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Читать книгу: «Lu die Kokotte», страница 8

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Luise war ein ganz besonderer Typ; ohne einen dieser Fehler zu haben, besaß sie fast alle Vorzüge, war dabei gescheit und reizvoll und wußte sich zu benehmen. Kurz: Marcel war entschlossen, sie zu seiner Geliebten zu machen.

»Wenn es uns doch gelänge, Sie alles vergessen zu machen, was hinter Ihnen liegt«, sagte Marcel, als sie im Wagen saßen, und berührte leise ihre Hand.

»Es ist so rührend von Ihnen allen, daß Sie sich so um mich bemühen«, erwiderte Luise.

»Ich hatte auch schon Enttäuschungen,« sagte Marcel, »ich kenne die Leiden – es gibt nur ein Mittel: gütige Menschen! – Es hilft nicht, daß man verstanden und daß einem vergeben wird – man muß jemand haben, der mitfühlt – so wie ich mit Ihnen; – zusammen weinen können – seine Schmerzen zu einem Leide einen« – in einem Romane hatte er das gelesen – »zueinander halten – ganz fest —«; er legte den Arm um ihre Schulter und drückte ihre Hand. Er beugte sich zu ihr. »Sehen Sie, so denke ich mir unsere Freundschaft«, sagte er, »daß Sie mit allem Kummer zu mir kommen!«

Luise traten die Tränen in die Augen; unwillkürlich erwiderte sie seinen Händedruck.

»Sie sind so gut!« sagte sie.

Er nahm ihr das Spitzentuch aus der Hand und trocknete ihre Tränen.

»Die letzte für mich!« sagte er und küßte sie auf die Augen.

Luise glühte vom Wein; sie wehrte sich nicht; er küßte sie auf den Mund; er drückte sie an sich. Dann half er ihr aus dem Wagen, nahm ihren Arm und führte sie bis vor ihr Zimmer.

»Bis morgen!« sagte er.

Dann ging er.

Luise fiel schwer und müde auf die Chaiselongue; spät in der Nacht wachte sie auf, wankte zur Tür, machte Licht; riß sich die Kleider vom Leibe; warf sich aufs Bett, heulte laut wie ein Kind. Erst gegen Morgen schlief sie ein und schluchzte noch immer.

XVIII

Es war schon Mittag, als Luise am nächsten Tage erwachte. Ihr Bett war übersät mit roten Rosen; neben ihr saß Berthe de Cyliane und lächelte ihr zu, als sie die Augen aufschlug. Berthe beugte sich über ihr Bett und küßte sie auf die Stirn.

»Guten Morgen, mein Lieb«, sagte sie zärtlich. Luise nickte.

»Sie sind schon da?« fragte sie leise. »Ich bin noch sehr müde – und mein Kopf schmerzt – ich bin es nicht gewöhnt, so viel zu trinken . . .« – sie setzte sich auf – »was war das bloß« – und sie mühte sich, sich der Vorgänge von gestern abend zu erinnern, – »es war sehr spät gestern . . . nicht wahr?«

Erst jetzt sah sie die Rosen auf ihrem Bett. Sie lächelte . . . fuhr mit den weißen Händen über sie hin, ließ sie durch die Finger gleiten . . . »Wie hübsch das ist!«

»Ein Morgengruß von Marcel«, sagte Berthe und nickte ihr zu.

Luise sah sie scheu an.

»Was will er?« fragte sie ängstlich und verbarg Arme und Hände unter die Decke.

»Er liebt! . . . Zum ersten Male! . . . Er ist ein so guter Kerl . . . Sie haben Glück.«

»Wir haben uns ja erst ein einziges Mal gesehen . . . da kann er doch nicht . . .«

»Aber gewiß! Aber gerade! Sehen Sie Henri und mich; am ersten Abend, als er mich von seiner Loge aus sah« – sie war zerstreut – »wir haben uns nämlich im Theater kennen gelernt, na, und das hält nun schon zwei Jahre an.«

»Wie?« fragte Luise. »Zwei Jahre lang sind Sie schon verlobt?«

»Ja, wenn es nach ihm gegangen wäre, wären wir längst verheiratet; – ich aber bestand auf eine Prüfungszeit; ich wollte erst wissen, ob er so stark und fest in seiner Liebe ist, um auch ohne die Einwilligung der Eltern mit mir glücklich zu werden. – Und schließlich: was haben wir schon versäumt? . . . Wie gesagt, ich freue mich, daß ich die Flitterwochen noch vor mir habe. – Aber bei Ihnen geht das natürlich schneller. Wir haben für Sie mit gewartet«, sagte sie sehr vergnügt, denn sie freute sich immer, wenn sie talentvoll lügen konnte. – »Sie haben es also uns zu danken, wenn Sie statt nach zwei Jahren, schon nach drei Monaten Marcels Frau werden.«

Luise hatte ihr mit großem Interesse zugehört.

»Also heiraten will er mich?« wiederholte sie langsam.

»Selbstredend«, erklärte Berthe. »Wenn er Ihnen das nicht verspricht, dürfen Sie sich gar nicht erst mit ihm einlassen.«

Luise sah sie erstaunt an.

»Überhaupt, was heißt denn das? Sie sind genau aus so gutem Hause wie er, sind doch sogar entfernt verwandt mit ihm – also! Sehen Sie, mein Vater war Offizier, ich habe es mir als Kind auch nicht träumen lassen, daß ich eines Tages auf mich selbst angewiesen sein werde. Aber ich fühle mich darum nicht schlechter als andere. Nur – und das, liebe Freundin, ist die Hauptsache im Leben einer Frau – wir müssen uns unseres Wertes bewußt bleiben. Wie eine Frau auftritt, so wird sie behandelt.«

Sie reichte Luise die Hand.

»Wenn wir zusammenhalten, dann werden auch die Eltern mit der Zeit ihren Widerstand aufgeben. Nur, folgen Sie in allem mir. Ich kenne mich aus. Halten Sie Marcel fest! Tun Sie alles, was er verlangt – aber tun Sie nichts, bevor er Ihnen die Ehe versprochen hat.«

»Ich kann mir gar nicht denken,« sagte Luise, »was weiß er denn von mir? . . . Kennt er mich denn?«

»Wenn Sie vor einer Stunde bei mir gewesen wären – Sie würden nichts mehr fragen. Jetzt heißt es zugreifen; das Glück ist da.«

Luise schüttelte den Kopf.

»Das alles kommt so schnell – so unvermittelt . . . Zwischen meiner Ankunft und jetzt liegt kaum eine Stunde, in der ich Zeit hatte, nachzudenken.«

»Was?« sagte Berthe. »Nachdenken wollen Sie? Eine Frau handelt nach dem Instinkt; sobald sie anfängt, nachzudenken, begeht sie bestimmt eine Dummheit.«

»Da haben Sie recht,« bestätigte Luise, »was ist bei all meinem Denken bisher herausgekommen? Nur immer das Gegenteil von dem, was ich bezweckte.«

»Sehen Sie!« rief Berthe erfreut. »Versprechen Sie mir, daß Sie es sich abgewöhnen wollen. Vertrauen Sie sich in allem mir an, dann wird Ihnen alles glücken, ohne daß Sie auch nur eine Stunde lang zu denken brauchten. Das Denken überlassen Sie den Männern; unsere Aufgabe besteht darin, dafür zu sorgen, daß die Männer so denken, wie wir es wünschen.« – Sie sah nach der Uhr. »Es ist halb eins; Henri und Marcel erwarten uns. Also aufstehen, Liebling!« – Sie deckte sie auf. »Wie schön Sie sind!« – Sie betrachtete sie genau. – »Und damit wollten Sie deutschen Unterricht geben, Sie Närrin!«

Im Hotelvestibül warteten Henri und Marcel.

»Nie hat mich eine Frau mehr gereizt als diese Luise«, sagte Marcel. »Sie gehört zu jenen seltenen Frauen, die einem Dutzend Männer angehören können und dabei doch tugendhaft bleiben.«

»Und was hast du vor?« fragte Henri.

»Köstlich! Diese Frage!« erwiderte er. »Was man so im allgemeinen mit Frauen, die man begehrt, vorzuhaben pflegt.«

»Du vergißt, daß sie unsern Kreisen angehört.«

»Was folgt daraus?«

»Daß man sie nicht kompromittieren darf.«

»Seit wann kompromittiert sich eine Frau unserer Kreise dadurch, daß sie einen Liebhaber hat? Das ist mir neu!«

»Der Fall bei ihr liegt anders«, erwiderte Henri. »Ja, wenn sie den Rückhalt hätte und in der Gesellschaft verkehrte, dann bliebe sie Dame, auch wenn jeder wüßte, daß sie einen Geliebten hat; so aber, wo sie auf sich selbst angewiesen ist, darf sie sich den Luxus eines Liebhabers nicht gestatten; oder sie hört eben auf, eine anständige Frau zu sein.«

»Das hat sie in dem Augenblick aufgehört zu sein,« erwiderte Marcel, »in dem sie die Familie ohne Begleitung und ohne Empfehlung nach Paris expedierte. Sie ist nun einmal kompromittiert. Und ob sie sich hier nun sittsam und tugendhaft aufführt, indem sie Stunden gibt und hungert, oder ob sie die Dame spielt und das große Leben mitmacht: daran, daß sie kompromittiert ist, ändert das eine so wenig wie das andere. Sie ist und bleibt eine von denen, auf die man mit Fingern zeigt, voll Verachtung, wenn es ihr schlecht geht und sie sich abquält; voll Neugier und Interesse, wenn sie sich vormittags zu Pferde im Bois und abends in großer Toilette in der Loge zeigt. – Wer ihr wohl will, wie ich, wird ihr zu dem letzten raten.«

»Willst du ihr das alles sagen?« fragte Henri.

»Nein,« erwiderte Marcel, »oder doch nur, wenn es unbedingt nötig ist. Sie wird sich meiner Logik so wenig verschließen wie du. Zunächst aber versuche ich es mit der Gefühlsseite. Seitdem die Mädchen unserer Kreise die Liebe als ›der Neuzeit nicht mehr entsprechend‹ ablehnen und belächeln, suche ich sie mir außerhalb des Hauses. Und mir scheint diese Luise dafür besonders geeignet.« —

»Da kommen sie!« unterbrach ihn Henri, und aus dem Lift stiegen Berthe und Luise.

»Sie haben lange gewartet?« fragte Luise und sah Marcel fest in die Augen.

»Seit ich Sie gestern verließ«, antwortete Marcel.

»Oh«, erwiderte Luise.

»Und Sie?«

»Ich habe geschlafen«, sagte sie treuherzig; »ich habe fest geschlafen bis vor einer halben Stunde. Ich habe zuviel getrunken gestern und zuviel gesprochen, scheint mir; mir sind noch jetzt alle Glieder so schwer wie gestern abend – —«

Sie fuhren zu Arménonville. Alles rings war in Blüte! In einer Laube, die tief im Garten hinter dem Grün von tausend jungen Sträuchern lag, stand die mit roten Rosen besäte Tafel.

Erst gegen Abend brachen sie auf, um durch den Frühling nach Versailles zu fahren.

Du sagte Marcel Luise alles. Er sprach mit Worten von seiner Liebe, die sie rührten; erzählte ihr von seinen Eltern und daß er sie heiraten werde – auch gegen deren Willen.

Luise gab sich ganz der Stimmung hin. Sie glaubte ihm und war ihm dankbar.

Als sie auf der Terrasse des Hotel des Réservoirs zu Abend aßen, machte Berthe den Vorschlag, über Nacht zu bleiben. Luise widersprach nicht. Als sie auf ihre Zimmer gingen, schloß Marcel sie in seine Arme.

»Bleibst du bei mir?« fragte er zärtlich.

»Wo sollte ich hin?« gab sie zur Antwort.

»Du wirst bei mir bleiben, solange ich lebe«, sagte Marcel und drückte sie an sich.

»Sprich nicht«, bat sie ihn. Und so oft er etwas sagen wollte, bat sie ihn, zu schweigen.

– — – — – — – — – —

Sie lag im Halbschlummer neben ihm und träumte.

Alles sah sie noch einmal; wie helle Schatten zogen an der Wand die Bilder an ihr vorüber; greifbar – lebten – unnatürlich groß – kamen und gingen – sprachen sie an – bettelten und drohten – — »Du wirfst dich weg!« schrie eine Stimme, und ihr Vater stand drohend vor ihr; – »Laß sie doch!« rief die Mutter, »sie ist eine Hure!« und trat nach ihr mit den Füßen; und der Bruder spie sie an; – — sie wagte nicht, sich zu bewegen. – Marcel lag neben ihr und schlief. – — Aber die Bilder lockten noch immer – — sie fuhr in die Höhe; – — sprang auf – —

»Da! Da!« – und sie riß an ihrem Herzen und warf es der Mutter vor die Füße; »So, nun bin ich frei, bin eine Hure!« – und mit einem lauten Aufschrei stürzte sie nach vornüber; schlug mit dem Kopf schwer auf. – — Marcel erschrak, machte Licht; »– an der Wand lag sie – regungslos – weiß wie der Tod – die Augen weit geöffnet.

Er trug sie ins Bett und wachte; – sie sah ihn nicht – ihre Gedanken irrten noch immer. – — Sie sah noch immer Gesichte – aber sie litt nicht mehr – — ihre Seele war tot.

XIX

Als Luise am nächsten Morgen die Augen aufschlug, lag sie in Marcels Armen.

»Weißt du, wo du bist?« fragte er zärtlich.

Sie riß die Augen weit auf und nickte; richtete sich auf, sah ihn groß an und sagte:

»Jetzt bin ich deine Geliebte.«

»Aber nein«, wehrte Marcel.

»Doch! Doch! – — Und ich glaube, es ist gut so. Man muß sich nur klar sein; dann erträgt man alles.«

»Aber du weißt doch, ich werde dich heiraten«, sagte er zärtlich.

»Dann werde ich deine Frau sein; jetzt aber bin ich deine Geliebte.«

»Ich werde jedem sagen, daß du meine Braut bist«, versicherte Marcel.

Luise schüttelte den Kopf.

»Das mußt du nicht tun«, sagte sie; »ich will für das gelten, was ich bin. Einmal, weil . . . aber das begreifst du nicht« – — sie blickte traurig vor sich hin – sah ihn nicht an – — »weißt du, das hängt mit meiner Kindheit zusammen . . . und mit dem Vater . . . wir träumten viel . . . auch davon . . . anders freilich . . . so ganz anders dachten wir uns das alles, wenn es sich eines Tages erfüllen würde . . . das große Glück! – —«

Sie riß sich aus ihren Gedanken, wandte sich zu Marcel, suchte fröhlich zu scheinen: »Aber das ist nun vorbei – es war das letztemal; ich will es vergessen; muß es vergessen! Nicht wahr?« Sie sah ihn groß an. »Es geht auch anders«, sagte sie entschieden.

Sie fuhr ihm mit der Hand durchs Haar.

»Bist ein lieber Kerl! Ich will an nichts mehr denken . . . hörst du? Ich versprech’ es dir. So wie gestern und heute, so muß es wochenlang fortgehen – nicht Zeit zum Denken darfst du mir lassen; dann – dann wird schon alles gut werden.«

»Dafür will ich sorgen«, sagte Marcel und gab ihr die Hand. »Ich kann dir gar nicht sagen, wie froh ich bin.«

Dann ging er in sein Zimmer, badete, zog sich an, schrieb ein paar Zeilen an Berthe, bat sie, sogleich Luise aufzusuchen, ihr zu helfen, sie in Stimmung zu erhalten und ihr viel Gutes über ihn zu sagen.

Als sie am Frühstücktisch zusammentrafen, teilte Marcel seinem Bruder Henri und Berthe in aller Form mit, daß er sich soeben mit Luise verlobt habe.

Beide taten überrascht und beglückt.

»Ist es möglich?« rief Berthe und umarmte erst Luise, dann Marcel, und malte in tausend Farben die Zukunft.

»Heute vormittag muß ich ins Bureau,« sagte Marcel, »du, Berthe, bleibst bei meiner Luise.« Er griff in die Tasche und reichte ihr sein Scheckbuch: »Aber nicht überziehen, Berthe. Alles, was nötig ist, schaffst du natürlich für sie an, und bis wir eine passende Wohnung gefunden haben, kann ja Luise bei dir bleiben.«

»Selbstverständlich,« sagte Berthe, »ich habe genug Platz, um eine ganze Familie aufzunehmen.« – Und als Luise von Unbequemlichkeiten und Zur-Last-Fallen sprach, schmeichelte Berthe:

»Im Gegenteil, Sie werden mir eine liebe Gesellschaft sein und mir helfen, die Zeit vertreiben. Für eine nette Zofe sorgen wir zunächst, und dann geht’s an die Besorgungen. Oh, ich kenne Marcels Geschmack genau; in allem: in Kleidern, Hüten, Parfüms und . . .« – sie kniff kokett die Augen zusammen – ,«selbst in Wäsche und Dessous. Anfangs gefiel er mir nämlich besser als Henri.« – Und als der ein böses Gesicht machte, streichelte sie ihn und sagte: »Anfangs – — jetzt nicht mehr, wo ich dich genau kenne.« Und zu Luise gewandt, flüsterte sie: »Er ist nämlich so bequem.«

»Was bin ich?« fragte Henri.

»Lieb bist du, Schatz«, sagte sie und war so zärtlich, daß er sie ansah und fragte:

»Hast du einen Wunsch?«

»Welche Frage!« rief Berthe. »Du hast mich weniger gründlich studiert als ich dich. Da!« – und sie hielt ihm Marcels Scheckbuch unter die Nase – »denke dir, ich werde mit Luise zu Cadolle fahren und die raffiniertesten Corsets esthétiques zu sehen bekommen. Wir werden uns bei Alphonsine die neuesten Frühjahrshüte zeigen lassen und in der Rue Halery die kostbarsten Spitzen bewundern. – Du weißt, Henri, ich bin nun einmal nicht für platonische Genüsse.«

»Ich glaube, ihr werdet ganz gut zueinander passen«, sagte Marcel; »ihr ergänzt euch vorzüglich.«

»Eine Frau ändert sich schnell«, sagte Berthe, »zumal in Paris. L’appetit vient en mangeant, und du kannst dich darauf verlassen, Marcel,« – dabei hielt sie das Scheckbuch in die Höhe – »dein Leichtsinn soll gründlich belohnt werden; ich werde in Luise die Lust für alles, was schön und teuer ist, zu wecken suchen.«

Henri gab ihr eine Fünfhundert-Francs-Note, die sie nicht gerade überwältigt in ihre Tasche steckte.

Aber Luise ekelte dieser Handel. Mehrmals lag es ihr auf den Lippen, zu widersprechen. Sie hatte ja alles, was sie brauchte, wollte sie sagen. Aber das schien ihr lächerlich neben der Eleganz von Berthe. Und nach ihrem Vorsatz: Nichts Halbes! schwieg sie und beschloß, sich in die Welt und Vorstellungen dieser Menschen zu zwingen, unter denen sie ja nun zu leben bestimmt war. In ihr Schicksal durch eigene Entschlüsse einzugreifen, hatte sie aufgegeben.

Vierzehn Tage nahm die äußere Umwandlung Luises in Anspruch.

Madame Escama vom Institute de Beauté am Place Vendome verbrachte jeden Morgen zwei Stunden an ihrem Bett; pflegte die Haut vom Kopf bis zu den Füßen, die, an sich schon zart und weiß, bald wie Elfenbein glänzte; gab der Brust durch Creme Georgia Festigkeit und harmonische Formen, pedikürte die Füße. Vormittags und gegen Abend erschien Monsieur Noérat und probte Frisuren; Mad. Demilliers kam mit ganzen Legionen von Hüten; bald wurde der Hut der Frisur, bald die Frisur dem Hute angepaßt.

Vor und nach dem Lunch, das sie jetzt täglich in der Stadt bei Henri nahmen, ging’s zu Drécoll und Redfern, zu La Croix, zu Grunwaldt und Lalalnme; kaum, daß man Zeit fand, bei Riz oder Rumpelmayer eine Tasse Tee herunterzugießen, denn schon um halb fünf erschien wieder Noérat für die Abendfrisur und die Maniküre; Monsieur Meyer vom Boulevard des Italiens kam und probierte Schuhe; Mad. Delbecq aus Bruxelles breitete unterdessen auf Stühlen und Tischen kostbare Wäsche und erläuterte und pries jedes Stück wie ein Gelehrter das Kunstwerk eines alten Meisters. Für Berthe waren es Festtage; sie genoß die Freuden und Qualen einer Frau von Welt.

»Endlich,« – so sagte sie eines Nachmittags, als Lalalmne, Meyer, Mad. Delbecq und die Maniküre sich auf die Füße traten, – »endlich hat unser Leben Stil; wir müssen Mittel finden, um uns diese Erregungen dauernd zu erhalten.«

Und als Mad. Delbecq die seidenen Nachthemden, die bis zur Erde reichten und doch nur wenige Gramm wogen, über Berthes Körper goß, da wehrte sie mit den Händen ab und rief:

»Ich kann nicht mehr! Mir ist schon ganz schwindlig! Wie werde ich mir in meinem Spitzenhemd heute nacht vorkommen!«

Und als Mad. Delbecq den Preis nannte, 250 Francs, und versicherte, daß Frau X. und Frau Y. – und sie nannte zwei Damm der Gesellschaft – sowie die Liane de Briés und die Otéro nur solche Hemden trügen, da stand es bei ihr fest: entweder sie wurde die Frau Henris oder eine Liane de Briés.

Anders Luise. Ihr war das alles sehr unbequem, und in den ersten Tagen hatte sie oft das Gefühl, ihre Natur werde doch stärker als ihr Wille sein; was dann geschah, wenn es ihr nicht gelang, ohne an Vergangenes zu denken, nur dem Tage zu leben, das wußte sie freilich nicht. Also zwang sie sich immer wieder, und die Freundlichkeit und respektvolle Art, in der ihr hier alle, von der Zofe bis zu Marcels Freunden, begegneten, trug dazu bei, daß sie sich allmählich an dies Leben gewöhnte. Schließlich machte es ihr sogar Freude, wenn sie des Abends in die Loge trat und aller Augen von der Bühne weg sich auf sie richteten; wenn Damen und Herren im Bois stehenblieben und sich nach ihr umsahen; wenn sie des Nachts in den Garderoben Billetts über Billetts erhielt, in denen vornehme Herren um eine Annäherung, Damen der Gesellschaft um die Adresse ihres Schneiders oder Hütemachers baten.

Berthe sah das mit großer Freude. Luise mußte nur richtig geleitet werden, dann konnte sie leicht eine der ersten Frauen von Paris werden. Wie die Liane de Briés und andere es waren, deren Millionen Zins auf Zins im Keller des Crédit Lyonnais lagen, die ihr Hotel, ihr Landhaus, ihr Automobil besaßen, deren Schmuck mit 500.000 Francs versichert und beinahe die Hälfte wert war; die einen fetten Bankier und einen kahlköpfigen Marquis mit Wissen ihrer Frauen zu Freunden hatten, an deren Stelle im Juli und August, wenn sie in Biarritz oder Trouville waren, ein reicher Amerikaner trat; und die schließlich fürs Herz einen Tenor von der Opera Comique oder einen jungen Dichter – niemals aber, wie die jungen Frauen der Gesellschaft, einen Akrobaten oder Artisten aus dem Nouveau Cirque – zum »Geliebten« hatten.

Luise hatte Kinderstube! Berthe, die keine hatte, war klug genug, um zu wissen, was das bedeutete. Daß es mehr war als Schönheit und Raffinement – Tugenden, mit denen man wohl jeden Mann erobern konnte. Kinderstube aber war gleichbedeutend mit Takt; und Takt war die Kunst, durch die man Männer fesselte. Takt war nötig, um ihre Stimmungen, über die sich die Männer oft selbst nicht klar waren, zu erkennen. Ein Mann, der geschäftlichen Ärger hatte, gehörte nicht zu Antoine, sondern in die Parisiana; einen Mann, der sich moralisch bedrückt fühlte, ließ man, selbst wenn man eine Loge zu einer Premiere und einen neuen Hut hatte, mit seinem Freunde allein ausgehen; freilich nicht, ohne diesen vorher instruiert zu haben. Einen Mann schließlich, der sich in Gedanken mit andern Frauen beschäftigte, behandelte man besonders zärtlich; man lobte die Rivalin, aber nicht ohne sie gleichzeitig in liebenswürdigster Weise ein bißchen lächerlich zu machen: »eine ganz reizende Person, wenn sie nur nicht so geschmacklos in der Wahl ihrer Männer wäre. Immer die Dümmsten sucht sie sich aus!« – Nur keine Eifersuchtsszenen! – Und vor allem Takt gehörte dazu, um niemals einem Mann auf die Nerven zu fallen. Das war das Abc der Liebe. Zärtlichkeiten zur falschen Zeit wirkten oft katastrophaler als in gleichgültiger Stunde ein Treubruch.

Das alles wußte Berthe und fühlte auch, daß dies Essentialien der Liebe waren, die sie im Gegensatz zu Luise nicht völlig beherrschte. So war es ihr unmöglich, für einen Wunsch die rechte Stunde abzuwarten; Herr ihrer Launen zu sein; vergnügt zu scheinen, wenn sie verstimmt war; und auf ein Vergnügen zu verzichten, wenn dem Mann die Stimmung dazu fehlte. – Aber Luise! Ja, die verstand das alles!

Und noch etwas! Die große Gefahr aller dieser Frauen: die Liebe! Einmal vielleicht im Leben bot sich ihnen die große Chance, daß ein unabhängiger Mann mit großem Vermögen bereit war, alles für sie zu tun. – Da, in diesem Augenblick verliebte man sich gewöhnlich in einen armen Teufel. Ein kurzer Kampf, und die Entscheidung fiel fast immer zugunsten des letzteren. Man hatte verspielt! Man gab sich auf! Nach drei Monaten kam die Reue zu spät! – Die Liebe, das wußte auch Berthe, war der größte Feind aller dieser Frauen.

In Luise aber hatte ein großes Erlebnis, über das sie nie sprach, das sie nur schattenweise hin und wieder andeutete, jedes Liebesgefühl getötet.

»Quelle chance! Quelle bonne chance!« rief Berthe laut, als sie das alles erwog. »Mit ihrem Takt und meiner materiellen Veranlagung können wir in ein paar Jahren die ersten Frauen von Paris sein!«

»Aber« – und diese Konzession war sie ihrem Gewissen schuldig – »erst will ich versuchen, eine anständige Frau zu werden! Von Henri hängt es ab! Heiratet er mich nicht, so trägt er die Verantwortung für alles, was geschieht.«

Ganz heimlich aber gestand sie sich, daß ihr die erste Lösung doch wohl lieber wäre.

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Дата выхода на Литрес:
30 ноября 2019
Объем:
320 стр. 1 иллюстрация
Правообладатель:
Public Domain

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