Читать книгу: «Geliebter Wächter 2: Wolfsherz», страница 4

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Denn… er war einfach wieder da, nach all den Jahren. Und er war jetzt ein Dämon. Zudem ein ziemlich bissiger, wenn er an dessen Bemerkung dachte. Das musste erst einmal verdaut werden.

Er konnte es kaum glauben, dass er das mal sagen würde, aber sein verlorener, aus einem Ei geschlüpfter Spross, der bereits seit langem ein erwachsener Mann war, bereitete ihm weniger Kopfzerbrechen als sein plötzlich von den Toten als Dämon widergekehrter einstmals Geliebter…

Verdammt, sein Leben war ja schon immer kompliziert gewesen, aber dieser Tag und seine Enthüllungen übertraf einfach alles. Er wollte nur noch das Gesicht an Wexmells Hals vergraben und schlafen. Sehr lange schlafen.

»Was ist mit Suto?«, wagte er endlich zu fragen und sah vor seinem inneren Auge noch einmal dieses seltsame, zierliche Vogelwesen mit dem azurblauen Federkleid und den riesigen Eulenaugen, das sich gern schüchtern an seinen Rücken geklammert hatte. »Was ist mit ihm geschehen?«

Ragon ging einige Schritte mit gesenktem Kopf weiter und Desiderius glaubte schon, dieser würde ihm die Antwort schuldig bleiben, wenn er nicht noch weiter nachhaken würde.

Doch da seufzte Ragon schwer und legte leicht den Kopf schief. »Suto lebt nicht mehr, er starb vor vielen Jahren.«

Desiderius hatte es geahnt, immerhin war es viele Jahrzehnte her. Wie alt war Ragon ungefähr? Vierzig Sommer? Nicht, dass man es ihm angesehen hätte, dank seines luzianischen Blutes würde er ein paar Jahrhunderte alt werden können und immer noch wie dreißig aussehen. Der Fluch ihres langlebigen Volkes war es, dass alle anderen Völker nicht einmal ansatzweise so alt wurden wie sie.

Trotzdem krampfte Desiderius` Herz bei dieser endgültigen Nachricht, auch wenn er ewig nicht an Suto gedacht hatte. Durch Ragons Auftauchen war Suto wieder … Wirklichkeit geworden.

»Wie?«, verlangte er zu erfahren. Er musste es jetzt einfach wissen.

Ragon machte dieses Thema sichtlich unglücklich, doch nach einem tiefen Durchatmen, suchte er Desiderius` Blick und begann zu berichten, während er sie langsam und gewissenhaft weiter durch den Wald führte: »Er starb, wie fast alle seinesgleichen starben.«

Desiderius wurde hellhörig, als er Ragons kryptischen, missmutigen Unterton vernahm, und wäre beinahe über eine Wurzel gestolpert, weil er dessen plötzlich düsteres Gesicht betrachtete, statt dahin zu sehen, wohin er als nächstes trat. »Wie meinst du das?«, fragt er, innerlich über sich selbst fluchend.

»Die meisten seiner … Gattung…«

»Zwitterwesen?«

»Wir bevorzugen es, sie das geistliche Geschlecht oder auch Göttergeschlecht zu nennen«, korrigierte Ragon ihn, jedoch ohne Tadel, als wäre Desiderius eben einfach ein dummer Westländer, dessen eingeschränkte Weltansicht man ihm vergeben müsste.

Desiderius presste die Lippen zusammen. »Verzeih, ich wollte ihn gewiss nicht beleidigen.«

»Schon gut«, Ragon zuckte mit den Achseln, während er sich nach einem Ast streckte und sich daran hinaufzog, um über einen umgestürzten, mit Moos bedeckten Stamm zu klettern. Er blieb obendrauf sitzen und reichte Desiderius seine Hand, um ihm hinaufzuhelfen. Desiderius schlug ein und ließ sich hochziehen. Auf der anderen Seite sprangen sie wieder hinunter und setzten ihren langsamen Marsch fort.

»Wir sehen etwas Magisches in Wesen wie Suto«, klärte Ragon ihn dann weiter auf, »weil nur unsere Waldgeister – oder nur Götter, wie ihr es nennt – fähig sind, sich mit allem und jedem zu paaren. So hätte Suto durchaus auch einen reinrassigen Wolf oder einen Jaguar gebären können. Das bedeutet es für uns, magisch zu sein. Göttlich zu sein. Das göttliche Geschlecht ist im Grunde gar kein Geschlecht, es passt sich den Umständen an. Es kann alles sein, was es sein will, um sicherzustellen, dass das Leben in unserer Welt fortbesteht. Selbst wenn ein Stamm vom Aussterben bedroht ist, sorgt ein solches Wesen dafür, dass er vor der Ausrottung gerettet wird. Selbst dann, wenn es nur noch fruchtbare Männer oder nur noch fruchtbare Frauen gibt. Weil…«

»Sich das göttliche Geschlecht allem anpassen kann, um das Überleben zu sichern.«

Ragon nickte bestätigend. »Ja, genau.«

»Wie starb Suto?«, fragte er erneut nach, nun mit einer deutlichen Befürchtung in der Stimme.

Ragon seufzte neben ihm. »Vor einigen Jahren erfuhren die Frauenstämme von unserem göttlichen Geschlecht und sahen es als eine Bedrohung für die Welt der Frauen. Dass etwas, außer einer Frau, Leben erschaffen kann, machte ihnen Angst. Also jagten einige Stämme Wesen wie Suto. Und eines Tages … endeckten sie auch ihn.«

Desiderius wurde die Kehle eng. »Sie töteten ihn«, begriff er und mahlte wütend mit den Kiefern.

Ragon nickte bekümmert. »Es war meine Schuld. Wir lebten von unserem Stamm abgeschieden an einem Strand, wo uns Gaben und andere Huldigungen gebracht wurden. Suto wurde beinahe wie ein Druide verehrt, aber es gab keinen Schutz. Nur mich.« Er machte eine kurze Pause und lief mit gesenktem Blick weiter. »Wie ich bereits erwähnte, gab es eine Zeit, als ich wegen meiner … Herkunft zornig war. Ich wollte zurück, ich wollte wissen, wer meine Familie ist, woher ich stamme, ich … war wütend, als wir erfuhren, dass … Rahff getötet wurde. Aber Suto verbot es mir, er hielt es für zu gefährlich, gen Westen zu gehen. Ich war jung und eigensinnig, also verwandelte ich mich und wollte allein fliegen. Doch dann erlag ich dem Ruf der Freiheit und kam nie über Zadest hinaus.«

Desiderius sah ihn schockiert an. »Du bist dem Ruf der Drachen gefolgt?« Als Blutdrache konnte man in verwandelter Form auch seinen tierischen Instinkten verfallen und der Welt der Zweibeiner den Rücken kehren. Niemand konnte einen dann mehr zurückholen.

Ragon wirkte schuldbewusst, als er weitersprach. »Ich habe einige Jahre als Drache unter Drachen gelebt, als … Ich weiß gar nicht genau, was passiert ist, aber eines Tages verwandelte ich mich ohne mein bewusstes Zutun zurück. Und ich ging heim. Doch statt Suto erwarteten mich nur seine bereits vertrockneten Überreste. Er war schon seit mehr als einem Jahr tot, sie haben ihn aufgeschlitzt und liegen gelassen. Das ließ meine ganze Wut verrauchen. Mein Stamm war auch fort, sodass ich von heut auf morgen auf mich allein gestellt war, ohne den Rückhalt von … irgendwem.«

Desiderius starrte ihn fassungslos an, wusste aber nicht, was er sagen sollte. Jedes Wort wäre einer dummen Floskel gleichgekommen.

Ragon bemerkte seinen Blick und verzog wehmütig seinen Mund. »Wenn ich da gewesen wäre … Aber das war ich nicht. Solche Dinge passieren, wisst Ihr? Man trifft Entscheidungen, die sich hinterher als schrecklicher Fehler herausstellen. Aber an diesen Fehlern wächst man.«

»Wo bist du dann hingegangen?«, fragte Desiderius neugierig. »Hast du deinen Stamm wiedergefunden?«

»Nein, aber einen befreundeten Stamm«, antwortete Ragon, »dort hielt es mich aber auch nicht lange. Die Schuld war zu groß und ich war sehr wütend auf mich selbst. Der Häuptling riet mir, für meine Fehler Widergutmachung zu leisten, um meinen eigenen Seelenfrieden wiederzufinden. Er schickte mich direkt ins Wespennest, wie man so schön sagt.« Er lächelte Desiderius amüsiert an. »So gelangte ich in den Dienst der Königin von Zadest.«

Desiderius hob überrascht die Augenbrauen.

»Ja. Aufgrund meiner blanken Haut und menschlichen Gestalt war es ihnen einfacher, mir zuzuhören, als einem Vogelmann«, fuhr Ragon fort. »Wie dem auch sei, ich war dort eine Art Botschafter für die Tierstämme. Damit das Ausrotten unserer heiligen Wesen aufhörte, versuchte ich, den Frauen begreiflich zu machen, was sie sind, und dass sie ihre Welt niemals bedrohen könnten. Einige hörten zu, ich hatte die Gunst der Königin auf meiner Seite, und nach und nach konnten wir die Verfolgungen eindämmen. Und noch viel mehr. In Zadest ist es üblich, Jungen schon bei der Geburt in Zucht- oder Arbeiterhäuser zu stecken, wir kämpften für das Recht dieser Männer, und obwohl noch viele Frauenstämme strikt dagegen waren, erhielt die Königin dennoch großen Zuspruch.«

Desiderius hörte, dass dies nicht der Anfang eines glücklichen Endes war.

Ragon bog um einen Baum herum und blieb plötzlich stehen, die Sonne hing nun kräftig leuchtend am blauen Himmel und brannte auf den bewaldeten Gipfel des Berges hinab. Der Wind pfiff hier lauter, als wäre eine Klippe ganz in der Nähe.

»Aber dann wurde sie verraten und plötzlich war nicht mehr nur mein Volk, sondern auch ihres in Gefahr«, erklärte Ragon mit verhärtetem Gesicht. »Sie wurde ermordet. Ich floh zurück zu meinem Stamm und konnte den Häuptling überreden, zu helfen. Seitdem sind wir Rebellen, die nicht nur unsere eigenen Leute, sondern auch ihre befreien und beschützen.«

Desiderius konnte förmlich spüren, wie sich die Falte zwischen seinen Augen vertiefte. »Reden wir hier von Sklaven?«

»Wir befreiten viele«, sagte Ragon dazu nur mit sehr ernster Stimme. Dann sah er plötzlich zur Seite, durch die Bäume hindurch. »Aber dann offenbarte sich uns das ganze Ausmaß dieses Verrates. Diejenige, die die Königin ermordete, ist kein Wesen aus unserer Welt.«

Desiderius sah ihn fragend an, doch statt sich weiter zu erklären, wandte Ragon sich ab, ging noch einige Schritte und deutete dann nach unten.

Neugierig trat Desiderius neben ihn und wäre beinahe eine plötzliche steile Klippe hinabgestürzt, die sich unmittelbar wie der Rachen eines Ungeheuers unter ihnen auftat. Dort unten sah er, was ihm den Atem stocken ließ. Ein Heerlager in mitten des Waldes unter ihnen. Sechshundert Mann, schätzte sein geübtes Auge.

»Was ist das?«, hauchte er und ging in die Hocke. Es brannten Feuer, aber es standen keine Zelte, die Soldaten standen wie zum Befehl bereit, keiner rührte sich. Mehr Statuen als lebendige Wesen.

»Selbst die Frauenstämme sind vor ihr geflohen.« Ragon lehnte sich mit der Schulter an den Baum. »Sie nennt sich die Herrin, und sie ist hier, um auch euch zu stürzen. Euch alle.«

Desiderius sah noch eine Weile auf das Heer hinab, während er im Geiste bereits fieberhaft nach Schlachtplänen und ebenso nach anderen Lösungen forschte. Er konnte den Blick nicht von dem Feind abwenden, der dort unten zu lauern schien und von dem etwas Fremdartiges, Bedrohliches ausging. Die Gefahr stank bis zu ihnen hinauf.

»In Ordnung«, hörte er sich sagen, »erzählt mir alles ganz genau.«

*~*~*~*

»Es tut mir so leid«, flüsterte Kacey voller Reue an Fens Schulter. Noch immer klammerte er sich an dessen Arm und versteckte sich halb hinter dessen Rücken. Doch die fremden Männer, die wie aus dem Nichts aufgetaucht waren, beachteten sie gar nicht. Höchstens dieser große, schlanke Kerl mit unheimlich schwarzen Augen, der immer wieder mit einem Habichtblick zu ihnen rüber starrte, als ob er fürchtete, sie könnten sich heimlich davon gemacht haben. Ansonsten ließ man sie in Ruhe.

Wer waren all diese Männer? Warum hatten sie bereits an der Ruine auf sie gewartet, als Ragon gelandet war? Kacey hatte während der ganzen Aufregung nicht viel mitbekommen. Es war ihm alles zu viel gewesen, die Stadt, die Lichter, der Lärm und dann diese vielen Leute um ihn herum, die aufgebracht und nervös schienen. Bis dieser große Kerl mit den schwarzen Augen, von dem eine tiefdüstere, wabernde Aura ausging, recht bestimmt Ragon befohlen hatte, den Mann im Maul sofort auszuspucken. Was der Drache auch getan und sich dann zurückverwandelt hatte.

Dann hatte dort ein Bewusstloser gelegen, um den sich alle gescharrt hatten, während Ragon seine Wunden selbst verbunden und seine Maske übergestreift hatte. Nun war Ragon fort, gemeinsam mit einem der Fremden, und Kacey zitterte noch immer am ganzen Leib vor Aufregung. Er kam sich ja so dumm vor. Das ganze Chaos war seinetwegen ausgebrochen, das spürte er ganz deutlich.

Und er spürte auch Fens Ärger, der sich unverkennbar auf seine verhärteten Züge eingeschweißt hatte, was nur zu Kaceys Verzweiflung beitrug.

»Es tut mir ja so leid«, beteuerte er wiederholt und schmiegte das tränennasse Gesicht an Fens Arm.

Dieses Mal seufzte Fen und drehte sich endlich zu ihm um. »Jetzt setz dich, du zitterst wie ein Aal!«

Fen drückte Kacey auf eine umgestürzte Mauer. Das Moos darauf war klamm und durchnässte seine Hose, aber es tat gut, zu sitzen.

Als Fen sich wieder abwenden wollte, umfasste Kacey dessen Hände und zog ihn zu sich herum. Mit großen feuchten Augen sah er zu ihm auf. »Ich wollte wirklich nicht, dass Ragon verletzt wird! Ich hab gedacht, wenn ich allein gehe, muss er seinem Vater nicht begegnen und …« Er verstummte verzweifelt, als er Fens harten Blick bemerkte. Ernüchtert ließ er den Kopf hängen und schniefte. »Du hasst mich jetzt, weil ich Ragon in Gefahr gebracht habe.«

Fen seufzte und ging vor ihm in die Hocke, seine Hände waren warm, als er Kaceys kalte Finger umfasste und zudrückte. »Ich hasse dich nicht. Ich hatte nur furchtbare Angst um dich. Das hatten wir beide.«

Zögerlich hob Kacey den Blick. Und Fen rang sich ein leichtes Lächeln ab.

»Ragon ist schon ein Großer«, sagte Fen eindringlich und knuffte Kaceys zartes Kinn, von dem Tränen tropften, »den haut nichts zu schnell um, also mach dir keine Sorgen um ihn. Es waren nur ein paar Kratzer.«

Kaceys Herz zog sich schmerzhaft zusammen. »Ich hatte solche Angst… als die ganze Stadt ihn angriff … und… wenn du nicht so schnell dagewesen wärst…«

»Ich bin mit Ragon geflogen und vor der Stadt abgesprungen, damit sie mich nicht kommen sehen. Ich wusste, dass etwas schief gehen würde. Ragon hat nicht nachgedacht, er wollte nur so schnell wie möglich zu dir.«

Kaceys Lippe zitterte unkontrolliert. »Ihr wart wegen mir in Gefahr. Wegen mir war alles in Gefahr. Und ich habe mich so … hilflos, so klein gefühlt. Ich konnte nichts tun, Fen, ich war so … machtlos … während Ragon verletzt wurde… ich… ich wollte ihm helfen, aber ich konnte rein gar nichts tun…«

»Schsch.« Fen legte ihm einen langen Finger über die Lippen, bis er schwieg, und strich ihm dann beruhigend über den Kopf. »Denk nicht darüber nach. Es ist vorbei und uns geht es gut. Alles andere ist nicht wichtig, in Ordnung?« Doch dann wurde sein Blick sehr ernst und seine buttergelben Augen blitzten feurig auf. »Aber tu so etwas nie wieder! Hörst du? Keine Alleingänge, vor allem nicht, ohne uns Bescheid zu geben! Das macht eine Gemeinschaft aus, Kacey. Wir sind deine Gefährten, du darfst uns nicht so einfach hintergehen.«

Erschrocken sah er Fen an. »Ich würde euch nie hintergehen! Ich wollte doch nur Ragon schütz-…« Als er Fens leicht spöttischen Blick bemerkte, senkte er beschämt den Blick.

Sie wussten beide, warum er davongelaufen war. Er hatte sich zu sehr geschämt, von Ragon zurückgewiesen worden zu sein.

Fen atmete matt aus und trocknete Kaceys Wangen, indem er ihm mit den Knöcheln das Gesicht trockenwischte. »Es hängt so viel von dir ab, Okiniiri

Kacey blinzelte überrascht. Hatte Fen ihn gerade wirklich Liebling genannt?

»Tu nie wieder so etwas Leichtsinniges«, beschwor ihn Fen und in seinen mandelförmigen Augen konnte man die Furcht sehen, die er um Kacey gehabt hatte.

»Ist das alles, was für euch zählt?«, fragte Kacey matt. »Dass viel von mir abhängt?«

»Bei der Mutter, nein!«, stöhnte Fen und rang die Hände in die Luft, als wollte er Kacey am Hals packen und aus Verzweiflung schütteln. »Es geht mir allein um dich! Selbst, wenn du nur ein dümmlicher Bauer wärst, der nur noch sabbern könnte, weil ihm zu viele Kokosnüsse auf den Kopf gefallen sind, würde ich dich mit meinem Leben schützen!«

Kacey musste schmunzeln, zum ersten Mal seit er sich davongeschlichen hatte und alles im Chaos geendet war.

Fen seufzte und streichelte ihm die von den Tränen kalte Wange zärtlich mit dem Daumen. »Ich täte alles für dich. Wir sind …« - er nahm Kaceys Hände und legte sie sich feierlich über sein kräftig schlagendes Herz - »… Brüder.«

Kaceys Lippe zitterte vor Rührung und er warf sich an Fens Hals, der beinahe deshalb nach hinten umgekippt wäre. Leise lachend legte Fen schließlich die Arme um Kaceys dürren Leib und drückte ihn ganz fest an sich.

»Ich liebe dich, Fen«, schniefte Kacey. Er kam sich so dumm vor wegen dem, was er angerichtet hatte. Wie ein naives, trotziges Kind. Vielleicht war er das auch, er fühlte sich jedenfalls so.

Fen seufzte: »Und ich liebe dich, mehr als mich selbst.«

Kacey spürte neue Tränen, doch dieses Mal aus Dankbarkeit. Das Schicksal hatte ihm die Mutter und somit die einzige Familie genommen, die er gekannt hatte, es hatte ihn zum Gefangenen gemacht – aber ebenso hatte es ihn in Ragons und Fens Arme gebracht. Das Beste, was ihm hätte passieren können.

»Ich war dumm, davonzulaufen«, entschuldigte er sich beschämt.

Fen umfasste seine Arme und drückte ihn von sich, damit er ihn ansehen musste. »Hör mal, ich weiß, es ist nicht schön, abgewiesen zu werden. Aber es war mutig von dir, ihn zu küssen. Sehr mutig.«

Kacey starrte zu Boden, seine Wangen glühten. »Es war dumm«, erwiderte er matt. »Aber … nach all der Zeit …« Er biss sich auf die Lippe und atmete zitternd aus und ein, Fen lauschte ihm geduldig und interessiert, ohne Vorurteile. »Ich war immer nur eingesperrt gewesen«, Kacey hob ratlos die Schultern, »und jetzt … bin ich frei und … ich …«

»Du sehnst dich nach Nähe«, wusste Fen, »und Ragon hat dieses gewisse Heldenhafte.« Letzteres klang so amüsiert, dass Kacey wieder rot wurde, denn es stimmte.

»Ich kann nicht in Worte fassen, wie sehr ich mich nach … Nähe sehne«, raunte er leise vor lauter Verlegenheit. Er räusperte sich. »Es ist, als gäbe es da in mir diese riesige Kluft, die gefüllt werden will.« Sehnsüchtig sah er Fen ins Gesicht. »Ich weiß, dass es bei dir anders ist. Wir waren beide Sklaven, aber doch anders.«

Fen senkte nun den Blick, als wäre es ihm unangenehm, das Kacey davon wusste.

»Dir wurde Gewalt angetan«, flüsterte Kacey bedauernd, »und mir hat man die Einsamkeit angetan. Während man dir Nähe aufgezwängt hat, wurde sie mir immer verwehrt. Nun sauge ich alles auf wie ein Schwamm und … irgendwie scheint es nie genug.«

Fen lächelte matt und sah Kacey wieder an. »Du musst dich nicht entschuldigen, Kacey. Und wie gesagt, es war sehr mutig, deine Gefühle offen zu zeigen. Aber Ragon ist einfach viel zu … gut, um das auszunutzen. Außerdem ist sein Herz festverschlossen.«

Kacey nickte enttäuscht. Seit er Ragon kannte, zog dessen freundliche Art ihn magisch an, er war der typische Retter in der Not gewesen, und Kaceys einsames Herz hatte sich sofort an ihn gehängt, schon in dem Moment, als die Tür seines Käfigs aufgezogen wurde und Ragon sich ihm behutsam genähert hatte. Er war die erste Person, die Kacey Vertrauen geschenkt hatte, und er hatte es nicht bereut.

»Ich wünschte, ich hätte ihn nie geküsst«, seufzte er nun.

»Nein, tu das nicht«, Fen sah ihn streng an, »das gehört zum Leben dazu, Kacey. Jeder kann Gefühle verbergen, und die meisten von uns leben ein Leben ohne je das zu zeigen oder zu sagen, was sie wirklich wollen. Du hingegen hast Mut bewiesen und dein Glück versucht. Das war nicht dumm, überhaupt nicht! Du solltest immer deinem Herzen folgen, Kacey, auch wenn es verletzt werden könnte. Zurückweisung gehört nun mal leider auch zum Leben dazu, aber du hast es wenigstens versucht und hast dir nichts vorzuwerfen. Es ist immer besser zu wissen, woran man ist, als sich bis an sein Lebensende zu fragen, was hätte sein können. Also schäme dich nie für das, was du fühlst und tust und auch nie für Entscheidungen, die du aus dem Herzen heraus getroffen hast. Das bedeutet es, stark zu sein.« Fen lächelte aufmunternd und knuffte erneut Kaceys Kinn. »Stark ist der, der immer für seine Gefühle und Überzeugungen einstehen kann. Das macht dich besonders, nicht dumm.«

Aber er fühlte sich trotzdem dumm, bloßgestellt, weil Ragon jetzt wusste, dass er wie ein Kind von ihm schwärmte, es aber nicht im Geringsten erwiderte.

Oh ja, er fühlte sich sehr naiv deshalb und hätte es gern ungeschehen gemacht.

»Irgendwann, Kacey«, sagte Fen bedeutungsvoll, »küsst du den Richtigen oder die Richtige, und dann wirst du auch zurückgeküsst. Vielleicht schon früher als mir lieb ist.«

Kacey sah ihn irritiert an, musste aber dabei schmunzeln. »Wie meinst du das?«

Verdrossen nagte Fen auf der Innenseite seiner Wange. »Weil der- oder diejenige dich mir wegnimmt.«

Das brachte Kaceys Lächeln endgültig zurück und Fen seufzte glücklich, als er es sah. Ja, sie kannten sich vielleicht noch nicht sehr lange, aber doch waren sie eine Familie. Eine Familie, die sie sich ganz bewusst selbst ausgesucht hatten.

Bevor Kacey sich erneut an Fens Hals werfen konnte, hörten sie Äste auf dem Pfad knacken und fuhren herum. Fen erhob sich, als Ragon und der Fremde zurückkamen.

Ragon nickte ihnen zu und gesellte sich sofort wieder zu ihnen, während der Fremde zu dem großen Schlanken mit den schwarzen Augen ging und sie geradewegs gegeneinander liefen. Ein dumpfer Laut ertönte, als sie sich umarmten und einen Moment lang sehr innig festhielten. Sie sagten etwas, das Kacey nicht verstand. Dann wandte sich der Fremde von dem Mann mit den schwarzen Augen ab und wandte sich dem Einäugigen zu, den er mit solch einer Inbrunst an sich zog und küsste, dass seine Leidenschaft Kaceys Kehle nur beim Zusehen vor Sehnsucht austrocknen ließ. Was täte er nicht alles, selbst einmal so innig geliebt zu werden. Als sie sich lösten, traten sie herüber, und nun kamen auch die anderen Fremden auf sie zu, als hätte irgendjemand ein Signalhorn geblasen.

»Also«, erhob der dunkelhaarige Mann, der aus Ragons Drachenmaul gekommen war, das Wort in der Gruppe. Dabei huschten seine viel zu grünen Augen von Mann zu Mann und blieben kurz an dem silberhaarigen Spitzohr hängen, das ihn frech angrinste.

»Dich kenn ich doch.«

Das Spitzohr verneigte sich mit gefesselten Händen. »Place. Wir sind uns schon einmal begegnet, mein König.«

König? Neugierig musterte Kacey den Mann erneut. Er wirkte durch seine starke Statur und seinen stechenden Blick so imposant wie eine Führungsperson, doch seine Rüstung sah nicht nach einem König aus, wie Kacey ihn sich vorgestellt hätte. Kein Gold, kein Eisen, keine Krone.

Dieser angebliche König nickte. »Ich erinnere mich, mein göttlicher Sinn hat sich bei dir gemeldet.« Und dann blieben seine Augen an Kacey hängen und musterte ihn von Kopf bis Fuß. Diese Augen! Dieses beinahe giftige Grün! Er kannte sie, es waren die Augen dieses Prinzen, der ihm das Hemd zerrissen hatte. Kacey schob sich zwischen Ragon und Fen. Fen berührte ihn am Arm und Ragon legte ihm sanft eine Hand auf den Rücken, als wollten sie ihm sagen, dass sie ihn beschützen würden.

»Ich will alles wissen«, sagte der Mann mit den stechend grünen Augen. »Erzählt mir alles ganz genau von Anfang an«, verlangte er und dann bohrten sich seine Augen wieder in Kaceys Gesicht, als erwartete er von ihm eine Erklärung.

»Ich weiß, wer du bist«, schien sein Blick zu sagen, und Kacey vergrub das Gesicht in Fens Achsel.

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