Читать книгу: «Geliebter Wächter 2: Wolfsherz», страница 11

Шрифт:

Kapitel 12

Die Zeltplane wurde aufgeschlagen und ein bärtiger, stinkender Leibwächter streckte den Kopf ins erleuchtete Innere. »Mein König?«

Melecay gab ein Grunzen zur Antwort, während er den kalten Wildschweinbraten vom Vorabend zum Frühstück einnahm. Sein Koch hatte ihn mit viel dicker Soße in einer Holzschüssel serviert, und Melecay trank einen süßen Wein dazu, um das zähe Fleisch herunter zu spülen.

Aber nicht nur das Frühstück vermieste ihm die Laune, auch die unrühmliche Urzeit. Der verdammte Morgen graute noch nicht einmal richtig, die Sonne war noch nicht aufgegangen, aber ein kalter, grauer Schimmer erhellte das Land. Er hätte noch ein paar Stunden schlafen können, aber wer konnte schon bei dieser verdammten feuchten Hitze Ruhe finden?

Er hasste dieses Land. Er hasste es so abgrundtief, dass er es an diesem Morgen am liebsten niedergebrannt hätte.

»Ihr habt Besuch, mein König«, wagte der Krieger ihm mitzuteilen.

»Na dann schickt ihn dorthin wo der Pfeffer wächst.«

»Sind wir da nicht schon«, murrte Vynsu neben ihm. Sein Neffe saß mit Derrick und dessen Lustknaben Desith mit ihm am Tisch, doch das Frühstück nahmen sie alle schweigend ein, denn sie spürten die Spannung im Raum und wagten nicht, ihn zu reizen. Welch kluger Entschluss, Melecay neigte zu unberechenbaren Ausbrüchen, wenn er mies gelaunt war. Und sein Prinzgemahl Dainty war nicht hier, um seine Wut zu besänftigen.

Er war wirklich nicht in Hochstimmung, nachdem seine Freunde ihm in den Rücken gefallen waren. Dabei hatte er wirklich felsenfest mit Desiderius` Unterstützung gerechnet. Aber statt sich ebenfalls gegen Eagle zu stellen, hatte er sich dazu entschlossen, diesem hinfälligen Friedensabkommen noch einmal zuzustimmen. Obwohl Eagle bewiesen hatte, dass er kein Freund war.

Wie könnte er auch ein Freund sein, wenn er seinem eigenen Sohn die Liebe verbot, für deren Freiheit sie einst Blut vergossen hatten?

Melecay sah es schon kommen, in ein paar Jahren würde Eagle derjenige sein, der es zur Sünde erklärte, weil sein Sohn sich gegen ihn stellte. Er roch den Verrat bereits, er konnte es in der Luft schmecken, er …

Gut, vielleicht war er paranoid, aber aus gutem Grund. Schon oft hatte man ihn wegen seines Prinzgemahls stürzen wollen, schon oft waren Meuchler in seine Burg eingebrochen und hatten Dainty die Kehle aufschlitzen wollen. Weil er einen Schwanz und keine Möse hatte, in die Melecay die Frucht seiner Lenden hätte pflanzen können. Weil diese ignoranten Bastarde glaubten, sie könnten ihm vorschreiben, wen er zu ficken hatte.

Verdammt, es sollte Eagle nicht verwundern, dass er gegenüber diesem Thema keinerlei Verständnis aufbringen konnte. Wenn der Kaiser seinem Sohn die Liebe zu einem Mann verbieten wollte, dann ging dessen Abneigung auch gegen Melecay.

Und er hasste es, wenn er verurteilt wurde. Vor allem von einem Schnösel wie Eagle.

Die Kaiserkrone hatte dem Burschen nicht gutgetan, sie hatte seine schlechtesten Seiten hervorgebracht. Aber Melecay würde sich noch etwas einfallen lassen, seine perfekte Welt brüchig werden zu lassen. Angefangen bei seinem süßen Söhnchen, das nun an seinem Tisch saß und sich den Arsch ordentlich von seinem Ziehsohn durchnehmen ließ. Vielleicht würde er ihm auch noch die Tochter nehmen, irgendwie, oder den anderen Jungen. Er könnte bei Nacht und Nebel einbrechen und sie entführen, dann würde er das Weib mit Vynsu zwangsverheiraten und den Jungen zu seinem persönlichen Lustsklaven ausbilden, wenn er alt genug dazu war und Dainty damit einverstanden wäre.

Hm, gar keine so üble Vorstellung. Wäre da nicht Wexmell Airynn, den Melecay als Mann und Freund sehr schätzte. Immerhin waren Eagles Kinder dessen Enkel.

Wexmell und Desiderius waren bisher der einzige Grund, warum er noch nicht zugeschlagen und einen Krieg angefangen hatte. Aber wie lange würde seine Freundschaft zu ihnen noch über seinem Zorn stehen? Er konnte es nicht sagen, er war schlicht angepisst.

»Mein König?« Der Krieger stand noch immer im Zelteingang und trat nervös von einem auf das andere Bein. »Wir haben bereits versucht, sie abzuwimmeln. Sie will nicht gehen.«

Seltsam, dachte Melecay für einen Moment, es hatte eine Zeit gegeben, da hatte er seine Gefolgsleute alle beim Namen gekannt, heute musste er sich anstrengen, sie überhaupt als einen der ihren zu erkennen, weil sich ihm so viele Barbaren angeschlossen hatten, dass er über die Jahre den Überblick verloren hatte. Zumal seine einstigen Kameraden mittlerweile fast alle tot oder eine Familie und sich zur Ruhe gesetzt hatten, um Mist zu schaufeln, statt Köpfe abzuschlagen.

Plötzlich runzelte er die Stirn und sah von seiner Schüssel auf. »Hast du gerade Sie gesagt?«

»Ja«, der Krieger räusperte sich nervös, unter dem Bart war er jünger, als seine Gesichtsbehaarung vermuten ließ. »Sie sagt, sie sei die Herrin von Zadest und möchte mit Euch über einen gemeinsamen Feind sprechen.«

Melecay verzog die Lippen zu einem kalten Lächeln. »Na, wenn das kein glücklicher Zufall ist. Dann lasst die Dame doch nicht warten.«

Der Krieger schmunzelte leicht und senkte vertraut die Stimme. »Von Dame kann keine Rede sein, mein König, ehe von einer vertrockneten Pflaume.«

Melecay lachte, seine Laune hob sich allmählich.

*~*~*~*

Vertrocknet war genau das, was Melecay zuerst dachte, als er das gefurchte, knittrige Gesicht der Alten erblickte.

Er hatte die Burschen rausgeschickt, damit sie aneinander rumspielen konnten und er mit dieser Herrin allein war.

Sie brachte zwei große Leibwachen mit, deren dunkle Haut mit weißleuchtenden Zeichnungen bemalt war. Unter ihren langen Haarzöpfen lugten spitze Ohren hervor, streng und unbeweglich wie Statuen starrten sie geradeaus. Melecay bewunderte ihre Aufmachung. Oberkörperfrei, zwei Waffengürtel überkreuzten sich auf ihrer Brust, kein Hemd, keine Hosen, nur Leder, das ihnen wie ein kurzer Rock um die Lenden gebunden war. Sie trugen Säbel und Bogen am Leib. Primitive Urwaldkrieger, keine Barbaren oder feine Ritter. Nur ein paar menschliche Affen mit blanker, bemalter Haut, die ihre Leben in den Bäumen verbrachten.

»Ich danke Euch, dass Ihr mich empfangt«, sagte die Herrin mit einer geradezu geölten Stimme, die wohltuend sein Gehör hinabrann. Sie passte nicht zu dem alten Körper, ebenso wenig wie die verrucht leuchtenden, grauen Augen.

Melecay lächelte falsch. »Hatte ich denn eine andere Wahl?«

Ihr Schmunzeln war süß und aufrichtig, und absolut unpassend. »Nein.«

Melecay trank von seinem Kelch und inspizierte ihren Körper. Ihre Haut war dünn wie Papier und so faltig wie das Bettlaken, nachdem er mit Dainty fertig war, aber ihre wachen Augen zeugten von einer Jugend, die unvergänglich war. Ihr Blick lockte einen Mann ein, die Hosen fallen zu lassen, er drückte Entschlossenheit und Stärke aus. Ein Blick, den er schätzte und respektierte. Sie zeigte weniger Haut als ihre Begleiter, aber mehr als es eine Frau in ihrem Alter tun sollte. Leopardenfelle bedeckten ihre Brust und Beine, ein buschiger Pelzkragen kaschierte ihre mageren Schultern, aber ihr Bauch lag frei und zeigte einen vernarbten Nabel.

»Also«, drängte er, »Ihr seid gewiss nicht nur hier, um mich mit den Augen auszuziehen.«

Sie lächelte wieder, doch es erreichte ihre Augen nicht. »Nein, nicht nur. Ich bin wegen unseres gemeinsamen Feindes hier.«

Melecay schnaubte herablassend. »Ich habe keine Feinde.«

Doch sie sah ihn wissend an. »Reden wir nicht lange drum herum, Großkönig. Carapuhr und Zadest hatten schon ein Abkommen lange bevor das Kaiserreich sich einmischte. Unsere Länder lagen vor zwanzig Jahren noch in Krieg mit Elkanasai. Ihr wisst genau, wo von ich spreche. Und ich denke, es ist an der Zeit, dass wir uns für die vielen Opfer revanchieren.«

Melecay sah ihr unbeeindruckt in die Augen. »Wie patriotisch von Euch. Doch soweit ich mich erinnern kann, hatte mein Land ein Abkommen mit der Königin von Zadest.« Gespielt bedauernd legte er den Kopf schief. »Wo ist die Königin?«

»Sie wich einer höheren Sache.«

»Aha.«

»Genau wie Euer Vater, nicht wahr?«

Melecay entschloss sich, lediglich zu lächeln, und abzuwarten, worauf die Alte hinauswollte.

»Wir haben viel gemein, Großkönig«, sagte sie und faltete bedächtig ihre Hände im Schoß, »Ihr regiert Euer Land mit Strenge und ebenso mit Liebe. Ihr bietet Eurem Volk Frieden und Wohlstand, solange sie gehorchen. Und das ist, was auch ich will. Gehorsam.«

Melecay verengte die Augen. »Was genau wollt Ihr mit mir besprechen?«

»Ein Bündnis, Großkönig, zwischen Euch und mir«, erklärte sie frei heraus. »Ihr lagert sicherlich nicht außerhalb der Stadt, weil Ihr den Kaiser so gernhabt.«

»So sprecht nun«, drängte er ungeduldig, »meine Zeit ist begrenzt. Von meiner Geduld ganz zu schweigen.«

Sie lächelte, als imponierte ihr, was sie hörte. »Ich schlage Euch einen Handel vor, Melecay. Ihr seid ein großer König und ein Mann, der weiß, worauf es ankommt, aber Euer Titel hat kaum Gewicht. Ich bin hier, weil ich Euch zu einem echten Großkönig machen könnte.«

Interessiert legte er den Kopf schief, nun wurde er hellhörig.

Sie fuhr mit einem diabolischen Lächeln fort: »Schließt Euch mit mir zusammen, und gemeinsam werden wir die Länder des Westens unterjochen. Zu ihrem eigenen Wohl, natürlich. Es geht mir nicht darum, die Länder zu vernichten, sondern um Gehorsam. Stellt es Euch vor, Melecay, Ihr könntet der Großkönig des Westens sein und für mich über alle anderen herrschen.«

Melecay schenkte sich Wein nach, während er sich die Worte der Alten durch den Kopf gehen ließ. Dann nahm er einen Schluck und spülte seinen Mund mit dem süßen Aroma durch. Anschließend lehnte er sich nach vorne und wollte wissen: »Was verlangt Ihr im Gegenzug?«

»Wenn wir den Kaiser von Elkanasai angreifen sollten, erwarte ich Euch und Eure Armee, die Ihr hier in der Nähe versteckt haltet, auf meiner Seite des Schlachtfeldes«, verkündete sie.

Melecay ließ sich seine Überraschung nicht anmerken. Sie wusste mehr, als ihm lieb war.

»Ich biete Euch die Gelegenheit, über ganz Bleyquinnt zu herrschen, Melecay.«

Ein Lächeln schlich sich auf Melecays Züge, als er sich zurücklehnte und ihr auffordernd zunickte. »Ich bin ganz Ohr, meine Herrin.«

Sie lächelte siegessicher zurück.

*~*~*~*

Rick legte Desith von hinten die Hand über den Mund und zog ihn vom Zelt fort. Sein kleiner Wildfang wehrte sich mit Händen und Füßen gegen ihn, aber erst als sie weit genug entfernt waren, ließ er ihn zwischen zwei Zeltwänden los, wo sie allein waren.

»Das können wir nicht zulassen!«, rief Desith erschrocken und wirbelte zu ihm herum.

Doch Rick sah ihn nur entschuldigend an.

Desith riss schockiert die Augen auf. »Du willst nichts tun?«

Seufzend ließ Rick die Schultern hängen. »Desi…«

»Nein!« Wütend entzog er sich Ricks Hand, die beruhigend nach seinem Arm gegriffen hatte. »Wir müssen sie warnen, Rick! Wenn du es nicht tust, dann tu ich es!«

»Das ist Hochverrat, das weißt du«, zischte Rick ihn an. »Du hast König Melecay die Treue geschworen, Desith, du kannst jetzt nicht seinen Feind warnen!«

Desith schraubte trotzig. »Mir doch egal!« Dann wirbelte er herum. »Dann gehe ich eben allein!«

Rick packte ihn und zog ihn entschlossen an sich heran. »Das wirst du nicht tun. Desith!«

Sein kleiner Wildfang wehrte sich wieder aus Leibeskräften, sodass Rick ihn an den schmalen Schultern packte und grob die Hände zusammendrückte.

Mit einem stummen Schrei zuckte Desith zusammen und versuchte, dem Schmerz zu entkommen.

»Du hörst mir jetzt zu!«, schärfte Rick ihm leise ein. »Das ist kein Spaß, Desith, wenn du den Kaiser warnst, begehst du Verrat, und Melecay wird dir den Kopf abschlagen lassen! Verstehst du? Er wird nicht ruhen, bis er dich in die Finger bekommt.«

Verzweifelt sah Desith zu ihm auf, sein hoffnungsloser Blick ließ Rick schwer seufzen.

»Du hast dich dafür entschieden, meinem Vater die Treue zu schwören«, betonte Rick noch einmal ernst. »Seine Feinde sind jetzt auch deine Feinde. Jeder Feind. Auch jene, die mal deine Freunde oder Familie waren. Du kannst nicht einfach nach Belieben jeden Tag deine Meinung ändern. Niemand verrät den Großkönig!«

Desith sah ihn flehend an. »Aber … er ist doch mein Vater, Rick!« Ratlos schüttelte er den Kopf, in seinen eisblauen Augen schimmerten kindliche Tränen. »Ganz gleich, was zwischen mir und ihm vorgefallen ist, ich kann nicht zulassen, dass er stirbt. Und nicht nur er. Alle. Sie werden auch meine Mutter und Geschwister …« Er brach ab, konnte es nicht einmal denken, und begann zu zittern. »Oh Götter, ich kann das nicht zu lassen.«

Rick konnte ihn gut verstehen. Sehr gut sogar. Aber ihnen waren die Hände gebunden, sie mussten sich dem Willen des Großkönigs beugen – oder den Preis ihres Lebens für ihren Verrat zahlen.

»Ich weiß«, seufzte er und zog Desith an sich heran, »ich weiß, das ist schwer. Aber ich kann nicht zulassen, dass du dich wegen deines Vaters zum Hochverräter machst. Das kann ich einfach nicht. Du gehörst jetzt hierher, Desith. So hast du es gewollt. Melecay wird deine Treue erwarten.«

Desith schluchzte an seiner Brust und krallte die Hände in seinen Rücken. »Was habe ich nur getan, Rick? Was haben wir getan?«

Rick wurde das Herz schwer. »Ich … weiß es nicht, Desi. Es tut mir leid.«

Soweit hätte es niemals kommen dürfen.

Kapitel 13

»Wir haben dicke und hohe Mauern«, sagte Eagle, während sie gemeinsam die Wehrgänge über dem östlichen Tor abgingen. »Diese Stadt wurde einst genau für diesen Zweck erbaut: um die Zadestianer abzuhalten.«

»Beruhigend«, erwiderte Desiderius und blieb mit Blick nach Osten stehen. Die Wand aus grünem Wald, die am Horizont aufragte, wirkte an diesem Morgen bedrohlich. »Wie sieht es mit den Truppen aus?«

»Wir haben innerhalb dieser Mauern Fünfzehnhundert bewaffnete, gesättigte Männer und die nächste Garnison ist eine Tagesreise entfernt in Parrot Forest marschbereit.«

»Du solltest sie anrücken lassen«, riet Desiderius ihm. Ein ganz mieses Bauchgefühl plagte ihn seit gestern. Er spürte die Gefahr förmlich, die im Osten lauerte und ihre Krallen nach ihnen ausstreckte. Sie hing wie der Duft von verbranntem Fleisch schwer in der Luft. Und in der letzten Nacht plagten ihn Alpträume von längst gewonnenen und verlorenen Schlachten vergangener Zeitalter. Und von seinem eigenen Tod.

Aber Eagle seufzte und lehnte sich nachdenklich zwischen zwei Zinnen. »Vertraust du ihm denn?«

Desiderius konnte Eagles Argwohn gut verstehen, aber er teilte ihn nicht. »Er ist mein Bruder, Eagle.« Voller schwermütiger Gedanken atmete er aus und fuhr sich durchs schwarze Haar. »Alles, was er tat, hat er für mich getan. Ich glaube nicht im Geringsten, dass er uns jetzt Märchen erzählt, zumal sich seine Geschichte mit Ragons und Fens Geschichte gleicht. Warum sollte Bellzazar sich auch so etwas ausdenken? Es klingt verrückt, wie so oft.«

»Vielleicht weil er unsere Hilfe braucht«, überlegte Eagle, »vielleicht geht es nur um ihn, nur um sein Leben, und er ist bereit, uns alle anderen dafür in Gefahr zu bringen.«

Desiderius schüttelte den Kopf. »Nein, wir sind alle in Gefahr. Dein Sohn hat es bestätigt, genauso wie Cohen. Und ich vertraue Cohen.«

Eagle senkte den Blick und fummelte an seinen Fingernägeln herum. Immer wieder liefen Wachen an ihnen vorbei, ein Hauptmann verteilte Waffen und Helme. Die Mauern wurden jetzt stärker bewacht und die Wachen standen bereit, falls diese Armee wirklich anrücken sollte. Eagle mochte argwöhnisch sein, aber nicht dumm, er unterschätzte nicht einfach eine drohende Gefahr.

In der Stadt wurde noch das Fest gefeiert, sie hatten der Bevölkerung nichts von einer Bedrohung erzählt, wobei sie gewisse Gerüchte natürlich nicht gänzlich kontrollieren konnten. Sie hatten sich dazu entschlossen, keine Massenpanik zu schüren. Auch wenn Wexmell dafür war, den Bewohner der Stadt die Möglichkeit zur Flucht zu gewähren, war eine ausbrechende Panik gefährlicher als die Armee selbst. Wie Eagle bereits gesagt hatte, diese Mauern waren dick und hoch, die Bevölkerung war in der Stadt sicherer als außerhalb. Und sie konnten jetzt keinen Aufstand riskieren.

Dennoch wurden die Tore geschlossen und keine weiteren Besucher mehr empfangen, aus Angst vor Spionen. Das war den Bewohnern natürlich nicht entgangen und sie flüsterten bereits darüber.

»Das mit Cohen gefällt mir nicht«, sagte Eagle leise und beschämt. »Versteh mich nicht falsch, ich bin froh, dass wir ihn wiederhaben. Aber … er ist ein Dämon!«

»Er ist dennoch Cohen«, warf Desiderius ein und drückte aufmunternd Eagles Schulter. Er wusste, was dieser meinte, auch er musste sich erst damit anfreunden, dass Cohen jetzt wieder da war und sich anders verhielt. Er würde dem noch auf dem Grund gehen!

»He«, lenkte Desiderius Eagle auf ein anderes Thema, »warst du mittlerweile bei ihm?«

Eagle runzelte die Stirn und wollte sich offensichtlich dumm stellen. »Bei wem? Bei Cohen?«

»Nein, bei deinem Sohn.«

Anhand seines schuldbewussten Blickes konnte Desiderius die Antwort erahnen. Unbehaglich schaute Eagle die Mauer wieder hinab auf den Wassergraben, der die Stadt umgab. »Nein, noch nicht. Ich … weiß gar nicht, was ich sagen soll. Er ist doch schon fast ein Mann.«

Tja, was sollte er da sagen…

Mitfühlend klopfte Desiderius ihm auf den breiten Rücken. »Wie war es denn für dich, als du Wexmell damals zum ersten Mal getroffen hast?«

Eagles Gesicht erhellte sich. »Ja«, seufzte er, »du hast ja recht. Ich sollte mich zumindest vorstellen.«

»Das gebietet die reine Höflichkeit«, stimmte Desiderius zu, wurde aber gleich darauf ernst. »Sei nicht nur ein Kaiser, Eagle, der Junge hat einiges erlebt und braucht jetzt vor allem Freunde.«

Eagle nickte vor sich hin, ihm war sein Unbehagen sichtlich ins Gesicht geschrieben. »Ich habe schon einen Sohn verjagt, Desiderius, ich fürchte mich davor, auch diesen zu vergraulen.«

»Dann mach jetzt alles besser«, schlug Desiderius ihm vor. »Richtig machen kannst du ohnehin nicht alles, aber besser. Und vielleicht will der Junge auch gar keinen Vater, Eagle. Alles, was der Kleine jetzt braucht, ist ein wenig Sicherheit. Genau wie du damals, als du herausgefunden hast, dass deine Mutter eine Verräterin war.«

Die Erinnerung daran zeichnete noch immer Schmerz in Eagles Gesicht. »Komm«, sagte er, um das Thema fallen zu lassen, »gehen wir zum Frühstück. Vielleicht lässt diese fremdweltliche Besucherin ja irgendwie mit sich reden und wir sorgen uns umsonst.«

Doch daran glaubte Desiderius nicht, allerdings wusste er nicht mehr mit Sicherheit, was Eagle bereit war zu tun, um einen Krieg zu verhindern. Vielleicht würde er den Frieden über die Freiheit stellen. Vielleicht war Kacey hier nicht so sicher, wie Ragon und Fen es sich erhofften.

*~*~*~*

Im Saal klapperte Besteck auf Tellern und in Schüsseln, es wurde geschlurft, müde geschwatzt und gemurrt. Das Sonnenlicht erhellte die Säulen zwischen den langen Tischen und Bänken und aus der Küche sickerte der warme Geruch von Kaffee, dem Landesgetränk Elkanasais.

Das Frühstück nahmen sie an jenem Tag gemeinsam mit den Besuchern und den Elitekämpfern der Villa und dem Königsorden aus Nohva ein. Vermutlich aus dem einfachen Grund, weil es so viel einfacher war, alle im Auge zu behalten und zu beschützen. Doch die Herrscher und die fremden Gäste ließen sich nur nach und nach blicken, einige schienen gar nicht zum Essen kommen zu wollen.

Sie hatten gestern mehr Stimmen belauscht als jene, die nun an der Tafel des Kaisers saßen. Nur Wexmell und der Orden nahmen dort das Frühstück ein, erst eine Stunde später gesellte sich der König und der Kaiser dazu. Bei einem Becher Kaffee steckten sie die Köpfe zusammen und tuschelten.

An einem anderen Tisch saßen zwei Fremde allein, zwei junge Burschen, die Karten spielten und geflissentlich alle anderen ignorierten.

Xaith lehnte mit dem Rücken an einer kühlen Wand im Schatten einer Säule, das Bein auf die Sitzbank gestellt, und zeichnete Vaaks` Profil in sein Buch. Besonders betonte er mit schwarzer Kohle dessen angespannte Gesichtsmuskeln, während dieser das Frühstück einnahm.

»Bekomme ich irgendwann zu sehen, was du in diesem Buch versteckst?«, fragte der Riese und schlürfte seine warme Ziegenmilch aus einer Bronzeschale.

Xaith lächelte über den Rand seines Buches. »Nein.«

Vaaks schüttelte amüsiert den Kopf, bedrängte ihn aber nicht weiter. Einen Moment lang lagen seine rotbraunen Augen funkelnd auf Xaiths Gesicht und schienen seine Wangenknochen zu bewundern, dann leckte er sich die Milch von den Lippen und setzte die Schale erneut an. Aber nicht ohne ihn aus den Augen zu lassen.

»Hör auf damit«, lächelte Xaith und trat ihm gegen den Schenkel. »Du machst mich nervös.«

»Götter, ich will so sehr diesen verlockenden Streifen nackte Brust lecken, den du immer offenlässt!«

Nun war es an Xaith, den Kopf zu schütteln. Bei all seinen Fantasien darüber, wie es mit Vaaks sein könnte, hatte er ihn niemals so … direkt und lüstern im Kopf gehabt. Aber er liebte es, brauchte es mehr als er zugeben könnte. Denn jemand wie er, der gänzlich ohne irgendeinen Hauch von Selbstwertgefühl geboren worden war, brauchte Komplimente mit einem Hammerschlag, nicht mit einer Feder. Kurz gesagt, man musste sie ihm schon einprügeln, damit er ihnen auch nur ansatzweise Glauben schenken konnte.

Trotzdem schlichen sich wieder Riaths Worte in seinen Kopf und der Zweifel wurde laut. Vielleicht war Vaaks` ganzes Verhalten darauf beschränkt, dass er seine Fleischeslust an jemandem ausleben wollte, der eben einfach leicht zu haben war, weil er so widerlich bedürftig war.

Andererseits könnte Vaaks auch einen wesentlich hübscheren Liebhaber oder Liebhaberin finden, allein in diesem Raum sahen ihn zwei Rekruten immer wieder schmachtend an, doch er schenkte ihnen keine Beachtung. Er war eben nicht wie Riath, der seinen Bewunderern immer das schenkte, was sie sich von ihm erhofften. Zumindest für einen Moment.

Apropos Riath. Zum Glück hatte Vaaks dessen Ausbruch am Tag zuvor nicht mitbekommen und auch May und Sarsar waren klug genug gewesen, es ihm nicht zu erzählen. Auch wenn Xaith sich über seinen Bruder ärgern konnte, er wollte keinen Hass zwischen den beiden schüren. Schlimm genug, dass May und Sarsar es mitbekommen hatten.

Aber … das war nicht der echte Riath. Nicht wirklich. Und gestern hatte Xaith etwas begriffen, dass er all die Jahre nicht verstanden hatte. Riath brauchte etwas, um … Dampf abzulassen. Ob im Schwertkampf oder durch Beischlaf. Er brauchte es, denn dann hatte er sich besser unter Kontrolle.

Wie an jenem Morgen ihrer Abreise, als er in der Nacht zuvor versucht hatte, sein Spiel mit Xaith zu treiben. Er hatte dann einen anderen gefunden, bei dem er seinen Trieb ausgelebt hatte, und war am nächsten Morgen wie so oft wie ausgewechselt gewesen.

Deshalb hatte Xaith ihn nicht aufgehalten, als er vor einer Weile einer Küchenmagd geifernd nachgegangen war. Obwohl ihr Vater wollte, das Riath sich zurückhielt.

Aber vielleicht brauchte Riath das einfach. Xaith hoffte es, denn er wollte ihn – so hart es klang – so weit von sich fernhalten wie er nur konnte, da er und Vaaks sich nähergekommen waren.

Riath durfte ihm das nicht wieder zerstören.

»Warum schaust du wieder so grimmig?«, fragte Vaaks, ahmte seine Schnute nach und legte ihm dann eine Hand auf das Bein, das Xaith über seinen Schoß gelegt hatte. Zärtlich führte er die Finger über den Unterschenkel, immer wieder auf und ab, und Xaith spürte augenblicklich, wie er errötete.

Es war erstaunlich, wie sofort sein gesamter Körper prickelte, als hätte ein Blitz ihn erfasst, sobald Vaaks ihn auch nur flüchtig berührte. Und sie konnten beide nicht genug davon bekommen, sich gegenseitig zu berühren, seit sie erst einmal damit angefangen hatten.

Es war, als hätte dieser erste Kuss alle anderen Dämme eingerissen. Zumindest bei Vaaks, er hatte alle Zurückhaltung abgelegt, seit er wusste, was Xaith für ihn empfand, und er war beharrlich dabei, auch Xaiths restliche Hemmungen niederzureißen.

»Ach… nichts«, brachte Xaith mit rauer Stimme hervor, die Vaaks wissend schmunzeln ließ.

Xaith klappte das Buch zu und nahm das Bein von Vaaks` Schoß, um sich richtig hinzusetzen.

»Bist du gar nicht neugierig, wer der Kleine ist?«, fragte Xaith und deutete hinter sich.

Sie sahen beide über die Schulter zu dem Burschen, der wie Wexmells Bastard aussah.

»Riath hat behauptet, er wäre Kaiser Eagles Sohn«, flüsterte Vaaks, während ganz beiläufig seine Pranke über Xaiths Schenkel glitt. »Angeblich hat er grün schimmernde Schuppen auf dem Rücken.« Er lachte leise in sich hinein. »Das Einzige, was funkelt, sind Riaths gierige Augen, wenn er von ihm spricht.«

»Das gefällt mir nicht«, sagte Xaith grimmig und musterte das Profil des fremden Jungen. Er war dürr und kränklich, jemand hatte ihm ein Hemd und eine Weste aus Seide gegeben, dazu trug er die dünnen Pluderhosen, die derzeit Mode im Kaiserreich waren, doch die feine Kleidung sorgte nur dafür, dass er noch blasser und dünner aussah, von den eingefallenen Wangen ganz zu schweigen. Eine helle, goldene Aura umgab den fremden Jungen, er musste eine männliche Hexe sein, genau wie Xaith und Sarsar, doch der goldene Nebel wirkte blass und stand kurz vor dem Erlöschen.

Vaaks brummte missmutig: »Kann uns doch egal sein, wen Riath angafft.«

»Nicht, wenn Riath den Sohn des Kaisers in einer dunklen Ecke bedrängt«, überlegte Xaith befürchtend. »Du kennst ihn doch.«

Doch Vaaks zuckte nur mit den Schultern und wandte das Gesicht von dem fremden Jungen ab, um Xaith stattdessen mit den Augen zu verschlingen.

Wirklich, Xaith konnte sich nicht erklären, warum Vaaks ihn ansah, als wäre er ein Braten oder für ihn ähnlich Erhabenes. Aber allmählich fing er an, dessen Schwärmerei Glauben zu schenken.

»Das ist Riaths Sache«, schloss Vaaks das Thema eiskalt ab. »Wie oft haben wir ihn versucht zu warnen? Wie oft hat Vater ihm gesagt, dass nein, nein heißt? Wenn er etwas tut, was er nicht tun soll, sind wir nicht dafür verantwortlich. He!«

Vaaks` Pranke umfasste Xaiths Kinn und zog sein Gesicht zu sich herum. Rotbraune Augen leuchteten im Licht der Morgensonne, die durch die offenen Eingänge der Villa drang.

»Du bist zu gut, weißt du das eigentlich?«

»Ich?«, rief Xaith verwundert aus und konnte nicht anders, als rot anzulaufen. »Nein! Ich habe einen gänzlich fürchterlichen Ruf.«

»Ja, weil die Menschen nicht sehen, was ich sehe. Du bist ein guter Bruder, Xaith. Zu gut, manchmal, auch wenn du es zu verschleiern versuchst.«

Xaith riss das Kinn aus Vaaks Hand und schnaubte: »Ich freue mich, wenn Riath Ärger bekommt.«

»Ja, kleinen Ärger«, Vaaks senkte nun vertraut die Stimme und umfasste einfach wieder energisch Xaiths Kinn, damit sie sich ansehen mussten. »Kleinen Ärger, den er braucht, um vernünftig zu werden. Ich bin nicht blöd, ich begreife, was du für ihn tust. Wenn du weißt, dass er nicht auf dich hört, sorgst du dafür, dass Vater es mitbekommt und Riath so tadelt, wie du es nicht kannst. Du bist es, auf den Riath sich stützt. Genau wie damals, als er immer in deinem Bett geschlafen hat.«

Xaith senkte schuldbewusst den Blick und ein eiskalter Schreck saß ihm im Herzen, als er an eine ganz bestimmte Nacht dachte. Die letzte, die er Riath erlaubte, in seinem Bett zu schlafen.

»Riath ist kein kleiner Junge mehr, den du vor Monstern beschützen kannst, Xaith. Und er behandelt dich zu schlecht, als dass er deine Sorge verdient hätte. Vergiss ihn!«, sprach Vaaks auf ihn ein. Dann kämpfte er plötzlich mit einem Schmunzeln. »Mann, ich war so eifersüchtig damals.«

Überrascht hob Xaith die Augenbrauen. »Ach?«

»Ja. Weil ihr immer … zusammen geschlafen habt.« Er ließ Xaiths Kinn los, nachdem er kurz mit dem Daumen sehnsüchtig über dessen Lippe gestrichen hatte, und senkte peinlich berührt den Blick. »Ich hätte so gern mit ihm getauscht, habe mich aber nicht getraut, etwas zu sagen. Habe oft überlegt, vor ihm zu dir zu gehen, und zu behaupten, ich hätte Angst.« Er lachte und Xaith sah ihn noch ungläubiger aber gerührt an. »Aber das hättest du mir wohl nicht geglaubt. Und ich war nicht sicher, ob du für mich Riath vertröstet hättest.«

Hätte er. Jederzeit! Vaaks wusste es nur nicht.

Als Xaith nichts sagte, sah Vaaks ihn an und biss sich auf die volle Lippe. Diese schöne, weiche Lippe, die Xaith zu jeder Tages- und Nachtzeit küssen wollte. Immer wieder, bis er einen seligen Tod starb, weil er zu atmen aufhörte, um Vaaks zu küssen.

Ja, man konnte ihn förmlich als besessen bezeichnen.

Vaaks` Augen wurden plötzlich wieder dunkler. »Hast du über meinen Vorschlag nachgedacht?«, fragte er rau, während seine Hand über Xaiths Schenkel streichelte.

Wieder stieg Xaith die Röte ins sonst blasse Gesicht. »Äh … nein.« Er drehte sich nach vorne und stützte die Unterarme auf den Tisch.

Vaaks lehnte sich an ihn und ließ die Hand unter dem Tisch immer höher wandern. »Tut mir leid, ich wollte dich nicht bedrängen«, sagte er aber einlenkend und seufzte Xaith schwer ins Ohr. »Es ist nur … weiß nicht. Ich habe das Gefühl, mein ganzes Leben darauf gewartet zu haben, und jetzt will ich es auch endlich … haben.«

»Es?«

»Dich.«

Xaith schürzte schmunzelnd die Lippen und schielte Vaaks an. Was sollte er dazu sagen? »Ich kann immer noch nicht glauben, dass du mich überhaupt willst, und jetzt sagst du mir, du wolltest mich die ganze Zeit?«

Vaaks hob aufreizend eine Augenbraue. »Die Tatsache, dass ich dich festbinden will, um mit dir zusammen sein zu können, lässt dich immer noch zweifeln?«

»Das ist überhaupt kein Argument, mein Guter, es sei denn, du würdest dich freiwillig von mir fesseln lassen, um mit mir zusammen sein zu können«, konterte Xaith sarkastisch. »Immerhin bin ich derjenige, der sich hier regelrecht opfern soll.«

Бесплатный фрагмент закончился.

383,19 ₽
Возрастное ограничение:
0+
Объем:
810 стр. 1 иллюстрация
ISBN:
9783750209534
Издатель:
Правообладатель:
Bookwire
Формат скачивания:
epub, fb2, fb3, ios.epub, mobi, pdf, txt, zip

С этой книгой читают