Читать книгу: «Seewölfe Paket 10», страница 26

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3.

Sie waren tatsächlich beobachtet worden. Die Späher des Papalagi ließen die Vorgänge auf der Insel keine Sekunde lang aus den Augen. Über jede Einzelheit wurde ihm berichtet.

Die Verwunderung des Papalagi wurde immer größer.

„Sie sind Brüder“, sagte er, „und sie sind doch keine Brüder, denn sie bekämpfen sich gegenseitig. Wenn ihre Gebeine morgen in der Sonne bleichen, wird man keinen Unterschied zwischen ihnen feststellen können. Jene gruben die Brotfrucht aus, die anderen zwangen sie, sie wieder einzugraben. Noch verstehe ich das nicht.“

Vergebens sann der Papalagi darüber nach, was die Fremden wohl bewog, die Gestrandeten auf die andere Insel zu bringen.

Die Aualuma hatten sich jetzt zur Ruhe begeben, nur die jungen Männer und die beiden alten Frauen hockten noch im Halbkreis um den Papalagi herum und redeten.

Es war die Art des Papalagi, lange zu schweigen, dann laut zu überlegen und diese Gedanken schließlich den anderen mitzuteilen.

Aber er wurde aus den Fremden nicht schlau. Ihre Schiffe glichen sich, von den Fremden sah einer aus wie der andere, und man konnte sie nur durch die blinkenden Helme unterscheiden.

Das eine Schiff war durch die Kraft der Götter gestrandet und total beschädigt, aber die anderen dachten nicht daran, jenen Gestrandeten zu helfen, sie bei sich aufzunehmen, wie es nach einem solchen Unglück selbstverständlich war. Statt dessen brachten sie sie nach Mooreá und überließen sie dort sich selbst.

Leise flehte der Papalagi um den Beistand der Inselgötter, damit sie seinen Verstand schärfen mögen.

Länger als eine Stunde hockte er da, still, in sich versunken, als schliefe er.

Der Mond war weitergewandert, die blitzenden Löcher im Himmel erschienen, und das Boot von Mooreá war längst wieder zurück.

Tiefe Stille herrschte, sie lag wie ein Schleier über der Landschaft. Es war eine tiefe Ruhe, die auch auf den Papalagi übergriff.

Erst als die zahnlose Alte sich leise räusperte, wurde diese tiefe Ruhe unterbrochen, und der Papalagi blickte hoch.

„Sie sehen nur wie Brüder aus“, sagte er leise. „Sie müssen von verschiedenen Stämmen abstammen, denn die einen sind böse, die anderen sind gut. Sie haben nichts zerstört, sie haben uns die Früchte zurückgegeben. Vielleicht war es ein Trick der Bösen, die Guten zu überrumpeln, und jene haben es gemerkt. Suala, der Gott des Mondes, sagt mir, daß sie uns suchen werden, sobald es hell wird.“

„Deine Worte sind weise, Papalagi“, sagte die Alte wieder. „Mit deiner Hilfe können wir vielleicht schon bald in unsere Hütten zurückkehren. Was schlägst du vor?“

Die Augen des Stammesältesten blickten in das narbige Gesicht des wandernden Mondes. Er sah die Berge der Götter darin, ihre Höhlen und die tiefen Schluchten, die sie dort bewohnten.

„Wir werden uns nicht verstecken“, sagte er leise. „Wir werden uns so verhalten, daß sie uns finden werden. Dann sehen wir weiter. Sie werden den Fautaua-Wasserfall finden, und wir werden ganz in der Nähe sein.“

„Wie willst du wissen, Papalagi, daß sie den Fautaua finden?“

Der alte Mann lächelte über sein runzeliges Gesicht.

„Jeder Fremde würde ihn finden. Man hört ihn sehr weit, und der Fautaua erweckt die Neugier. Man folgt ihm unbewußt, und so findet man ihn auch.“

Ja, dachte die Alte, der weise Papalagi findet auf alles eine Antwort, und sie zweifelte auch nicht an dem, was er sagte. Alles würde so eintreffen, wie der Papalagi es mit den Göttern absprach.

Die meisten schliefen jetzt, und nach einer Weile legte sich auch der Papalagi an jener Stelle hin, wo er die ganze Zeit gesessen hatte.

Gleich darauf schlief auch er unter dem warmen Dach des Himmels.

Als die Sonne aufging, war der Seewolf schon an Deck und sah zum Land hinüber.

Wie ein träges Tier hockte das Wrack der „Kap Hoorn“ immer noch auf dem Sand, und es schien mit jeder Stunde mehr zu verfallen.

Siri-Tong und ein großer Teil der Crew waren ebenfalls an Deck erschienen, um den prachtvollen Morgen zu genießen. Einige hatten es vorgezogen, ohnehin an Deck zu schlafen, und so erwachten auch sie nach und nach.

Hasards Blick wanderte weiter zu den Bergen. Über dem tropischen Bergwald lag noch ein feiner Dunstschleier, den die aufgehende Sonne jedoch schnell vertrieb.

„Ich will versuchen, wie wir gestern schon besprochen haben, mit den Insulanern Kontakt aufzunehmen“, sagte Hasard. „Wir wissen, daß sie in die Berge geflüchtet sind und uns auch von Zeit zu Zeit beobachtet haben. Um sie nicht zu erschrecken, nehme ich Siri-Tong mit. Eine Frau muß hier ganz einfach Vertrauen einflößen. Dan O’Flynn wird uns begleiten, mehr nicht. Wir gehen selbstverständlich unbewaffnet, damit die Insulaner nicht mißtrauisch werden. Alle anderen bleiben vorerst an Bord. Ihr könnt euch die Zeit mit Fischen oder Baden vertreiben, ganz wie ihr Lust habt. Das Kommando hat während meiner Abwesenheit Ben.“

„Was ist, wenn die Insulaner euch schnappen?“ fragte Matt Davies. „Sie wissen bestimmt nicht, was hier gelaufen ist, und es kann ein verdammtes Mißverständnis geben.“

„Das glaube ich nicht. Wenn wir bis morgen früh bei Tagesanbruch nicht zurück sind, überlasse ich euch die Entscheidung.“

„So lange?“ fragte Smoky.

„Der Aufstieg in die Berge wird nicht einfach sein, und die Insulaner werden ganz sicher nicht hinter der nächsten Palme auf uns warten. Wir müssen uns also etwas gedulden. Nach allem, was sie vermutlich gesehen haben, werden sie uns nicht gerade freundlich um den Hals fallen.“

„Und wie sieht es mit der Verständigung aus?“ wollte Ben wissen.

Hasard winkte lässig ab.

„Wir haben uns sogar mit den Inuits, den Nordmännern, und auch mit Kopfjägern verständigt. Die Sprache bildet da nicht unbedingt die einzige Schwierigkeit.“

Er wollte die Rote Korsarin fragen, ob ihr der Weg nicht vielleicht doch zu beschwerlich wäre, aber er ließ es lieber. Was war Siri-Tong schon beschwerlich? Er wußte nichts.

Die Zwillinge erschienen und wollten auch mit. Aber das war ausgeschlossen, es ging nicht. Wer wußte, was Hasard und Philip unterwegs alles wieder anstellten.

„Noch eine Frage, Sir“, sagte Pete Ballie. „Angenommen, ihr seid irgendwo da oben in den Bergen, und dieser verdammte Don Alfredo oder ein anderer Spanier kreuzt hier plötzlich auf – was dann?“

Hasard lächelte, daß seine weißen Zähne blitzten.

„Erstens hat Ben das Kommando und entscheidet, was zu tun ist. Zweitens werden wir das Schiff eher sehen als ihr. Drittens werdet ihr Don Alfredo die ‚Isabella‘ ausliefern und euch alle kampflos ergeben. Ist sonst noch etwas, Pete?“

„Nein, Sir“, sagte der Rudergänger und grinste.

„Nach dem Frühstück brechen wir auf. Ed wird uns an Land bringen“, sagte der Seewolf.

Das Frühstück war schon fertig, und sie alle verzichteten darauf, es im Aufenthaltsraum einzunehmen. Das Deck war bei diesem herrlichen Wetter genau der richtige Platz dafür.

Der Kutscher brachte Pfannen voller Speck und gebackener Tomaten. Dazu gab es heißes Brot, Mus und wilden Honig. Danach folgte mit Kandiszucker gesüßter kalter Tee, den sie immer noch aus dem Land des Großen Chan massenweise mit sich führten. Eine andere Pfanne enthielt in Fett geröstete Maiskolben.

Die hungrige Meute langte kräftig zu wie immer, und die Zwillinge hieben wie die Bären in den Honig rein.

Anschließend schleppte Carberry die beiden zu einer Pütz voll Seewasser.

„Da steckt ihr jetzt erst einmal eure Griffel rein“, sagte er, „sonst klebt ihr an Deck an und bleibt für alle Zeiten auf den Planken stehen.“

Es stimmte. Die beiden klebten und pappten, und der Honig troff von ihren Fingern und aus den Gesichtern.

Anschließend brachen der Seewolf, Siri-Tong und Dan O’Flynn auf.

Sie nahmen nichts mit, nur ein paar Messer und einen Ballen bunter Seidenstoffe, die ebenfalls noch aus China stammten und deren Farbe das Herz jedes Insulaners höher schlagen ließ.

Lebensmittel brauchten sie nicht, Wasser ebenfalls nicht. Die Insel hatte der liebe Gott in einer ausgesprochen guten Laune erschaffen, und sie bot alles an, was es an Früchten gab. Auch Trinkwasser war reichlich vorhanden.

Am Strand verabschiedete sich der Profos mit Leichenbittermiene. „Soll ich euch ein Stück begleiten, oder schafft ihr das allein?“

„Ja“, sagte Hasard.

„Fein, dann gehe ich mit“, sagte Ed strahlend.

„Das bezog sich auf das letztere, Ed. Wir schaffen es allein, ich glaube nicht, daß du uns tragen mußt.“

Er klopfte dem Profos noch einmal auf die Schulter und suchte nach einem günstigen Aufstieg in die allmählich anwachsenden Berge.

Es fand sich auch bald ein fast verborgener Pfad, den Dan sofort entdeckte. Er hatte schon gestern durch das Spektiv einen kleinen Bachlauf gesehen.

Es wurde wärmer, die Sonne stieg höher.

Über den Inselbergen begann es wieder zu dampfen, am Horizont tauchte eine Wand aus Watte auf, die aber nicht weiterwanderte.

Einmal kreischte ein Papagei, der sich in seiner Ruhe gestört fühlte. Er kreischte lauter, stieg dann auf und flatterte protestierend davon. Er war kleiner als Sir John, der auf der „Isabella“ auf den Rahnock hockte, aber dafür war er bunter.

Mitunter hörte der Pfad abrupt auf und ging in dichtbewachsene Wildnis über. Aber sie orientierten sich an dem leisen Murmeln des kleinen Baches, der aus den Bergen floß.

Nach einer knappen Stunde Marsch lag die „Isabella“ tief unter ihnen wie das Spielzeug eines Kindes. Das Schiff sah aus dieser Höhe schlank und zerbrechlich aus, die Masten wirkten wie Zahnstocher.

Siri-Tong war nichts anzumerken. Sie atmete nicht heftiger als sonst, und für Hasard und Dan war es nicht viel mehr als ein größerer Spaziergang.

„Ein herrlicher Ausblick“, schwärmte Dan und blieb stehen. Sie konnten jetzt einen großen Teil der Insel überblicken und bis hinüber nach Mooréa schauen.

Vor ihnen lag ein landschaftliches Paradies von einmaliger Schönheit, ein Geschenk der Natur.

Als Dan sich wieder umdrehte, stieß Siri-Tong einen leisen Schrei aus und ging zwei Schritte zurück.

Hasard griff zu einem der Messer, die sie den Insulanern schenken wollten, aber er sah niemanden.

„Dort“, sagte Siri-Tong und wies auf eine dichte Buschgruppe, zwischen der sich eine kleine Lichtung auftat.

Im ersten Augenblick zuckte auch der Seewolf zusammen, und Dan stieß leise die Luft aus.

„Ho, ist das ein höllischer Bursche“, sagte er.

Aus dem Boden wuchs ein hölzerner Pfahl bis zu zwei Yards Höhe auf.

Der untere Sockel war mit roter Farbe verschmiert, die wie Blut aussah. Dann folgten übergangslos zwei Arme und ein gedrungener Hals. Der Schädel war schrecklich anzusehen, jedenfalls auf den ersten Blick, wenn man mit dem Anblick nicht rechnete.

Eine geschnitzte, diabolisch verzerrte, grinsende Fratze blickte sie an. Aus dem klaffenden Maul schauten Reißzähne, von denen das. Blut troff, die Zunge war weit herausgestreckt, und die Augen schienen von Leben erfüllt zu sein. Sobald das Sonnenlicht auf sie fiel, begannen sie bösartig zu funkeln.

Vor der Statue stand eine Schale Wasser, daneben lagen ein paar Kokosnüsse und eine besonders große Frucht. Sie war von gelblicher Farbe und so groß wie der Kopf eines Kindes. Sie mochte etwa vier Pfund wiegen, vielleicht etwas mehr, wie Hasard schätzte.

Hasard wollte sie erst neugierig in die Hand nehmen, doch er unterließ es. Vielleicht wurden sie beobachtet und verletzten ein Tabu. Dann würde hier der Teufel los sein, denn darin verstanden die Eingeborenen keinen Spaß. Manche sahen darin den größten Frevel, den es nur gab.

„Ob das die Brotfrucht ist?“ fragte er leise, mehr zu sich selbst. „Ich habe sie jedenfalls noch nicht gesehen.“

„Schon möglich“, sagte Siri-Tong. „Die Früchte sind der Gottheit hier geopfert worden. Aber die Maske sieht schrecklich aus. Sie wirkt so echt, als würde der Kopf leben.“

„Vermutlich steht der Götze hier, um Fremde zu warnen“, meinte Hasard. „Es kann auch heißen, bis hierher und keinen Schritt weiter. Aber das wissen wir nicht genau. Ebensogut kann etwas ganz anderes dahinterstecken.“

„Wir gehen weiter, oder?“ fragte Dan.

„Natürlich, wir wissen ja nicht um die Bedeutung. Es kann auch ein Götze sein, der Dämonen fernhalten soll, das läßt sich nicht so ohne weiteres beurteilen.“

Sie warfen einen letzten Blick auf das gräßliche Standbild, und noch einmal schien es, als lebten die Augen und wollten sie eindringlich vor etwas warnen.

Der Seewolf ließ sich jedoch nicht beirren, auch Siri-Tong ging schließlich schulterzuckend weiter, gefolgt von Dan, der der Statue noch einen letzten Blick zuwarf.

Sie waren jetzt schon sehr hoch, aber es ging immer noch weiter.

Links von ihnen dehnte sich eine riesige Schlucht, die in das eigentliche Gebirgsmassiv weiterführte.

Hasard fragte sich besorgt, wie sie hier jemals die geflüchteten Insulaner finden sollten. Hier boten sich Tausende von Verstecken an, hier konnten ganze Völkerstämme ungesehen verschwinden.

Dort, wo sich der zentrale Gebirgsstock in die Länge zog, befand sich eine pfadlose Schlucht. An deren Ende war eine gut dreihundert Yards hohe, fast senkrechte Mauer zu überwinden, die aus einem einzigen Felsblock bestand.

„Sieht ziemlich finster aus“, bemerkte Dan. „Auf dem Weg können wir nicht weiter, denn die Wand erklimmen wir nie. Versuchen wir, nach rechts zu gehen.“

Hasard hatte sich das Inselinnere längst nicht so gewaltig vorgestellt. Von See her hatte es nach ein paar Hügeln und kleinen Bergen ausgesehen, aber jetzt wandelte sich das Bild gründlich.

Rechts ging es weiter, aber man sah den Pfad noch nicht, der immer wieder aufhörte und über Stock und Stein ging.

Bei ihrer Suche war ihnen gar nicht aufgefallen, daß die Wand aus Wolken sich inzwischen rasch genähert hatte. Höhenwinde jagten sie vor sich her und trieben sie über die Insel. Es ging blitzschnell.

Über den Bergen entlud sie sich.

Sie fanden gerade noch Zeit, unter ein ziemlich dichtes Blätterdach eines großen Baumes zu schlüpfen, da ging es los.

Ein Wolkenbruch prasselte vom Himmel, und Ströme von Wasser ergossen sich schwallartig. Die Luft wurde so feuchtwarm, daß das Atmen schwerfiel.

Die Wolke wanderte weiter, regnete in südlicher Richtung noch einmal ab und kehrte dann wieder übers Meer in die gleiche Richtung zurück.

Der Regenwald begann zu dampfen und zu brodeln. Überall stiegen aus dem warmen Boden Dämpfe auf, tanzten wie Nebelgeister über der Landschaft und strebten zum Himmel.

Der Boden war schlüpfrig geworden. Moosbewachsene Steine behinderten das Weitergehen. Immer wieder rutschte einer von ihnen aus.

„Fast wie am Amazonas“, sagte Dan fluchend, als er gerade noch einen Ast zu fassen kriegte.

Der Landschaftscharakter begann sich wieder zu verändern. Alles wurde dichter, bewachsener. Sträucher und niedere Pflanzen bedeckten dampfenden Boden mitunter hüfthoch. Dann folgten Bananenwälder, so dicht, daß man kaum noch weiterkam.

Hasard pflückte ein paar Früchte.

„Glaubst du, sie sind eßbar?“ fragte Siri-Tong. „Sie sehen anders aus als die gewöhnlichen Bananen.“

„Ganz sicher sind sie eßbar, nur wesentlich kleiner.“

Hasard probierte die Frucht. Sie war nicht viel größer als ein Finger, aber sie schmeckte ungemein süß.

Auch die Korsarin und Dan probierten und fanden sie vorzüglich.

Nach dem überraschenden Schauer breitete sich wieder Ruhe aus.

Tiere gab es kaum zu sehen, ab und zu flog eine Schwalbe vorbei, oder eine Ente flog von irgendwoher auf.

Noch einmal sahen sie zwei der kleinen bunten Papageien, die entsetzlich krächzten, ehe sie wegflogen.

Der tropische Hochwald wurde immer dichter. Nach einer Weile schlug Hasard eine Rast vor.

„Es wird immer aussichtsloser, die Insulaner zu finden“, sagte er. „Ich habe mir das Landesinnere dieser Insel wesentlich anders vorgestellt. Wir können noch tage- oder wochenlang so weiterlaufen, ohne daß wir eine Menschenseele zu Gesicht kriegen.“

Donegal Daniel O’Flynn ließ sich auf einem bemoosten Stein nieder. Schweiß rann ihm vom Gesicht. Sein Leinenhemd war so naß, daß er es auswringen konnte.

Er reckte die Schultern, wischte sich den Schweiß aus dem Gesicht und wollte etwas sagen, als sein Blick plötzlich starr wurde.

„Was ist?“ fragte die Rote Korsarin und blickte ebenfalls in die Richtung.

„Da vorn, wo das kleine Plateau ist, stehen Hütten, wenn mich meine Augen nicht täuschen“, sagte Dan. „Kleine Hütten, mit Palmblättern gedeckt.“

Hasard blickte sich um.

Vor ihnen lag immer noch der Wald aus Bananenstauden, dahinter standen hohe Bäume, dann gab es eine kleine Lichtung vor einem Berg.

Und da standen tatsächlich ein paar kleine Hütten. Man mußte aber schon sehr genau hinsehen, wollte man sie erkennen.

In der Nähe der Hütten war allerdings keine Menschenseele zu erblikken. Sie schienen verlassen zu sein.

4.

„Wir werden versuchen, die Hütten unentdeckt zu erreichen“, sagte der Seewolf. „Obwohl ich das für fast ausgeschlossen halte, denn ich habe das Gefühl, als hätte man uns längst gesehen. Aber wir kennen die Insulaner nicht, wissen nichts von ihnen, und es ist besser, wenn die Überraschung auf unserer Seite bleibt.“

„Das wird wirklich nicht leicht sein, Sir. Hier raschelt es doch an allen Ekken, sobald wir uns bewegen.“

„Versuchen wir es trotzdem.“

Vorsichtig bewegten sie sich weiter. Der Pfad hatte längst aufgehört zu existieren, und es sah auch nicht so aus, als wären hier jemals Menschen entlanggegangen. Es gab keine abgerissenen oder zertretenen Blätter, nichts, was darauf hindeutete.

Zwischen den Bananen lagen ab und zu riesige Felsblöcke. In deren Schutz gelang es ihnen, bis auf fast hundert Yards an die Hütten heranzuschleichen.

Dan legte den Finger auf die Lippen.

„Dort vorn sind Leute“, wisperte er, „ich höre Stimmen.“

Hasard ging ein paar Yards weiter um einen Felsblock herum, und dann verschlug es ihm glatt die Sprache. Er deutete mit der Hand auf den freien Platz vor den Hütten.

Auf der Lichtung knieten vier Insulaner, voller Angst, wie es den Anschein hatte.

Vor ihnen stand ein Weißer, etwas weiter rechts noch mal einer, der grinsend auf die Insulaner blickte.

Der eine Weiße, es konnte sich nur um einen Spanier handeln, hielt in der rechten Hand eine hölzerne Maske hoch. Sie ähnelte derjenigen, die sie gerade eben erst gesehen hatten. Genau die schrecklich verzerrten Züge, die leuchtenden Augen und die heraushängende Zunge.

Offensichtlich war die Maske von dem Sockel herabgerissen worden, und jetzt flößte der Spanier den Insulanern damit Angst ein.

„Die zwei sind von der ‚Kap Hoorn‘“, sagte Hasard. „Gar kein Zweifel, sie sind in die Berge getürmt.“

„Aber was bezwecken sie damit?“ fragte Dan.

Der Seewolf zuckte mit den Schultern.

„Sie haben Angst vor den Insulanern, die sie vielleicht gestellt hatten. Dann rissen sie die Dämonenmaske von einer Statue, und jetzt ist es genau umgekehrt, jetzt haben die Insulaner Angst.“

„Holen wir uns die Affenärsche?“ fragte Dan gepreßt.

„Aber sicher. Sonst schwingen die Dons sich hier noch zu Herren auf, wenn sie merken, daß die Insulaner vor ihren eigenen Götzen soviel Angst haben. Du von der rechten Seite, ich von der linken. Siri-Tong kann uns folgen, falls einer der Kerle entwischt.“

Immer noch knieten die Insulaner, hatten die Hände über den Kopf gelegt und stießen leise Schreie aus.

Der Spanier tänzelte mit der Maske in der Hand herum, hielt sie ihnen mal dicht vor die Gesichter, entfernte sich dann wieder.

Hasard vermied, so gut es ging, jedes Geräusch. Auch Dan arbeitete sich ziemlich lautlos weiter. Die Rote Korsarin nahm den geraden Weg.

Erst die letzten paar Yards begann der Seewolf zu laufen. Er und Dan langten fast gleichzeitig an.

Der Spanier mit der Maske fuhr herum, rief seinem Kumpan eine Warnung zu und griff zu seinem Messer am Gürtel. Gleichzeitig schleuderte er Hasard die Maske ins Gesicht.

Dan O’Flynn stürmte auf den anderen zu, aber der drehte ab und raste davon. Dan folgte ihm schnell, aber dann stoppte er jäh, denn hinter den Basaltblöcken am Rand des Bananenhains gähnte ein tiefer Abgrund.

Der Spanier sah ihn nicht, oder er bemerkte ihn zu spät.

Dan rief ihm eine Warnung zu und blieb stehen. Der Mann drehte sich noch einmal um, hob die Faust und rannte blindlings weiter.

Sekunden später schwebte er frei in der Luft, und dann war er verschwunden. Nicht einmal der Aufprall war zu hören.

Hasard konnte nur noch ganz knapp ausweichen, als das hölzerne Wurfgeschoß heranflog. Er blockte es mit der Hand ab und wollte dem Spanier nach, aber der hatte es sich jetzt plötzlich anders überlegt und rannte ebenfalls los.

Der Seewolf versuchte, ihm noch zu folgen, doch er verlor den flüchtenden Don bald aus den Augen, der irgendwo weiter hinten im angrenzenden Regenwald verschwand. Sein Messer hatte er jedenfalls auf der Flucht verloren.

Hasard hob es auf und kehrte zurück, als er sah, daß eine weitere Verfolgung sinnlos geworden war. Den Mann würde er in dem undurchdringlichen Dikkicht nie mehr finden, und wenn er ihn tagelang suchte.

Auf der Lichtung erwartete ihn eine weitere Überraschung.

Die Insulaner waren verschwunden, als hätten sie sich buchstäblich in Luft aufgelöst.

„Wo sind sie geblieben?“ fragte der Seewolf. „Du mußt sie doch noch gesehen haben, Siri-Tong?“

„Nur ganz flüchtig, sie tauchten im Gehölz unter und waren wie Schemen verschwunden. Man hört auch kein Rascheln mehr.“

„Und der andere fiel in den Abgrund“, sagte Dan. „Meine Warnung kam zu spät.“

„Also sind noch weiterhin ein oder zwei Dons auf der Insel, die sich versteckt halten. Nun ja, sie werden den Insulanern nicht mehr gefährlich werden können, und ich bin sicher, daß man sie auch bald fassen wird.“

Hasard bewegte sich auf den Abgrund zu, hinter dem der eine Don verschwunden war. Von einer vorspringenden Klippe aus schaute er hinunter.

Er sah nichts mehr von dem Don, er hatte auch keinen Schrei ausgestoßen. Er war einfach weitergelaufen und in die endlose von Wald und Pflanzen bedeckte Tiefe gefallen. Dort würde er bis zum Jüngsten Tag liegenbleiben, denn da unten trauten sich ganz sicher nicht einmal die Insulaner hin.

Die Insulaner hatten sie anscheinend im ersten Schreck ebenfalls für Spanier gehalten, und daher war ihre Angst verständlich.

Sie waren geflüchtet, und da sie sich auf ihrer Insel bestens auskannten, war die Suche nach ihnen ebenso zwecklos.

Hasard hatte sie jedoch für kurze Augenblicke gesehen. Es waren fast goldhäutige, großgewachsene Menschen mit langen schwarzen Haaren und schönen Gesichtern. Sie sahen nicht wie Wilde oder wie Kopfjäger aus, entfernt ähnelten sie den Menschen von den Hawaii-Inseln. Nur ihr Hinterkopf schien etwas flach zusammengedrückt zu sein, aber das hatte vermutlich nicht die Natur geschaffen, es war wahrscheinlich künstlich so zusammengedrückt worden.

Die Insulaner, die Hasard flüchtig gesehen hatte, waren in blauen Kaliko gekleidet, der von den Hüften bis zu den Knien reichte.

Als sie einen Blick in die Hütten warfen, mußten sie feststellen, daß sie leer waren. Es gab keinerlei Einrichtungsgegenstände. Entweder waren sie noch nicht bezogen worden, oder man hatte sie schon wieder verlassen, oder sie dienten nur einem vorübergehenden Aufenthalt.

„Was jetzt?“ fragte Siri-Tong.

„Ja, was jetzt?“ wiederholte Hasard etwas ratlos. „Uns bleiben nur noch zwei Wege. Dort schräg hinüber oder der Rückweg.“

„Dann lieber dort schräg hinüber“, sagte Dan spontan. „Sonst finden wir die Insulaner nie.“

Ein lauer Windstoß fuhr durch die Bananenwälder und ließ sie rascheln. Als die kleinen Wedel sich wieder aufrichteten, herrschte beklemmende Stille.

Sie schlugen den Weg ein, der wiederum durch dichtes Gestrüpp, unter Bäumen und an herrlich duftenden Blüten vorbeiführte.

Nach knapp zehn Minuten Marsch blieb der Seewolf stehen.

Dan sah ihn fragend an.

„Ganz stillbleiben“, sagte Hasard. „Da rauscht doch etwas. Hört ihr es auch?“

Dan spitzte die Ohren, die Rote Korsarin bewegte sich nicht und lauschte ebenfalls.

Anfangs war es nur ein ganz zartes Säuseln, das sie vernahmen, aber dann hörten sie es doch heraus. Es mußte entweder ein größerer Bach sein oder ein Wasserfall.

„Ein Wasserfall“, sagte Hasard bestimmt. „Und zwar einer, der aus großer Höhe herabstürzt.“

Nun versuchten sie, die Richtung zu bestimmen, doch das war nicht ganz einfach. Das Raunen, Flüstern und Murmeln war überall. Mal schien es von rechts zu stammen, mal von links, dann wieder hörte es sich so an, als käme das Geräusch aus der Schlucht tief unter ihnen.

„Gehen wir ein paar Schritte weiter“, sagte der Seewolf. „Wenn es sich dann verstärkt, haben wir die Richtung.“

Der Seewolf behielt recht. Nach knapp hundert Yards wurde aus dem Geraune ein kräftiges Murmeln, dann ein zartes Rauschen.

„Wir gehen dem Geräusch nach, bis wir die Quelle erreichen“, sagte Hasard.

Damit behielt der Papalagi wiederum recht, der behauptet hatte, man würde dem Wasserfall aus Neugier folgen oder auch ganz unbewußt und man würde ihn auch finden.

Später, sie waren jetzt länger als zwei Stunden unterwegs, so schätzte Dan, hatte sich das Geräusch verstärkt. Es war ein monotones Brausen geworden, das immer noch anschwoll.

Als sie aus einer dichten Buschgruppe hervortraten, war das Getöse übermächtig.

Der Wasserfall lag vor ihnen. Er stürzte eine von wilden bunten Blumen und Ranken bewachsene Steilwand hinunter und ergoß sich unten zischend und brodelnd in einen kleinen See, von dem wiederum der Bach gespeist wurde.

Sie blieben stehen, um den Anblick in sich aufzunehmen.

„Phantastisch“, sagte die Rote Korsarin. Sie hatte einen weiteren Knopf ihrer roten Bluse geöffnet, so daß man den Ansatz ihrer kleinen festen Brüste erkannte.

„Man hat den Wunsch, sich darunter zu stellen bei dieser Hitze“, sagte Dan, „und das stundenlang.“

„Das steht dir frei, Dan. Wenn du dich abkühlen willst, bitte.“

„Weshalb springen wir nicht einfach in den See?“ fragte Siri-Tong.

„Uns allen ist es verdammt heiß, eine kleine Abkühlung würde ganz guttun.“

Hasard war kein Spielverderber. Ihre Sachen würden in kurzer Zeit wieder trocken sein, und die Abkühlung tat wirklich gut.

„Also los“, sagte er, riß sich das Hemd vom Oberkörper und sprang mit einem Satz in das glasklare Wasser.

Dan und die Rote Korsarin folgten seinem Beispiel, wobei Dan lebhaft bedauerte, daß Siri-Tong nicht auch ihre Bluse ablegte.

Das Wasser war kühl und erfrischte. Man konnte bis auf den Grund des Sees blicken. Aber es gab kein Lebewesen darin, jedenfalls sahen sie keines.

Eine Weile planschten sie in dem See, tauchten, schwammen ein Stück und kletterten schließlich wieder an Land.

„Herrlich war das“, sagte Hasard lachend und drehte sich um. Er zog sein Hemd über und erstarrte, als er ein leises Kichern hörte. Wie vom Blitz getroffen, blieb er stocksteif stehen und blickte Siri-Tong an. Aber es war nicht ihr Lachen.

Am Gebüsch standen sie.

Mindestens zehn Insulaner, Männlein und Weiblein bunt gemischt, sie lachten fröhlich und unbeschwert und schienen nicht die geringste Angst vor den Fremden zu haben.

Sie kamen sogar neugierig näher.

Allen voran ging ein verwitterter Greis mit hellen, klaren Augen. Er schien uralt zu sein, doch er bewegte sich erstaunlich sicher, und seine wachen Augen huschten wieselflink umher.

Ihm zur Seite standen jüngere Männer, wie sie sie flüchtig schon gesehen hatten.

Aber der Anblick der Mädchen war einfach umwerfend, und über Dans Lippen zog ein ausgesprochen freudiges Grinsen.

Die Frauen waren hochgewachsen und schlank, und sie schienen eitel und gefallsüchtig zu sein, denn sie lächelten ungeniert und herausfordernd. Auf ihren schwarzen Haaren trugen sie den tahitianischen Rewarewa, einen zierlichen Kopfputz aus den jungen zarten Blättern der Kokospalme, den sie sich in die üppige Haarpracht gesteckt hatten. Zwei andere hatten ihr wallendes Haar mit den feurigen Blüten des Hibiskus rosasinensis geschmückt.

Hasard und Dan fielen besonders ihre kleinen zierlichen Hände und Füße auf, obwohl sie figürlich etwas größer als Siri-Tong waren, ungefähr einen halben Kopf.

Ihre Oberkörper waren wie die der jungen Männer nackt, und sie zeigten ungeniert ihre festen Brüste. Von den Hüften ab trugen auch sie rote, hellblaue oder lila Gewänder, die bis zu den Knien reichten.

Alles in allem waren sie wohlproportioniert, hatten schöne Gesichter mit intelligentem Ausdruck und sinnlich-fleischige Lippen. Ihr Teint war von gelblichbrauner Farbe, aber in der Sonne schimmerte er in Goldtönen.

Die Verblüffung auf seiten der „Isabella“-Crew war wesentlich größer als umgekehrt.

„Donnerwetter“, sagte Dan begeistert, und sein Wort löste unter den Aualuma wiederum laszives Gekicher aus.

Der Oberkörper des Alten war ebenfalls nackt. Als Zeichen seiner Würde trug er von den Hüften ab ein faltiges Gewand, das ebenfalls an den Knien endete.

Lange Zeit musterten sie sich gegenseitig ungeniert. Hasard sah in ehrliche und offene Gesichter, und er fühlte, daß sie hier willkommen waren, denn wahrscheinlich hatte man sie lange beobachtet. Auch das unbekümmerte Bad in dem kleinen See hatte den Insulanern offenbar gefallen.

Er spürte die begehrlichen Blicke der jungen Frauen, die das bunte Tuch musterten und miteinander tuschelten, kicherten und immer wieder darauf hinwiesen.

Auch Siri-Tong wurde mit großem Interesse gemustert und begutachtet, denn für die Insulaner war eine fremde Frau noch viel ungewöhnlicher als ein fremder Mann.

„Dann wollen wir mal mit der völkerverbindenden Verständigung beginnen“, sagte der Seewolf unbekümmert.

Niemand verstand ihn, nur das Gekicher der Aualuma begann wieder, und die jungen Burschen grinsten ebenfalls.

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9783954394999
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