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DIE SKLAVIN

»Mütterlein, fern von diesem kalten Land, in dem ich nun sitze und schreibe, Mütterlein in Suriname, mit deinen grauen Haaren, mit der vor der Zeit gebeugten Gestalt, du hast gearbeitet und dich geschunden, von früh bis spät, damit ich lernen konnte, dir widme ich dieses dunkelste Kapitel unserer Geschichte.«

Wenn die männlichen Sklaven, unsere Väter, nach verrichtetem Tagewerk bei Sonnenuntergang von den Feldern zurückkehrten, konnten sie sich bis in die frühen Morgenstunden von ihrer Erschöpfung erholen, konnten sie in ihren elenden Hütten die schmerzenden Glieder auf ihren Lumpenlagern strecken und ruhen, bis der Aufseher sie wieder zur Arbeit rief.

Wenn allerdings die letzten Frauen durch die Felder nach Hause gingen und schwere, mit Baumwolle gefüllte Körbe auf den Köpfen trugen, konnte es passieren, dass der Herr (oder zu späteren Zeiten auch der Verwalter) seinen Blick auf eine der jungen Negerinnen warf und bedeutete, den Korb abzusetzen. Dann begann für sie, in der Nacht, die zweite Aufgabe, die Erfüllung der Gelüste ihres Herrn. Es gab kein Entkommen vor dieser Verpflichtung. Da die Negersklaven ja keine Menschen waren, galten für sie weder die Sakramente der Kirche noch die bürgerlichen Gesetze. Ein Petata (Weißer) konnte sich einfach nicht vorstellen, dass es zwischen zwei Schwarzen so etwas wie ein Eheband geben könnte, also mussten sich auch die Frauen von Sklaven immer wieder von ihrem ehelichen Lager zum Haus ihres Herrn begeben.

Wir müssen zugeben, es ist vorgekommen, dass ein weißer Herr seine schwarze Geliebte mit allerlei Gunstbezeugungen überhäufte, mit Seidenkleidern und sogar mit Juwelen – sei es aus einer Laune heraus oder um seine Bekannten von anderen Plantagen mit ihrer Schönheit zu ärgern. Umso elender war jedoch meist das Los der Mätressen, wenn sie nach kurzer Zeit ihrem Herrn nicht mehr behagten. Dann kehrten sie in ihre Baracken im Sklavenquartier zurück, empfingen Hass statt Liebe und Misshandlung statt Gunst, wobei oft die betrogene weiße Herrin es nicht versäumte, ihre Wut an dem nun wehrlosen Opfer auszulassen.

Die Kinder, die aus solchen Verbindungen hervorgingen, wurden einfach als eine Aufstockung des menschlichen Viehbestands betrachtet, und die Peitschenhiebe ihrer Väter oder ihrer weißen Halbbrüder knallten mit völliger Unparteilichkeit genauso auf ihre Rücken wie auf die der Vollblutschwarzen. Man braucht sich nur die Zahl der Mulatten in Suriname anzusehen, um zu erkennen, dass die vorgebliche Abscheu der weißen Rasse den Schwarzen gegenüber nie ein Hindernis beim Geschlechtsverkehr mit unseren Frauen gewesen ist!

Auch hierfür möchten wir an erster Stelle einige Fakten als Beispiele anführen:

Herr Pichot, ein Neffe des gleichnamigen Ratsherren, Direktor der Plantage »Vlucht en Trouw«, alarmierte am 6. September 1750 die gesamte weiße Bevölkerung in seiner Umgebung mit der Nachricht, dass die Neger gegen ihn aufbegehrt hätten. Es stellte sich heraus, dass Herr Pichot eine Sklavin bei sich haben wollte, diese Frau sich jedoch standhaft geweigert hatte, sich den niederen Trieben dieses Herrn hinzugeben. Die arme Sklavin wurde von Pichot wegen ihrer Ehrbarkeit zu Tode geprügelt. Einen alten Sklaven, der dagegen einschreiten wollte, hatte er »mit Bleikugeln in den Bauch geschossen«.21

Ein anderer Fall betrifft den reichen Plantagenbesitzer von »Arendsrust«. Ihm war zu Ohren gekommen, dass sich einer seiner Sklaven in die Sklavin Betje (die Geliebte des Besitzers) verliebt hatte. Er ließ diesen Sklaven auspeitschen, seinen ganzen Körper brandmarken und nagelte ihn anschließend an einen Holzpflock. Nachdem der arme Geknechtete gestorben war, wurde er in ein Loch mit ungelöschtem Kalk geworfen. Betje, die dem Sklaven nicht abgeneigt gewesen war, wurde ebenfalls gefesselt, bis aufs Blut gemartert und auf schändliche und abscheuliche Weise gebrandmarkt.22

Von der Erfüllung eines häuslichen Glücks für Sklaven konnte unter diesen Umständen nicht die Rede sein, da der weiße Herr immer wie ein drohender Schatten zwischen den beiden Eheleuten stand.

Die von ihren Männern vernachlässigten europäischen Frauen suchten Trost im Hass, den sie ihrer schönen Rivalin gegenüber oftmals mit unmenschlicher Grausamkeit auslebten. Oder sie versuchten, ihre weißen Ehemänner zu bestrafen, indem sie eine Liebschaft mit einem gerade aus Europa eingetroffenen Weißen begannen. Anstößig war die Gepflogenheit, »schöne Sklavinnen zu einer wöchentlichen Abgabe zu verpflichten, die sie dem Herrn oder seiner Frau zahlen mussten, ohne dass diese wussten oder wissen wollten, womit dieses Geld gewonnen oder verdient worden war«.23

Im Allgemeinen setzte man für diese erzwungene Prostitution auf hübsche Negerinnen, Mulattinnen, Mestizinnen, Quarteronen und Kabugrus. Steckten sich diese Frauen mit der aus Europa importierten Venuskrankheit an, strich man sie mit roter Farbe an und führte sie so durch die Straßen der Hauptstadt. Danach überließ man sie ihrem Schicksal, elendig dahinzusiechen.

DIE HERREN

»… dass es eine Sklavenklasse geben muss, die an die schwerste und mörderischste Arbeit gebunden ist und nur eine animalische Natur besitzt, und auf der anderen Seite eine höhere kultivierte Klasse, die somit über Mittel und Zeit verfügt, um den Verstand zu entwickeln und ihre Talente zu vervollkommnen, mit denen sie zugleich die Sklaven beherrscht.«24

Das jedenfalls war die Theorie, von der ein höherer Fiskalbeamter seiner Familie in Holland berichtete, und wer könnte dies besser beurteilen als ein Diener der Kolonialjustiz! Erhärten wir diese Theorie also wieder mit Fakten. Beginnen wir mit einer Schilderung des Lebens der weißen Herren auf ihren Plantagen.

Der Herr stand morgens zeitig auf, begab sich zu dem Platz vor dem Haus oder in den Lustgarten, zündete sich eine echte holländische Pfeife mit würzigem Varinas an und ließ sich danach von einer seiner Sklavinnen ehrerbietig eine köstliche Tasse Kaffee kredenzen.

Während dieser durch und durch vornehme weiße Herr dann in aller Ruhe die kühle und erfrischende Morgenluft genoss, erschien der weiße Aufseher, um nach den gebotenen Verbeugungen und Höflichkeiten (ein bedeutsamer Teil seiner Tätigkeit) Bericht über den vergangenen Tag zu erstatten und Anweisungen für den neuen Arbeitstag entgegenzunehmen. Ausführlich teilte er mit, welche Arbeiten von den Sklaven und Sklavinnen verrichtet wurden, ob Neger die Plantage verlassen haben, wer krank oder gestorben ist, oder ob sich Geburten unter dem Sklavenvolk ereignet haben (eine willkommene Vermehrung des Viehbestands).

Danach erhielt der Morgen ein strengeres Antlitz, und es folgte eine Aufzählung der Sklaven und Sklavinnen, die nach Ansicht des Aufsehers am vergangenen Tag ihre Aufgaben nicht gebührend erfüllt, sondern sich eine kleine Pause gegönnt oder auf andere Weise gesündigt hatten.

Der Aufseher trat als Ankläger auf, der Herr als Richter, und ein Sklave, der eigens hierfür ausgebildet wurde, sorgte für die unverzügliche Vollstreckung.25 Fielen die Schläge aus Versehen allzu hart aus, so dass der Arbeitswert des Sklaven für den Tag gefährdet sein könnte, war glücklicherweise auch der Drisieman zugegen, ebenfalls ein Sklave, der, natürlich ohne jegliche Vorbildung, für das Wohl der Sklaven zu sorgen hatte.

Auch der Drisieman erstattete Bericht und durfte zufrieden sein, wenn er mit einer groben holländischen Verwünschung davonkam, sollte der Zustand nur halbwegs ungünstig erscheinen. Häufig erwartete aber auch ihn die Peitsche, wenn nach Ansicht des Herrn zu viele Sklaven Krankheiten vorschützten, um sich vor der Arbeit zu drücken. Denn nicht zur Heilung war der Drisieman angestellt, sondern um zu entscheiden, wer ohne Lebensgefahr (denn das würde Einbuße bedeuten) vom Krankenlager aufgescheucht werden und sich an die Arbeit machen konnte.

Schließlich erschien »die Mama«, eine alte Sklavin, die die Negerkinder auf der Plantage beaufsichtigte, denn die Holländer waren äußerst modern und setzten schon in jenen Tagen auf Kinderkrippen, damit die Mütter in Ruhe arbeiten konnten. So gesehen könnte man behaupten, dass die Sklaverei eine Wegbereiterin für die Emanzipation der Negerfrauen war!

Bitterer Spott beiseite. Die Mama erschien und mit ihr die gesamte Herde Negerkinder (denn in den Augen des Herrn waren sie nichts weiter als eine Herde Zuchtvieh, die später von ihm als Sklaven eingesetzt werden würden). Die Kinder wurden alle zuvor gebadet und genossen das Privileg, im Beisein ihres Förderers mit etwas Reis und Bananen gefüttert zu werden. Nach den unerlässlichen gestenreichen Dankesbekundungen durften sie sich entfernen, allein die Mama blieb zurück. Und wehe ihr, sie meldete dem Herrn den Tod eines Sklavenkinds. In den meisten Fällen musste sie dann Abschied von der Welt nehmen, denn fürchterlich war die Wut des Herrn, falls er durch den Tod eines jungen Sklaven Verlust an Besitz erleiden musste.

Wenn nun diese beschwerlichen Pflichten hinter ihm lagen, unternahm der Herr seinen Morgenspaziergang oder lieber noch, denn die Tropensonne brannte bereits stark, bestieg er sein Pferd.

Bekleidet war er mit einer feinen Leinenhose, Seidenstrümpfen, roten oder gelben Schuhen, Seidenhemd und einem breitkrempigen Kastorhut. Ein Sklave begleitete ihn mit einem großen Sonnenschirm, um ihn gegen die gleißende Sonne zu schützen.

So durchquerte er ruhigen Schrittes die üppigen Felder, auf denen die Pflanzen scheinbar umso besser gediehen, je mehr sie mit Negerblut gedüngt wurden, und währenddessen spähte er um sich, dass ja kein unvorsichtiger Sklave sich einen Augenblick von der Arbeit ausruhte oder es wagte, den Blick vom Boden zu nehmen.

Nach diesem morgendlichen Sport frühstückte der Gentleman und kleidete sich, wie es sich damals geziemte, um. Dieses Mal putzte er sich als Salonlöwe oder Lackaffe heraus.

Wollte der Plantagenbesitzer seine Freunde oder Nachbarn besuchen, begab er sich zu seinem mit vergoldeten Ornamenten verzierten Ruderboot, das reichlich mit Obst, Wein, Jenever und Tabak bestückt war, und ließ sich, bequem zurückgelehnt, von einigen strammen Sklaven zu seinem Bestimmungsort rudern. Hatte der Meister keine Lust auszugehen, frühstückte er etwas später und verwendete darauf auch mehr Zeit. Sein Frühstück bestand nicht wie bei den Negerkindern aus Reis und Bananen, nein, feinster Schinken, Pökelfleisch, gebratene Hühner oder Tauben, Bananen, Honigmelone, Brot, Sahne, Butter und Käse kamen auf den Tisch, dazu wurde Starkbier oder französischer Wein ausgeschenkt.

Anschließend machte der Plantagenbesitzer einen Mittagsschlaf, um sich nach dieser Ruhepause wieder an den Tisch zu setzen, der bereits mit den besten Gerichten eingedeckt war, die damals zu bekommen waren.

Am Abend wurde Rum und Punsch getrunken, Varinastabak geraucht und Glücksspiele veranstaltet. Diese geistige Schwerstarbeit wurde oft bis tief in die Nacht fortgesetzt.

In Europa lernt man auf den höheren Schulen, dass die Tempel in Griechenland von Sklaven erbaut wurden, dass diese erstaunliche Kultur mit ihren erhabenen Schöpfungen der Philosophie und Dichtkunst, mit ihren herrlichen Malereien und Skulpturen und ihren Spielen, Musik und Tanz nur deswegen bestehen konnte, weil ein Heer von Sklaven den Herrschern die Gelegenheit gab, sich in Freiheit zu kultivieren.

Wir überlassen es den Gelehrten zu entscheiden, inwieweit dies stimmt und ob es nicht vielmehr der Import der ersten Sklaven nach Griechenland (was doch schon eine gewisse Macht und Wohlstand vermuten lässt) gewesen ist, der den Anfang des Untergangs einer Kultur einleitete, deren hohe Prinzipien sich nicht mit dem Unrecht der Sklaverei vereinbaren ließen.

Wir wollen auch nicht die Frage aufwerfen, ob diese Haussklaverei in größerem Maße mit den Prinzipien der Menschlichkeit einhergegangen ist als die surinamische Sklaverei – ähnlich der Behandlung, die ein geliebtes Pferd von seinem Gebieter erfährt im Vergleich zu der eines Droschkenpferdes in einem Fuhrbetrieb.

Aber wir haben sehr wohl das Recht, euch Holländer zu fragen, dass, wenn die Sklaverei das Fundament einer Kultur ist, welche Tempel ihr in Suriname errichtet, welche Gedichte ihr geschrieben und welch erhabene Gedanken ihr der Nachwelt hinterlassen habt? Ist es nicht so, dass ihr betreten dastehen würdet, wenn ihr auch nur ein Denkmal für einen Holländer in Suriname errichten solltet, der durch seine Geistestaten gerühmt werden könnte?

Ihr könnt nur das Bildnis einiger Kriegsherren in Bronze gießen, die mit ihren modernen Waffen die Dörfer der Marrons (der Aufständischen) vernichtet haben – einen Vaillant, einen Mayland, Creutz und Nepveu. Doch selbst dann müsst ihr bekennen, dass eure fähigsten Gouverneure und die Krieger, die euch verteidigt haben, jedes Mal aufs Neue aus Europa importiert werden mussten, weil die besitzende Klasse in Suriname durch Pomp und Völlerei zu schnell degeneriert ist, um selbst fähige Kräfte hervorzubringen. Nein, wenn ihr in Suriname ein Denkmal errichten möchtet, dann für die Köche, die unter Gouverneur de Spörche oder unter Crommelin die köstlichsten Speisen bereitet haben, für die diese Epoche berühmt ist, oder für die Stellmacher, die die prächtigen Kutschen bauten, in denen die europäischen Damen durch die Straßen Paramaribos fuhren.

Und dennoch, wenn irgendwo das ökonomische Fundament zum Aufbau einer Kultur vorhanden gewesen ist, dann war es in Suriname.

Es kam nicht selten vor, dass im Palast eines Herrn dreißig bis fünfzig Sklaven als seine persönlichen Bediensteten gearbeitet haben.

Ende des 18. Jahrhunderts wurde es in zunehmendem Maße üblich, dass die Plantagenbesitzer die Verwaltung ihrer sogenannten »Effekte« weißen Verwaltern überließen, die dafür ein Jahreseinkommen von 70 000 bis 80 000 Gulden bezogen. In manchen Fällen kamen noch 40 000 bis 50 000 Gulden für die Wahrnehmung der Kontakte mit den Behörden hinzu.

Suriname erwirtschaftete damals in nur wenigen Jahren 300 Millionen Gulden allein mit Zucker, Kaffee und Baumwolle. Die Frachtkosten auf holländischen Schiffen, die in Suriname immer stattliche Ladungen vorfanden, betrugen ungefähr eine Million Gulden. Allein 1787 wurden in Suriname 25 000 Tonnen Zucker, 15 Millionen Pfund Kaffee, drei Millionen Pfund Baumwolle, eine Million Pfund Kakao, 250 000 Kilo Tabak und so weiter produziert.26

Sklaven wurden in jenen Tagen unter der Hand verkauft und bis zum Äußersten geschunden. Selten aber sah man einmal ein Buch in der Hand eines Weißen. Die Gründung eines Schauspielhauses im Jahr 1775 (das sich übrigens nicht lange hielt) wurde als ein Akt von höchster Kultiviertheit angesehen. Und ein holländischer Schriftsteller, kein Geringerer als Gouverneur Mauricius, bescheinigte seinen Landsleuten schmeichelnd, »dass grobe Schweinereien unter den Europäern nicht zu leugnen waren« und dass viele weiße Einwohner »keine andere Beschäftigung hatten als schlafen, saufen, spielen und Böses tun«.27

Der Brite J.G. Stedman, der einige Jahre in Suriname verbracht hat, schrieb sogar: »Zerstreuungen und Zügellosigkeit scheinen den weißen Einwohnern dieses Landes so eigen, dass jährlich eine große Anzahl als Schlachtopfer ihres selbstzerstörerischen Lebenswandels fallen. An Männern, die sich ganz der Unmäßigkeit und den Verlockungen der Sinnlichkeit überlassen, sind deren verderbliche Folgen nur allzu sichtbar: im größten Maße entkräftet und wie ausgetrocknet schleichen sie einher.«28

Bezeichnend ist, was Wolbers in seiner Geschiedenis van Suriname schreibt: »Der Leser verzeihe uns, von den Einzelheiten der ›Abgründe des Schmutzes‹, wie Mauricius schreibt, zu berichten. Für den Chronisten ist es eine traurige Angelegenheit, andauernd von den Sünden und Mängeln des Volks zu berichten, dessen Geschichte er skizzieren möchte, doch er darf sich davon nicht abhalten lassen, wahrheitsgetreu zu sein, wie sehnlich er auch wünscht, dass es ihm vergönnt wäre, von größeren und edleren Taten zu berichten.«29

Den Höhepunkt ihrer Kultiviertheit erreichte die weiße Bevölkerung bei ihren Festen.

Die Genrebilder von Frans Hals dokumentieren auch heute noch die ausgelassenen Ausschweifungen dieser fast zur Kunst erhobenen Gelage.

Nur in einer Hinsicht konnten sich die Festbankette, die im Gouvernementspalast von Paramaribo gegeben wurden, mit ihren vaterländischen Vorbildern nicht messen: Den aschfahlen Gesichtern der surinamischen Sklavenhalter fehlte die wohlgenährte Röte der holländischen Regenten.

Überfluss und Luxus waren übrigens um so viel provokanter und größer, wie Suriname größer ist als Holland.

Eine Reihe von Sklaven als Diener,

goldenes Geschirr,

funkelnde Juwelen,

seidene Gewänder.

Als versuche man, die Furcht vor den Unterdrückten, die im Herzen aller lebte, in einem Taumel aus Sinnesfreuden zu vergessen, als hoffte man, den Sklaven im Speisesaal und der schweigenden schwarzen Masse hinter den Fenstern mit diesem Schauspiel der Verschwendung und Unbeschwertheit zu imponieren.

Und, spät in der Tropennacht, steigen zischend Feuerpfeile empor, als wollte man den restlichen Überfluss und Luxus, den man hier auf Erden nicht schnell genug verprassen konnte, in die Höhe jagen, zu den Sternen.

DIE STRAFEN

»Hunger ist ein scharfes Schwert«, besagt ein holländisches Sprichwort, doch die Angst war zu allen Zeiten ein noch schärferes Schwert als der Hunger.

Die besitzende Klasse von Suriname mag im Gouvernementspalast tanzen, bis sie umfällt, doch sie weiß, es ist ein Tanz auf dem Vulkan.

Sie weiß von der Verbitterung der schwarzen Menge draußen vor den Fenstern, auch wenn sie die Sprache, die in den Hütten gesprochen wird, nicht versteht.

Sie weiß, dass der Krug, der so oft schon zum Brunnen getragen wurde, manchmal unerwartet zerbricht, dass die Sklaven bisweilen plötzlich den Aufstand gegen ihre weißen Herren wagen.

Sie weiß, dass ein unversöhnliches Heer von Marrons in den Wäldern lebt, das mit keinerlei Versprechungen gekauft und mit keinerlei Gewalt unterdrückt werden kann.

Die Furcht vor einem Sklavenaufstand, die Furcht auch vor dem eigenen Gewissen, vor der Einsicht der unleugbaren Tatsache, dass auch der Unterdrückte ein Mensch ist, lebt in den Herzen der Herrscher, sie vergiftet ihre stillen Augenblicke, sie zwingt sie dazu, zum Becher zu greifen und sich dem Spiel hinzugeben, sie hat ihr Denken durchdrungen und spornt sie zu immer strengeren und immer grausameren Strafen an.

Unter den Strafen, die zu den üblichen Befugnissen des Herrn gehörten, stand der sogenannte »Spanische Bock« an vorderster Stelle. Bei dieser Strafe wurden dem Sklaven die Hände zusammengebunden, dann zwängte man die Knie hindurch und steckte einen Stock zwischen die gefesselten Hände und die angezogenen Knie. Dieser Stock wurde in den Boden gerammt, und die Auspeitschung mit gebündelten Tamarindenruten (ein sehr hartes und knorriges Holz) konnte beginnen. War der Sklave auf der einen Seite so durchgeprügelt, dass das rohe Fleisch bloßlag, wurde er umgedreht, um die andere Seite ebenso zu traktieren. Auch Frauen und Kinder wurden mit dieser Methode bestraft. Manchmal benutzte man für diese Peinigung sogar Eisenstäbe, doch weil dieser Strafe oftmals der Tod folgte und somit dem Besitzer schadete, wurde sie nicht zur Gewohnheit.

Um den Weißen in der Stadt die unangenehme Aufgabe einer derartigen Züchtigung zu ersparen, gab es die Möglichkeit, den Sklaven dem Aufseher von Fort Zeelandia zu übergeben, der mit seinen Handlangern speziell in diesem Handwerk geübt war und diese Mühe gegen ein ordentliches Trinkgeld gerne übernahm.

Auf Bitten des Herrn wurde der Spanische Bock auch öffentlich an von ihm bestimmten Straßenecken verabreicht. Man sprach dann von vier- oder siebeneckigen Spanischen Böcken.

Die Plantagenbesitzer außerhalb der Hauptstadt, die nicht wie ihre glücklichen Kollegen die Dienste des Aufsehers von Fort Zeelandia in Anspruch nehmen konnten, mussten dennoch nicht auf das nötige »Bastonnieren« verzichten. Sie waren gesetzlich berechtigt, »achtzig Peitschenhiebe« auszuteilen, die zu den sogenannten »gewöhnlichen Plantagenstrafen« zählten, doch – wir zitieren Gouverneur Crommelin – »wurde nicht spezifiziert, ob die Schläge frei oder hochgebunden* verabreicht werden; und es ist wohlbekannt, dass die Sklaven festgebunden und gestreckt mit viel weniger Hieben totgeprügelt werden; dass solche üblen Vorkommnisse mittlerweile tagtäglich mehr und mehr zunehmen, und dass immer behauptet wird (wenn es denn bekannt wird), dass der Tod nicht von den Schlägen und Misshandlungen verursacht wurde, sondern zufällig eingetreten ist.«30

Der Polizei- und Kriminalgerichtshof 31

Auch die Gerichtbarkeit verhängte in jenen Tagen die grausamsten Strafen. So rechnete man harte Auspeitschung, siebeneckiger Spanischer Bock mit zusätzlichen Brandmarkungen auf beiden Schultern »nicht zu den schweren Strafen«. (Spruch vom 25. Februar 1740.)

Auf Entscheid des Polizei- und Kriminalgerichtshofs wurde der Sklave Quaku, der sich gegen einen weißen Offizier aufgelehnt hatte, dazu verurteilt, angebunden an einem Pfahl ausgepeitscht und gebrandmarkt zu werden. Danach wurde ihm der Fuß abgehackt.32

Der Sklave Pedro, der seinem Herrn entlaufen war, wurde eingefangen und verurteilt. Ihm wurde ein Bein abgetrennt, und er musste in der Festung lebenslängliche Zwangsarbeit verrichten.33

Einige des Diebstahls beschuldigte Sklaven erhielten als Strafe einen siebeneckigen Spanischen Bock und eine Brandmarke auf beiden Wangen. Danach hat man ihnen je ein Stück der Ohren abgeschnitten.34

Todesstrafen waren der Strang oder das Rad. Mannigfach kam es auch zu der Strafe, den Sklaven mit einem Haken zu durchbohren. Man schlug den Haken durch die Haut oder unter die Rippen, und als wäre das nicht Quälerei genug, wurde die Strafe noch verschärft, indem man glühende Zangen in die fleischlichen Teile trieb. Auch Verbrennen bei lebendigem Leib war damals keine Ausnahme.

Besonders bei der Verurteilung der Marrons kannte die Grausamkeit keine Grenzen. Ein Beispiel für die vielen unmenschlichen Urteilssprüche, die in der Geschichtsschreibung unerwähnt blieben, ist das Folgende: Als Kapitän Swallenberg 1730 nach seiner Eroberung einiger Dörfer der Marrons elf Kriegsgefangene als Beute mitbrachte, verkündete der Polizei- und Kriminalgerichtshof folgende Hinrichtungsmethoden:

»Einem Neger, Joosje genannt, wurde ein Eisenhaken durch die Rippen geschlagen. Damit hängte man ihn an den Galgen, so dass Kopf und Füße nach unten hingen. Er musste unerträgliche Schmerzen ausstehen, doch er ließ sich nichts anmerken. Nach seinem Tod wurde er geköpft und der Kopf auf einer Eisenstange zur Schau gestellt; sein Rumpf war den Raubvögeln ein Fraß.

Die Neger Wierai und Manbote wurden an Pfähle gebunden und mit einem kleinen Feuer zu Asche verbrannt; das Fleisch ab und an mit glühenden Zangen bearbeitet.

Die Negerinnen Lucretia, Ambia, Agia, Gomba, Maria und Victoria wurden auf Kreuze gelegt und anschließend gerädert. Nach der Exekution wurden die Köpfe abgeschlagen und auf Stangen am Ufer aufgestellt. Den Negerinnen Diana und Christina wurde der Kopf einfach nur mit einem Beil abgehackt. Auch ihre Köpfe wurden aufgestellt.«35

Wir möchten weitere Beispiele der Rechtsprechung anführen, die ein grelles Licht auf den Gerechtigkeitssinn der damaligen Kolonialjustiz werfen.

Ein Sklave, Darius genannt, reichte beim Gerichtshof Klage gegen die unmenschliche Behandlung durch den Direktor Bongaard von der Plantage Sinabo ein. Es wurde eine Untersuchung angestellt, bei der laut Protokoll folgendes zutage kam: Der Plantagenbesitzer hatte einen Sklaven, der beschuldigt wurde, »mit Gift hantiert zu haben«, hochbinden, auspeitschen, einen Spanischen Bock verpassen und ihn anschließend in einem Holzschuppen festbinden lassen. Danach verbot er jedem, den armen Sklaven zu pflegen oder ihm Essen und Trinken zu geben. Der Sklave starb unter schrecklichen Schmerzen, sein Leichnam wurde ins Wasser geworfen. Ein anderer Sklave, der genau wie der vorige gefoltert wurde, blieb allerdings am Leben, woraufhin der Plantagenbesitzer ihn erwürgen ließ.

Nachdem die Kolonialjustiz von der Sache Darius Kenntnis genommen hatte, ließ sie alle Sklaven auf der Plantage Sinabo dringend ermahnen, ihrem Herrn in allem unbedingt gehorsam zu sein. Danach erhielt Darius, der die Klage eingereicht hatte, auf Verlangen seines Herrn einen Spanischen Bock. Um aber auch ihm Recht zu sprechen, ermahnte der Hof den Plantagenbesitzer Bongaard, »falls in Zukunft seine Sklaven wieder solch grobe Verbrechen begehen, sie der Justiz zu übergeben und nicht auf eigenes Gutdünken zu bestrafen«.36

Claas Badouw, Direktor der Plantage La Rencontre, beschuldigte seinen Sklaven Pierro zu Unrecht, den Versuch unternommen zu haben, ihn zu vergiften. Pierro wurde ins Küchenhaus gebracht, wo man ihm mit einem scharfen Meißel seine zehn Finger und zehn Zehen abhackte. Danach zwang man ihn, sie aufzuessen. Badouw griff daraufhin selbst zum Messer und trennte dem Sklaven ein Ohr ab. Auch das musste er hinunterwürgen. Dann schnitt der weiße Gentleman Pierro mit einem Rasiermesser die Zunge heraus und befahl ihm, diese zu schlucken. Vor Schmerzen stammelte Pierro mit dem Zungenstummel ein paar Laute. Badouw wurde so zornig, dass er mit einer Kneifzange den Rest der Zunge auch noch herausriss. Man brachte Pierro zum Flussufer, band ihn an ein altes Zeltboot und versuchte, ihn lebendig zu verbrennen, indem man trockenes Kantras anzündete. Da das Kantras kein Feuer fangen wollte, gab Badouw den Befehl, den armen Sklaven loszubinden, tüchtig auszupeitschen und ihn lebendig zu begraben. Der Befehl dieses Kulturbringers wurde auch ausgeführt.

Badouws Bestrafung bestand darin, dass er als Direktor entlassen und aus dem Land verbannt wurde.37

Ein einziges Mal nur schien es der holländischen Justiz zu bunt zu werden. Beim Prozess gegen Cornelia Mulder, Hausvorsteherin von W. Celis, hatte der Fiskalrat dem Hof gegenüber Bedenken geäußert, »dass einige der hiesigen Einwohner ihre Sklaven sehr schändlich und unmenschlich behandeln, wenn sie kleine Fehler oder Vergehen sogleich kasteien und bestrafen, dass sie kurz oder unmittelbar nach den übertriebenen Schlägen sterben«.38

Nur gegen die Todesstrafe schienen die Holländer allmählich eine Abneigung zu hegen. Jedenfalls ging die Kolonialregierung dazu über, zum Tode verurteilte Sklaven ihren Besitzern abzukaufen. Die Todesstrafe wurde dann in lebenslange Zwangsarbeit zum Allgemeinwohl umgewandelt. Den Spruch »Meine Hand ist hart, aber lieblich mein Gemüt« beherzigend, schnitt man diesen Bestraften erst die Zunge ab, dann entmannte man sie und brandmarkte ihre Wangen mit dem holländischen Wappen. In diesem Zustand mussten sie den Rest ihrer Tage immerzu angekettet arbeiten.39

Gäbe es aber für holländische Gerechtigkeit einen Höhepunkt, möchten wir den Beschluss in der Sache Godefroy als diesen bezeichnen. Dieser Herr hatte die Dreistigkeit, von der Kolonialregierung Schadensersatz für achtundzwanzig von ihm selbst exekutierte Sklaven zu fordern. Der Forderung wurde stattgegeben und so empfing er die Summe von sage und schreibe 5600 Gulden!

Die weißen Herren schienen für gewöhnlich nichts zu empfinden: Sie bemerkten die Unterjochten nicht, wenn sie täglich in der grauen Morgendämmerung an die Arbeit gingen. Sie sahen in diesen Sklaven nichts als elende, in Lumpen gekleidete, verfluchte Neger. Sie sahen und hörten weder Körperschmerzen, noch Herzensleid, sie zeigten kein Interesse für Mangel und Misshandlung oder das Stöhnen der Opfer. Sie dachten nur an die Profite, die die Kompanie einzubringen hatte.

*Bei dieser Strafe wurden die Hände des Sklaven mit einem starken Tau gefesselt, danach wurde er an einem Baumstamm oder Balken des Hauses in die Höhe gezogen. Man hängte an seine Füße ein Gewicht von 50 Pfund, um ihn am Treten und Schwingen zu hindern. Dann wurde er mit einem fest geflochtenem Reisigbündel mit scharfen Dornen ausgepeitscht. [Anm. Anton de Kom]

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