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Читать книгу: «Setma, das türkische Mädchen», страница 5

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Sechstes Kapitel
Die Stiftskirche in Stuttgart

So lebte ich nun in der Gemeinschaft und im Umgang mit wahren Christen; aber ich selbst war noch keine Christin, ich war noch eine Muhamedanerin. Das konnte und durfte nicht so bleiben, da ich doch an die Bibel und den darin geoffenbarten lebendigen Gott und Seinen Sohn Jesum Christum von Herzen glaubte, und aus vielfacher Erfahrung wußte, wie kräftig und trostreich dieses Wort dem Herzen ist. Ich äußerte daher gegen meine Pflegemutter den Wunsch, ich möchte gern durch die Taufe in die christliche Kirche aufgenommen werden. Sie hatte das erwartet, und war mir mit Freuden dazu behilflich. Ihr Sohn, der damals Repetent in Stuttgart war, und nachher als Spezial in Urach starb, gab sich dazu her, mir alle Tage regelmäßigen Unterricht in der christlichen Religion zu ertheilen, und den Segen dieser Unterrichtsstunden, die er mit Gebet anfieng und endigte, werde ich nicht vergessen und hoffentlich auch nicht verlieren. Das Wort Gottes wurde mir durch ihn so deutlich und klar, daß ich vom Lesen desselben viel mehr Genuß hatte als vorher, und daß es mir immer leid war, wenn ich durch häusliche Arbeiten, welche doch auch nicht versäumt werden durften, in der Betrachtung der heiligen Schrift unterbrochen wurde. Er besaß nicht nur die Gabe der Deutlichkeit, sondern behandelte auch seinen Unterricht mit großer Genauigkeit. Einiges aus meiner Erinnerung an seinen Unterricht möge hier stehen.

Wenn er von der heiligen Geschichte und von dem Rathschlusse Gottes mit der Welt redete, war es ihm hauptsächlich angelegen, nachzuweisen, wie Gott überall Sich nach allen Seinen Eigenschaften geoffenbaret habe und offenbare. Dieß pflegte er an solchen Beispielen zu zeigen, welche beim ersten Anblick das Gegentheil zu sagen scheinen. Die Sündfluth, welche die leichtsinnigen Zeitgenossen Noah’s hinwegraffte, das Feuer, welches die gottlosen Menschen zu Sodom und Gomorrha verzehrte, waren ihm nicht blos Beweise der strafenden Gerechtigkeit Gottes, sondern auch Seiner Liebe: denn, sagte er, es wurde ihnen dadurch die Möglichkeit benommen, sich noch mehr zu versündigen, und so ihre Verdammniß noch schwerer zu machen. An Pharao, behauptete er, habe sich nicht blos die Macht, sondern auch die Liebe und Barmherzigkeit Gottes verherrlicht; denn wenn er nur gewollt hätte, so würden ihn die vielfachen Thatbeweise der Allmacht Jehovah’s, die Gott vor seinen Augen geschehen ließ, gewiß zum Glauben und zur Furcht Gottes, und damit zur Seligkeit gebracht haben. Dagegen sagte er aber auch: Gott beweise bei der Sündenvergebung nicht blos Seine Liebe und Gnade, sondern auch Seine Gerechtigkeit nach dem Spruch in der ersten Epistel des Johannes: „So wir unsere Sünde bekennen, so ist Gott getreu und gerecht, daß Er uns die Sünde vergibt, und reiniget uns von aller Untugend.“ – Gegen den Heiland hatte mein Lehrer einen tiefen, kindlichen Respekt, und doch zugleich eine innige, herzliche Liebe. Ich hörte ihn nie, wie es gewöhnlich ist, sagen: „der HErr Jesus,“ oder: „der HErr Christus;“ das sei, meinte er, wie wenn man sagte: „der Herr Pfarrer,“ oder: „der Herr Doktor.“ Das „Herr,“ wenn es von Christo gebraucht werde, sei nicht blos eine Titulatur, wie sie bei uns dem Namen eines jeden etwas vornehmeren Mannes vorangesetzt werde, sondern habe eine viel größere Bedeutung. Christus heiße nicht blos Herr, sondern sei es auch wirklich, weil Ihm Gott die Regierung der ganzen Welt anvertraut habe. Er sagte deßwegen immer: „Unser HErr Jesus &c.“ oder: „der HErr Jesus Christus &c.“

Von der christlichen Kirche und den wahren Christen hielt er große Stücke. „Wenn einmal“ – sagte er – „die christliche Kirche zusammenbricht, dann mag sich die Welt um andere Stützen umsehen.“ Die wahren Christen nämlich nannte er, mit Berufung auf das Gespräch Abrahams mit dem Herrn wegen Sodom, die Weltträger, weil sie durch ihr Gebet das Gericht über die verdorbene Welt noch aufhalten.

In einer seiner Unterrichtsstunden redete er von der Wahrheitsliebe, und stellte da das Beispiel Jesu vor dem Hohenpriester und vor Pilatus, und das Beispiel des Petrus bei dem Kohlfeuer einander gegenüber. Auf einmal fragte er mich: „Welche Lügen sind erlaubt?“ – Unüberlegt, weil ich von seiner Frage überrascht war, antwortete ich: „Die Nothlügen.“

Lehrer. Das wollen wir sehen. Was ist die Lüge vor Gott?

Ich. Eine Sünde.

Lehrer. Was müßte also auch erlaubt sein, wenn deine Antwort richtig wäre?

Ich. Nothsünden.

Lehrer. Ist das denkbar?

Ich. Nein.

Lehrer. Warum nicht?

Ich. Weil jede Sünde, sei sie aus Noth oder ohne Noth begangen, verboten ist. 1 Joh. 5, 17. 18.

Lehrer. Wenn z. B. Einer aus Noth stiehlt, um sein Leben zu erhalten, ist das auch Sünde?

Ich. Warum denn nicht? Er hätte sollen seinen Nächsten darum bitten.

Lehrer. Wenn er aber das gethan hat, und es ist vergeblich gewesen?

Ich. Dann hätte er sollen Gott bitten, der hätte ihn ohne Diebstahl durchbringen können.

Lehrer. Was gehört aber zum Gebet?

Ich. Glaube.

Lehrer. Warum hat also der Mensch gestohlen?

Ich. Aus Unglauben.

Lehrer. Ein anderer Fall: der holländische Schiffskapitän Wilhelm Isbrand Bontekoe (l. Bonteku) verlor sein Schiff im indischen Meere durch Brand. Er entkam mit einem Theile der Mannschaft auf einem offenen Boote; aber alle hatten vergessen, Lebensmittel mit sich zu nehmen. Bald entstand die größte Hungersnoth. In den gierigen Blicken der Matrosen las man schon den Vorsatz, den sie bald auch wirklich aussprachen, daß sie einige von der Mannschaft tödten, und dann ihr Fleisch verzehren wollten. Wäre das erlaubt gewesen?

Ich. Nein; denn im fünften Gebot ist das Tödten ohne Unterschied verboten.

Lehrer. Aber wenn nun die Noth so groß war, daß kein anderes Mittel mehr übrig blieb; sollten sie dann lieber Alle umkommen, da sie vielleicht durch die Aufopferung weniger Personen die andern retten konnten?

Ich. Ich denke, wer Gottes Gebot hält, mit dem läßt’s Gott nie so weit kommen, daß er verzweifeln müßte. Und am Ende doch lieber sterben, als wider Gott sündigen.

Lehrer. Worauf gründen sich aber diese Ueberzeugungen?

Ich. Auf den Glauben, daß es Gott nicht an Mitteln und an Wegen fehlt, zu helfen, auch wo die kurzsichtigen Menschen keinen Ausweg mehr erblicken; und daß dieses zeitliche Leben nicht so viel werth sei, daß man das Leben seiner Seele dafür aufopfern sollte.

Lehrer. Ja, und daß, wenn ich dieses irdische Leben auch nur mit Einer Sünde erkaufen müßte, der Preis doch viel zu hoch wäre. Siehe, diese Ueberzeugung hatte auch Bontekoe. In dem Vertrauen zu Gott, daß Er helfen werde, bat er seine Reisegefährten, ihren blutigen Vorsatz nur noch drei Tage aufzuschieben, weil er hoffe, in dieser Zeit Land zu erreichen. Und seine Hoffnung täuschte ihn nicht. Der HErr half ihm wunderbar aus allen seinen Nöthen, wie Er allen Denen hilft, die auf Ihn trauen. – Wo haben denn nun auch die Nothlügen ihren Grund?

Ich. Im Unglauben.

Lehrer. Inwiefern?

Ich. Weil man im Glauben es dem HErrn zutraut, daß Er diejenigen, welche aus Ehrfurcht vor Ihm bei der Wahrheit bleiben, auch aus der Noth und Verlegenheit erretten wird. – Aber wie ist’s denn nun mit den heiligen Männern Abraham, Isaak, Jakob, David, von denen stehen doch auch Nothlügen in der Schrift?

Lehrer. Diese Männer waren auch Menschen, welche sündigten, und denen wir also nur das nachmachen dürfen, was gut ist an ihnen. Ihre Fehler aber stehen für uns zur Warnung und Demüthigung da. Es ist nur ein Einziger da, der nichts Böses that, und von dem ausdrücklich versichert wird, daß kein Betrug in Seinem Munde erfunden worden sei, also auch keine Nothlüge. Wenn jene heiligen Männer sich Nothlügen erlaubten, so geschah es in den Augenblicken des Unglaubens; Jesus aber war beständig stark im Glauben, und darum konnte er alle Versuchungen überwinden.

Ein anderes Mal sprach er wieder mit mir über diesen Gegenstand; Obiges kann aber hinreichen, um zu zeigen, wie seine Lehrweise war.

Ich genoß seinen Unterricht etwas länger als ein halbes Jahr, und brachte es unter dem Segen Gottes in dieser Zeit zu einer geordneten und vollständigen Erkenntniß der Religionswahrheiten, so daß ich am Ende des Jahres 1690 von dem damaligen Herrn Spezial Meurer und Herrn Helfer Clemm nach einer vorgenommenen Prüfung für fähig erklärt wurde, durch die Taufe in die christliche Kirche aufgenommen zu werden. Diese Erklärung brachte meinem Herzen große Freude, und ich betete nun täglich zu Gott, daß Er mir die rechte Gemüthsfassung für diese heilige Handlung schenken wolle, damit ich auch den vollen Segen derselben empfange. Auf Weihnachten schenkte mir die Herzogin eine große silberne Denkmünze. Es war auf derselben eine Abbildung, wie Jesus von Johannes im Jordan getauft wird, und auf der andern Seite war die Geschichte des Pfingstfestes bildlich dargestellt. Auf jener Seite standen nur die Worte: ohne Maaß! auf dieser stand: ohne Zahl! Ich bat meine Pflegemutter um Erklärung dieser Inschriften. Diese gab sie gern. „Die Worte: „„ohne Maaß!““ – sagte sie – „gehen auf den Herrn Jesus, der mit dem heiligen Geist ohne Maaß, d. h. mit einer überschwenglichen Fülle des Geistes, gesalbt worden ist, und darum auch der Gesalbte, Christus, heißt (Joh. 3, 34.). Die Worte: „„ohne Zahl!““ gehen auf die Christen, welche die Gabe des heiligen Geistes empfangen, und deren Zahl so groß werden soll wie die Zahl der Sterne am Himmel. Zu dieser zahllosen Schaar sollst auch du kommen, und es muß dir diese gnädige Berufung doppelt wichtig sein, da du durch die wunderbare Hand des HErrn aus einem Volke herausgezogen worden bist, das bis jetzt noch keinen Antheil genommen hat an den Segnungen des Geistes Christi, das aber hoffentlich einst auch noch herbeikommen und seine Kniee beugen wird vor dem Gekreuzigten.“

Ich sagte: „Amen, möge diese Zeit bald kommen!“

Meine Taufe war auf den sechsten Januar, als auf das Fest der Erscheinung Christi unter den Heiden, festgesetzt, und sollte nach dem Willen der Herzogin in der Stiftskirche in Stuttgart auf eine feierliche Weise vorgenommen werden. Ein feierlicher Kirchgang wurde von dem Schlosse aus zur Stiftskirche gehalten. Voran giengen die Taufzeugen, welche aus freiwilliger christlicher Liebe diese Stelle vertreten wollten, nämlich: die Frau Herzogin Wittwe Magdalena Sibylla, der Erbprinz, nachmaliger Herzog, Eberhard Ludwig, die Frau Oberhofmeisterin von Wachenheim, Herr Consistorial-Direktor Bardili, Frau Doktorin Commerell, Frau Kammerrath Faber und Herr Kanzlei-Advokat Dr. Stierlin. Hierauf kam ich, von zwei adeligen jungen Herren begleitet, und dann folgten alle die Personen, welche zum herzoglichen Hofe gehörten.

Als wir uns in der von den Zuhörern angefüllten Kirche auf unsere Plätze begeben hatten, wurden einige Verse aus dem Liede von Paul Gerhard gesungen:

 
O du allersüßte Freude,
O du allerschönstes Licht! u. s. w.
 

Hierauf predigte der Stifts-Prediger Schmidlin über das Evangelium des Tages Matth. 2, und verglich die Reise der Weisen aus Jerusalem mit meiner wunderbaren Führung von Belgrad nach Stuttgart. Die Predigt währte ziemlich lange; ich war aber mit innerlichem Seufzen und Flehen zu sehr beschäftigt, als daß ich viel davon hätte fassen können. Zum Anfang der Taufhandlung wurde der Vers gesungen:

 
O Gott und Vater gnadenvoll &c.
 

Dann legte ich öffentlich mein Glaubensbekenntniß ab, wozu mir der Heiland ein reiches Maß von Freudigkeit verlieh, wiewohl mir vorher sehr angst gewesen. So bald ich aufstand und anfieng zu reden, war alle Angst wie weggehaucht; ich sah nicht mehr auf die Menschenmenge, sondern dachte allein an Gott, der in das Herz sieht und weiß, ob unser Bekenntniß aufrichtig und lauter ist. Hierauf kniete ich nieder, wurde im Namen Gottes des Vaters, des Sohnes und des heiligen Geistes getauft, und erhielt die Namen Christiana Magdalena Eberhardina, welchen hernachmals noch der Name Gottliebin als Zuname beigegeben wurde. Der türkische Name Setma war der letzte Ueberrest von meinem türkischen Vaterland, den ich vollends abzulegen hatte. Vaterland, Familie, Freunde, Erbschaft, Religion, Sprache, Sitten, Kleider hatte ich Alles schon längst verlassen und abgelegt; aber auch nach der Verheißung Jesu hundertfältig wieder gefunden schon in dieser Zeit. Warum hätte ich nicht gern auch meinen Namen vollends hergeben sollen, um auch äußerlich darzustellen, was ich innerlich zu erfahren wünschte: – eine gänzliche Wiedergeburt! Gott aber sei Dank, der nach und nach Alles vollends hinwegnimmt, was nicht in Sein Reich hineintaugt!

Nach der Taufe, während welcher mir unbeschreiblich wohl war, wurden die zwei letzten Verse gesungen aus dem Lied des seligen Dr. Luther:

 
Christ, unser HErr, zum Jordan kam &c.
 

Das war denn der Tag meiner höchsten Ehren, da ich aus der Zahl der Ungläubigen feierlich herausgenommen, und als ein Kind und Eigenthum Gottes erklärt wurde, ein Glück, das nicht hoch genug zu schätzen ist, und für das so viele Christen, die schon in den ersten Tagen ihres Lebens diese Gnade erfahren, bei weitem dankbarer sein würden, wenn sie recht überlegten, wie viel Mühe es mich gekostet, wie manchen sauren, ja ich darf wohl sagen, blutigen Tritt es mich gekostet, bis ich so weit kam, und wie so mancher Heide sich’s noch viel mehr kosten lassen würde, wenn er Gelegenheit hätte, zu diesem hohen Vorzug zu gelangen.

Von der Kirche aus gieng der Zug wieder in das herzogliche Schloß, wo ich in Anwesenheit des ganzen Hofes der Herzogin meinen fußfälligen Dank sagte. Sie aber erklärte vor dem ganzen Hof, daß sie mir, als einer Christin, nunmehr meine Freiheit schenke, und das, was sie meine Loskaufung gekostet, mir als Taufpfennig anrechnen wolle. Zugleich machte sie mir das gnädigste Anerbieten, ob ich in Zukunft in ihren Diensten bleiben wolle. Beides nahm ich natürlich mit großer Freude und unterthänigstem Danke an, bat aber zunächst nur um die Erlaubniß, mich für heute ganz in die Stille zurückziehen zu dürfen, weil ich befürchtete, in der großen Zerstreuung von dem reichlich empfangenen geistlichen Segen etwas zu verlieren. Wie leicht ist ein volles Gefäß verschüttet, wenn man damit hin und her geht oder gar rennt! Ich suchte deßwegen die Stille im Hause meiner gütigen Pflegemutter, welche mich mit inniger Freude von dem Herzen der ewigen Liebe empfieng, und an ihr mütterlich-liebendes Herz drückte. Den ganzen Tag wollte ich Niemand mehr sehen noch sprechen, sondern blieb auf meiner Stube, las bald einige Verse im Wort Gottes, bald ein schönes Lied, bald überließ ich mich dem Jubel meiner innerlichen Freude, bald schickte ich ein frohlockendes Dankgebet zum Throne Gottes hinauf. Ich ließ die ganze wunderbare Geschichte meines Lebens und den reichen Segen des heutigen Tages mehr als einmal vor meinem Gemüthe vorübergehen, und fand jedes Mal neue Ursache, Den zu preisen und zu erheben, der Wunderbar heißt und wunderbar ist. Ich fand, daß der stille Nachgenuß eines solchen Festes fast noch süßer und lieblicher werden kann als die Festfeier selbst, bei welcher man durch manche beengende oder zerstreuende Umstände von außen gestört wird. Zugleich kann ich es nicht verhehlen, daß, so groß das Glück ist, schon als Kind in den Bund mit Gott aufgenommen zu werden, doch auch ein besonderer Segen darin liegt, bei dieser Aufnahme selbst mit Bewußtsein empfinden zu dürfen und überlegen zu können, wie groß die Gnadengüter sind, die Gott Seinen Kindern anbietet.“

Ich muß hier unsere Erzählerin wieder einen Augenblick unterbrechen, um zu dem so eben Gesagten eine kurze Bemerkung zu machen. Damals, als Setma, oder, wie sie von jetzt an heißt, Gottliebin, dieses niederschrieb, war die Confirmation bei uns noch nicht eingeführt. Durch diese ist ein Ersatz gegeben für das, was Gottliebin bei der Kindertaufe vermißte. Und möchten nur alle unsere Konfirmanden ihrem Rathe folgen, und die Stunden nach der heiligen Handlung nicht mit eiteln Zerstreuungen verderben, unter denen der empfangene Segen wieder verloren geht, sondern vielmehr in der Stille zubringen in der Gegenwart Dessen, der der beste Gesellschafter ist, und aus dessen Nähe man nie leer zurückkommt!

Nun lasse ich unsere Neugetaufte weiter erzählen.

„Am folgenden Tage nahm ich unter tausend Thränen und wiederholten Danksagungen für alle Mutterliebe und Treue von meiner bisherigen Pflegemutter Abschied, und bezog ein Zimmer im herzoglichen Schlosse, wo ich der Aufsicht der Frau Oberhofmeisterin v. Wachenheim, einer gottseligen und verständigen Dame, übergeben ward, welche mich durch Lehre und Beispiel immer weiter zum wahren Christenthum anleitete und förderte. Meine Beschäftigung bestand hauptsächlich im Sticken, welches ich schon in meinem väterlichen Hause erlernt und fleißig geübt hatte.

Nachher schenkte mir die Prinzessin Eberhardine Louise ihre besondere Gnade, und nahm mich mit Genehmigung der Herzogin Mutter in ihre Dienste, in denen ich auch blieb bis an ihren frühen Tod. Sie war von Natur sehr lebhaft, aber von Herzen fromm, und unterhielt sich mit mir meistens über das Wort Gottes und über Herzenserfahrungen. Zuweilen hörte ich von ihr folgende von einer englischen Prinzessin gedichteten Verse:

 
Ich war so eitel, wild und jung;
Ich lachte, tanzte, spielt’ und sung:
Ich war gesund, mein freies Herz
Wußt’ nichts von Sorge, Müh’ und Schmerz;
In solchen frohen Stunden meinte ich,
Die ganze Welt wär’ nur gemacht für mich.
 
 
Doch wenn die Noth zum Herzen drang,
Wenn Krankheit ihre Geißel schwang,
Die Lust der Eitelkeit verschwand,
Ich nicht mehr singen und tanzen konnt’:
Dann fiel mir ein, wie schlimm es würde sein,
Wär’ diese Welt nur da für mich allein.
 

Das frühzeitige Hinscheiden dieser trefflichen Prinzessin setzte das ganze fürstliche Haus in tiefe Trauer, und war auch für mich ein schmerzlicher Schlag, da ich bei der herablassenden Freundlichkeit der Prinzessin nicht wie eine Dienerin, sondern wie eine Freundin von ihr angesehen wurde. Die reichlichen Geschenke, mit denen meine geringe Treue im Dienst der Entschlafenen nach ihrem Abscheiden belohnt wurde, konnten meinen Schmerz nicht einschläfern. Eine andere Erquickung war mir aufgehoben.

Возрастное ограничение:
12+
Дата выхода на Литрес:
05 июля 2017
Объем:
70 стр. 1 иллюстрация
Правообладатель:
Public Domain

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