Читать книгу: «Seewölfe Paket 10», страница 27

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Hasard übergab dem Alten den Stoffballen und legte ihm auch die Messer vor die Füße. Er wußte nicht, ob sie Messer dieser Art kannten, deshalb demonstrierte er mit einem, wie man blitzschnell einen Zweig vom Ast trennte.

Dann warf er das Messer aus der Drehung zwischen Daumen und Zeigefinger auf einen Baumstamm, in dem es steckenblieb.

Die jungen Burschen brüllten begeistert, griffen zu den Messern, verbeugten sich und nahmen sie in die Hand.

Dann trat der Papalagi vor und deutete eine Verbeugung an.

Mit einer allumfassenden Bewegung, die die gesamte Insel einschloß, sagte er laut und deutlich:

„Otaheite!“

„Otaheite heißt die Insel also, die wir Tahiti nennen“, sagte Hasard.

Das Brausen des Wasserfalles, der aus einer Höhe von fast zweihunderts Yards herabstürzte, klang immer noch in seinen Ohren, und er mußte genau hinhören, um die Worte zu verstehen.

Der alte Mann deutete auf sich und sagte: „Papalatschi!“

„Otaheite, Papalatschi“, wiederholte Hasard und vollführte dabei die gleichen Bewegungen.

Der Alte nickte eifrig, und über sein verwittertes Gesicht zog ein strahlendes Lachen. Wieder kicherten die Aualuma, und eine von ihnen, die leuchtende Hibiskusblüten im langen schwarzen Haar trug, trat näher, sah ihm aus kohlschwarzen Augen ins Gesicht und legte ihm kichernd die Hand auf die Schulter. Daß ihr Busen ihn dabei berührte, störte sie nicht im geringsten.

„Na, hier scheint uns ja noch einiges bevorzustehen“, murmelte Dan O’Flynn, aber er war nicht unglücklich darüber, wenn die Mädchen hier so offenherzig waren.

Er grinste zurück, und damit hatte er bereits ihr Herz gewonnen.

Hasard hielt sich zurück, er sagte nichts, er wies auch Dan O’Flynn nicht zurecht, der auf die Annäherungsversuche einging. Andere Länder, andere Sitten, war seine Devise, und wenn die Insulaner eben so waren, dann mußte man auch auf sie eingehen. Alles andere führte nur zu Mißverständnissen und Ärger, und den wollte er gern vermeiden.

Er deutete auf sich und sagte: „Hasard.“ Dann nannte er Dans Namen und den der Roten Korsarin.

Der Papalagi versuchte nachzusprechen, aber bei dem Versuch brach er sich fast die Zunge ab, was bei den Aualuma wiederum einen Sturm der Heiterkeit hervorrief.

„Hasaid“, wiederholte der Papalagi verbissen, „Dehn, Siritonga.“

Hasard lachte mit. Was soll’s, dachte er, diese aufgeschlossenen, fröhlichen Menschen gefielen ihm. Sie waren natürlich und gaben sich fröhlich und unkompliziert.

Der Papalagi redete auf Hasard ein, in einer wohlklingenden Sprache, von der Hasard jedoch kein einziges Wort verstand.

Hasard versuchte seinerseits zu erklären, daß sie von dem Schiff in der Bucht waren, und brachte dem Papalagi bei, daß sie die anderen verjagt hätten, die die Brotfrucht stehlen wollten.

Der alte Mann nickte ernst, als verstünde er jedes Wort. Er zeigte durch Gesten an, daß sie alles gesehen hätten.

Von da an ging es viel leichter, und die Verständigung, die der Seewolf als so schwierig gesehen hatte, klappte ganz gut.

Lediglich die jungen Mädchen stifteten noch leichte Verwirrung, aber wenn der Papalagi das ungerührt hinnahm und die anderen sich auch nichts dabei dachten, dann mußte Hasard es erst recht hinnehmen.

Einige Aualuma streiften ungeniert ihre Röcke ab, stellten sich etwas abseits hin und probierten den Stoff aus. Daß sie dabei hüllenlos dastanden, störte keinen, nur der Seewolf dachte mit leisem Bangen an seine Crew. Wenn die Kerle erst einmal herausgekriegt hatten, wie natürlich sich die Inselschönheiten gaben, dann war bei denen kein Halten mehr.

Aber das würde die Zeit mit sich bringen, überlegte er.

Durch Gesten bedeutete der Papalagi ihnen, zu folgen.

5.

Hasard hätte sich in dieser Wildnis niemals zurechtgefunden, und er mußte seine Meinung über die Insel Otaheite noch einmal gründlich revidieren.

Tahiti war nicht nur groß, es war ein riesiges Felsmassiv mit schroffen Bergen, steil abfallenden Felswänden, undurchdringlichem Regenwald, Wasserfällen und kleineren Seen.

Der Papalagi führte sie einen steilen Pfad hoch, der in gekrümmtem Bogen dem Wasserfall folgte.

Der Alte ging unbekümmert, als wäre er erst zwanzig Jahre alt. Er kannte keine Rast, unermüdlich stieg er weiter.

Wieder nahm sie der tropische Hochwald auf. Einmal blieb der Papalagi stehen und zeigte mit der Hand in die Tiefe. Von einer Lichtung aus sahen sie die „Isabella“, so unvorstellbar klein, daß man sie scheinbar in der hohlen Hand verbergen konnte.

Es gab völlig einsame und verlassene Täler in dieser romantischen Inselwelt. Weiter hinten zeigten sich siebentausend Fuß hohe Berge mit schaurigen Felshängen. Drei der Bergspitzen sahen aus wie das Diadem einer Riesendame. Sie funkelten prachtvoll im hellen Licht der Sonne.

Nach einer Weile sahen sie den großen See.

„Waihiria“, sagte der Alte und nickte dem Seewolf zu.

Seitlich des Waihiria-Sees standen ein paar Hütten, und davor tummelte sich ein unbesorgt scheinendes Völkchen, das ihnen neugierig entgegenlief.

Die drei von der „Isabella“ wurden bestaunt, betastet, und jeder lächelte ihnen zu.

Der Papalagi sprach zu ihnen, schnell, sprudelnd, wie es sonst gar nicht seine Art war, und unterstrich seine Worte mit Gesten und Bewegungen.

Jubel brach los. Ein junges eingeborenes Mädchen mit samtenen, strahlenden Augen, die fröhlich und etwas schelmisch aus einem fast kindlichen Gesicht blickten, ging auf Hasard zu und berührte seine Lippen mit ihrer Hand.

Sie begrüßte auch Siri-Tong und Dan auf die gleiche Weise und sah sie immer wieder staunend an, denn sie wich beträchtlich von dem Inseltyp ab und war ständiger Anlaß zur Neugier.

Vor einem freien Platz bei den Hütten ließen sie sich auf dem Boden nieder.

Zwei Aualuma kamen, Kokosschalen in den Händen, und boten den Kawa an, den Willkommenstrunk, der aus der Kawawurzel bereitet wurde.

Zum Glück kannten weder Hasard noch Dan oder Siri-Tong die Zubereitung, denn die Kawawurzel wurde von den Aualuma einfach gekaut und in einen großen Topf gespuckt.

Angesichts der ungeniert wippenden vielen Brüste verschluckte sich Dan O’Flynn mehrmals, und immer wenn er hustete, begann das Gekicher der Dorfschönen.

Hasard sah interessiert zu, wie zwei ältere Frauen die gleiche Frucht in Scheiben schnitten, die sie bei der hölzernen Statue gefunden hatten. Die Scheiben wurden auf glühendheiße Steine gelegt und von zwei Seiten gebakken.

Der Papalagi wies immer wieder auf die Frucht, zeigte auf Hasard, dann in Richtung der „Isabella“, wieder auf sich, faltete dann die Hände und verbeugte sich. Durch weitere Gesten deutete er an, daß fremde Männer die Frucht mitnehmen wollten, daß die Leute der „Isabella“ das jedoch verhindert hätten.

Hasard begriff sehr schnell.

„Die Brotfrucht“, sagte er, „das Grundnahrungsmittel der Insulaner, das ihre Existenz sichert. Der Duft dieser gebackenen Frucht ist einfach unbeschreiblich.“

„Wirklich wie heißes, frisch gebakkenes Brot“, sagte Siri-Tong. „Nur noch würziger.“

Eine zahnlose Alte plinkerte Hasard vertraulich zu. Ihr faltenreiches Gesicht war von tiefen Runzeln durchzogen, vorn fehlten ihr die Schneidezähne. Sie versuchte, Hasards Blick festzuhalten, und der Seewolf grinste belustigt.

„Die hat es auf dich abgesehen, Sir“, sagte Dan frech. „Mit der wird der Inselkäptn dich später verheiraten.“

„Male bloß nicht den Teufel an die Wand“, sagte Hasard entsetzt.

„Doch, so sind hier die Sitten“, behauptete Dan.

Daß die runzelige Alte den Seewolf ganz besonders gern mochte, bewies sie wenig später, als die heißen Brotfrüchte verteilt wurden.

Der Seewolf erhielt die dicksten Scheiben, und die Alte hockte sich zu seinen Füßen auf den Boden und ermunterte ihn durch Gesten zum Essen.

Dan grinste unverschämt, und immer wenn die Alte dicht bei Hasard war, lachten die Aualuma und riefen laut: „Isa ele ma le lo matun!“, was soviel hieß wie, die Alte solle sich schämen.

Hasard ließ sich nicht weiter stören. Er biß kräftig in die geröstete Scheibe Brotfrucht und war von dem angenehmen und aromatischen Geschmack mehr als überrascht.

„Das schmeckt noch besser, als es riecht“, stellte er bewundernd fest. „Kein Wunder, daß die Dons so gierig darauf sind. Wir werden jedenfalls alles tun, was in unseren Kräften steht, den Insulanern diese Frucht zu erhalten.“

„Und die Dons zur Hölle zu schikken, wenn sie hier noch einmal aufkreuzen“, murmelte Dan, dem es sichtlich schmeckte und der sich so wohl fühlte wie schon lange nicht mehr.

Sie wurden verwöhnt und regelrecht gehätschelt. Die Blicke waren eindeutige Bewunderung, von den Aualuma aber auch zärtliches Verlangen.

Eifersucht schien es auf dieser Insel nicht zu geben, stellte Siri-Tong verblüfft fest, denn es störte keinen der jungen Burschen, wenn eine Aualuma ungeniert flirtete.

Nach dem Essen, es hatte noch Tomaten, Zitrusfrüchte, Ananas, Kokosmilch, Maniok und Bananen gegeben, versuchte Hasard dem Papalagi zu erklären, daß ihre Hütten ihnen wieder zur Verfügung ständen und sie keine Angst mehr haben sollten.

Es dauerte lange, bis der Papalagi begriff, und es wurden viele Gesten gewechselt und einige Irrtümer ausgeräumt.

Dann erst hatte der Stammesälteste verstanden, und er teilte es nun seinerseits den anderen mit.

Hasard deutete durch ermüdende und sich ständig wiederholende Gesten an, daß sie alle Fremden, die die Insel anliefen, sofort vertreiben würden.

Auch das begriff der Papalagi. Jetzt brachte er Hasard mühevoll bei, daß am heutigen Tage bei Sonnenuntergang ein großes Fest zu Ehren der Fremden gefeiert werden würde und alle dazu erscheinen müßten. Die Aualuma würden tanzen.

„Aualuma, upa-upa“, sagte der Alte und winkte mit dem gekrümmten Zeigefinger eine Inselschönheit herbei, die sich auf ein Wort von ihm in den Hüften zu wiegen begann.

Es war ein frivol angedeuteter Tanz, der sich upa-upa nannte und an Eindeutigkeit nicht viel zu wünschen übrigließ. Jedenfalls konnte sich Hasard deutlich vorstellen, daß es beim Strandfest noch viel frivoler werden konnte.

Nun, dann muß ich die Meute eben von der Kette lassen, dachte er beklommen. Aber schließlich hatte er ja auch keine frommen Betbrüder und Asketen an Bord, sondern richtige Männer.

Diese Insulaner waren jedenfalls ohne Falsch, sie waren von der Last der Arbeit befreit und genossen sorglos die Früchte, die die Natur ihnen in verschwenderischer Pracht tausendfältig bot. Daß diese Polynesierinnen frei von jeder europäischen Moralvorstellung waren, erschütterte den Seewolf nicht im geringsten. Es sprach nur für sie selbst und ihre Freiheit, und er war sicher, daß sie jedem ihre Gunst schenkten, der sie darum bat, und darum brauchte bestimmt keiner zweimal zu bitten.

Im Geiste sah er das grinsende Narbengesicht Carberrys vor sich, wenn der von der Offenherzigkeit der Inselschönen erfuhr. Und die anderen seiner Crew brauchte er sich gar nicht erst vorzustellen, da genügte schon Dans Gesicht, denn das sprach Bände.

Die Sonne stand jetzt hoch am Himmel, es wurde heißer, und der Seewolf deutete an, daß sie wieder zurückkehren wollten.

Der Papalagi hatte dafür Verständnis, nur die Aualuma und vor allem die zahnlose Alte bedauerten das lebhaft, und sie taten so, als wäre es ein Abschied für immer.

„Diese Insel ist wie Gift“, sagte Hasard leise zu Dan. „Sie übt einen fast tödlichen Zauber auf alle Fremden aus. Ich werde später alle Mühe haben, die Höllenhunde wieder an die Kette zu legen. Der Reiz der Verlokkung ist einfach zu groß.“

„Solche Giftstoffe liebe ich“, sagte Dan unbekümmert. „Die gehen ins Blut, Sir.“

„Bei dir fängt es schon an zu wirken“, sagte Hasard. „Deine Augen leuchten wie das Wasser in der Lagune.“

„Das hast du aber nett gesagt, Sir.“

„Ach, quatsch nicht“, sagte Hasard grob.

Sie verabschiedeten sich von dem Papalagi, den Aualuma, den jungen Burschen und den älteren Frauen und mußten jedem einzelnen die Hand geben.

Der Papalagi erinnerte sie noch einmal an ihr Versprechen und gab zu verstehen, daß das Fest ausschließlich zu ihren Ehren stattfände.

Dann schickte er einen jungen Burschen als Begleiter mit, der ihnen den kürzesten Weg weisen würde.

Hinter ihnen blieb die Gruppe der Polynesier zurück. Immer wenn sie sich umdrehten, wippten die Aualuma kichernd mit den Brüsten.

Ihr junger Begleiter lachte laut. Überhaupt schienen diese Leute oft und gern und aus den nichtigsten Anlässen zu lachen oder sich zu freuen, das lag ihnen einfach im Blut und entsprach genau ihrer Mentalität.

Unterwegs plapperte der Bursche munter drauflos, obwohl keiner ein Wort verstand. Aber er war schon zufrieden, wenn sie nickten oder zu ihm etwas in ihrer Sprache sagten. Das Messer, das er im Bund stecken hatte, trug er mit Stolz, holte es alle Augenblicke hervor und betrachtete es eingehend und voller Besitzerstolz.

Er zeigte ihnen eine Abkürzung, einen Weg, den sie nicht gesehen hatten, weil er verborgen war.

Von da an dauerte es nur noch eine halbe Stunde, bis sie wieder am Strand waren.

Der Bursche palaverte noch einmal und verschwand dann. Durch Gesten deutete er an, daß die anderen bald nachfolgen würden.

Von Bord der „Isabella“ aus hatte man sie längst entdeckt, und Carberry war schon unterwegs, um sie abzuholen.

„Wir sahen den Insulaner“, berichtete er. „Demnach habt ihr sie also doch gefunden. Na ja, das war sicher nicht sehr schwierig, denn die Insel ist ja nicht so groß.“

„Hast du eine Ahnung, Ed“, sagte Hasard. „Die Insel ist zehnmal größer, als du sie dir vorstellst. Dort wechseln menschenleere Täler mit riesigen Bergstökken und tiefen Schluchten. Ich hatte sie mir nicht annähernd halb so verwirrend vorgestellt.“

„Was ist denn mit dir los?“ fragte der Profos den immer noch in der Erinnerung grinsenden Dan O’Flynn.

An seiner Stelle antwortete Hasard.

„Er hat ein paar barbusige Mädchen gesehen, und nun ist er ganz aus dem Häuschen. Vielleicht freut er sich auch auf das Strandfest, das heute abend uns zu Ehren stattfinden soll.“

Der Profos pfiff durch die Zähne und ließ die Riemen sinken.

„Strandfest?“ fragte er gedehnt. „Etwa auch mit barbusigen Mädchen? Mann, das haut ja den …“

„Weiterpullen!“ sagte Hasard.

„Verzeihung, Sir!“ Ed legte sich wieder in die Riemen, aber sein Blick war jetzt schon verklärt, und der Seewolf seufzte tief.

„Das kann ja heiter werden“, meinte er ergeben. „Aber das eine sage ich euch jetzt schon. Daß ihr mir ja keine Schlägerei anfangt!“

„Darauf hast du natürlich mein Wort, Sir“, sagte Ed laut. „Das verspreche ich hiermit feierlich. Wir werden mit keiner barbusigen Insulanerin eine Schlägerei anfangen. Selbst wenn sie uns angreifen, nicht“, setzte er verträumt hinzu.

„Jetzt ist die Krankheit endgültig ausgebrochen“, sagte der Seewolf. „Genau das habe ich befürchtet. Aber bevor das Strandfest heute abend beginnt, wird die ‚Isabella‘ noch einmal auf Vordermann gebracht. Sie muß vor Sauberkeit blitzen.“

„Auch das verspreche ich!“ schrie der Profos.

Er hätte vermutlich alles versprochen, dachte Hasard resigniert.

Dann enterten sie auf, neugierig angestarrt von den Seewölfen, die auf den Bericht warteten.

Siri-Tong gab die notwendigen Erklärungen ab, weil Hasard das infame Grinsen der Kerle kaum noch ertragen konnte. Siri-Tong tat es knapp und präzise, beinahe nüchtern, und jeder verherrlichende Überschwang war dem Seewolf gerade recht.

Die Freude war riesengroß. Dann wurde Dan bestürmt, und der schmückte seinen Bericht wesentlich farbiger aus, bis den Kerlen das Wasser auf der Zunge stand.

Nur der alte O’Flynn tat leicht entrüstet und spielte den Moralapostel.

„Zu meiner Zeit hat’s das nicht gegeben, barbusige Mädchen“ sagte er nachdrücklich.

Carberry warf ihm einen vernichtenden Blick zu.

„Du bist ja auch bloß in der Ostsee rumgegurkt“, sagte er, „und auf den Inseln hatten die Frauen zu deiner Zeit sowieso keine Brüste, und wenn sie welche hatten, dann versteckten sie sie, weil es zu kalt war. Deshalb haben sie dich auch mit der Flasche aufgezogen …“

„Was bin ich?“ schrie der Alte empört. „In der Ostsee rumgegurkt? Du narbiger Stint hast doch selbst die ‚Empress of Sea‘ damals bei Ceylonia gesehen.“

„Klar, bloß warst du im Indischen Ozean nicht mehr an Bord“, sagte der Profos. „Deine ‚Empress of Sea‘, oder wie der alten Kasten hieß, war da schon halb verfault.“

O’Flynn zuckte zusammen. Dieses „oder wie der alte Kasten hieß“ löste bei ihm jedesmal Herzkrämpfe aus. Tausendmal hatte er diesen verlausten Plattfischen schon erklärt, daß das Schiff „Empress of Sea“ hieß und nicht anders, daß es der beste, schnellste und prächtigste Segler der Welt war, die Mannschaft ein Vorbild an Mustergültigkeit, und sie hatten immer reichlich Geld in den Taschen und soviel Rum, wie sie wollten. Von dem hervorragenden Essen, das nicht einmal Königen serviert wurde, ganz zu schweigen.

Und da hatten diese Kanalratten den Namen immer noch nicht behalten. Das war einfach unglaublich.

„Du nimmst an dem unsittlichen Strandfest jedenfalls nicht teil“, sagte O’Flynn zu seinem Sohn Dan. „Du bleibst an Bord und paßt auf die Zwillinge auf!“

„Hör mal zu, Väterchen!“ brüllte Dan zurück. „Wenn bei dir die Segel killen, dann bring dich wieder in den Wind! Und wenn du dich auf dein Holzbein stellst, ich gehe zu dem Fest, und davon werden mich zehn ausgewachsene O’Flynns nicht abhalten.“

Die anderen rieben sich erwartungsvoll die Hände. Der Streit zwischen dem alten und dem jungen O’Flynn artete mitunter etwas aus, aber am Ende verzog sich der Alte meist grummelnd, und eine Stunde später war alles vergessen. Vater und Sohn warfen sich Worte an den Kopf, und danach waren sie wieder ein Herz und eine Seele, denn mitunter vergaß der Alte ganz, daß sein Sohn längst erwachsen war und auf sich selbst aufpaßte.

„Du gehst nicht“, wiederholte er mit Grabesstimme.

„Ich gehe doch!“

„Du wirst dich versündigen!“ drohte der Alte.

„Klar, tue ich gern.“

„Hat die Welt schon einen so undankbaren Lausebengel gesehen!“ schimpfte der Alte, aber er erntete von den Seewölfen nur lautes Gelächter.

Beleidigt drehte er sich um, drohte noch einmal mit der Faust und schrie erbost: „Noch ist das letzte Wort nicht gesprochen, mein Sohn!“

„Für mich schon, Daddy!“ brüllte Dan zurück.

Damit war der Disput auch schon beendet, noch ehe er richtig begonnen hatte.

Doch am Niedergang blieb der Alte noch einmal stehen und warf Dan einen galligen Blick zu.

„Beruhige dich wieder, Donegal“, sagte der Profos. „Früher sind nur Eunuchen zur See gefahren, heute sieht das anders aus.“

Ein Belegnagel pfiff durch die Kuhl und prallte an den Mast. Das war Donegals Antwort.

„So“, sagte der Profos händereibend, „jetzt werdet ihr das Schiffchen auf Hochglanz bringen, denn wer mit zum Tanzen will, muß sich vorher putzen. Ist das klar, ihr Rübenschweine?“

„Aye, aye, Sir!“ riefen sie grinsend und voller Erwartung.

Sie alle fieberten dem Abend entgegen, und Smoky sagte: „Wenn jetzt Don Alfredo aufkreuzt und uns das Strandfest vermasselt, könnt ihr ruhig alle an Bord bleiben. Ich schwimme ganz allein hinüber und reiße seine verdammte Galeone in Stücke, darauf könnt ihr euch verlassen.“

„Den schicken wir zur Hölle, wenn er schon an der Kimm auftaucht“, setzte Ben Brighton hinzu.

Das merkwürdige Fieber griff immer weiter um sich, und der Profos mußte sie auf seine liebevolle Art noch einmal nachdrücklich daran erinnern, daß jetzt der Hausputz bevorstand.

Gleich darauf ergossen sich Ströme von Salzwasser an Deck, und das große Schrubben begann.

6.

Am Nachmittag erschienen die ersten Insulaner am Strand und winkten zur „Isabella“ hinüber.

Die Seewölfe, so gut sie sonst auch sahen, rissen sich gegenseitig die beiden Spektive aus der Hand, die es an Bord gab.

Jeder wollte einen Blick auf die Aualuma erhaschen, aber sie sahen sie kaum, denn die Vorbereitungen spielten sich auf dem Platz unter den Palmen ab, die im toten Winkel vom Schiff aus lagen.

Etwas später erschien der Papalagi mit zwei jungen Männern in einem Auslegerboot.

Sie brachten kopfgroße Brotfrüchte mit, die der Papalagi feierlich überreichen ließ, als er an Deck stand.

Sein Blick ging in die Runde, er bestaunte das große Schiff, die aufgegeiten Segel, die langen Masten und alles, was es zu sehen gab. Noch nie in seinem Leben war er auf einem derart großen Schiff gewesen.

Hasard und der Profos unternahmen einen Rundgang mit ihm und versuchten ihm gestenreich alles zu erklären, während die beiden Insulaner weitere Früchte ausluden und an Bord brachten.

Später erklärte der Papalagi etwas, das Hasard nicht verstand. Er zeigte in sämtliche Richtungen.

„Mooréa“, sagte er, „Méhétia, Raiatéa, Bora-Bora, Tahaa, Huahiné.“ Dann wies er noch einmal auf die Insel. „Otaheite“, murmelte er dazu.

„Jetzt verstehe ich“, sagte der Seewolf. „Das sind die Namen der umliegenden Inseln. Du kannst sie gleich mal aufschreiben, Dan, und sie später in die Karten einzeichnen, so gut es geht.“

Dan schrieb die Namen auf, um sie später auf die Karten zu übertragen.

Anschließend ließ der Seewolf weitere Seidenstoffe in das Auslegerboot bringen, Messer und Geräte wie Sägen, Äxte und Nägel. Für die Aualuma gab er polierte Spiegel dazu aus dünnen Kupferplatten, über die sich der Papalagi wie ein Kind freute.

Dann vergewisserte er sich ein letztes Mal, daß auch keiner das abendliche Strandfest vergaß, und fuhr mit dem Auslegerboot wieder zum Strand zurück.

Von dort klang ab und zu ein leiser Ton auf. Einer der jungen Männer schlug die Pehu, eine kleine Trommel, und bei jedem Trommelschlag stieß er einen lauten Schrei aus.

Anfangs war das Geräusch nur alle Viertelstunde zu hören, aber schon bald änderte sich das, und die Pehu erklang in immer kürzeren Abständen.

„Die Burschen bringen sich langsam auf Trab“, stellte Smoky mit einem Blick zum Strand fest. „Verdammt, wenn doch bloß bald die Sonne untergehen würde. Diese Warterei macht mich noch ganz krank.“

„Du wirst es doch wohl noch abwarten können, was, wie?“ fuhr der Profos ihn an. „Ihr benehmt euch wie die Kinder.“

Er selbst, sonst immer Vorbild für Zucht und Ordnung, benahm sich, genau besehen, allerdings auch nicht viel anders, denn auch er konnte es kaum erwarten, und seine Worte waren nur Tarnung. Irgendwie schienen sie alle angesteckt zu sein, der Rausch dieser Insel begann sie in ihren Bann zu schlagen. Es war eben nicht eine gewöhnliche Insel, es war Otaheite, Tahiti genannt, und mit diesem Namen stand sie auch in einigen Karten.

„Die Sonne stand noch nie so lange am Himmel“, sagte Luke Morgan zu Sam Roskill. „Oder willst du etwa das Gegenteil behaupten?“

„Sage ich ja gar nicht. Vielleicht gibt es einen Tag im Jahr, an dem sie gar nicht untergeht.“

Der Profos dachte plötzlich mit Schaudern daran, wie es wohl bei der Platzverteilung später zugehen würde. Klar, daß alle Kerle auf einmal dabeisein wollten, aber das ging nicht. Ein paar Wachen mußten für alle Fälle an Bord bleiben, und wenn er die bestimmte, stand einer Prügelei nicht mehr viel im Wege.

So beiläufig wie möglich fragte er, als sich die meisten auf der Kuhl aufhielten: „Wer bleibt nachher freiwillig an Bord?“

Er hatte nicht erwartet, daß sich auch nur einer melden würde, daher haute es ihn fast um, als sich der alte Segelmacher Will Thorne mit der größten Selbstverständlichkeit meldete.

„Ich bleibe an Bord, Profos.“

„Noch einer?“ fragte Carberry erleichtert.

„Batuti auch bleiben an Bord“, versicherte der herkulische Gambianeger.

„Auch ich bleibe freiwillig“, sagte Big Old Shane und strich sich grinsend über den grauen Bart.

Der alte O’Flynn, der wieder erschienen war, räusperte sich, als Ed ihn anblickte.

„Was glotzt du mich so gallig an, du grüner Hering?“ fragte er rauhbauzig. „Einer muß doch auf die kleinen Rübenschweinchen aufpassen – oder nicht? Und da mein Herr Sohn es vorzieht, sich der offensichtlichen Sünde hinzugeben, bleibe ich eben hier. Basta!“

„Ich bleibe ebenfalls an Bord, Edwin“, erklang die helle Stimme der Roten Korsarin.

„Oh, Madam, das werde ich Ihnen nie vergessen“, sagte Ed, erleichtert darüber, daß er wenigstens eine Handvoll Leute an Bord hatte.

Als Siri-Tong wieder gegangen war, beugte sich Dan etwas vor und flüsterte vertraulich: „Ich glaube, der Seewolf bleibt auch an Bord, denn auf den hat eine zahnlose Alte beide Augen geworfen. Die hat ihn vielleicht angeblickt, sage ich euch.“

Ferris Tucker zwinkerte dem jungen O’Flynn verzweifelt zu, denn hinter ihm war der Seewolf aufgetaucht, ohne daß Dan es merkte. Ungeniert sprach er weiter und wunderte sich nur über die merkwürdigen Gesichter seiner Kameraden.

„Ja, die war richtig scharf auf ihn. Sie gab ihm die dicksten Scheiben von der Brotfrucht, hockte sich vor ihn hin und grinste ihn an. Dabei hatte sie keinen Zahn mehr im Mund. Ihr hättet mal den Seewolf sehen sollen. Richtig peinlich war …“

Jetzt ging O’Flynn ein Licht auf, und er drehte sich um.

Hinter ihm stand der Seewolf, der ihn um einen halben Kopf überragte. Sein Gesicht war völlig ausdruckslos, und dennoch verkniff er sich nur mühsam das Lachen.

„Ich gehe mit“, sagte Hasard ernst. „Das ist selbstverständlich. Aber an meiner Stelle wirst du an Bord bleiben, Mister O’Flynn, und die Männer mit deinen ergötzenden Geschichten unterhalten, die ebenfalls hierbleiben. Dann können sie sich richtig vorstellen, wie es in den Bergen war. Alles klar, Mister O’Flynn, verstanden?“

„Sir“, stammelte Dan entgeistert. „Damit sprichst du mein Todesurteil.“

„Du wirst es überleben. Märchenerzähler werden meist sehr alt, das siehst du auch an deinem Vater.“

Dan O’Flynn hätte sich die Zunge abbeißen mögen. Zerknirscht blickte er in die Runde.

Und die Kerle nahmen ihn alle in Schutz und protestierten.

„Er hat es nicht so gemeint, Sir“, verteidigte Carberry ihn, und auch die anderen fielen in den gleichen Chor ein, bis der Seewolf schließlich nickte.

„In Ordnung“, sagte er. „Die Leute, die freiwillig bleiben, werden genügen, alle anderen gehen mit. Sollte ein Don aufkreuzen, dann sind wir in ein paar Minuten ohnehin an Bord.“

„Danke, Sir“, stammelte Dan erleichtert. „Das mit der zahnlosen Alten war wirklich nicht so gemeint.“

Hasard winkte lachend ab. Für ihn war die Sache erledigt.

Immer noch stand die Sonne am Himmel, wenn auch schon merklich tiefer als vorher.

Bob Grey, der drahtige, braunäugige Mann, der als Waise von Geistlichen erzogen worden war, dann ausriß und zur See ging, bedauerte lautstark, daß seine blonden Haare jetzt gefärbt seien. Als Blonder hätte er wesentlich mehr Chancen bei den Schwarzhaarigen gehabt, meinte er.

„Heute ist der Sankt-Nimmerleins-Tag“, sagte er. „Mit dem Sonnenuntergang stimmt etwas nicht. Verdammt, wenn man den Glutball doch bloß mit dem Bootshaken hinter die Kimm schieben könnte.“

Das Trommeln war lauter geworden. Die Pehu wurde jetzt anscheinend von mehreren Insulanern geschlagen, und der aufpeitschende Rhythmus ging den Seewölfen ins Blut.

Dann – endlich – sank der Sonnenball weiter, und der Seewolf erschien wieder auf der Kuhl.

Noch bevor die kurze Dämmerung einsetzte, leuchteten am Strand Fakkeln auf, und aus dem Trommeln wurde ein pausenloser Dauergong.

„Ab ins Boot“, sagte der Seewolf.

Der Kutscher, sonst vornehm und zurückhaltend, flitzte wie ein Affe über die Jakobsleiter, verfing sich mit dem rechten Fuß und landete aufklatschend im Wasser. Fluchend tauchte er wieder auf.

„Junge, Junge, ist das ein disziplinloser Sauhaufen“, schimpfte der Profos. „Könnt ihr nicht nacheinander abentern, ihr vergammelten Strandläufer!“

Erst ein Machtwort von Hasard brachte sie wieder zur Vernunft, und von da an ging es ganz manierlich zu, denn wer sich nicht benahm, so versprach Hasard, durfte Doppelwache gehen, und dazu hatte angesichts der romantischen Insel keiner Lust.

Dann legte das Boot ab.

Am Strand war alles auf den Beinen, auch die geflüchteten Leute von Mooréa waren dabei und bereiteten den Seewölfen einen überaus herzlichen Empfang.

Sie wurden umringt und mit Blumenkränzen behängt, und sie fühlten sich wie die Könige.

Junge Männer und junge Mädchen standen um sie herum, und der Papalagi erschien inmitten einer Menge Aualuma.

Den Seewölfen quollen fast die Augen aus dem Kopf, als sie die barbusigen Inselschönheiten sahen.

Dan hatte wirklich nicht übertrieben, die Mädchen gaben sich ganz ungeniert und ungezwungen, und schon jetzt flogen die ersten feurigen Blicke hin und her, wurde getuschelt, gekichert und gelacht.

Die Frauen trugen fast ausnahmslos den Rewarewa, ihren zierlichen Kopfputz aus den zarten Blättern der Kokospalme. Hinters Ohr hatten sie sich wieder die feurigen Blüten des Hibiskus gesteckt.

Im Hintergrund standen die Palmen dunkel gegen den Abendhimmel. Die leichte Brise, die von See wehte, ließ die Wedel geheimnisvoll rauschen. Dazwischen klang das wilde Trommeln der Pehu, immer lauter, immer schneller, und es ging verdammt ins Blut.

Eine johlende und freudige Menge geleitete die Seewölfe zu den Hütten und von dort aus zu dem freien Platz neben der Palmengruppe.

Hasard blieb überrascht stehen, denn was er sah, ließ ihm den Atem stocken. Die Insulaner hatten keine Mühe gescheut.

Eine endlos lange Tafel war aufgestellt worden, die Sitzgelegenheit bot der Boden, aber an dieser Tafel war alles dran, und sie erregte sofort die Bewunderung des Kutschers, dem Carberry gerade in die Rippen knuffte.

„So was könntest du dir mal einfallen lassen“, sagte er. „Und nicht immer deinen lausigen Speck mit Eiern. Da reißt du die Klüsen auf, was, wie?“

Der Kutscher konnte nicht einmal antworten.

Die Bretter, die zusammengesetzt als Tafel dienten, waren so überladen, daß sie sich durchbogen.

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