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Читать книгу: «Setma, das türkische Mädchen», страница 3

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Ihren Großvater, der ziemlich übel hörte, fragte sie: „nicht wahr, Großvater, du hörst nicht wohl, weil du so alt bist?“ – „Ja!“ – „Aber du bist doch nicht älter als der liebe Gott, und der hört doch Alles!“

Aehnliche Aeußerungen kamen fast täglich vor, und machten uns manche fröhliche Stunde.

Der Vogt hatte auch zwei Knaben von neun und zehn Jahren, die bei großer Munterkeit sehr viel Gutmüthigkeit zeigten, und wenn die Lebhaftigkeit zuweilen in Wildheit ausartete, doch das Gute hatten, daß sie dem elterlichen Befehl auf der Stelle gehorchten. Wir hatten an einem schönen Nachmittag im Mai einen Spaziergang in das nur eine Stunde entlegene Kloster Hirschau gemacht, um von dem frommen Abt Matthäus Aulber, der seinem Ende nahe war, Abschied zu nehmen. Er wurde weggerafft vor dem Unglück, das drei Jahre später dieses große und schöne Kloster traf, als die Franzosen es durch Brand zerstörten. Wir waren Alle voll von dem Eindruck, welchen das Bild dieses sterbenden, ehrwürdigen Dieners Christi in unsern Herzen zurückließ, und als bei unserem Weggehen die großen Fenster des hochgelegenen Prälaturgebäudes im letzten Strahl der Abendsonne glänzten, so ergriff uns der Gedanke, daß auch drinnen ein helles Licht der Kirche im Verlöschen sei, dessen letzte Strahlen wir aus den Fenstern seiner Augen hatten schimmern sehen. Ernst gestimmt wandelten wir das enge Thal hinunter, dem Fluß entlang. Ein paar böse Knaben begegneten uns, die einem armen alten Mann nachspotteten, weil sein alter brauner Tuchrock mit weißer Leinwand geflickt war. Die beiden Knaben des Vogts waren auch in Versuchung, in das Gelächter einzustimmen; aber ein scharfer Blick vom Vater verwies es ihnen sogleich, und etwas später fragte er sie: „Kinder! warum ist’s nicht recht, über jenen armen Mann zu lachen?“ – „Wir haben ja nicht über den Mann gelacht, sondern nur über seinen Rock,“ antwortete Ernst.

„Ei! was soll das heißen?“ fuhr der Vater fort. „Ist der Rock lächerlich, so ist auch der Mann lächerlich, daß er den lächerlichen Rock anzieht!“

„Aber,“ sagte Gottfried, „der Mann kann ja nichts dafür, daß sein Rock so geflickt ist; er wird eben kein anderes Tuch gehabt haben.“

Der Vater stand still. „Seht ihr wohl, daß keiner von beiden das Auslachen verdient, weder der Mann noch sein Rock! Der arme Mann kann nichts dafür, daß sein Rock so geflickt ist, weil er kein anderes Tuch hatte, und der Rock ist ohnehin unschuldig. Aber wißt ihr denn auch, was hier besser am Ort gewesen wäre, als auslachen?“

Beschämt sagten Beide mit einander: „Mitleiden mit dem armen Manne, daß er keinen bessern Rock hat.“

„Nun,“ erwiederte der Vater, „merkt euch dieß für ein anderes Mal, und nennet mir eine Geschichte aus dem Alten Testament, an die man in solchen Fällen denken muß.“

Gottfried. O ich weiß schon, du meinst die Geschichte von den bösen Knaben aus Bethel, die im zweiten Buch der Könige steht.

Vater. Recht, die meine ich, und wenn wir nach Hause kommen, will ich sie euch vorlesen.

Ernst. O, aber aus dem Bilderbuch!

Vater. Gut.

Als wir nach Hause gekommen waren, wurde gleich das Bilderbuch geholt, und die Geschichte aufgeschlagen. Der Vater las:

 
Elias war im Feuerwagen,
Empor in’s Reich des Lichts getragen,
Und staunend blickt Elisa nach.
D’rauf greift er nach Eliä Mantel,
Zertheilt des Jordans tiefen Bach,
Und schickt sich zum Propheten-Wandel.
Mit Salz beginnet er sein Amt,
Die bösen Wasser rein zu machen, —
Und sehet, wie sein Eifer flammt,
Als böse Buben ihn verlachen!
Von Bethel sie gekommen waren,
Woher der Kälberdienst gestammt,
Und wild, als wie die rothen Kamt-
schadalen, rufen ihre Schaaren:
„Komm her, du Kahlkopf! Komm herauf,
Kahlkopf!“ – und machen ihn zum Spott.
Und er die wilde Brut verdammt
Im Namen des Herrn Zebaoth,
Und setzt dann weiter seinen Lauf.
Und eh’ ihr euch umgesehen habt,
Und Elisa auf den Carmel kommt,
Da ist der Fluch schon eingetroffen:
Im nahen Eichwald dumpf es brummt,
Und es kommen zwei Bären einhergetrabt,
Den schrecklichen Rachen grimmig offen.
Nun hört man ein Jammern und Zettergeschrei,
Der Eine flieht da, der Andere dort,
Aber das Fliehen ist bald vorbei:
Die Meisten ergreift der blutige Mord,
Und zweiundvierzig Knaben zerrissen,
Die Strafe der Bosheit leiden müssen.
Doch haben die Bären keinen verzehrt;
Nicht Hunger sie trieb, sondern Gottes Schwert.
Sie gehen nun langsam wieder heim,
Und suchen sich Bäume mit Honigseim.
 

Zuweilen machte der Vogt einen Besuch bei seinem Freunde, dem Pfarrer Roth in Möttlingen, einem kleinen Dorfe östlich von Liebenzell. Er war damals schon neunzehn Jahre Pfarrer auf diesem Dorfe, und blieb nachher noch neunundzwanzig Jahre daselbst. Da der Vogt gewohnt war, bei solchen Besuchen immer seine ganze Familie mitzunehmen, zu welcher ich auch gezählt wurde, so durfte ich jedesmal auch mitgehen, was mir eine besondere Freude machte, da ich den Pfarrer Roth, einen sehr unterhaltenden Mann, so gern erzählen hörte. Ich hatte ein rechtes Herz zu ihm, und konnte ihm meine Gedanken und Empfindungen ganz offen mittheilen. Er verstand mich gleich, und wußte mir immer etwas Passendes zu antworten. Einmal z. B. sagte er mir: „Weißt du denn auch, wie die Bauernweiber bei uns es machen, ehe sie zu Bette gehen?“ – „Nein,“ sagte ich. – „Nun sieh, damit sie nicht am Morgen die Mühe haben, erst Feuer anzumachen, kehren sie am Abend die Glut auf dem Heerd zusammen und bedecken sie mit Asche, dann haben sie am andern Morgen gleich wieder Feuer. Nun mach’ du’s auch so. Wenn du Abends zu Bette gehst, so bitte den Heiland, daß Er die guten Gedanken in deiner Seele zusammenkehre, damit du sie am Morgen gleich wieder findest, und dein erster Gedanke beim Erwachen Jesus sei.“ Diesen Rath habe ich denn auch befolgt, und großen Nutzen davon gehabt.

Ein anderes Mal äußerte ich gegen ihn, wie bang es mir sei, wenn ich nun bald wieder in den Dienst meiner Herrschaft zurücktreten müsse, wo ich nichts als Spott und Verachtung zu erfahren haben würde, wenn ich meinen Glauben an Jesum bekennen wollte, und wo es mir schmerzlich ahnd thun werde nach dem christlichen Umgang und Unterricht, den ich in meiner jetzigen Lage in so reichem Maße genieße. Bei dieser Gelegenheit erzählte er mir, zur Ermunterung meiner Standhaftigkeit, die Geschichte von dem jungen christlichen Märtyrer

Cyrillus

„In Cäsärea bewies im Jahr 258 nach Christi Geburt ein Kind, Namens Cyrillus, eine ungemeine Beharrlichkeit. Er rief ununterbrochen den Namen Christi an, und Mißhandlungen und Schläge konnten ihn nicht von einem offenen Bekenntniß des Christenthums abschrecken. Verschiedene Kinder von gleichem Alter verfolgten ihn, und sein eigener Vater trieb ihn aus dem Hause, worüber ihm viele Leute wegen seines Eifers für das Heidenthum Lob ertheilten. Der Richter ließ den Knaben vor sich kommen und sagte zu ihm: „„Mein Kind! ich will dir deine Fehler verzeihen, und dein Vater soll dich wieder aufnehmen. Es steht in deiner Macht, in den Genuß der Güter deines Vaters gesetzt zu werden, wenn du nämlich klug bist, und dein Glück nicht mit Füßen trittst.““ – „„Ich trage Eure Vorwürfe gern““ – erwiederte das Kind. – „„Gott wird mich aufnehmen. Es macht mir keinen Kummer, daß ich aus meinem väterlichen Hause vertrieben bin: ich werde eine bessere Wohnung bekommen. Ich fürchte den Tod nicht: denn er wird mich in ein besseres Leben führen.““ – Nachdem ihn die Gnade Gottes gestärkt hatte, dieses gute Bekenntniß abzulegen, ließ man ihn binden und zur Hinrichtung führen. Der Richter hatte geheime Befehle gegeben, ihn zurückzuführen, weil er hoffte, der Anblick des Feuers könnte seinen Entschluß überwältigen. Cyrill blieb unbeweglich. Die Menschlichkeit des Richters versuchte immer wieder auf’s Neue, Gegenvorstellungen zu machen. „„Euer Feuer und Euer Schwert““ – sagte der junge Märtyrer – „„sind unbedeutend. Ich gehe in ein besseres Haus, zu vortrefflicheren Reichthümern. Laßt mich lieber gleich sterben, daß ich zu ihrem Genuß gelange.““ Die Zuschauer weinten vor Rührung. „„Ihr solltet euch lieber freuen,““ – sagte er – „„wenn Ihr mich zum Tode führet. Ihr wisset nicht, was für eine Stadt ich bewohnen werde, und was für eine Hoffnung ich besitze.““ So gieng er seinem Tode entgegen und war die Bewunderung der ganzen Stadt. Aus dem Munde der Kinder hat Gott sich ein Lob zubereitet!“ —

Ich schämte mich bei dieser Erzählung herzlich über meine Schwachheit und Furchtsamkeit; aber doch konnte ich mich, so oft ich an eine Trennung von der mir so lieb gewordenen Familie in Liebenzell dachte, eines heimlichen Schauders nicht erwehren, und sah auch keinen Ausweg, um dieser schmerzlichen Veränderung zu entgehen. Das Spätjahr kam mit schnellen Schritten herbei, der Feldzug hatte ein Ende, meine Herrschaft zog in die Winterquartiere nach Baiern zurück, und ich mußte mit. Bei dem herzverwundenden Abschied von meinen Freunden in Liebenzell blieb mir zur Aufrichtung nur die Hoffnung, sie etwa im nächsten Feldzug wieder zu sehen.

Viertes Kapitel
Der Adler in Weilerstadt

Was ich gehofft hatte, geschah – nur halb. Der Feldzug fieng zwar im nächsten Jahre frühzeitig wieder an, und ich mußte wieder mit meiner Herrschaft nach Württemberg reisen; aber dieß Mal gieng’s nicht nach Liebenzell, sondern nach der kleinen Reichsstadt Weil (gewöhnlich Weilerstadt genannt), wo der Obrist-Lieutenant seine Frau, und mich zur Bedienung derselben, zurückließ. Da hatte ich es nun freilich nicht so gut, wie in Liebenzell; kein Freund und Vertrauter war da, dem ich meine Noth hätte klagen, kein Bibelbuch, aus dem ich hätte Trost schöpfen können. Wie gern hätte ich einen, wenn auch nur kurzen Besuch bei dem Pfarrer Roth in Möttlingen gemacht, das nur eine Stunde von Weilerstadt entfernt ist; aber auch das wurde mir nicht gestattet. Ich hatte unter dem Druck meiner Gebieterin herbe und schwere Tage durchzumachen, und würde vergangen sein in meiner Noth, wenn mich nicht Gott von Zeit zu Zeit durch einen Spruch aus der Bibel auf mein tiefes Seufzen hin erquickt hätte.

Eines Tages hatte mich meine Frau Obrist-Lieutenant sehr hart mißhandelt, und war darauf aus dem Hause zu einer Gesellschaft gegangen. Ich stellte mich an ein Fenster im Hause, und weinte bitterlich. Meine Seele schrie zu Gott: Du, der Du doch Alles siehest und hörest, himmlischer Vater! kannst Du denn das Alles so ruhig mit ansehen und anhören, und weißt doch, daß ich unschuldig bin? Willst Du mir denn nicht auch einmal helfen, da ich Dich schon so oft darum angerufen habe, und mich frei machen aus dieser Knechtschaft, wo ich immer unter Angst und Furcht leben muß? O Vater! erbarme Dich über mich! – Indem ich innerlich so seufzte und jammerte, kam der Hauswirth (es war der Gastgeber zum schwarzen Adler in Weilerstadt) zu mir her, und sah meine Thränen. Weil er von der üblen Aufführung meiner Frau wußte, und selbst ärgerlich darüber war, mochte er sich schon denken können, warum ich so traurig sei, und da ich sah, daß er Mitleiden mit mir hatte, so war ich offen gegen ihn, schilderte ihm meine betrübte Lage, und gab ihm zu verstehen, daß ich Gelegenheit wünschte, von diesem Elende loszukommen und davon zu laufen. Er erkundigte sich, ob ich keine Bekannten im Lande habe, zu denen ich meine Zuflucht nehmen könnte. Ich wußte ihm Niemand zu nennen als Herrn Vogt Frisch in Liebenzell und seine Schwester, Frau Doktorin Commerell in Stuttgart. Der letztere Name gefiel ihm, und sein Entschluß war bald gefaßt. Ohne Jemand in seinem Hause ein Wort davon zu sagen, verschloß er mich in eine Kammer, die gerade über dem Gemach meiner Gebieterin war, so daß man alle ihre Reden vernehmen, und durch eine Oeffnung sogar hinunter sehen konnte. Nachdem er mich nun erinnert hatte, daß ich auf ihre Reden gut Acht haben möchte (sie sprach nämlich Böhmisch, was ich schon ziemlich gut verstand), nahm er den Schlüssel zu sich, und erwartete unten, wie ich oben, die Heimkunft meiner Gebieterin. Wie mir da zu Muthe gewesen, kann ich nicht wohl beschreiben; es war in meinem Gemüth ein sonderbares Gemisch von Furcht, Angst, Hoffnung und Freude, von denen immer wieder eins das andere verdrängte, und eine Zeit lang die Oberhand behielt. Jene angstvolle Entscheidungszeit hat sich aber meinem Gemüth und meinen Nerven so fest eingedrückt, daß mir noch lange nachher, so oft ich in einem verschlossenen Gemach mich allein befand, in der Erinnerung an jene Angststunden übel zu Muthe wurde, und mich ein unwillkürliches Zittern in allen Gliedern anwandelte. Mit der Zeit hörte auch dieses auf, nachdem ich die rechte Ruhe in Gott gefunden. Endlich kam sie spät in der Nacht, ziemlich betrunken, wie wir wohl vermuthet hatten, und ob sie gleich nach mir fragte, gab sie sich doch bald zur Ruhe. Ich konnte in dieser Nacht nicht viel schlafen, und wenn ich über meinen kummervollen Gedanken einschlummerte, so weckten mich ängstliche Träume wieder auf. Die Besorgniß, es möchte der Anschlag des Wirths, von dem ich bis jetzt nichts Genaueres wußte, mißlingen, raubte mir alle Ruhe. Wie leicht war’s möglich, daß ich in meinem Versteck ausfindig gemacht oder verrathen wurde, und was hatte ich dann zu erwarten! Meine Gebieterin, eine heftige, zornmüthige Frau, hätte mir das nie vergeben, ich hätte es gewiß schwer empfinden müssen, und meine Lage wäre mehr als um’s Doppelte verschlimmert worden. – Am Morgen, als sie aus ihrem schweren Schlafe erwachte, gieng’s nicht so gut ab. Lange rief sie vergebens, und ließ nach mir fragen; es wollte keine Setma kommen. Endlich forderte sie den Wirth vor sich; der sagte ihr, man hätte mich seit gestern Nachmittag im Hause nicht gesehen. Da fieng sie an zu muthmaßen, was an der Sache sei; sie fluchte und tobte, daß mir die Haut schauderte; sie ließ allenthalben scharfe Nachsuchungen anstellen, und weil ihr einfiel, daß ich nirgends als zu Liebenzell bekannt sei, schickte sie unverzüglich einen Reitenden dahin. Das hatte der kluge Wirth vorhergesehen, und mir deßwegen den Weg nach Liebenzell abgerathen. Als nun dieser Bote ohne Nachricht wieder zurückkam, und auch sonst nichts zu erfahren war, gieng das Toben, besonders über den Wirth, von Neuem an, und ich hörte sie zu ihrer anderen Dienerin auf Böhmisch sagen, ich müsse nur im Hause heimlich verborgen sein, aber morgen mit Tagesanbruch wolle sie das ganze Haus durchsuchen lassen. Natürlich erschrack ich darüber sehr, und als der Wirth später kam, um mir heimlich etwas Speise zu bringen, theilte ich ihm diese Nachricht sogleich mit. Dem war denn auch nicht länger wohl bei der Sache; er kam daher nach Mitternacht, da Alles im Hause still war, und führte mich, an dem Zimmer meiner Gebieterin vorbei, unter Angst und Zittern zum Hause hinaus zu seiner Mutter, welche ziemlich weit vom Adler entfernt wohnte. Hier mußte er noch eine gute Weile klopfen, bis uns aufgemacht wurde, obgleich schon Alles mit der alten Frau verabredet war. Der Wirth fragte mich, ob ich Geld habe. Ich hatte mein ganzes Vermögen bei mir, welches in drei Gulden bestand; die zog ich heraus. Er gab einen davon seiner Mutter, die zwei andern stellte er mir wieder zu, zum deutlichen Beweis seiner Redlichkeit und Uneigennützigkeit. Blos aus herzlichem Mitleiden hatte er sich entschlossen, mich mit eigener großer Gefahr zu erretten. Nach der Zeit habe ich nichts mehr von ihm erfahren können, als daß er gestorben sei. Möge ihm der Herr, der keinen Trunk kalten Wassers unvergolten läßt, seine Barmherzigkeit und Treue an jenem Tage reichlich lohnen!

Ich mußte nun auf seine Anweisung die wenige türkische Oberkleidung, welche ich noch anhatte, ablegen, und dagegen eine geringe Magd- oder Bauern-Kleidung anziehen, die schon in Bereitschaft war. Als nun der Tag schon von fernher zu dämmern anfieng, mußte ich ohne weiteren Zeitverlust mit der alten Frau zum Thor hinaus, und Stuttgart zuwandern. Durch die Wache am Thor kam ich mit Hilfe meiner alten Mutter, obwohl unter großer Angst, glücklich hindurch; aber unterwegs hatte ich noch einmal eine schreckliche Verlegenheit durchzumachen. Als wir nämlich in der Gegend von Magstatt auf dem freien Felde waren, und der Tag schon völlig angebrochen, kam ein Wachtmeister meines Obristlieutenants zu Pferd auf uns zu, den ich gleich von ferne erkannte. Kaum hatte ich in meinem großen Schrecken noch Zeit, meiner Führerin die Gefahr zu bezeichnen, daß sie mit mir auf einen Seitenweg einlenkte, und der Wachtmeister, ohne auf uns zu achten, vorüberritt. So hatte mich die gute Hand Gottes auch dießmal gerettet, daß ich unerkannt blieb, und ich durfte es, noch ehe ich Ihn recht erkannte, schon deutlich und mannigfaltig erfahren, was die Schrift sagt: „Sein Rath ist wunderbarlich, und Er führet es herrlich hinaus!“

Aber ach! wie sauer wurde es mir, den weiten Weg von fünf starken Stunden zu Fuß zurückzulegen. Ich war des Gehens gänzlich ungewohnt. So lange ich daheim in Belgrad war, hatte ich nie auch nur eine Stunde zu Fuß gemacht. Ich besaß alle Bequemlichkeiten reicher und vornehmer Personen; eine Schaar von Sklaven und Sklavinnen wartete auf meine Befehle, und da die türkischen Frauenzimmer überhaupt gewöhnlich ihre Zeit in der Stille ihrer Wohnungen zubringen, so war mir das längere Gehen etwas ganz Neues. Auch während meiner Gefangenschaft und der Reisen mit meiner Herrschaft waren wir immer gefahren, und erst in Liebenzell hatte ich gelernt, kürzere oder längere Spaziergänge zu Fuß zu machen, von denen ich jedoch jedesmal sehr ermüdet zurückkam. Und nun sollte ich auf einmal einen so weiten Weg in ungewohnter Kleidung unter ermüdender Angst, von Nachtwachen ermattet, zu Fuß machen. Das war beinahe zu viel gefordert. Meine Füße wurden bald wund, und jeder Tritt machte mir die empfindlichsten Schmerzen. So kam es, daß wir erst gegen Abend die ersehnte Residenzstadt Stuttgart erreichten, welche ich nach großer Angst und Trübsal als eine liebe Frei- und Ruhe-Stadt begrüßte. Als wir auf der Höhe des Hasenberges ankamen, von welcher man das schöne Kesselthal und die fernen Hügelreihen überblickt, lag die Stadt im Gold der Abendsonne vor uns; die blühenden Obstbäume waren roth angeschienen wie die Mandelbäume in unserem Garten zu Belgrad; auch der Tannenwald schimmerte röthlich, und noch mehr die Weinberge; die fernen Hügel, von denen einer das Württembergische Stammschloß trägt, waren in einen violetten Duft getaucht, und am Himmel schwammen rothe Wölkchen in Menge herum, die mir viel schöner dünkten, als ich sie je gesehen, denn sie trugen die Farbe der Freiheit, in deren Genuß mir’s jetzt bei allen Schmerzen so unbeschreiblich wohl war.

Возрастное ограничение:
12+
Дата выхода на Литрес:
05 июля 2017
Объем:
70 стр. 1 иллюстрация
Правообладатель:
Public Domain

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