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8. Kausalität beim Unterlassungsdelikt

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Schwieriger ist die Frage der Kausalität im Bereich des Unterlassens zu beantworten. Auch hier ist im Ausgangspunkt erforderlich, dass zwischen dem Verhalten, also dem Unterlassen, und dem von der jeweiligen Strafbestimmung vorausgesetzten Erfolg ein ursächlicher Zusammenhang besteht.[71] Nun fehlt es aber gerade an einer Handlung, die einen Erfolg verursacht, der Täter ist schlicht untätig. Ein Hinwegdenken einer Bedingung ist nicht möglich. Insofern stellt sich die Frage, wie bei bloßer Passivität die Ursächlichkeit des Unterlassens für den Erfolg ermittelt werden soll. Zur Vermeidung dieser Schwierigkeiten ziehen Rechtsprechung und Schrifttum folgende Klausel heran, um die Frage der Ursächlichkeit zu beantworten:

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Ursächlichkeit liegt vor, wenn das gebotene Verhalten nicht hinzugedacht werden kann, ohne dass der tatbestandliche Erfolg mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit entfiele.[72] Insofern kann von Kausalität im eigentlichen Sinne nicht gesprochen werden, da hier die Handlung lediglich hinzugedacht wird. Daher erscheint zunächst die Heranziehung des Begriffs „Quasikausalität“ angebrachter.[73] Nach der Lehre von der gesetzmäßigen Bedingung ist die Nichtvornahme einer Handlung, welche nach den Naturgesetzen einen Erfolg abgewendet hätte, mit diesem Erfolg gesetzlich verbunden und darf daher als für ihn kausal angesehen werden.[74]

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Im Fall des Unterlassens ist also das hypothetische Hinzudenken des weiteren Geschehens notwendig. Bestehen Zweifel, ist die Quasikausalität nicht gegeben. Lässt sich also nicht zweifelsfrei feststellen, dass der Erfolg beim Hinzudenken des erforderlichen Handelns mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit entfällt, gilt der Grundsatz in dubio pro reo, sodass die Quasikausalität zu verneinen ist.[75] Dagegen lassen es Teile des Schrifttums bereits ausreichen, wenn durch das Unterlassen das Risiko des Erfolgseintritts erhöht worden ist, wenn also das Handeln des Täters den Erfolgseintritt nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, aber doch möglicherweise abgewendet hätte.[76] Die Rechtsprechung ist dem nicht gefolgt.[77]

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Sofern der Erfolg auch bei Vornahme der gebotenen Handlung eingetreten wäre, entfällt die Kausalität.[78] Umstritten ist dabei, ob wie beim Begehungsdelikt auf den Erfolg in seiner konkreten Gestalt[79] oder auf einen abstrakten Erfolgsbegriff im Sinne einer Erfüllung des Tatbestands abzustellen ist.[80]

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Geht es um ein Unterlassen bei Gremienentscheidungen, indem etwa ein notwendiger Rückruf eines gesundheitsschädlichen Produkts nicht erfolgt, hat der BGH die Kausalität bejaht: Könne die zur Schadensabwendung notwendige Maßnahme nur durch das Zusammenwirken mehrerer Beteiligter zustande kommen, setze jeder, der es trotz seiner Mitwirkungskompetenz unterlasse, seinen Beitrag dazu zu leisten, eine Ursache dafür, dass die gebotene Maßnahme unterbleibe.[81] Es bleibt bei der Kausalität auch dann, wenn etwa bei einem Beschluss fünf zu zwei gegen den Rückruf jeweils die Stimme des Einzelnen der Mehrheit hinweggedacht werden kann, der Rückruf aber dann dennoch nicht erfolgt wäre. Denn das wäre ein Geschehensablauf, der sich tatsächlich so nicht zugetragen hat.[82] Ergänzend sei darauf hingewiesen, dass bei Vorliegen von Mittäterschaft das Kausalproblem wiederum irrelevant ist.[83]

V. Abweichende Kausalitätstheorien

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Die neben der Äquivalenztheorie früher vertretenen Theorien zur Kausalität konnten sich im Strafrecht nicht durchsetzen.[84] Zum einen sind die verschiedenen individualisierenden Kausaltheorien[85] ohne Nachwirkung geblieben. So wollte Kohler etwa nur die qualitativ bestimmende Bedingung als ursächlich ansehen.[86] Andere stellten auf die letzte durch menschliches Verhalten gesetzte Bedingung ab.[87] Gegen diese Theorien sprach vor allem, dass dadurch viele unwägbare Fragen heraufbeschworen wurden, die Unsicherheiten in die Prüfung trugen. Andere Strafrechtswissenschaftler befürworteten die Adäquanztheorie.[88] Diese im Zivilrecht bedeutsame Theorie[89] besagt im Kern, dass Ursache nur eine tatbestandsadäquate Bedingung ist, also eine solche, die nach der Lebenserfahrung generell dazu geeignet ist, den Erfolg herbeizuführen, sodass bei einem atypischen Geschehensablauf die Kausalität zu verneinen ist.[90] Insofern ist anzumerken, dass die Atypizität zwar durchaus ein Problem darstellt, es sich jedoch nur um einen unter vielen mit der Kausalitätsfrage zusammenhängenden Aspekt handelt, sodass die Fokussierung auf dieses eine Problem letztlich nicht zu überzeugen vermag. Die Relevanztheorie[91] hingegen unterscheidet zwischen der Kausalität im Sinne der Äquivalenztheorie einerseits und der Relevanz des Geschehens andererseits, wobei auf den Sinn des jeweiligen Tatbestands abgestellt wird.[92] Der Zusammenhang zwischen Handlung und Erfolg müsse relevant sein, also rechtlich erheblich.[93] Insofern möchte sie nicht als Kausalitätstheorie verstanden werden.[94] Der Erfolg soll nur dann tatbestandsmäßig sein, wenn er durch generell geeignete Bedingungen herbeigeführt wurde.[95] Problematisch ist insofern, dass der Begriff der Relevanz ein gänzlich offener ist und vor dem Hintergrund des verfassungsrechtlich verankerten Bestimmtheitsgebots sehr bedenklich erscheint.[96]

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Heutzutage werden Kausalitäts- und Zurechnungsfragen nur noch vereinzelt zusammengefasst.[97] Dagegen gibt es aktuell einige Autoren, welche zur Beurteilung der Kausalität ein probabilistisches Modell befürworten wie zum Beispiel Hoyer[98] und Rolinski.[99] Hierbei handelt es sich insbesondere im Bereich der Produkthaftung um interessante Lösungsvorschläge, sie vermochten sich aber bislang nicht durchzusetzen.

VI. Die generelle Kausalität

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Die bisherigen Ausführungen betrafen die Kausalität im konkreten Fall. Diese setzt die generelle Kausalität voraus. Letztere beantwortet die Frage, ob überhaupt eine bestimmte Bedingung einen konkreten Erfolg herbeiführen kann, also ein allgemeines Kausalgesetz existiert.[100] Es geht bei der generellen Kausalität darum, ob abstrakt gesehen eine bestimmte Verhaltensweise überhaupt zu einer bestimmten Folge führen kann.[101] So ist beispielsweise wissenschaftlich unabhängig vom konkreten Fall erwiesen und bekannt, dass bereits die Verabreichung geringer Mengen (200 bis 300 mg) von Zyankali (Kaliumcyanid) zum Tod eines Menschen führt.[102] Die generelle Kausalität dieser Bedingung steht damit fest.

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Problematisch ist nun, was zu gelten hat, wenn derartige Wirkungszusammenhänge (natur)wissenschaftlich nicht feststehen oder umstritten sind.[103] Die Rechtsprechung musste sich mit diesem Problem erstmals im Conterganverfahren auseinandersetzen.[104] Dort war damals unter den Sachverständigen umstritten, ob der in dem Medikament Contergan enthaltene Wirkstoff Thalidomid überhaupt Nervenschäden und Missbildungen bei Embryos verursachen kann. Der BGH hat sich mit der Frage der generellen Kausalität insbesondere in der „Lederspray-Entscheidung“[105] und im Holzschutzmittelprozess[106] befasst, wo es jeweils darum ging, ob diese Produkte Gesundheitsschäden hervorrufen können.

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Die Rechtsprechung bejaht im Grundsatz die Möglichkeit, selbst bei wissenschaftlich nicht geklärten Wirkungszusammenhängen die generelle Kausalität anzunehmen. Es handele sich bei ihrer Feststellung um eine prozessuale Frage, die der freien richterlichen Beweiswürdigung zugänglich sei.[107] Der Nachweis von Kausalzusammenhängen verlange keine absolute Gewissheit; es genüge ein nach der Lebenserfahrung ausreichendes Maß an Sicherheit, das keinen vernünftigen Zweifel bestehen lasse.[108] Im Schrifttum wird das Problem der generellen Kausalität teilweise schon gar nicht als ein solches der freien richterlichen Beweiswürdigung angesehen; vielmehr erachtet man das abstrakte Kausalgesetz (Naturgesetz) als Teil des gesetzlichen Tatbestands, des Obersatzes, über dessen Vorliegen nicht nach freier richterlicher Beweiswürdigung zu entscheiden sei.[109] Herrsche in den Fachkreisen Streit darüber, ob ein derartiges Kausalgesetz existiert, fehle es an einem anerkannten Kausalgesetz, unter das subsumiert werden könne.[110] Andere Autoren gehen hingegen wie die Rechtsprechung davon aus, dass es sich bei der generellen Kausalität um eine prozessuale Frage bei der freien Beweiswürdigung handele.[111] Unterschiedlich sind aber die Konsequenzen, welche daraus gezogen werden: Mitunter wird vertreten, bei ungeklärten Zusammenhängen komme der Grundsatz in dubio pro reo zur Anwendung, denn der Tatrichter besitze bei der Einschätzung kontroverser Gutachten keinen Erkenntnisvorsprung.[112] Andere Stimmen gehen davon aus, dass die generelle Kausalität grundsätzlich im Rahmen der freien Beweiswürdigung selbst bei einem naturwissenschaftlich ungeklärten Wirkungszusammenhang bejaht werden kann.[113]

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Der Unterschied zwischen genereller und konkreter Kausalität ist nicht qualitativer, sondern quantitativer Art.[114] Es geht darum, dass das allgemeine Kausalgesetz zwar abstrakter Natur ist, jedoch durch die Hinzunahme immer weiterer konkreter Umstände zur konkreten Kausalität verdichtet werden kann. Einigkeit besteht nun dahingehend, dass es sich bei der Feststellung der konkreten Kausalität um eine im Rahmen der Beweisaufnahme erfolgende Tatsachenermittlung handelt. Dann ist aber konsequenterweise auch bei der generellen Kausalität die freie Beweiswürdigung gemäß § 261 StPO heranzuziehen.[115] Insofern ist nun zu beachten, dass sich der Jurist von der Vorstellung befreien muss, die Naturwissenschaften könnten ihm stets absolute Wahrheiten und Gewissheiten bieten, denn ein Merkmal von empirischen Aussagen ist gerade, dass sie immer dem Zweifel ausgesetzt bleiben.[116] In einer Vielzahl von Fällen kann sich der Richter zudem nicht auf wissenschaftlich gesicherte Erfahrungssätze berufen.[117] Vielmehr muss der Richter die naturwissenschaftlichen Erkenntnisse und alle anderen Beweise in einer Gesamtwürdigung beurteilen.[118] Es gibt keine Priorität oder Exklusivität des Sachverständigenbeweises. Daher kann der Richter im Rahmen einer Gesamtwürdigung sämtlicher Umstände durchaus zu der Überzeugung kommen, die generelle Kausalität liege vor. Nur im Fall, dass bei ihm noch Zweifel verbleiben, findet der Grundsatz in dubio pro reo Anwendung. Der Rechtsprechung ist daher in der Behandlung der generellen Kausalität zuzustimmen.

8. Abschnitt: Unrechtsbegründung: Tatbestand › § 33 Kausalität und objektive Zurechnung › B. Die objektive Zurechnung

B. Die objektive Zurechnung

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Die inzwischen überwiegende Ansicht im strafrechtlichen Schrifttum begnügt sich beim Erfolgsdelikt im objektiven Tatbestand nicht mit der bloßen Feststellung der Kausalität von Verhalten und Erfolg. Dies wird nur als ein notwendiger erster Schritt angesehen. In einem zweiten Schritt nach Bejahung der Kausalität sei vielmehr zu prüfen, ob dem Täter der Erfolg auch objektiv zurechenbar ist.[119] Dem Täter müsse der von ihm verursachte Erfolg auch als „sein Werk“ zugerechnet werden können.[120]

I. Die historische Entwicklung der Lehre von der objektiven Zurechnung

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Ausführlichere Gedanken zu einer objektiven Zurechnung finden sich bei Karl Larenz in einer Veröffentlichung aus dem Jahr 1927.[121] Es gehe darum, ob das Geschehen Tat eines Subjekts sei oder bloßer Zufall.[122] Teilweise an diese Ausführungen anknüpfend geht dann Richard Honig in einem Aufsatz aus dem Jahr 1930 auf Fragen der objektiven Zurechnung ein.[123] Dort unterscheidet Honig zwischen der zunächst zu stellenden Frage nach der Kausalität und dem sich danach ergebenden Gesichtspunkt, ob dieser Zusammenhang für die Rechtsordnung bedeutsam ist; zur Kausalitätsfeststellung trete demnach als weiteres selbstständiges Urteil das über die objektive Zurechnung.[124] Es gehe insoweit um die Bedeutsamkeit des Kausalzusammenhangs für die Rechtsordnung. Honig betont dabei nachdrücklich, dass das Zurechnungsurteil von der Kausalitätsfeststellung völlig unabhängig sei. Zurechenbar sei der Erfolg, welcher in Abgrenzung zum bloß zufälligen Ereignis als zweckhaft gesetzt gedacht werden könne.[125] Dabei sei Kernpunkt der objektiven Beziehung des Täters zum Erfolg die „Beherrschung“ des Kausalverlaufs durch den Willen.[126] Mit diesen Überlegungen ging jedoch lediglich ein erster Ansatz einher, ohne dass eine vollständige Entwicklung zu einer Zurechnungslehre stattfand.

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Claus Roxin war es, der im Jahre 1970 mit seinem Aufsatz „Gedanken zur Problematik der Zurechnung im Strafrecht“[127] den Grundstein für die heutige Lehre von der objektiven Zurechnung gelegt hat.[128] Dabei nimmt er die Überlegungen Honigs zum Ausgangspunkt. Anders als Honig stellt Roxin jedoch nicht auf das Kriterium der Beherrschbarkeit durch den Willen ab, welches der objektiven Zweckhaftigkeit zugrunde liegt, sondern meint, maßgeblich sei, ob das Verhalten der in Frage stehenden Person ein rechtlich relevantes Risiko tatbestandlicher Rechtsgüterverletzung geschaffen hat.[129] Damit erfährt der Gedanke der Zurechnung eine ganz andere Ausrichtung.[130] Auf der Grundlage dieses Risikoprinzips entwickelt er nachfolgend Fallgruppen, bei denen die objektive Zurechnung zu verneinen sei.[131] So nennt er die Fälle der Risikoverringerung, der Nichtschaffung eines rechtlich relevanten Risikos, der Nichtsteigerung des erlaubten Risikos und den Schutzbereich der Norm. Die so formulierte Lehre von der objektiven Zurechnung benutzt Roxin dabei gleichzeitig dazu, sich gegen die finale Handlungslehre auszusprechen.[132]

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Zunächst nahm das Schrifttum die Darlegungen Roxins eher verhalten auf.[133] Allmählich wurde jedoch die Lehre in Lehrbücher und Kommentare zum Strafrecht übernommen und dort anerkannt.[134] Mitte der achtziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts hatte sich die Lehre der objektiven Zurechnung schließlich durchgesetzt. Welche Fallgruppen darunter fallen, wie sie im Einzelfall zu lösen sind und wo jeweils einzelne Probleme innerhalb der objektiven Zurechnung ihren Standort finden, ist jedoch nach wie vor umstritten.[135] Vielmehr werden unter den Befürwortern der Lehre von der objektiven Zurechnung bestimmte Fallkonstellationen und viele Einzelfragen kontrovers gesehen. In einer „kaum noch überschaubaren Flut von Veröffentlichungen“[136] werden über die objektive Zurechnung Lösungen für unterschiedliche Fallgruppen angeboten. Die jeweiligen Ergebnisse sind vielfach noch ungesichert.[137] Auch wurden zum Teil in der Wissenschaft eigenständige Zurechnungsmodelle entwickelt.[138] Dennoch hat sich die Lehre von der objektiven Zurechnung in der Strafrechtswissenschaft – trotz immer noch vorhandener kritischer Stimmen – insofern durchgesetzt, als die herrschende Meinung im Schrifttum diese Rechtsfigur befürwortet.

II. Der Grundgedanke der objektiven Zurechnung

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Die Lehre von der objektiven Zurechnung in ihrem heutigen Verständnis hat zum Ziel, die Reichweite des objektiven Tatbestands angesichts der Uferlosigkeit der Äquivalenztheorie durch eine wertende zweite Stufe nach der Feststellung der Kausalität einzuschränken.[139] Nicht jedes Verhalten, das für den tatbestandlichen Erfolg kausal im Sinne der condicio sine qua non-Formel ist, soll den objektiven Tatbestand erfüllen, sondern es ist zudem danach zu fragen, ob der verursachte Erfolg dem Täter als „sein Werk“ zurechenbar ist.[140] Mit der objektiven Zurechnung wird also dem vornehmlich naturgesetzlich geprägten Erfordernis der Kausalität eine Wertungsstufe hinzugefügt.[141] Es geht um die Verwirklichung einer unerlaubten Gefahr innerhalb der Reichweite des Tatbestands, wobei es sich hierbei um ein an rechtlichen Wertungen orientiertes Regelwerk handelt.[142] Als wesentliche Aufgabe der Lehre von der objektiven Zurechnung wird angesehen, entgegen einem rein kausalen Verständnis des Tatbestands die zufällig eintretende Bewirkung von Rechtsgüterverletzungen als gegen das Schuldprinzip verstoßend aus dem objektiven Tatbestand auszuschließen.[143]

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Würde man allein die Kausalität genügen lassen, so die Befürworter der Lehre von der objektiven Zurechnung, erfülle auch der Hersteller einer später durch einen anderen beschädigten Sache den Tatbestand des § 303 StGB, da er durch die Herstellung eine Bedingung des Erfolges geschaffen habe.[144] Vielmehr sei erforderlich, unter den für den Erfolg kausalen Verhaltensweisen nach rechtlichen Wertmaßstäben diejenigen auszuwählen, die als Sachbeschädigungshandlungen gelten dürfen.[145]

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Ausgangspunkt der Lehre der objektiven Zurechnung ist dabei folgende Grundformel: Objektiv zurechenbar ist dem Täter der von ihm verursachte Taterfolg, wenn der Täter eine rechtlich missbilligte Gefahr geschaffen hat, die sich im tatbestandlichen Erfolg realisiert.[146] Objektiv ist dabei die Zurechnung, da die Lehre bereits im objektiven Tatbestand ansetzt und insbesondere nicht erst im Bereich des Vorsatzes. Es geht darum, ob dem Täter der Erfolg als „sein Werk“ zurechenbar ist oder sich als Werk des Zufalls oder als Werk des Opfers oder Dritter darstellt. Insofern handelt es sich um die Abgrenzung von Verantwortungsbereichen.[147]

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Eine rein zufällige Todesverursachung könne schon objektiv nicht als Tötung im Rechtssinne beurteilt werden.[148] Damit dem Täter das Kausalgeschehen als sein Werk zugerechnet werden kann, müsse es von ihm beherrschbar gewesen sein.[149] Dabei sind die gebildeten Fallgruppen[150] vor dem Hintergrund der Uferlosigkeit der Äquivalenztheorie weitgehend solche, bei denen eine Zurechnung ausscheiden soll.[151]

III. Argumente für und wider die Lehre von der objektiven Zurechnung in der Wissenschaft

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Dass es der Einschränkung des Tatbestands über die Wertungsstufe der objektiven Zurechnung bedarf, entspricht wie bereits angesprochen der h.M. im strafrechtswissenschaftlichen Schrifttum. Angesichts der Weite der Äquivalenztheorie bedürfe es bereits im objektiven Tatbestand einer Korrektur.[152] Es gibt aber nach wie vor auch kritische bis ablehnende Stimmen. Zwar ist teilweise zu lesen, im Bereich der Fahrlässigkeit habe die Figur der objektiven Zurechnung Anerkennung gefunden.[153] Hieran ist in der Tat richtig, dass ein Kritiker dieser Lehre schreibt, hinsichtlich des Pflichtwidrigkeitszusammenhangs beim fahrlässigen Delikt habe die Lehre einen berechtigten Anwendungsbereich.[154] Auch trifft es – bei allen Unterschieden im Detail – zu, dass der Pflichtwidrigkeitszusammenhang beim Fahrlässigkeitsdelikt sowohl von Befürwortern als auch Gegnern der objektiven Zurechnungslehre zur Voraussetzung erhoben wird. Andererseits weisen Kritiker der objektiven Zurechnung darauf hin, dass der Pflichtwidrigkeitszusammenhang – anders als die Befürworter es meinen – nicht aus der Lehre von der objektiven Zurechnung abzuleiten sei, sondern damit zu tun habe, dass das Handlungsunrecht beim Fahrlässigkeitsdelikt nicht auch den strafrechtlich relevanten Erfolg umfasse.[155] Daher sei eine andere Verknüpfung erforderlich, nämlich der Pflichtwidrigkeitszusammenhang. Einer besonderen Zurechnungslehre bedürfe es daher nicht; vielmehr folge aus dem Wesen der Fahrlässigkeit die Notwendigkeit des Bezugs der objektiven Sorgfalt auf den inkriminierten Erfolg.[156] Betrachtet man diese Ausführungen, erscheint es zumindest als zu pauschal, davon zu sprechen, im Bereich der Fahrlässigkeit sei die objektive Zurechnung anerkannt.

1. Argumente der Befürworter der Lehre

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Zugunsten der Theorie wird angeführt, sie könne besonders plausibel erklären, weshalb der Erzeuger eines späteren Straftäters schon nicht den objektiven Tatbestand etwa des § 212 StGB erfüllt.[157] Hier erst den Vorsatz zu verneinen, würde die Aussage beinhalten, der Vater habe den objektiven Tatbestand des Totschlags und insoweit das Tatunrecht des § 212 StGB verwirklicht.[158] Das objektive Tatunrecht wäre damit zu weit umschrieben.[159] Die Verursachung eines bestimmten Erfolges sei für sich allein noch nicht geeignet, tatbestandliches Unrecht zu begründen.[160] Die Kausalität sei eine notwendige, aber noch keine hinreichende Bedingung, da die den Straftatbeständen zugrunde liegenden Verhaltensnormen angesichts der oft unübersehbaren Zusammenhänge menschlichen Handelns keine reinen Verursachungsverbote sein könnten.[161] Mit der Bejahung der Tatbestandsmäßigkeit werde zugleich gesagt, vertyptes Unrecht begangen zu haben, das nur ausnahmsweise gerechtfertigt werden könne; daher sei es wichtig, die Tatbestände so zu begrenzen, dass Fälle, in denen es nur durch eine unglückselige Verkettung von Umständen zum Erfolgseintritt kommt, schon auf Tatbestandsebene ausgeschieden werden.[162] Ein Verhalten sei nur objektives Unrecht, wenn es sich als Überschreiten des Rechts darstellt, was im Bereich der Erfolgsdelikte ohne die Annahme einer mit dem Verhalten verbundenen missbilligten Gefahrschaffung nicht denkbar sei.[163] Die Lehre von der objektiven Zurechnung verwirkliche die zentrale Aufgabe jedes rechtsstaatlichen Strafrechts, nämlich die Ausbalancierung von staatlichen Sicherungs- und individuellen Freiheitsinteressen.[164] Bei Überwiegen individueller Freiheitsinteressen sei das Risiko erlaubt, bei Überwiegen der Sicherungsinteressen liege ein unerlaubtes Risiko vor. Die Lehre sei bei der Konstituierung strafrechtlichen Unrechts weit leistungsfähiger als wertblinde ontologische Kategorien wie Kausalität und Finalität.[165]

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Die Lehre von der objektiven Zurechnung erlaube, falls der Erfolg das Ergebnis eines unberechenbaren und nicht mehr beherrschbaren Zufalls ist, das Unglück vom Unrecht bereits unter objektiven Gesichtspunkten abzugrenzen.[166] Würde man die Fälle erst auf der Ebene des Vorsatzes behandeln, müsste man letztlich mit der Verschiebung der objektiven Gegebenheiten in den subjektiven Tatbestand arbeiten.[167]

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Wenn A dem B ein Beil leiht und B sich nun mit dem Beil beim Holzhacken versehentlich verwundet, könne ersichtlich das Ausleihen des Beils schon objektiv keine strafrechtlich relevante Körperverletzung sein.[168]

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Soweit man die Figur der objektiven Zurechnung ablehne und eine Lösung der problematischen Fälle u.a. über den Vorsatz favorisiere, müsse man im Übrigen ebenfalls Wertungsfragen beantworten, da nicht jeder Irrtum des Täters zum Vorsatzausschluss führe.[169] Auch die Frage, ob eine „wesentliche“ Abweichung vom vorgestellten Kausalverlauf vorliegt, könne Bedenken im Hinblick auf Art. 103 GG hervorrufen. Zudem sei der Adäquanzgedanke an sich ein Bestandteil des objektiven Tatbestands und könne aus diesem Grund „nicht einfach in den subjektiven Bereich verpflanzt werden“.[170] Löst man die Fälle des atypischen Kausalverlaufs erst im subjektiven Tatbestand, werde lediglich subjektiv verbrämt eben doch entscheidend an den objektiven Gegebenheiten Maß genommen.[171] Häufig sei zudem eine Vorsatzlösung schon von vornherein nicht tauglich; so sei der bedingte Vorsatz des Autoherstellers im Hinblick auf spätere Unfälle kaum zu bestreiten.[172]

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Die Korrektur über das Subjektive versage zudem, wenn sich der Handelnde den gänzlich unwahrscheinlichen Verlauf tatsächlich vorgestellt hat.[173] Soweit die Kritiker der Lehre mit anderen Kriterien wie der Tatherrschaft arbeiten, um die problematischen Fälle zu lösen, sei damit kein Mehr an Rechtssicherheit gewonnen, da auch diese Begriffe alles andere als eindeutig und Gegenstand vielfältiger Kontroversen seien.[174]

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Ob der Erfolg zugerechnet werden kann, sei zum Beispiel dann problematisch, wenn das Opfer selbst oder ein Dritter wesentlich zum Schadenseintritt beigetragen habe. Da diese Fragestellung eindeutig an eine objektive Betrachtung des Geschehens anknüpfe, führe allein die Verortung der Frage im objektiven Tatbestand zu sachgerechten Ergebnissen.[175] Die Lehre von der objektiven Zurechnung sei der einzige Schlüssel, um eine ganze Anzahl moderner Problemfälle zu bewältigen.[176]

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Der Normzweck im Strafrecht bestehe in der Verhinderung von Rechtsgüterverletzungen; daraus folge die Ablehnung der Erfolgszurechnung in Fällen, in denen das strafrechtliche Verbot kein auch nur einigermaßen zweckmäßiges Instrument zur Vermeidung der Rechtsgüterverletzung sei.[177]

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