rest Respekt vor dem Unerklärlichen war doch noch geblieben, der Aberglaube, der sie heimlich plagte. Aber welchen Seemann plagt der nicht? dachte Hasard.

Es war das ewige Spiel vor einer Sache, die niemand begriff, der er nichts entgegenzusetzen hatte, die kreatürliche Urangst, und die ließ sich auch bei den Seewölfen nicht völlig austreiben, da mochten sie hart sein, wie sie wollten.

Aber da schien überraschend der Blitz auf der „Isabella“ einzuschlagen, und dieser Blitz erschien in Gestalt des alten O’Flynn, der mit seinem Holzbein nachdrücklich auf die Planken pochte.

„Ich gehe mit“, sagte er entschieden. „Schon um diesem klotzköpfigen Profos zu beweisen, daß es wahr ist. Und der Teufel soll mich lotweise mit Pech und Schwefel holen, wenn an der Sache nicht etwas dran ist.“

Alle starten entgeistert O’Flynn und sein entschlossenes Gesicht an, das keinen Widerspruch duldete.

„Du gehst mit?“ fragte der Profos langgedehnt und überrascht. „Ausgerechnet du, der vor jedem Geist soviel Schiß hat wie ein Moses vor dem ersten Sturm!“

Das verstand niemand, auch Hasard nicht. Aber der Alte blieb dabei und ließ sich nicht umstimmen. Und als sein Sohn Dan etwas sagen wollte und gerade den Mund auftat, hob O’Flynn den Finger.

„Halt dein Maul!“ rief er. „Ich weiß, was du sagen willst. Aber sage es nicht.“

„Ich wollte ja nur husten, Dad“, sagte Dan treuherzig. „Seit wann ist das denn hier verboten?“

„Husten kannst du später. Und jetzt laßt mich endlich in das Boot, ihr plattnasigen Seegurken!“

O’Flynn humpelte mit seinem Holzbein über die Kuhlgräting und stieß einen leisen Schrei aus. Sein künstliches Bein hatte sich in der Gräting festgeklemmt, und so stand er da, zog, zerrte, fluchte und schimpfte in allen Tonarten. Er kriegte sein Bein nicht mehr heraus, es steckte fest.

„Ferris!“ schrie er. „Nimm die Axt und hau das verdammte Gräting auseinander!“

Tucker grinste ihn an.

„Warum denn so umständlich, Donegal? Die schöne Gräting zerhakken? Wir sägen einfach dein Bein ein Stückchen ab.“

„Wage es ja nicht!“ brüllte O’Flynn. „Du rothaariger Mustopf kannst nicht einfach mein Bein absägen!“

„Na, wenn das kein schlechtes Zeichen ist“, lästerte Dan. „Das heißt doch nichts anderes, als daß dich die guten Geister nicht von Bord lassen wollen, weil dir drüben etwas passieren wird!“

Den Alten focht das nicht an. Er war so in Rage wie selten zuvor, und das gab ihm noch einmal Kraft. Mit einem gewaltigen Ruck befreite er sich aus der hinterhältigen, verlausten Gräting, wie er sie nannte.

Dann marschierte er grummelnd zum Schanzkleid und kletterte die Jakobsleiter hinunter.

Hasard und Dan O’Flynn folgten ihm achselzuckend. Die anderen wollten angeblich bei dem Spanier bleiben oder auf die „Isabella“ aufpassen, wie sie versicherten.

„Sehr gut“, lobte Hasard. „Dann paßt nur auf, daß euch niemand das Schiff unter dem Hintern wegklaut.“

Er wollte dem Phänomen auf die Spur kommen, und etwas später pullten sie los, mit dem größten Spektiv bewaffnet, das sie an Bord hatten.

7.

Immer wieder lichtete sich der Nebel ein wenig, und ein kaum merkbarer Windhauch strich durch die Schwaden.

Hasard und Dan pullten schweigend, ihre Blicke unentwegt auf das grantige Gesicht Donegals gerichtet, der es gar nicht erwarten konnte, endlich den geheimnisvollen Segler im Nebel auftauchen zu sehen.

Ab und zu vergewisserte sich Hasard auf dem Kompaß, ob die genaue Richtung noch stimmte.

„Eine Kabellänge von Bord entfernt auf Backbord, hat der Spanier gesagt“, murmelte Hasard. „Es sollte doch mit dem Teufel zugehen, wenn wir trotz des Nebels nichts entdekken.“

„Es wird schon ein wenig heller“, sagte Dan zuversichtlich. „Es wird nicht mehr lange dauern, dann können wir wieder weitersegeln. Spürt ihr den Wind?“

„Wind?“ sagte Hasard. „Das ist nicht mal ein Lüftchen, und es wird noch eine Weile dauern, bis er aufbrist.“

„Du setzt dich jetzt auf die achtere Ducht“, befahl O’Flynn seinem Sohn. „Ich pulle, weil du besser sehen kannst.“

Schweigend wurden die Plätze gewechselt, und diesmal blickte Dan angestrengt in die milchige Suppe vor ihnen, die sich ständig veränderte.

Diesmal starrte er allerdings vergebens, und der Seewolf blickte ihn mehrmals auffordernd an, aber Dan zuckte nur mit den Schultern.

„Wo bleibt denn dieser lausige Eimer?“ fragte der Alte. „So weit weg war er doch gar nicht!“

„Ich finde es selbst merkwürdig. Wahrscheinlich haben wir uns wieder um ein paar Yards verfehlt.“

Vor dem Boot entstand eine Gasse im Nebel, man konnte überraschend weiter als fünfzig Yards sehen, aber von dem Schiff fand sich keine Spur.

Hasard drehte nach Backbord ab, genau wie beim ersten Mal, und kehrte dann in einem halbkreisförmigen Bogen zurück.

„Da ist es!“ sagte Dan. „Aber – verdammt, das ist ja unser Schiff, die ‚Isabella‘!“

Nur ganz kurz war aus der Ferne der Rumpf der schlanken Galeone zu sehen, dann schoben sich Schleier dazwischen und verbargen ihn.

„Dann liegen wir genau auf dem richtigen Kurs“, sagte Hasard zu Dan, der sich ständig umdrehte und in alle Richtungen sah.

Es blieb dennoch merkwürdig. Die Entfernung stimmte etwa, der Standort ebenfalls, aber sie fanden die „Preciosa“ nicht. Es schien, als hätte das Meer sie verschluckt.

Hasard zog immer weitere Kreise, und gleich darauf sahen sie die „Isabella“ aus der Ferne noch einmal für kurze Zeit. Immer mehr begann sich der Nebel zu lichten, nur an vereinzelten Stellen trieben noch dichte, wallende Bänke über das Meer.

Als die Sanduhr, die Dan mitgenommen hatte, zum zweiten Mal abgelaufen war, herrschte Ratlosigkeit. Die drei Männer sahen sich an und hoben erstaunt die Schultern.

„Das begreife ich jetzt wirklich nicht“, sagte Dan und zeigte mit der Hand in alle Richtungen. „Ob der verdammte Kahn abgedriftet ist? Oder hast du eine andere Erklärung?“

Hasard blickte ebenfalls zur „Isabella“, die jetzt nur noch als kaum sichtbarer Schatten in der See stand.

„Ich weiß nicht, was es mit diesem merkwürdigen Schiff auf sich hat. Mir ist, als hätte ich das alles nur geträumt. Das Schiff tauchte so plötzlich auf, und genauso plötzlich verschwand es auch wieder. Möglich, daß es weitergedriftet ist und wir es verfehlt haben. Wenn die Sanduhr erneut abgelaufen ist, geben wir auf und kehren an Bord zurück.“

Wieder streifte sie ein Windhauch, und die ersten Sonnenstrahlen schienen herab. Sie waren aber noch nicht in der Lage, den Nebel auf dem Wasser aufzulösen.

Die Sanduhr lief ab, ohne daß sie den Spanier fanden. Um sie herum begann es sich merklich zu lichten.

„Wir kehren um“, sagte Hasard. „Wenn der Nebel weg ist, und es aufbrist, holen wir den Don schon noch ein.“

„Immer wenn ich mal dabei bin“, murrte Old O’Flynn, „dann passiert aber auch rein gar nichts. In solchen Dingen habe ich wirklich Pech.“

„Nicht zu ändern, Donegal.“

Der Rest des Weges wurde schweigend zurückgelegt. Die Orientierung fiel leicht, denn immer wieder zeigten sich die Konturen der „Isabella“, die wie ein verblaßter Schemen auf dem Wasser lag.

Sie legten etwas später an und gingen an Bord.

„Nehmt das Beiboot gleich an Bord“, sagte Hasard. „Das andere Schiff haben wir nicht gefunden, vermutlich ist es abgedriftet oder steckt noch in einer entfernteren Nebelbank.“

Domingo blickte den Seewolf forschend an.

„Es ist schade, Senor Capitan, daß Sie es nicht gefunden haben. Aber vielleicht sichten wir die ‚Preciosa‘ später noch einmal.“

„Das ist gut möglich. Wie fühlen Sie sich?“

„Mir geht es ausgezeichnet, und ich bin Ihnen zu großen Dank verpflichtet. Wenn Sie mich wirklich auf einer der Caicos-Inseln absetzen, werde ich Landsleute von mir treffen, die mich wieder mitnehmen. Hoffentlich ist es kein Umweg für Sie, Senor.“

„Nicht der Rede wert. Die Spanier laufen die Caicos ja ständig an. Vielleicht ist sogar die Besatzung der ‚Preciosa‘ dort irgendwo gelandet.“

„Das kann ich nicht glauben. Sie sind bestimmt irgendwo verhungert oder verdurstet. Sie haben ihre Flucht nicht genügend vorbereitet und an Wasser und Proviant in ihrer Angst nicht sehr viel mitgenommen.“

Hasard konnte und wollte dem Spanier nicht sagen, daß sie die geheimnisvolle Schlangen-Insel anliefen, um dort in der Karibik wieder einmal nach dem Rechten zu sehen. Mochte der Mann auch grundehrlich und anständig sein, ein unbedachtes Wort von ihm genügte, und die Dons kannten den reichsten Schlupfwinkel der Seewölfe und das Geheimnis der Schlangen-Insel.

Aus dem Grund konnte der Mann nicht an Bord bleiben, und Hasard nahm deshalb den kleinen Umweg über eine der Caicos-Inseln in Kauf. Dort würde der Spanier, mit reichlich Proviant und Trinkwasser ausgestattet, schon bald auf seine Landsleute treffen, die dort öfter ihre Vorräte ergänzten.

Wieder fuhr ein lauwarmer Hauch über das Schiff und vertrieb die Nebelschwaden.

Hasard konnte sich nicht weiter um den Spanier kümmern, denn es sah so aus, als würden sich die schlaff herabhängenden Segel bald mit Wind füllen. Die ersten Anzeichen dafür waren da.

„Haltet euch bereit!“ rief der Profos. „Oder riecht ihr den Wind noch nicht, ihr Heringe? Gleich ist er da, und dann werde ich euch an die Schoten und Brassen jagen, bis euch das Wasser aus den Poren dampft.“

„Laß es erst mal aufbrisen, Mann“, sagte Smoky, „dann kannst du deine Sprüche immer noch loswerden! Vorerst ist noch gar nichts los, das dauert noch.“

Es dauerte wirklich noch eine ganze Zeit, bis aus dem lauwarmen Luftzug ein ganz lindes Lüftchen wurde, das zum Segeln noch längst nicht reichte. Aber es vertrieb den Nebel immer mehr.

Im Vordeck brüllte schon wieder der Kutscher mit den Zwillingen und Sir John herum und vollführte groteske Sprünge, als er nach dem Aracanga griff.

Die Zwillinge, Hasard und Philip, flitzten von vorn durch die Kuhl, und weiter nach achtern, gefolgt von Sir John, der bei dieser Jagd merkwürdig still blieb. Er krächzte nicht, er schimpfte und zeterte auch nicht, ein Zeichen, daß es ihm die Sprache verschlagen hatte.

„Was ist denn mit diesen Bordflöhen wieder los?“ fragte Carberry den tobenden Kutscher, zu dem sich Old O’Flynn gesellte. Auch ihm war das Spielchen nicht entgangen, das die beiden wieder mit Inbrunst betrieben, und deren wahren Hintergrund er immer noch nicht durchschaute.

Der Kutscher reckte empört seine magere Brust heraus.

„Das war doch von Anfang an so merkwürdig“, sagte er aufgebracht. „Dauernd kreuzte dieser Federbalg in der Kombüse auf und strich über die Töpfe. Jetzt bin ich dahintergestiegen, was diese beiden Bordwanzen angestellt haben.“

„Nun quassel nicht dauernd um den Brei herum, Kutscher. Was also haben sie angestellt, die Rübenschweinchen?“ fragte Ed.

„Eigentlich nichts“, mußte der Kutscher zugeben. „Der mistige Papagei war es. Der klaut dauernd Kandiszucker aus dem Sack.“

„Kandiszucker?“ fragte O’Flynn verblüfft. „Seit wann fressen Papageien denn Kandiszucker?“

„Seit ein paar Tagen schon.“

Carberry drehte sich langsam um. Da standen sie, achtern am Niedergang, und ihre unschuldigen Gesichter verrieten, daß sie entweder Zahnschmerzen hatten oder etwas kauten.

Ed sagte kein Wort, er krümmte nur den Zeigefinger und winkte.

Als die beiden losrannten, flitzte der Papagei in luftige Höhen und begann dort sein Gezeter.

Ziemlich atemlos standen sie dann vor dem Profos.

„Na, was habt ihr denn da eben gemampft?“ fragte er sanft.

„Au Backe“, sagte der kleine Hasard. „Sir John ließ ein Stück Kandiszucker fallen, und weil es ein ziemlich großer Brocken war, haben wir ihn uns geteilt.“

„Jetzt blicke ich endlich durch“, sagte O’Flynn. „Jetzt weiß ich, wie das gelaufen ist. Mir habt ihr Zwerge gesagt, ihr wolltet ihm das Fliegen beibringen, und das ausgerechnet in der Kombüse. Ihr habt ihm beigebracht, wie man Kandiszucker aus dem Sack klaut, nichts anderes.“

„Das war Sir Johns Schuld“, sagte Hasard.

„Klar, wir haben schließlich nichts geklaut“, sagte sein Bruder Philip eifrig. „Was können wir denn dafür, wenn er Kandis klaut und ihn aufs Deck schmeißt. Wir haben ihn nur aufgehoben und gegessen, mehr nicht.“

„Mehr braucht ihr ja auch nicht zu tun“, sagte Ed grimmig. „Aber wenn ihr nicht jeden Tag etwas Neues aushecken könnt, dann fühlt ihr euch anscheinend nicht wohl, was, wie?“

Die beiden senkten die Köpfe und blickten auf die Planken. Eds Zorn war schon längst verraucht, schließlich war niemand zu Schaden gekommen, aber er bewunderte doch insgeheim, wie clever die beiden Kerlchen waren, und was sie bei dem Gaukler alles gelernt hatten.

„Nun mal ehrlich unter uns Brüdern“, sagte er wohlwollend. „Ich will nur den Trick wissen, denn von allein klaut der Papagei nur das, was er selbst gern frißt. Und Kandiszukker gehört nun einmal nicht dazu. Wie war das also?“

Hasard, meist der Sprecher der beiden, blickte den Profos treuherzig an und grinste.

„Das war so, Mister Carberry, Sir, also wir haben dazu mehr als eine Woche gebraucht, weil der Papagei Angst hatte, in die Kombüse zu fliegen. Dann haben wir ihn mit Sonnenblumenkernen gelockt und mit Stücken von Nüssen.“

„Und Mais haben wir ihm auch gegeben“, erklärte Philip.

„Ja, Mais auch. Es war nicht ganz leicht, und es ging nur, wenn der Mister Kutscher nicht da war. Wir haben ihm Kandiszucker in den Schnabel gestopft und den Schnabel zugehalten. Philip ging dann nach draußen und lockte ihn wieder mit Nüssen und Kernen.“

„Und dann?“ fragte Ed mit steinernem Gesicht.

„Dann flog Sir John raus, ließ den Kandis fallen und schnappte sich die Kerne. Na, und dann hatten wir ihn, und wenn Sir John was zu fressen haben wollte, mußte er Kandis bringen. Er hat fast zwei Tage lang gehungert“, sagte Hasard bedauernd. „Aber dann hat er genau gewußt, was er tun muß.“

„Er flog bis aufs Achterdeck“, erklärte Philip stolz, „und sobald er Hunger hatte, ging er klauen, sauste in die Kombüse und flog mit Kandis im Schnabel wieder zurück.“

Jetzt grinste auch Philip, und dann prusteten alle beide los, krümmten sich und lachten, bis ihnen die Tränen über die Gesichter liefen.

Carberry stand wie belämmert da, Old O’Flynn hatte es die Sprache verschlagen, und der Kutscher schnappte empört nach Luft.

„Wenn ihr mit eurem wahnsinnigen Gelächter fertig seid“, sagte Ed, „dann wird sich einer von euch bequemen, den dünnen Tampen an der Nagelbank zu holen, damit ich euch zum Tänzchen aufspielen kann. Und Sir John“, sagte er und wandte sich an den Kutscher, „den kannst du nachher rupfen und heiße Brühe von ihm kochen. Ich dulde keine verklauten Papageien an Bord, verstanden!“

Aus dem brüllenden Gelächter wurde gleich darauf ein klägliches Jammern.

„Nein, Sir John kann nichts dafür, Mister Profos, Sir. Wir sind schuld. Lieber lassen wir uns kielholen.“

„Ja, ich lasse mich auch kielholen“, versicherte Philip, „wenn Sir John was passiert.“

„Kielholen“, sagte Ed und strich sich über das Kinn. „Da bringt ihr mich auf eine gute Idee. Gut, der Vogel bleibt ungerupft, aber euch Würstchen lasse ich kielholen. Los, mein Junge, du bist zuerst an der Reihe.“

Er packte den verblüfften Hasard am Kragen, drehte ihn um und ging in die Kombüse, wo der Zuckersack stand.

Dann hielt er ihn an den Beinen, bis Hasard kopfüber über dem Kandiszukker hing.

„Schnabel auf und hol dir einen Brocken!“ befahl der Profos.

Hasard junior wußte nicht, wie ihm geschah, aber wenn der Profos ihn im Zuckersack kielholen wollte, nun – der Profos mußte es schließlich selbst am besten wissen.

Gehorsam schnappte er einen Brocken und hielt ihn mit den Zähnen fest.

Carberry drehte den Bengel um und stellte ihn auf die Beine. Dann verfuhr er mit seinem Bruder in der gleichen Weise. Die beiden begriffen überhaupt nichts mehr. Jeder mit einem taubeneigroßen Brocken im Schnabel, so standen sie verdattert da. Carberry holte mit der flachen Hand aus und gab jedem einen Klaps auf den Hintern.

„Sag mal“, rief der Kutscher empört. „Was sind das denn für komische Erziehungsmethoden? Dafür, daß sie Kandiszucker klauen, werden sie auch noch belohnt? Wo, auf der Welt, gibt es denn so etwas noch?“

„An Bord der ‚Isabella‘“, erwiderte Ed ungerührt. „Ich werde dir mal was sagen, Kutscher: Wenn einer dumm und brutal vorgeht beim Klauen, dann gehört ihm eins auf die Schnauze, weil es ihm ganz einfach an Grips fehlt. Aber wer so ausgekocht und clever vorgeht, der hat meine Anerkennung. Und die beiden Sandflöhe haben sich ja auch wirklich alle Mühe gegeben. Deshalb gab ich jedem noch einen Brocken, denn für eine ganze Weile wird es ihr letzter sein. Und nun zu euch beiden Vorpiekläusen. Wenn das noch einmal passiert, dann ist hier der Teufel los. Es ist niemand zu Schaden gekommen, dem Koch fehlen nur ein paar Stücke Zucker, und die kann er verschmerzen. Was soll’s also! Aber es war das letzte Mal, habt ihr das verstanden, ihr Blubberfische?“

Hasard gab dem Profos seine kleine Hand und sah ihm in die Augen.

„Jetzt passiert das nie mehr, Mister Profos, Sir. Darauf gebe ich mein Wort als Seewolf.“

„Als Seewölfchen, meinst du wohl!“

„Und ich gebe auch mein Wort darauf“, versicherte Philip.

„Gut, ich glaube euch. Und jetzt verschwindet nach achtern zu eurem Vater und erzählt ihm die Sache mit Sir John. Und wenn der Papagei noch einmal Kandis holt, könnt ihr euch mit seinen Federn schmücken und den Rest als Brühe trinken. Ist das klar?“

„Aye, Sir!“ schrien beide. Und dann flitzten sie los.

Der Kutscher sah immer noch mißmutig den Profos an. Nur O’Flynn grinste, obwohl ihn die beiden Satansbraten so clever übertölpelt hatten – oder vielleicht gerade deshalb.

„Haben wir uns nicht auch schon alle möglichen Tricks ausgedacht, um die Dons in die Pfanne zu hauen?“ fragte Ed.

„Schon, schon“, gab der Kutscher zu.

„Und kriegten wir nicht auch für unsere Gerissenheit immer eine Belohnung?“

„Ja, schon. Gold oder so“, meinte der Kutscher lahm.

„Demnach muß so was wenigstens etwas belohnt werden, oder?“

„Hm, wenn du meinst. Aber den Zuckersack stelle ich weg.“

„Klar, die Spanier haben ihre Beute auch immer in Sicherheit gebracht, nachdem wir sie gerupft hatten. Und du als Kombüsenhengst hättest das längst merken müssen.“

„Ich hab mir nichts dabei gedacht.“

„Du bist wie ein richtiger Spanier“, sagte Ed grinsend. „Die haben sich auch immer nichts dabei gedacht. Die merkten es erst, wenn es zu spät war.“

„Du kannst mich mit allem vergleichen, aber nicht mit einem verdammten Don!“ schrie der Kutscher.

„Du mußt das nicht so verbissen sehen, Kutscher. Reg dich wieder ab, die beiden waren eben um eine Nummer besser als du. Ich an deiner Stelle würde meine Niederlage eingestehen, und ihnen dafür auch noch ein Kandis geben.“

„Soweit sind wir also schon! Da wird man von vorn und hinten begaunert und soll noch Loblieder anstimmen. Und jetzt nimm deine Griffel vom Schott und laß mich in Ruhe.“

Der Kutscher donnerte das Schott hinter sich zu und ging an seine Arbeit.

Aber Old O’Flynn stand noch lange da und grinste, wobei sein Gesicht noch zerknitterter wurde, als es schon war.

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