Читать книгу: «Uppers End», страница 2

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„Beruhigt euch alle mal wieder“, versuchte Fridolin zu beschwichtigen „Bedenkt, Linda hat immer noch viel Quod in sich. Außerdem hat die überdurchschnittlich große Menge an Quod bei ihr bewirkt, dass sie die Erinnerung an Zuhause nie ganz verloren hatte und später zum Großteil sogar wiedererlangte. Ich, für mein Teil, kann verstehen, dass Linda so reagiert. Wenn ich so versuche mich in sie hineinzuversetzen, dann glaube ich, würde ich genauso reagieren wie Linda. Mich wundert es nicht, dass sie wütend ist und Rechenschaft von uns fordert.“

„Hm“, Upper dachte nach. „Wahrscheinlich hast du Recht, Fridolin. Wir wollen Mal nicht so sein. Nun gut! Du hast mich nach deinem Archetyp gefragt. Linda, ich sag´s dir: Dein Archetyp besteht, wie bei jedem reisenden Sein, aus drei verschiedenen positiven Aspekten. Zum einen beinhaltet deiner „Die gute Fee“. Du solltest gütig und mildtätig sein. Du solltest Wünsche erfüllen. Du hattest die Gabe, Träume zu erfüllen und Ersehntes zu verwirklichen. Du konntest geheime Bedürfnisse erkennen und befriedigen. Anderen eine Freude zu machen oder sie zu überraschen, bereitete dir selber die größte Freude. Du warst intuitiv und feinfühlig. Deshalb fiel es dir leicht, Menschen glücklich zu machen. Durch dich floss etwas vom Ort der Zeit ohne Zeit in die Welt. Du warst eine wunderbare Gefährtin und hast Menschen in ihren schwersten Zeiten geholfen. Ich finde es überaus bedauerlich, dass deine wunderbaren Aspekte so schändlich missbraucht wurden.“ Upper schaute beim Schlusssatz Heinrich und Martha grimmig an. „Dann beinhaltete dein Archetyp weiterhin noch den Aspekt des Kraftstrotzenden. Du solltest viel innere Stärke besitzen. Nichts sollte dich aufhalten können. Nur der Tod wäre dazu fähig gewesen.“

„Also ich, hihi“, kicherte Fridolin verschmitzt.

„Du hattest die Kraft, dich selbst aus hoffnungslosen Situationen zu befreien. Selbst, wenn du geschwächt warst, gelang dir das. Deine unerschöpfliche Kraft machte es dir auch leicht, auf jeden freundlich zuzugehen und denjenigen so zu akzeptieren wie er war. So konntest du Großes vollbringen. Leider wurde das nie von jemandem in deiner Familie gewürdigt. Im Gegenteil, auch diese starke Eigenschaft von dir wurde missbraucht und du wurdest hintergangen. Du wurdest in deinen ureigenen Fähigkeiten, in deiner enormen Kraft gebremst.“ Diesmal blickte Upper Hannah streng an.

„Ich wollte doch nur das Beste für Linda. Ihre Stärke und ihre Fähigkeiten machten mir Angst“, versuchte Hannah sich zu verteidigen.

„Im Hinblick auf die Menge Quod, die du von uns bekommen hast, Linda, wundert mich jetzt nicht mehr, dass du stärker warst als ursprünglich geplant. Na ja, es hat dir ja nicht geschadet – ganz im Gegenteil, es hat dich gerettet.“

„Danke Upper! Das war ein großes Geschenk für mich.“

„Der dritte Aspekt deines Archetyps ist der der hilfsbereiten Gönnerin. Du warst zuverlässig und wusstest, anderen und dir immer zu helfen. Du hattest immer eine Idee, das zu besorgen, was gerade benötigt wird. Wie ein Jäger oder Sammler wusstest du genau, was zu tun war, um versorgt zu sein.“

„Das stimmt, Upper. Ich wusste mir immer zu helfen, um aus dem Mangel herauszukommen. Außerdem, erinnere ich mich, hatte ich auch immer – selbst bei dem Quatsch, den ihr verzapft habt – das Vertrauen, dass ihr mich versorgen würdet, wenn es ganz hart kommt.“

„Das höre ich gerne, Linda. Habe ich also doch nicht alles verbockt.“

„Das habe ich auch gar nicht behauptet Upper. Vielmehr waren das die, da drüben.“ Linda zeigte abfällig auf ihre vier Welt-Gefährten die schon heimgekehrt waren.

„Linda, nicht nur dich wusstest du zu versorgen“, fügte Upper hinzu, „sondern auch andere Menschen. Das hat dir meistens sogar noch mehr Freude bereitet. Wenn du teilen konntest, warst du glücklich. Leider wurde dir auch das verübelt.“

„Nochmals danke dafür, Upper. Ich fühle mich reich beschenkt von dir.“

„Das habe ich gerne gemacht, Linda. Du weißt, du bist mir sehr nahe.“

„Und du sagst, all diese tollen Dinge wurden mir als schlecht vorgeworfen, weil ich in den ersten zwanzig Jahren meines Seins auf der Erde meinen Schatten nicht dabei hatte? Upper, habe ich dich da richtig verstanden?“

„Ja, genau. Du hattest so viel Gutes und Schönes in dir, das konnten deine Mitmenschen, die dir nahe waren nicht aushalten. Deshalb versuchten sie, wie gesagt, den schlechten Gegenpol in dir zu finden, was ihnen ja, aus bekannten Gründen nicht gelingen konnte. Zum Glück hatten dich einige, wenige meiner Notfall-Seins gefunden und dir immer mal wieder geholfen. Ich befürchte, du hättest sonst deine Reise vorzeitig abgebrochen.“

„Was sind denn nun schon wieder Notfall-Seins?“ Max schaute fragend zu Upper.

„Nun ja, das sind Seins-Anteile vom Ort der Zeit ohne Zeit, die ich zur Erde geschickt habe, falls einer meine Forscher Hilfe benötigt. Die Menschen nennen sie manchmal Engel oder Erdenengel oder himmlische Helfer.“

„Jetzt wird mir so manches klar! Ich erinnere mich: Hin und wieder gab es jemanden, der mir, aus mir unerklärlichen Gründen, etwas gegeben hat oder für mich getan hat. Ab und zu war es auch nur ein Blick, der mich von einem Fremden traf, wenn ich mich erschöpft fühlte und danach fühlte ich mich wieder besser. Jetzt wundert mich das nicht mehr. Herzlichen Dank dafür!“

„Linda, habe ich deine Frage damit ausreichend beantworten können?“

„Ja, fast.“

„Was gibt´s denn nun noch?“

„Du sprachst davon, Kanep hatte meinen Schatten in seinem Reisegepäck. Ich möchte gerne wissen, welchen Schatten mir Tomasin gegeben hatte. Und, wenn wir schon mal dabei sind: Welchen Archetyp und welchen Schatten hatte Kanep selbst?“

„Da fragst du am besten Tomasin. Er weiß es ja am besten. Und was Kanep

anbelangt, da muss ich erst noch nachdenken, ob ich dir das erzählen möchte.“

„Upper?! Darf ich dich daran erinnern, dass du an meinem verkorksten Leben nicht ganz unschuldig warst?“ Linda stand mit verschränkten Armen vor Upper, wippte ungeduldig mit ihrem rechten Fuß, zog ihre linke Augenbraue hoch und schaute dabei Upper sehr bestimmend in die Augen.

„Okay, ist schon gut, ich mach´s, ich erzähl es dir, Linda. Aber guck mich nicht mehr so an! Wenn du mich so streng ansiehst, könnte ich fast Angst vor dir bekommen. Mit dem Blick könntest du glatt Hexen und Teufel verjagen.“

„Ja, das kann ich auch!“ Während sie das sagte, lugte sie zu Heinrich und Martha hinüber. Wieder zuckten die beiden zusammen als sich Lindas und ihre Blicke trafen. Nur Hannah nickte Linda bestätigend zu.

„Tomasin, verrate Linda bitte, welchen Schatten du ihr mitgegeben hast“, forderte Upper Tomasin auf.

„Aber Upper, das geht doch nicht! Ich kann doch nicht einfach so aus dem Nähkästchen plaudern. Da könnte ja jeder daher spaziert kommen und Einsicht in seine Akte verlangen. Schließlich sind das Geheimsachen.“

„Tomasin, ich gebe dir vollkommen Recht. Nur in diesem Fall müssen wir, ich betone: müssen wir eine Ausnahme machen. Wir haben es hier mit einem Sonderfall zu tun. Noch nie zuvor ist jemand mit der Erinnerung an Zuhause auf der Erde gewesen.“

„Upper, da irrst du dich! Hast du nicht Inos …“ Weiter kam Tomasin nicht.

„Tomasin, schweig! Kein Wort! Ich will nicht mehr darüber sprechen!!! Du wirst Linda jetzt alles erzählen, was sie wissen möchte. Nicht mehr und nicht weniger – verstehst du? Schließlich hat sie viel mitgemacht. Und sie hat nicht mal mit ihrer Herkunft geprahlt. Das nenne ich tapfer! Deshalb darf sie alles wissen, was sie möchte. Auch über diejenigen, die maßgeblich auf der Erde bei ihr waren, darf sie Fragen stellen.“ Ein Raunen erhob sich. Es kam von den Anwesenden Zurückgekehrten, die Linda empfangen mussten. Sie schienen von Uppers Anweisung nicht gerade begeistert zu sein.

„Gut, wenn du das so willst, Upper?“

„Ja! Ich will das so, Tomasin! Nun mach endlich! Gib Linda die gewünschte Auskunft! “

„Aber nicht mehr!“ Tomasin stampfte trotzig mit seinem Fuß auf. Ganz so,

als wolle er damit seinem Unmut über Uppers Anweisung Luft machen.

„Ich sagte dir doch Tomasin, nicht mehr und nicht weniger.“ Upper zwinkerte Tomasin mit leicht verschwörerischem Gesichtsausdruck zu.

„Tja, Linda“, begann Tomasin „dein Schatten besteht, genau wie dein Archetyp, aus drei Aspekten. Jeder Aspekt beinhaltet einen negativen Gegenpol zum Archetyp. Da ist zunächst als erster Schatten der Knauser.“

„Was?! Ich soll geizig gewesen sein?! Ich glaube jeder hier wird dir bestätigen können, dass ich alles andere war als das. Tomasin, das ist eine unverschämte Verleumdung!“

„Mensch, Linda! Jetzt reg dich nicht so auf. Ich sagte, ich hatte dir den Schatten des Knausers gegeben. Das heißt noch lange nicht, dass du ein Geizhals warst. Hast du eben nicht richtig zugehört, als Upper Hannah die Sache erklärt hat?!“

„Leute, hört auf euch so anzukeifen! Kommt mal wieder runter! Linda, Tomasin hat Recht. Aber ich erkläre es dir gerne noch einmal: Tomasin gab dir den Schatten des Knausers – ja. Ich hatte dir den Archetyp der hilfsbereiten Gönnerin mitgegeben – so. Du hattest in deinen ersten gut zwanzig Jahren nur deinen Archetyp gelebt. Nachdem du von Kanep deinen Schatten bekommen hattest, stand dir auch der Knauser zur Verfügung. Das hatte für dich zur Folge, dass dir auf einmal all die Leute bewusst wurden, die geizig waren. Sie sind dir sehr unangenehm aufgefallen. Du hast sie automatisch abgelehnt. Diese Geizhälse haben dir aber nur, na sagen wir mal“, Upper überlegte einen Moment „oh ja, das ist ein gutes Bild – sie haben dir einen Spiegel vorgehalten. Du hast in einen Spiegel geblickt und dort deinen Schatten des Knausers erblickt. Der hat dich so sehr erschreckt, dass du ihn erst mal für dich als Trugbild verleugnet hast. Mit der Zeit, und mit Hilfe deiner Erinnerung an Zuhause, hast du dieses Trugbild aber als deinen Schatten erkennen können und ihn akzeptiert. Von diesem Zeitpunkt an sahst du andere Knauser als das an was sie waren – nämlich einfach nur Geizhälse. Sie störten dich nicht mehr, weil sie keine Resonanz mehr bei dir fanden. Indem du deinen Schatten akzeptiertest, hattest du diesen Anteil in dir erlöst, im Sinne von aufgelöst. Verstehst du? Du warst immer die hilfsbereite Gönnerin – auch mit dem Schattenaspekt des Knausers in dir. Du hast die Sache mit deinem Schatten nur leider mit deiner Ankunft hier

wieder vergessen.“

„Ach so! Ich glaube, jetzt habe ich es verstanden.“

„Okay, kann´s weitergehen?“

„Ja, Upper.“

„Na endlich!“ seufzte Tomasin. Er begann schon vor Ungeduld seine Augen zu verdrehen. „Der Knauser also, er will nichts geben – meistens zumindest. Das, was er besitzt, ist so etwas wie ein Abgott für ihn. Er wähnt sich mit seinem Besitz leider in einer trügerischen Sicherheit. Denn nichts ist von Dauer. Der Besitz kann schnell, durch unvorhersehbare und unkontrollierbare Umstände, fort sein. Geizig zu sein macht einsam, denn die Sorge und die Aufmerksamkeit um den Besitz verhindert wahre Verbindung mit dem Umfeld. Knauser werden praktisch von ihrem Besitz besessen, ohne es selbst zu merken.“

„Ja, genau. Das waren genau die Menschen, die ich nicht mochte. Sie waren auch so kalt und so verknöchert in ihrem Herzen. Brrr!“ Linda schüttelte sich bei der Erinnerung an diese Menschen.

„Dein zweiter Schattenaspekt“, fuhr Tomasin fort „war der der Verbergerin. Du solltest dich fürchten und glauben, dass du deine Aufgabe alleine erfüllen müsstest - ganz ohne Hilfe von anderen. Wenn du diesen Aspekt gehabt hättest, hättest du dich vermutlich verborgen, weil dir die Erfüllung deiner Aufgabe als schier unmöglich erschienen wäre. Du hättest dich versteckt, weil du Angst vor deiner Berufung gehabt hättest, vor deinen Begabungen, deiner Macht und letztendlich vor dir selbst.“

„Wieso hast du ihn mir gegeben und mir dann gesagt, ich solle ihn zurücklassen?“

„Ähem, das sollte ein kleines Experiment sein, entschuldige bitte Linda.“ Verlegen versuchte Tomasin eine Ausrede zu finden. „Ich dachte mir, wenn du erst einmal ohne diesen Aspekt reisen würdest, also nur mit dem Archetypaspekt des Kraftstrotzenden – wer weiß, was dann passieren würde?“

„Ich habe die Verbergerin in mir jedenfalls nicht vermisst! Der Kraftstrotzende war prima“, triumphierte Linda.

„Aber ich – zum Donnerwetter nochmal!“, schimpfte Hannah. „Ich hatte eine Scheißangst!“

„Vor wem, vor mir etwa? Ich war doch nur deine Tochter!“

„Nicht vor dir – vor deinen Fähigkeiten! Du warst von Anfang an anders als deine Geschwister: gewitzter, aufgeweckter, schlauer, wissender. Ich hätte mir was von der Verbergerin in dir gewünscht. Das hätte mich beruhigt. Selbst die Hebamme damals in der Geburtsklinik hat direkt über dich gesagt, ´du seist eine andere Sorte´.“

„Hannah, wie meinte sie das?“

„Sie meinte du wärst anders als deine Geschwister, die sie auch auf die Welt geholt hatte.“

„War die eine von deinen Notfall-Seins, Upper?“

„Yep! Jemand musste drauf aufmerksam machen. Hat aber leider nicht gereicht“, gab Upper zu.

„Okay, Schwamm drüber. Erzähl bitte weiter Tomasin. Welcher ist der dritte Aspekt?“

„Gestatte mir zuvor bitte eine Frage Linda: „Wie war das für dich, als Kanep dir den Schatten brachte und du die Verbergerin in dir hattest?“

„Nun ja, ich glaube mich zu erinnern, dass ich Menschen doof fand, die von sich überzeugt waren. Lange Zeit vermutete ich, ich sei neidisch auf sie. Ich konnte sie einfach nicht leiden, diese präsenten, erfolgreichen Typen. Ich selbst versteckte mich tatsächlich. Meine Größe und meine Fähigkeiten, die ich an mir entdeckte, ängstigten mich auf einmal selber. Doch dann half mir Kanep in den Spiegel zu sehen und diesen Schattenaspekt zu entlarven. Danach wurde alles gut.“

„Das ist sehr interessant, danke. Ah ja, der dritte Schattenaspekt ist die Gierige. Dieser Aspekt verhindert Erfolg und Glück. Als Gierige gerätst du automatisch in einen Suchtkreislauf: du bist mit dir nicht im Reinen, magst dich oder deine Lebens-Situation nicht – dann gibst du dich deiner Hab-Gier hin – darauf folgen dann Schuldgefühle oder Scham – deshalb verachtest du dich dann selber – und dann beginnt der Suchtkreislauf von vorne.

„Was heißt denn Hab-Gier? Ich kann mich nicht daran erinnern, jemals gierig gewesen zu sein.“

„Bist du nicht?! Denk mal genau nach, Linda! War da nicht was mit Essen und Trinken?“

„Wieso? Gilt in deinen Augen Genuss denn auch als Gier?“

„Nun ja, es kommt darauf an, in welchem Maß das geschieht. Bei dir hatte ich zeitweise schon Bedenken, ob es noch Genuss oder schon Gier war. Ein `zu viel haben wollen` bedeutet automatisch, dass du über ein gutes Maß hinaus schießt. Meiner Ansicht nach hast du dich so manches Mal hart an dieser Grenze bewegt – gerade, wenn du mal wieder an den Rand deiner Kräfte gelangt warst. Da hatte ich schon das ein oder andere Mal die Befürchtung, dass du in einen Suchtkreislauf geraten könntest.“

„Wie jetzt, Sucht? Wieso Sucht, Upper?! Ich habe nie zu Drogen gegriffen. Das musst du doch wissen! Heroin, Kokain, Designer-Drogen und wie sie alle heißen habe ich von jeher abgelehnt.“

„Und was ist mit einem Gläschen Wein – oder zwei, drei? Mit Gänsebraten, Schweinshaxen, Torten oder holländischen Gewürzkeksen? Gab es da nicht reichlich Gelegenheiten, etwas mehr als üblich davon zu nehmen? Erfüllte das nicht den Tatbestand der Völlerei – na? Aber gut, ich will mal nicht so sein und ein Auge zudrücken, Linda. Du warst ja letztendlich auch nur ein Mensch. Worauf ich eigentlich hinaus wollte war, dass all das, also wenn du den Schatten der Gierigen lebst, dass dich das vom wahren Genießen des Lebens abhält. Im Übrigen kann der Mensch nach vielen verschiedenen Dingen gierig sei. Das bezieht sich nicht allein aufs Essen und Trinken. Du kannst nach so ziemlich allem gierig sein. Da gäbe es zum Beispiel noch Geld, Sex, Bewundert-Werden, Aufmerksamkeit, Medikamente, Computerspiele, Sammeln von Dingen und noch viel, viel mehr. Mit allem kannst du den Schatten der Gier ausleben.“

„Ich verstehe, Upper. Kanep brachte mir auch diesen Schattenaspekt. Deshalb kam ich plötzlich mit diversen Suchtpotenzialen in Kontakt. Zum Glück habe ich beizeiten diesen Aspekt im Spiegel erkennen können. Puh, da hab´ ich aber Schwein gehabt!“

„Ja Linda, auch ein Quäntchen Glück gehört immer dazu“, fügte Upper noch zu. „Der rechtzeitige Blick in den Spiegel hat dich schlussendlich vor echter Sucht bewahrt.“

„Danke. Und jetzt, Tomasin, erzähl mir bitte noch, welchen Schatten du Kanep mitgegeben hattest.“

„Ach komm schon Upper, muss ich wirklich?“ Tomasin sah Upper flehentlich bittend an.

„Auf jeden Fall Tomasin. Ich hab´s Linda versprochen.“

„Och nö!“

„Keine Widerrede Tomasin! Los, fang an!“

„Gut Linda, dann erzähl ich dir das eben auch noch: Kanep hatte natürlich auch einen Schatten mit drei Aspekten von mir bekommen. Der erste Aspekt …“, Tomasin stockte. Von allen unbemerkt standen plötzlich ganz in der Nähe von Tomasin zwei Personen und spitzten die Ohren. „Ja bitte?“, forderte Tomasin die beiden auf sich zu erklären.

„Och nichts. Wir wollten nur mal hören, was du so über unseren Sohn, den wir auf der Erde hatten, zum Besten geben wolltest.“

„Zum einen gebe ich nichts zum Besten, zum anderen bin ich mir gar nicht so sicher, ob euch das überhaupt was angeht!“ Tomasin reagierte sehr ungehalten auf die beiden. Ratsuchend schaute er Upper an. Der verdrehte aber nur genervt seine Augen. Also musste Tomasin deutlicher werden: „Nun sag du doch auch mal was, Upper! Schließlich hörst du es zu gerne, wenn alle dich Bibo – Big Boss – nennen. Nun benimm dich auch dementsprechend! Sag´ was!“

„Na gut Tomasin: Wieso seid ihr jetzt schon hier?“

„Du kennst die beiden?“ Tomasin wunderte sich, wie gleichgültig Upper tat.

„Ja, natürlich! Ich kenne alle hier. Ich hatte den beiden Anweisung gegeben herzukommen, wenn Kanep eintrifft. Das sind tatsächlich Kaneps Eltern, in seiner gerade abgelaufenen Erdenzeit gewesen. Das sind Olaf und Gisela. So hießen sie auf der Erde.“

„Ja, ich kenne sie natürlich auch“, fügte Linda hinzu. „Sie waren meine sogenannten Schwiegereltern gewesen.“

„Ach ja“, meldeten sich nun auch Erhard und Hannah zu Wort. „Wieso seid ihr hier und nicht am Ankunftsplatz, um Kanep in Empfang zu nehmen?“

„Upper hatte uns angewiesen hierher zu kommen“ beteuerte Gisela. „Er meinte, der Bericht von Linda und der von Kanep wäre für uns alle von Bedeutung. Die Geschichte der beiden sei so sehr miteinander verwoben, dass wir alle stark darin verstrickt wären. Wo ist unser Sohn übrigens?“

„Genau, wo bleibt Kanep nur?“, wunderte sich auch Upper.

„Der quatscht bestimmt noch mit Fridolin“, vermutete Linda. „Ich kann mir vorstellen, die beiden trödeln rum und führen „wichtige Männergespräche“. Ihr müsst wissen, Kanep hat da einen enormen Nachholbedarf und außerdem bestimmt auch eine Menge Fragen an Fridolin. Schließlich hatte er keine Erinnerung an sein Zuhause und seine Aufgabe, als er auf die Welt kam.“

„Wieso Fridolin?“, wunderte sich Gisela. „Der ist doch hier.“

„Ihr habt die Erklärung vorhin ja nicht mitbekommen“, begann Tomasin: „Jeder, der auf die Erde reist, bekommt seinen eigenen Fridolin an die Seite gestellt. Er ist sozusagen euer Reiseleiter, der unter anderem auch die Reisezeit beendet.“

„Ach soooo?! Gemeiner Kerl! Wenn du das kannst, dann kannst du bestimmt auch das Leben verlängern. Warum hast du mir und Olaf nicht die ewige Jugend gegeben?“, beschwerte sich Gisela leise, aber dennoch vernehmlich. Fridolin äußerte sich nicht dazu. Er tat so, als hätte er Giselas Beschwerde überhört.

„Da! Da ist er!“ Linda hatte Kanep als erste bemerkt. Plötzlich tauchte er neben ihr auf. „Da bist du ja, mein Liebster – endlich!“

„Gott sei Dank, ich hab´ dich wieder Linda. Jetzt ist alles gut!“ Kanep war seine Freude und Erleichterung förmlich ins Gesicht geschrieben. Plötzlich aber verfinsterte sich seine Miene. „Was wollen die denn hier?! Ich dachte, ich hätte endlich meine Ruhe und meinen Frieden!“

Linda versuchte Kanep zu beruhigen. „Bald, mein Lieber, bald wirst du deine Ruhe vor ihnen haben und Frieden finden. Weißt du, Upper hat unsere Eltern und meine Großeltern hierherbestellt, damit sie unseren Bericht über unsere Erdenerfahrungen hören sollen. Ich kann mir vorstellen, der eine oder andere wird das bestimmt nicht so toll finden.“

„Das glaube ich auch Linda“, pflichtete Kanep Linda bei. „So wie die unseren Blicken ausweichen und verschämt auf den Boden gucken, sehen sie eher aus, als wünschten sie sich besser nicht hier sein zu müssen. Linda, wer ist denn der bucklige Mann, der da vorne neben der ollen Martha steht?“

„Das ist mein Opa, Kanep!“

„Ach der ist das! Na warte! Du verdammter Kerl! Du hast Glück, dass wir uns bisher nie begegnet sind.“ Kanep drohte ihm mit seiner Faust.

„Na, na, nimm dich zusammen!“ Upper rief Kanep zur Ordnung auf. „Ich weiß, du bist noch voller Quod, aber das gibt dir keinen Freischein! Du bleibst mal schön bei Linda und beruhigst dich. Ach ja, Kanep, du kommst übrigens genau zum richtigen Zeitpunkt. Tomasin wollte Linda gerade berichten, welche Schattenaspekte er dir bei deiner Abreise gegeben hatte. Nun Tomasin, fang endlich an!“

„Na endlich“, stöhnte Tomasin erleichtert. „Wo war ich noch stehengeblieben? Ach ja, ich hab´s wieder! Der erste Aspekt deines Schattens, Kanep …“ Wieder brach Tomasin ab. „Was tuschelt ihr denn da?! Linda! Kanep! Ich muss doch bitten!“

„Tschuldigung, Tomasin. Ich hab` Kanep nur rasch die Sache mit dem Schatten und seinem Archetyp erklärt. Bin schon fertig damit!“

„Ähem“, mit deutlichem Unmut über die ständigen Unterbrechungen, fuhr Tomasin fort: „Sein erster Schattenaspekt ist der, der Domina.

Er beinhaltet etwas sehr Vernichtendes. Der Schatten besitzt Aspekte von Zorn und anarchistischer Kraft. Im Domina-Aspekt besteht man darauf, dass sich alles in der Welt nur um einen selbst dreht. Man ist herrisch und überheblich, launisch, genussversessen und fordernd. Es kann sogar sein, dass man grausam, hartherzig und rücksichtslos handelt. Wenn ein Mann den Aspekt der Domina hat, überträgt er diese Eigenschaften gerne auf Frauen in seiner Umgebung. Besitzt der Mann selber einen relativ hohen weiblichen Anteil, kann es sein, dass er diesen Aspekt sowohl weitergibt als auch selber lebt.“

„Oje!“ Kanep fuhr fürchterlich zusammen. Viele Gedanken gingen ihm durch den Kopf. „Deshalb war das also …, darum war ich … - jetzt wird mir einiges klar.“ Kanep schwieg, schüttelte aber immer wieder unwirsch seinen Kopf, während er augenscheinlich nachdachte.

„Kaneps zweiter Aspekt“, setzte Tomasin ungeachtet Kaneps Reaktion fort „ist der des Bedürftigen. Der Bedürftigen-Aspekt ist ein Schatten der Schwäche. Derjenige, der diesen Aspekt auslebt, hat oft Furcht vor sich selbst, vor seiner Größe, vor seiner Lebensaufgabe, vor anderen und Angst davor Entscheidungen zu treffen und seinen eigenen Weg zu gehen. Er tut sich schwer damit, Verantwortung für sein Leben und für sich selbst zu übernehmen. Wegen seiner vermeintlichen Schwäche, wegen hypochondrischer Episoden oder wegen seiner Verletzung…“

„Zum Beispiel: Vernachlässigung durch die Eltern“, Fridolin schaute Gisela und Olaf streng an.

„…meint er“, setzte Tomasin fort, „andere müssten sich deshalb besonders intensiv um ihn kümmern. Gleichzeitig lehnt der Bedürftige aus falschem Stolz heraus andere aus seiner Umgebung oder gar sich selber ab, sodass es zu einer fortlaufenden Verkettung von Disputen kommt.“

„Sonst noch was?! Du hast aus mir einen Freak gemacht! Du bist ein ganz gemeiner Kerl Tomasin!!!“ Kanep war frustriert. Verzweifelt verbarg er sein Gesicht in seinen Händen. Niemand sollte mitbekommen, wie er mit seinen Tränen rang. Tomasin schien das wenig zu berühren. Er blickte in die Runde und schien sogar Lob für seine getroffene Auswahl des Schattens von Kanep zu erwarten. Doch die Anwesenden starrten ihn nur entgeistert mit großen Augen und geöffneten Mündern an. Sie konnten nicht fassen, was sie da zu hören bekamen. Einige fingen an nachzudenken. Sie fragten sich, welchen Schatten Tomasin ihnen womöglich damals mitgegeben hatte, als sie zur Erde reisten.

„Gisela fasste sich ein Herz: „Tomasin, ich frage mich, welchen Schatten du mir damals mit auf den Weg gegeben hast? Wenn ich mir so anhöre, was du meinem Sohn angetan hast, frage ich mich, welche Gemeinheit du dir für mich ausgedacht hattest?“

„Gisela, das sind keine Gemeinheiten“, verteidigte sich Tomasin. „Dem ein oder anderen scheint das mies oder ungerecht vorkommen, aber glaubt mir, ich mach das nicht zu meinem Vergnügen. Ich wähle jeden Schatten mit Bedacht aus - quasi maßgeschneidert auf eure gewählte Aufgabe. Wenn ihr mir nicht glaubt, Upper wird euch das bestätigen.“ Wieder schaute Tomasin hilfesuchend zu Upper hinüber.

„Ja, es stimmt, was Tomasin sagt. Er ist ein ehrenwertes Mitglied unserer Triade, genau wie ich es bin und natürlich Fridolin auch. Ihr könnt unserer Triade vertrauen. Habe ich euch je belogen oder im Stich gelassen?“

Linda zweifelte an Uppers Worten. „Ich bin mir da nicht so ganz sicher. Auf der Erde habe ich mich von dir oft verlassen gefühlt, Upper.“

„Papperlapapp! Das war die pure Einbildung eines Menschen. Glaub mir, niemals verlasse ich, Upper, der Bibo, eins meiner Seins. Wenn ihr das Gefühl der Verlassenheit gespürt haben solltet, so lag das nur an eurer Aufgabe. Linda, ich möchte hier gar nicht anzweifeln, dass du dich eventuell von mir verlassen gefühlt haben könntest – das mag sein – aber glaube mir, ich war immer bei dir. Du hattest dich bei deiner Abreise entschieden diese Erfahrung zu machen.“

„Du willst damit sagen Upper, ich wollte das spüren? Das ist doch wohl nicht dein Ernst!“

„Doch, doch, glaub´ s nur.“

„Mir wird wohl nichts anderes übrig bleiben. Eins will ich dir aber sagen: Ich habe arge Zweifel!“ Tiefes Schweigen senkte sich in die Debatte.

Gisela nutzte die Gunst der Ruhe. „Sag mal Upper, verrätst du mir auch, welchen Schatten ich von Tomasin bekam?“

„Tut mir leid Gisela, das kann natürlich nur Tomasin selber tun. Ich bin für den Archetyp zuständig. Aber von meiner Seite aus, habe ich nichts dagegen. Allerdings verhält es sich so, dass es Lindas Erfahrungsbericht ist. Ausnahmsweise habe ich wegen ihres besonderen Lebens zugestimmt, diese internen, vertraulichen Dinge preiszugeben. Da musst du deshalb Linda fragen.“

Linda wartete erst gar nicht Giselas Frage ab. „Eigentlich hast du es gar nicht verdient Gisela. Aber ich denke, es ist wichtig für mich, von allen an meinem Leben beteiligten hier, sowohl von ihrem Archetyp als auch von ihren Schatten Kenntnis zu erhalten. Nur so klärt es sich für mich - glaube ich. Da ihr nun mal alle hier seid, habe ich nichts dagegen, wenn ihr zuhört. Mir geht es ums Aufdecken. Ich will wissen, was in meinem Leben auf der Erde los war. Ich will Gerechtigkeit und Genugtuung – für mich und für Kanep. Ich fühle mich schändlich betrogen, belogen, verraten und hintergangen. Ich kann natürlich nur für mich sprechen, aber ich denke, Kanep ergeht es ähnlich – oder?“ Linda schaute Kanep an. Betrübt stand er neben ihr und blickte immer noch auf den Boden. „Linda traut sich was“, dachte er. „Bietet dem Bibo die Stirn und beginnt hier alle bloßzustellen“. Dennoch, Kanep war ungeachtet seiner eigenen Frustration überwältigt, wie taff Linda versuchte, ihre Angelegenheiten zu klären. „Ich wusste ja schon auf der Erde, wie wütend und aufgebracht du warst, als du einige Dinge über deine Familie herausgefunden hattest. Dass du jetzt tatsächlich deine Ankündigung wahrmachst, das hätte ich dir, ehrlich gesagt, nicht zugetraut Linda. Chapeau, Linda, alle Achtung!“ Kanep war seine Bewunderung anzusehen. „Natürlich bin ich auch jetzt ganz bei dir, mein Schatz. Ja, auch ich möchte wissen, was bei mir im Leben los war – wenn ich darf?“

„Nicht ganz so Kanep“, antwortete Upper. „Bei dir kann ich nicht so tiefgreifend auf dein Leben eingehen, wie ich es bei Linda tue. Lindas besondere Umstände betrafen dich zwar auch, denn du warst zwangsläufig involviert und du hast dich auch sehr für Linda eingesetzt, doch Linda, ist die Hauptperson.“

Linda trat Upper entgegen „Da gebe ich dir zwar Recht Upper, aber bedenke, Kanep und ich sind etwas mehr als siebzig Erdenjahre den Weg durchs Leben dort gemeinsam gegangen. Da hat er aus meinem Gerechtigkeitsempfinden heraus auch ein Recht auf Klärung.“

„Nun gut, Linda“, stimmte Upper zu „ich mache dir einen Vorschlag: Du entscheidest, wer was und wie viel wissen darf. Aber ich behalte mir das Recht vor, einzuschreiten, wenn es zu viel wird – okay? Und eine Bitte noch an dich, nein, eine Anordnung von mir: Hör auf mit mir verhandeln zu wollen! Es steht dir nicht zu! Ich bin Chef, du bist Seins-Anteil!“

„Also wie du? Sind wir nicht alle Teil von dir?“

„Schweig!“, donnerte Upper los. „Sonst wirst du meinen Zorn spüren!“

Kanep knuffte Linda in die Seite. „Sei lieber still! Übertreib´ s nicht! Uppers Zorn ist schrecklich, das wissen wir doch aus dem großen Buch aller Bücher, das wir auf der Erde hatten.“

„Bin ja schon still. Aber das hier ist endlich meine Gelegenheit. Wenn ich meine Chance jetzt nicht nutze, gibt´s wieder keine Klärung für mich und ich muss noch einmal Erfahrungen auf der Erde sammeln. Und ich hab´ so was von keine Lust mehr darauf. Ich hab´ echt den Papp auf!“

„Kann ich verstehen, Linda. Ich auch. Wir zwei haben spannende Erfahrungen gesammelt. Ich glaube, nun ist es an der Zeit, dass wir beide in der Mitte hier verschmelzen. Jetzt darf´s dann gut sein.“

„Danke Kanep, dass du bei mir bleibst!“, flüsterte Linda.

„Habt ihr euch endlich wieder eingekriegt? Ich möchte weitermachen. Der dritte Schattenaspekt von Kanep steht noch an.“

„Bitte mach weiter Tomasin. Zuvor kündige ich noch an, dass im Anschluss, also wenn Tomasin und ich fertig sind mit Schatten und Archetyp, es Linda obliegt, über eure Aspekte zu berichten. Sie entscheidet, was preisgegeben wird. Ich, als Bibo, wache darüber. Das wird mir nämlich langsam zu bunt mit euch.“ Upper versprach sich durch seine Anordnung die Ruhe und Ordnung wieder herzustellen. Er sehnte sich nach Ruhe und Ordnung. Linda hatte mit ihrer kecken Art ein ziemliches Durcheinander angestellt. Vielleicht, so hoffte Upper, würde Linda zahmer werden, wenn er ihr für kurze Zeit etwas Macht verlieh.

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9783748557333
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