Читать книгу: «Geliebter Wächter 2: Wolfsherz», страница 7

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Kapitel 7

»Was dauert denn da so lange?«, maulte May und warf sich trotzig auf einen Stuhl im Vorzimmer, das in einem satten Bronzeton erstrahlte.

Xaith lag mit dem Ohr an der Tür und hatte seinen Gehörsinn mit Magie verstärkt, während im Audienzsaal des Kaisers debattiert wurde.

Normalerweise hatte er dadurch immer bestens lauschen und seine Geschwister auf dem Laufenden halten können, doch dieses Mal hörte er sehr schlecht. Es war, als herrschte im Saal ein Sturm, der alle Gespräche mit einem lauten Rauschen übertönte. Er musste raten, was die einzelnen Wortfetzen bedeuteten. Auch Sarsar versuchte, durch magische Hilfsmittel, das Gesagte verständlich zu machen, aber seine tief gefurchte Stirn zeugte davon, dass auch er das Rauschen nicht umgehen konnte.

Irgendetwas – oder Jemand – schien den Raum ganz bewusst vor lauschenden Ohren abzuschotten.

»Ich glaube, sie haben eben jemanden rausgeschickt«, vermutete Xaith den Geräuschen und Wortfetzen nach. »Und der Kaiser hat wohl noch einen Sohn.«

»Lass mal sehen!« Riath, der Hornochse, stieß Sarsar grob zur Seite und ging vor dem Schlüsselloch der goldverzierten Türen in die Hocke, um linsen zu können. Er hatte sein hübsches helles Seidenhemd mit den goldenen Rändern durch sein ledernes Rüstungshemd ausgetauscht und roch nach frischem Schweiß, als hätte er, statt sich auszuruhen, mit dem Schwert geübt.

»Ja«, sagte er mit seltsam kratziger Stimme. »Da geht jemand raus. Zwei Jungen. Den einen kenne ich!« Er wirkte plötzlich ganz erregt und zappelte herum. »Das ist der Junge vom Fest.«

»Der, wegen dem Vater beinahe gefressen wurde?«, hakte Vaaks nach und trat nun auch näher. Sehr nahe, sodass Xaith seine harten Muskeln im Rücken spüren konnte.

May schnaubte amüsiert. »Der, wegen dem Riath gesabbert hat.«

Sofort flog Xaiths Kopf herum. Erst sah er May an, die voller Spott grinste, dann sah er zu Riath, der angestrengt durch das Schlüsselloch linste und die Lippen aufeinanderpresste, während er so tat, als hätte er Mays Bemerkung nicht gehört.

Warum ihn das so überraschte, wusste er eigentlich nicht so genau. Riath geiferte so ziemlich jedem nach, Fräuleins, Burschen, Ziegen, einfach allem, was warm war und einigermaßen passabel aussah, zumindest so lange, bis er seine Gier an ihnen gestillt hatte.

Vermutlich hatte Xaith ein seltsames Gefühl, weil Riath den fremden Jungen vor einem Drachen hatte retten wollen. Riath war niemals aufopfernd oder gar ein Held, Riath war ein egoistisches Schwein, wie es im Buche stand.

Aber tatsächlich, man konnte fast sehen, wie ihm der Sabber vom Kinn tropfte, während er durch das Schlüsselloch spähte und wie gebannt jede Bewegung darin verfolgte.

Dann wurde eine Tür geschlossen und er blinzelte, als habe ihn jemand geweckt. Enttäuscht ließ er die Schultern hängen, und Xaith glaubte, dass der Junge den Saal verlassen haben musste.

Ein Geräusch hinter der Tür zum Flur ließ sie allesamt ertappt aufschrecken. Wachen eilten über die Gänge und vertraute Stimmen näherten sich langsam.

»Das ist der Orden.« Vaaks fluchte verhalten, dabei legte er die Hand auf Xaiths Schulter, und Riath durchbohrte sie mit Blicken. Sie lauschten alle angespannt, doch die Schritte näherten sich. Langsam zwar, aber zielstrebig.

Vaaks wandte sich an Xaith und beschloss. »Ich geh sie ablenken, vielleicht kann ich Zeit schinden oder sie wegführen.«

Der Orden vertraute Vaaks und hielt ihn für reif, aber im Grunde war er auch noch ein freches Kind, das seine Geschwister immer gedeckt hatte, wenn sie lauschten.

Manche Dinge würden sich nie ändern.

Noch einmal sahen sie sich an und beide zögerten. Xaith wusste, was Vaaks sich ersehnte, er wünschte es sich auch, doch keiner brachte den Mut auf. Also wandte Vaaks sich nach einem leichten Lächeln ohne Kuss ab und schlüpfte auf den Flur hinaus, nachdem er zuvor gewissenhaft den Gang hoch und runter gespäht hatte.

Sarsar drückte hinter ihm leise die Tür zu und legte das Ohr daran, um mitzuhören, ob Vaaks die Ablenkung gelang, während May bereits den Stuhl unter die Fensteröffnung zerrte und ihnen einen schnellen Fluchtweg bahnte. Sie machten das ja nicht zum ersten Mal, sie hatten dieses Zimmer ganz bewusst ausgewählt, denn vom Fenster aus konnten sie schnell auf das Dach klettern und dann auf einen Balkon flüchten.

Xaith wandte sich wieder dem Lauschen zu. Riath blickte starr durch das Schlüsselloch.

»Du weißt, dass er dich nur benutzt, oder?«, sagte Riath plötzlich leise.

Xaith fuhr zu ihm herum. »Was?«, zischte er.

Riath sah ihn nicht an, er tat weiter so, als linste er durch das schmale Loch, während er leise weitersprach. »So dumm kannst du doch gar nicht sein! Vaaks! Der nutzt dich doch nur aus, weil Fenjin nicht dabei ist. Ich meine, er hält es nicht aus, weißt du?« Er lachte humorlos. »Würde ich genauso machen.«

Die Wut, die in Xaith hochstieg, ließ seine Augen rot aufflammen. »Das ist nicht wahr!«

Riath verdrehte die Augen. »Du bist nur ein Platzwarmhalter, Bruder, begreif das doch. Sieh dich doch an! Sieh Fenjin an. Sobald wir zurück sind, wird Vaaks wieder den hübschen Rotschopf besteigen.«

Xaith ballte wütend die Fäuste und musste sich zurückhalten, nicht gegen die Tür zu schlagen und laut zu brüllen. »Halt doch den Mund! Vaaks ist nicht wie du!«

Riath schnaubte abfällig und wandte Xaith endlich den Kopf zu. Bevor er etwas sagte, sah er sich über die Schulter, aber Sarsar lauschte noch an der anderen Tür und May spähte noch aus dem Fenster. Die Raben ächzten, sie schien sie zu beobachten.

»Ach ja?« Arrogant schaute Riath Xaith wieder an. »Und warum entdeckt er erst jetzt seine Liebe zu dir, hmm? Hast du mal darüber nachgedacht? Er will nur jemanden, der ihm die Zeit vertreibt, und du bist so willig wie eine Harfenfotze. Denk doch mal nach, Bruder, wie ist er denn so? Hm? Erfahren? Kann ich mir denken, ich kenn ihn doch. Glaub mir, ich weiß, dass er schon so einige Liebhaber hatte, darunter bestimmt auch Fenjin, wer würde da Nein sagen? Er kann sich bestimmt nicht zurückhalten, deshalb braucht er dich. Aber sobald wir wieder zu Hause sind, wird er sich von dir abwenden. Willst du wirklich seine Hure sein?«

Es war so ungerecht, dass Riath immer genau das aussprach, was Xaith tief im Inneren befürchtete, doch sein naives Herz wollte all das einfach nicht glauben. Nein, nicht nachdem Vaaks ihn geküsst hatte. So voller … Leidenschaft und ehrlicher Zuneigung. Das konnte nicht gelogen gewesen sein!

Mit bebenden Nasenflügeln presste Xaith hervor: »Du bist doch nur neidisch, weil ausnahmsweise mal jemand mich, statt dich will.«

Riaths entsetzter Blick überraschte Xaith. »Du glaubst, ich wäre eifersüchtig auf dich

Wie abwegig zu glauben, Riath könnte auf ihn eifersüchtig sein! Wie konnte er nur so etwas behaupten… Der große Riath, Schönling Nohvas, ist doch nicht eifersüchtig auf die Kraterfresse!

»Weil Vaaks mich will, nicht dich! Das erträgst du nicht«, behauptete er trotzig.

Riath starrte ihn einen Moment doch tatsächlich sprachlos an.

»Das passt dir nicht, hm, Bruder?« Xaith beugte sich so nahe zu ihm vor, dass ihre Nasenspitzen gegeneinanderstießen, und verzog hasserfüllt seine Miene. »Du kannst es nicht ertragen, dass er dich niemals in Betracht zog, oder?«

Langsam schüttelte Riath den Kopf. »Ich will Vaaks nicht. Nicht im Geringsten. Vaaks ist für mich so uninteressant wie ein Fladen Rinderscheiße auf unseren Feldern.«

»Als ob es dir je darum ging, ob du jemanden willst oder nicht. Nein, es geht allein um dich, um deinen Stolz. Es geht immer nur um dich!« Aufgebracht stand Xaith auf, Sarsar und May starrten sie nun an, sodass Riath sprachlos zu ihm aufsah und stammelnd den Mund auf und zu klappte, ohne etwas hervorzubringen.

»Ich sag dir was«, knurrte Xaith und zeigte angriffslustig die Fänge, »dass hier machst du mir nicht kaputt! Ich lass mir von dir nichts mehr einreden!«

Darauf herrschte eisiges Schweigen im Raum.

Riaths Gesicht nahm eine ungewohnt bleiche Farbe an, doch er presste die Lippen aufeinander, wie er es immer tat, wenn er eine tiefe, gefährliche Wut spürte.

Sie sahen sich an, starrten einander nieder, ohne dass einer von ihnen den Blick abwenden konnte, keiner von ihnen würde zuerst nachgeben.

»Ich wollte dich schützen«, brachte Riath schließlich hervor. Die Worte trieften vor Selbstüberschätzung.

Xaith schnaubte verächtlich. »Schützen? Du? Und wer schützt die Welt vor dir?«, spuckte er aus.

Mit geballten Fäusten sprang Riath auf und baute sich Nase an Nase vor Xaith auf. »Ich hab dich immer beschützt!«

»Einen Scheiß hast du!« Xaith baute sich ebenfalls auf, die Spannung im Raum fing beinahe Feuer, genau wie er. »Du hast mich niedergemacht, kaum dass sich der erste Makel zeigte. Du warst immer an erster Stelle, wenn es darum ging, mich nieder zu prügeln.«

»Ich habe dich nie niedergeprügelt«, knirschte Riath.

»Mit jeder einzelnen, beschissenen Bemerkung«, konterte Xaith, während heiße Tränen in seinen Augen brannten.

Noch immer zornig stierte Riath ihn an, die Nasenflügel gebläht wie ein Tier, aber er hatte darauf nichts zu erwidern. Es war schlicht die Wahrheit.

Xaith schüttelte angewidert den Kopf. »Das ist nicht einmal das Schlimmste, was du tust. Das Schlimmste ist, dass du es nicht merkst. Das Schlimmste …«, seine Stimme wurde dünn und brüchig, »… sind deine kranken Spielchen. So zu tun, als … als läge dir was an mir, nur damit … damit du darüber lachen kannst. Ich weiß, du tust das seit Jahren nur, weil es dein widerlicher Versuch ist, mich auf hinterhältige Weise von Vaaks fernzuhalten.«

Xaith war nicht dumm, er hatte immer gewusst, dass Riaths Bemühungen, ihm näher zu kommen, als es ein Bruder sollte, nichts mit echter Begierde zu tun hatten. Er hatte versucht, Xaiths Gefühle für Vaaks auf sich zu lenken, um sich daran zu ergötzen. Es war alles nur ein krankes Spiel für ihn, und er ertrug es nicht, wenn sich mal etwas nicht um ihn drehte. Wenn jemand – Vaaks – nicht ihn, sondern ausgerechnet seinen hässlichen Bruder Xaith bevorzugte.

Riath leckte sich seinen perfekten Kussmund und nickte abgehackt. »Das denkst du, ja? So denkst du also von mir? Ausgerechnet du!«

Xaith trat auf ihn zu und zischte ihm gegen den Mund: »Ich kenne die Schwärze in dir!«

Da packte Riath ihn unvorhergesehen an der Kehle, mit beiden Händen, und drückte zu. Xaith gab einen gurgelnden Laut von sich, May stieß einen spitzen Schrei aus – oder war es Sarsar? – und Riath warf ihn mit voller Wucht gegen die Wand. Panisch zerrte Xaith an Riaths Händen, doch sie waren unbeweglich wie Stein. Wie Stein, der sich immer fester zuzog.

»Das ist nicht wahr!«, wisperte Riath erstaunlich leise, in seinen Augen brannten Tränen und sein Gesicht war eine theaterreife Maske der Verzweiflung. »Das ist alles nicht wahr!«

Instinktiv setzte Xaith Magie ein und verbrannte durch seine bloßen Hände Riaths Arm, doch das beeindruckte diesen nicht, obwohl seine Haut zischte und Xaiths Hände glühende Abdrücke auf seinen Armen hinterließen. Sie heilten sofort wieder, konnten ihn nicht verletzen.

Etwas Metallisches blitzte an Riaths Kehle auf.

»Wenn du ihn nicht sofort loslässt, schlitz ich dich vom Hals bis zum Schwanz auf und lass dich ausbluten wie ein Schwein. Bruder.«

Riath erstarrte zuerst, dann ließ er langsam los und nahm etwas Abstand, wobei er zögernd die Hände hochnahm.

Xaith packte sofort Sarsars dünnen Arm und zwang ihn runter. »Bist du wahnsinnig?«, fragte er seinen Bruder, der noch immer mit einem eiskalten Blick zu Riath starrte. »Pack den verfluchten Dolch weg!«, zischte er und rieb sich hustend die Kehle.

»Hast du das gesehen?«, raunte Sarsar so leise, dass nur Xaiths verstärktes Gehör ihn hören konnte. »Ich habe eine Druckwelle auf ihn geworfen, er hat sie nicht einmal gespürt.«

Xaith tauschte einen verwirrten Blick mit Sarsar, nickte aber dann auf den Dolch. »Los, weg damit.«

Nur widerwillig ließ Sarsar die Waffe unter seinem himmelsblauen Gewand verschwinden. Irgendwo, wo man sie auch dann nicht sehen konnte, obwohl man nun wusste, dass sie da war.

»Geht es dir gut?«, fragte Sarsar schmallippig, aber ohne Riath aus den kalten Augen zu lassen.

Xaith nickte und konterte genervt: »Ja, verdammt. Halb so wild, ich bin doch kein zerbrechlicher Zweig!«

May legte ihre Hände auf Riaths Schultern und zerrte ihn zum Stuhl, weit genug fort von Xaith, und massierte ihm die Schultern. »Ganz ruhig, Großer.«

Aber Riath war ruhig, zu ruhig, wie erschlagen hing er im Stuhl und wurde sich bewusst, was er getan hatte. Er schüttelte den Kopf. »Es tut mir leid«, jammerte er. Die Feuermale auf seinen Armen waren wie durch Zauberhand verheilt. Selbst ein Luzianer heilte nicht innerhalb weniger Augenblicke, das war vollkommen unmöglich.

»Scheiße«, Riath fuhr sich mit einer zitternden Hand durchs Haar, »ich weiß nicht, was in mich gefahren ist. Das wollte ich gar nicht.«

Xaith nickte, sah ihn aber nicht an. »Ich weiß. War meine Schuld, Bruder.«

Natürlich wusste er das, Riath hatte sich nämlich noch weniger unter Kontrolle als Xaith, er war stets und überall seinen Gefühlen ausgeliefert. Jedem Gefühl. Ob Hunger, Freude, Übermut, Trauer, Lust oder Wut… er empfand alles viel stärker als alle anderen und verwandelte sich in etwas, das er nicht war.

Nur wusste das niemand. Niemand bis auf Xaith.

Das war es, was sie teilten und immer teilen würden.

Kapitel 8

»In Ordnung«, Eagle rieb sich die Augen mit zwei Fingern, »können wir das bitte noch einmal in einer Kurzfassung zusammenbringen.« Er lehnte sich in seinem Rollstuhl nach vorne und legte die Unterarme auf seinen massiven Tisch.

Alle anderen standen um den Tisch herum, sie hatten keine Stühle gewollt. Den Jungen – Kacey – hatten sie nach draußen geschickt, und Bellzazar hatte Korah beauftragt, ihn zu »beschützen«, was bei ihm nichts anderes hieß, als Überwachung.

Cohen sah von Eagle zu Bellzazar, der das Wort erhob.

»Die Kurzfassung? Die Königin von Zadest wurde von einer Druidin gestürzt, die durch ein Portal Kontakt zu ihrer Göttin suchte. Statt ihre Göttin, fand sie eine Fremde, die in sie fuhr und nun sie und ganz Zadest kontrolliert. Kurz um, wir haben einen Parasiten in unserer Welt: eine Göttin, die unsere magischen Ressourcen will. Um uns gänzlich zu unterjochen, muss sie das Portal so lange mit Magie speisen, bis es geradezu explodiert und einen großen Riss verursacht, dazu braucht sie Kacey, denn seine Macht ist dazu in der Lage, Risse entstehen zu lassen, indem er die Zeit kontrolliert, der kleine Wicht. Außerdem müssen sie mich töten, denn ansonsten ist ihre Invasion nur eine Besetzung, und das reicht ihnen natürlich nicht. Nein, sie wollen meinen Kopf rollen sehen. Natürlich, was sonst? Wäre ja auch zu schön, würde es ohne Blutvergießen gehen, was? Nun ja, aber ihr eigener Wächter, der den Auftrag hatte, mich kalt zu machen, haben Cohen und ich bereits in unserer Obhut-«

»Ich bin auf eurer- Urghs…«

Bellzazars Arm war blitzschnell vorgeschnellt und drückte Places Kehle zu. »Schnauze, Silbersträhne, ich rede.«

»I…In O..Or…Ordnung«, ächzte der Wächter.

Cohen musste neben Bellzazar in sich hineinschmunzeln.

Souverän fuhr Bellzazar fort: »Wie dem auch sei. Das Problem ist, wenn es dieser selbst ernannten Herrin gelingt, einen Riss zu erschaffen, der groß genug ist und lange genug hält, um ihre Götter hierher zu lotsen, ist es aus, und zwar mit uns allen. Ihre Magie macht Sterbliche zu willenlosen Sklaven, und es gibt keinen Zauber – nicht in unserer Welt – der uns davor schützen könnte.«

»Also müssen wir sie aufhalten«, schlussfolgerte Desiderius und nagte nachdenklich an seiner Wange, während seine klugen Augen bereits die Karte auf dem Tisch studierten.

»Wir müssen das Portal schließen«, mischte Levi sich ein, »aber wir haben zu wenig Magie, wir haben kaum genug Götter, um es schließen zu können, also…«

»Muss derjenige, der das Portal mit Magie speist, es für uns schließen«, fuhr Bellzazar fort.

Nun sah Wexmell neben Desiderius erschrocken auf: »Du meinst, Kacey muss dorthin zurück, wo man ihn Jahre lang festgehalten hat?«

Die traurige Geschichte des Jungen hatten sie bereits erfahren.

Bellzazar nickte. »Richtig. Das ist der einzige Weg. Ich könnte ihm auch seine Magie absaugen, aber in seinem Zustand ist er zu schwach und seine Magie nicht mehr als ein leiser Lufthauch. Und wir haben nicht genug Zeit, ihn zu Kräften kommen zu lassen. Wir müssen sobald aufbrechen, wie wir können und hoffen, dass er auf der Reise genug Macht zurückerlangt, um im richtigen Moment bereit zu sein.«

»Oder wir töten ihn.«

Auf den Vorschlag hin schien im Raum für einen Moment die Zeit still zu stehen.

Dann fuhr der Zadestianer herum. »Einen Scheiß werdet ihr…«

»Fen«, murmelte sein riesiger Gefährte und legte ihm eine Hand auf die Schulter, um ihn zurückzuhalten.

Mit einem genervten Laut befreite er sich aus dem Griff, hielt sich aber zurück.

Bellzazar verdrehte die Augen und sah Place genervt an. »Deshalb sollst du deinen verdammten Mund halten«, zischte er angespannt.

»Aber er hat recht, oder?«, hakte Desiderius pragmatisch wie immer nach. »Das ist auch eine Möglichkeit. Keine schöne, aber es ist eine.«

Dafür erhielt er ebenso zornige Blicke, auch von seinem Prinzen.

»Ich sage nicht, dass wir es in Betracht ziehen«, betonte er und sah Wexmell schulterzuckend an, »aber es ist eine Hintertür, die wir nicht vergessen sollten.«

»Nein, eigentlich nicht«, warf Bellzazar dann ein und wackelte zweifelnd mit dem Kopf.

Levi sprach für ihn weiter: »Wir wissen nicht, was geschieht, wenn Kacey stirbt. Er hat fast all seine Macht in dieses Portal geleitet, es ist fast, als wäre es ein Teil von ihm. Gut möglich, dass es ebenso erlischt, wenn er stirbt, aber genauso gut könnte es sein, dass seine Magie dadurch brüchig wird und das Portal … ebenso auseinanderbricht und einen Riss verursacht. Einen unkontrollierten Riss zwar, aber dennoch einen Riss.«

Nachdenkliches Schweigen legte sich über die Runde. Desiderius rieb sich das markante Kinn, auf dem ein leichter Bartschatten lag, und Cohen musste den Blick von ihm losreißen. Es war so seltsam, nach allem, was geschehen war und all der Zeit, die vergangen war, wieder hier zu sein, neben ihm zu stehen, ihn sehen und fühlen und sogar riechen zu können. Seinen wunderbaren, männlichen Duft, der so vertraut war, dass er sofort ein Gefühl von Geborgenheit auslöste.

Und doch war es nicht wie früher. Ganz und gar nicht, nicht für Cohen. Zu viel war passiert, zu viel Wahrheit ans Licht gekommen, zu viele Gefühle … entflammt.

Cohen schloss für einen Moment das Auge und seufzte tief. Es war anstrengend, alle ins Bild zu setzen, wenn man bereits über alles Bescheid wusste. Lästige Wiederholungen, die kostbare Zeit kosteten. Zeit, die er gern woanders verbracht hätte. Bei seinem Sohn zum Beispiel, den er nun kennen lernen konnte, wenn dieser es denn wollte.

Cohen spürte das Leid in diesem Raum. Jedes einzelne. Desiderius`, Eagles, von diesem Doragon und seinem Gefährten Fen, sogar eine Spur Leid, die von Wexmell ausging, und Bellzazar großes Leid, das in Gegenwart seines Bruders ins Unermessliche zu steigen schien.

So viel Schuld – sie erstickte fast den Raum.

Aber da war auch Liebe. Tiefe Liebe und pure Freude. Freude und Liebe seiner einstigen Kameraden, die ihn wahrhaftig vermisst hatten. Ein ordentlicher Hauch Verwirrung schwebte über allen Köpfen. All das schlug auf ihn ein, all das konnte er plötzlich spüren. Es war eine völlig neue Welt, eine Welt der Gefühle, voller Farben und rauschender Winde. Es war schön, einfach schön.

Und er spürte, dass er in seinem Bewusstsein nicht allein war. Bellzazar war mit seinem Geist in ihm, war mit ihm verschmolzen und steckte alle schlechten Gefühle in eine Truhe, damit sie seine dämonische Seite nicht weckten.

Es war wundervoll, ihn in sich zu spüren. Cohen lächelte über die Vieldeutigkeit seiner Gedanken. Aber so war es, in jeder Hinsicht. Es war schön, nicht mehr allein zu sein, mit Bellzazar in seinem Geist würde er nie wieder einsam sein, nicht einmal in tiefen Gedanken.

Ob geistig oder körperlich, Bellzazars Anwesenheit beruhigte ihn auf eine viel tiefere Art als er je für möglich gehalten hätte.

»Und wenn wir …«, erhob Eagle zögerlich das Wort, »…mit dieser Herrin verhandeln?«

Alle sahen ihn neugierig an.

Er zuckte mit den Schultern. »Ich meine ja nur, einen Versuch wäre es doch wert.«

»Ich weiß, was du meinst«, mischte Wexmell sich ein, »und jeder hier weiß, dass ich immer für die friedliche Lösung bin. Aber wie wollen wir mit jemandem verhandeln, der uns unterjochen will?«

»Freiheit im Austausch für den Jungen«, sagte Doragon matt. »Das ist, was sie euch versprechen, aber nicht halten wird.«

»Woher wollt Ihr das wissen?«, fragte Eagle barsch. »Woher wollt ihr alle so genau wissen, dass all eure Vermutungen wahr sind?«

»Das sind keine Vermutungen, sondern Fakten!«, warf Bellzazar ein.

Eagle sah ihn aufgebracht an und schnaubte. »Warum stehen wir hier und hören dir überhaupt zu? Du bist ein verdammter Verräter! Und ein Lügner! Das warst du immer und wirst es immer sein!«

Das tiefe Knurren im Raum ließ Köpfe herumwirbeln.

»Das ist er nicht«, presste Cohen durch die Zähne und taxierte Eagle wütend. »Er lügt nicht, ich kann es bezeugen.«

»Er ist ein Verräter«, beharrte Eagle und sah Cohen eindringlich an, »er fiel mir – uns! In der Schwarzen Stadt an Nohvas Küsten in den Rücken!«

»Ich musste euch einen Feind geben, der euch zusammenschweißt. Ihr Menschen habt euch dort in der Stadt gegenseitig bekämpft! Ihr brauchtet mich, um einen gemeinsamen Feind zu haben!«, verteidigte sich Bellzazar.

Eagle schüttelte herablassend den Kopf. »Mach dich nicht zum Helden, du bist nichts weiter als ein hinterlistiges Wiesel, dem ich niemals trauen werde!«

»Pass auf, was du sagst«, warnte Cohen ihn.

Eagle fuhr zu ihm herum. »Was ist los mit dir? Du warst doch auch dort, als die Dämonen uns überfielen!«

»Belehre mich nicht, Eagle, ich war es, der dich rettete!«

»Es war Ari, die mich schwerverletzt rauszog«, warf Eagle ein.

Cohen schnaubte. »Aber ich zog deinen Feind von dir fort und gab euch die Möglichkeit zur Flucht. Also erzähl du mir nichts über die Schlacht in der Schwarzen Stadt! Ich war länger dort als du! Und wenn ich vergeben kann, dann solltest du das auch! Bell ist längst nicht nur das, was wir sehen wollen, sonst wäre ich heute nicht hier.«

»Bell?« Eagle verengte die Augen. »Ist es, weil du jetzt ein Dämon bist? Ist es das? Bist du deshalb irgendwie auf ihn geprägt? Ist er jetzt dein Meister und du sein kleiner Diener?«

Cohen machte einen Schritt um den Tisch herum, um auf ihn loszugehen, als ihn Bellzazars Arm von hinten umschlang und Desiderius ihm eine Hand auf die Brust legte.

»Genug jetzt!«, mischte sich der König von Nohva ruhig, aber entschlossen ein. »Hört auf, alle beide. Lasst die Geschichten von gestern ruhen, heute stehen uns schlimmere Probleme ins Haus.« Tadelnd sah er Eagle an, der sich zischend abwandte und sich auf seinen Stock stützte.

Cohen wollte ihm für seine Behauptung immer noch an die Gurgel, aber Bellzazar zog ihn an sich, sodass er dessen Brust und flachen Bauch am Rücken spüren konnte. Er beugte den Mund zu Cohens Ohr und raunte: »Das ist das dämonische Feuer, Coco, atme tief durch. Komm schon, tu es für mich, atmet die Wut einfach weg. Atme sie raus.«

Er nahm Bellzazars Rat an und konzentrierte sich darauf, sich zu beruhigen. Er schaffte es mit etwas Mühe.

Wexmell beäugte sie dabei mit schmalen Augen.

Doch Desiderius` Stimme lenkte alle Aufmerksamkeit wieder auf ihn. »Ich gebe zu, dass Zazar nicht gerade vertrauenswürdig ist…«

Cohen konnte Bellzazars Schmerz spüren, als wäre es sein eigener. Umso erstaunlicher war seine vollkommen unbewegte Haltung, als ließen ihn die Worte seines Bruders kalt.

Verdammt, er hasste Bellzazars stummen Schmerz. Hasste ihn, weil er ihn so gut selbst kannte.

»Pssst«, flüsterte Bellzazar ihm ins Ohr, als hätte er seine Gedanken erraten, und streichelte ihm kaum merklich die Brust.

»…aber wenn Cohen sagt, wir können ihm glauben, dann glaube ich ihm auch. Zazar ist auch nicht hier, um uns um Vergebung zu bitten, sondern weil wir alle einander brauchen. Mal wieder. Wir können also weiter über die Vergangenheit streiten, oder uns zusammenreißen und uns der echten Gefahr zuwenden. Und eines möchte ich noch betonen.« Desiderius sah Eagle eindringlich ins Gesicht. »Mich traf Zazars Verrat ja wohl am meisten, aber wenn ich ihn dulden kann, dann kannst du das wohl auch, Eagle.«

Eagle grunzte, ließ sich aber zu einem Nicken herab.

»Gut!« Desiderius sah sich in der Runde um. »An diesem Tisch ist kein Platz für persönlichen Groll, lasst ihn uns beiseitelegen und für privatere Räume aufsparen. Ragon, Fen, vergebt uns Westländern unsere Streitigkeiten, es liegt uns leider im Blut.«

Doragon sah Desiderius einen Moment zu lange in die Augen, sagte aber nichts dazu. Cohen sah ihn nicht gerne an, trotz Maske war die Verwandtschaft unverkennbar. Nicht zu Desiderius, sondern zu Rahff. Rahff dem Ersten. Rahff, dem Verräter. Rahff – Cohens Großvater. Womit dieser Doragon, dieser fremde Wilde, Cohens Onkel war.

Von allen Familien, die sich hier am Tisch zusammengefunden hatten, hatten Cohen und Doragon vermutlich die komplizierteste. Vielleicht sollten sie mal einen Stammbaum anfertigen lassen.

Andererseits schien Doragon kein Interesse an irgendeiner Art Verwandtschaft zu haben, vielleicht wusste er auch nicht, dass Cohen ebenfalls ein Youri war, und es war auch schlicht gleich. Es hatte keine Bedeutung mehr, nicht für Cohen. Er hatte seine Familie vor langer Zeit für Desiderius verraten, er würde es wieder tun. Wie es um Doragons Herz bestellt war, wusste er nicht, und er wollte es auch nicht wissen, solange er kein Feind war.

Alles andere war nicht von Belang.

»Ich kann das alles gar nicht glauben«, sagte Eagle und fuhr sich durch sein rotblondes Haar, »ich stand in Verbindung mit der Königin von Zadest! Sie antwortete wie immer mit einem persönlichen Schreiben auf die Einladung zum Friedensabkommen! Wie kann sie schon tot gewesen sein?«

Desiderius runzelte nachdenklich die Stirn. »Bist du sicher, dass sie antwortete? Der Brief könnte ebenso gut gefälscht sein.«

»Das war er ganz sicher«, murmelte der Zadestianer mit starkem Akzent, wobei er das R seltsam über seine Zunge rollte.

Eagle sah ihn an und musterte ihn von Kopf bis Fuß, dann sah er Doragon an. »Fassen wir also zusammen. Diese Herrin – diese Göttin – hat bereits eine Armee aufgestellt, die in den Wäldern vor meiner Stadt lauert, mein Sohn ist der Schlüssel zu ihrem Erfolg, und gleichzeitig auch unsere Rettung, obwohl er so dürr und kränklich aussieht, als würde ihn ein Atemhauch umpusten…«

»Was man von Euch nicht mehr behaupten kann«, murmelte Bellzazar und weitete die Augen.

Desiderius trat ihm auf den Fuß, damit er den Mund hielt.

Eagle wandte sich an Doragon und fuhr fort: »Und Ihr seid ein Blutdrache, der unter Tiermenschen aufwuchs? Ihr habt Sklaven befreit, darunter meinen Sohn, und ersucht uns nun um Hilfe?« Er stieß arrogant den Atem aus. »Und wer sagt mir, dass ihr nicht auch von dieser Herrin versklavt wurdet?«

»Mein Kaiser«, begann Doragon höflich, »es ist deutlich sichtbar, wenn man von der weißen Magie der Herrin befallen ist. Leuchtende Linien schlängeln sich durch die Venen und enden in den Schläfen, wo sie den Verstand der Sklaven kontrollieren.«

Eagle geriet ins Grübeln.

»Wenn ich kurz erklären dürfte…«, fragte Doragon zögerlich.

Eagle forderte ihn ungeduldig auf.

»Sklaven gab es in Zadest schon seit Jahrhunderten. Die Frauenstämme stecken die Jungen schon bei der Geburt in Arbeiter- oder Zuchthäuser. Die Sklaverei ist dort nicht ganz so grausam wie in manch anderen Reichen, zumindest körperlich nicht.«

Fen schnaubte neben ihm, er hatte dazu offensichtlich eine andere Meinung.

»Als die Königin gestürzt wurde, flohen die Frauenstämme und ließen ihre Sklaven zurück«, fuhr Doragon fort, »diese Sklaven befreiten wir, ehe die Herrin sie in die Finger bekommen konnte. Denn diese Sklaven macht sie zu ihren eigenen und baut ihre Heerscharen auf.«

»Weshalb ihre Armee größtenteils aus Männern besteht, die nie zu Kämpfern ausgebildet wurden.«

»Warum fürchtet ihr ihre Armeen dann so?«, hakte Wexmell nach.

Doragon erklärte: »Die Herrin hat ihnen die Furcht genommen. Außerdem kann sie sie über große Distanzen hinweg kontrollieren und befehligen.«

»Das heißt, sie ist gar nicht hier«, vermutete Desiderius.

»Wir vermuten, dass sie im gespaltenen Turm ist. Dort.« Doragon legte den Finger auf einen weit östlich gelegen Punkt auf der Karte in mitten des Dschungels von Zadest. »Dort befindet sich auch das Portal.«

»Dort müssen wir den Jungen hinbringen«, sagte Bellzazar.

Eagle schüttelte wieder den Kopf, dieses Mal nachdenklich. »Was ist mit den Frauenstämmen? Wenn sie geflohen sind, warum batet ihr dann nicht sie um Hilfe? Es geht schließlich um ihre Heimat!«

»Sie sind zerstritten und zerstreut ohne Königin«, erklärte Fen und zuckte mit den Achseln. »Außerdem sind wir Männer, sie würden uns nicht zuhören. Sie verstecken sich lieber in ihren Lehmstätten.«

»Wie konnte das passieren?«, flüsterte Wexmell betroffen und starrte auf die Karte von Zadest. »Wann fing es an und wieso?« Er hob fragend den Blick zu Fen. »Wie konnte solch ein Hass auf Männer entstehen?«

»So wie jeder Hass entsteht«, erklärte Doragon, »wenn eine Gruppe von Menschen nur lange genug unterdrückt wird, wehrt sich diese Gruppe irgendwann und setzt sich an die Spitze. Genauso war es in Zadest vor vielen Jahrhunderten. Genauso wie es vor ein paar Jahrzehnten im Westen war, als eine Kirche eine Liebe unterdrückte und ein paar Männer genug hatten. Heute ist es bei euch Sitte, Männer zu lieben, vor ein paar Jahren war es eine Sünde. Heute ist es üblich, in Zadest Frauen regieren zu lassen, vor ein paar Jahrhunderten waren die Frauen dort nur Huren.«

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