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Teil 1 Das verwaltungsgerichtliche Klageverfahren
A. Die Arten verwaltungsgerichtlicher Urteile

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Terminologisch besteht zwischen den Arten verwaltungsgerichtlicher Urteile kein grundsätzlicher Unterschied zu den zivilgerichtlichen Urteilen. Einige der im Zivilprozess bedeutsamen Urteilsarten haben aber im Verwaltungsprozess entweder keine praktische Relevanz oder werden aufgrund der Besonderheiten des Verwaltungsprozesses als zulässige Urteilsform abgelehnt.

I. Das Endurteil und Teilurteil

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Das in der Praxis und im Examen wichtige Endurteil hat als solches keine ausdrückliche Regelung in der Verwaltungsgerichtsordnung gefunden. Wird über den gesamten Streitgegenstand abschließend in der jeweiligen Instanz entschieden, liegt nach herkömmlichen Verständnis ein Vollendurteil vor. Endurteile können sowohl in der Form eines Prozess- als auch eines Sachurteils ergehen. Prozessurteile sind solche, mit denen die Klage als unzulässig[1] abgewiesen wird. Mit dem Sachurteil wird zur Sache, also über die Begründetheit der Klage entschieden, sei es durch Endurteil oder bei Teilbarkeit des Streitgegenstandes durch Teilurteil. Ein Sachurteil kann nur ergehen, wenn die Klage zulässig ist.

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Ergeht ein Urteil nur über einen abtrennbaren Teil des Streitgegenstands, handelt es sich um ein Teilurteil, § 110 VwGO. Der Streitgegenstand ist teilbar, wenn die durch das Teilurteil getroffene Entscheidung nicht davon abhängt, wie über den übrigen Teil des Streitgegenstandes entschieden wird. Dies ist gegeben, wenn der durch Teilurteil entschiedene Streitgegenstand auch in einem gesonderten Verwaltungs- oder Klageverfahren geltend gemacht und durch Endurteil entschieden werden kann, z. B. bei Zulässigkeit einer Trennung gemäß § 93 VwGO (etwa subjektiven oder objektiven Klagehäufung, Klagen auf teilbare Leistungen). Unzulässig ist ein Teilurteil dagegen über eine von mehreren Anspruchsgrundlagen für ein und denselben prozessualen Anspruch, über einzelne Tatbestandsmerkmale oder Elemente eines Anspruchs, über nicht selbstständig anfechtbare Nebenbestimmungen eines Verwaltungsaktes sowie isoliert über den Ausgangs- oder Widerspruchsbescheid, sofern diese eine Einheit bilden im Sinne von § 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO. Eine isolierte Anfechtbarkeit liegt in den Fällen des § 79 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 VwGO vor. Wegen des Grundsatzes der Einheit der Kostenentscheidung ergeht keine Entscheidung über die Kosten des Klageverfahrens; diese erfolgt erst mit dem die Instanz abschließenden Schlussurteil. In dem Teilurteil wird deshalb tenoriert,

Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.

II. Das Zwischenurteil

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Das Zwischenurteil über die Zulässigkeit der Klage (§ 109 VwGO) und das Grundurteil (§ 111 VwGO) sind jeweils selbstständige Zwischenurteile. Sie können anders als die unselbstständigen Zwischenurteile mit den vorgesehenen Rechtsmitteln angefochten werden und entfalten mit Eintritt der Rechtskraft die Bindungswirkung gemäß § 173 VwGO i.V.m. § 318 ZPO. Oftmals ist eine Entscheidung durch Zwischenurteil jedoch nicht prozessökonomisch, weil es keine Instanz abschließt. Die ist z.B. der Fall, wenn die Klage bereits unzulässig ist. In der Klausurbearbeitung empfiehlt sich, ein Prozessurteil vorzuschlagen. Sinnvoll erscheint die Feststellung der Zulässigkeit der Klage durch ein Zwischenurteil ausnahmsweise dann, wenn die Prüfung der Begründetheit der Klage aufgrund fehlender aktueller Entscheidungsreife zeit- und kostenintensive Aufklärungsmaßnahmen erfordert und nicht nur das Verwaltungsgericht, sondern auch die Beteiligten ein Interesse daran haben, vorab abschließend die Zulässigkeit der Klage zu klären, weil sich schwierige und umfangreiche Zulässigkeitsfragen stellen.

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Ob unselbstständige Zwischenurteile im Verwaltungsprozess zulässig sind, ist teilweise strittig.[2] Nach herrschender Meinung kann das Verwaltungsgericht auch unselbstständige Zwischenurteile (§ 173 VwGO i.V.m. § 303 ZPO) erlassen und durch ein solches Zwischenurteil etwa über einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 60 VwGO) entscheiden. Derartige Entscheidungen haben wie die selbstständigen Zwischenurteile Bindungswirkung für die jeweilige Instanz (§ 173 VwGO i.V.m. § 318 ZPO), sie können aber anders als die selbstständigen Zwischenurteile nicht mit Rechtsmitteln angefochten werden. Auch dieser Entscheidungsform kommt in der Praxis und in den Klausuren kaum Relevanz zu. Insbesondere wird über Anträge auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand im die Instanz abschließenden Endurteil mitentschieden. Ist der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand erfolglos und damit die Klage unzulässig, wird die Klage durch Prozessurteil abgewiesen. Hat der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand dagegen Erfolg und ist die Klage auch im Übrigen zulässig, so entscheidet das Verwaltungsgericht durch Sachurteil. Auf den Meinungsstreit über die Zulässigkeit unselbstständiger Zwischenurteile kommt es deshalb grundsätzlich nicht an.

Auch bei den Zwischenurteilen erfolgt keine Entscheidung über die Kosten des Klageverfahrens. Wie bei einem Teilurteil wird tenoriert,

Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.

III. Das Anerkenntnisurteil

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Strittig ist, ob im Verwaltungsprozess ein Anerkenntnisurteil möglich ist. Nach herrschender Meinung kann das Verwaltungsgericht kein Anerkenntnisurteil erlassen. Zur Begründung wird auf den Amtsermittlungsgrundsatz im Verwaltungsprozess (§ 86 VwGO) verwiesen, der das Verwaltungsgericht verpflichte, auch bei einem Anerkenntnis zu prüfen, ob dieses mit der Rechtsordnung in Einklang stünde. Nach der herrschenden Meinung kommt deshalb bei einem Anerkenntnis nur die Abgabe übereinstimmender Erledigungserklärungen in Betracht. Bei der in diesem Fall zu treffenden Kostenentscheidung gemäß § 161 Abs. 2 VwGO kann das Verwaltungsgericht im Rahmen seines Ermessens dem Anerkennenden aus dem Rechtsgedanken des § 156 VwGO die Kosten des Verfahrens auferlegen. Nach dieser Vorschrift fallen dem Kläger die Prozesskosten zur Last, wenn der Beklagte durch sein Verhalten keine Veranlassung zur Erhebung der Klage gegeben hat und der Beklagte den Anspruch sofort anerkennt. Die gegeneilige Auffassung hält ein Anerkenntnisurteil für zulässig. Zur Begründung wird zum einen auf § 156 VwGO verwiesen. Die dort vorgesehene Kostenregelung bei einem sofortigen Anerkenntnis des Beklagten gehe von der Zulässigkeit eines Anerkenntnisurteils aus. Darüber hinaus kann sich die gegenteilige Auffassung auf das Gerichtskostengesetz berufen, das zum Beispiel in Nr. 5111 des Kostenverzeichnisses nicht nur das Anerkenntnis-, sondern auch das Verzichtsurteil ausdrücklich aufführt.[3]

IV. Das Versäumnisurteil

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Über die Zulässigkeit eines Versäumnisurteils besteht ebenfalls Streit.[4] Nach herrschender Meinung kann das Verwaltungsgericht kein Versäumnisurteil erlassen. Zur Begründung wird darauf verwiesen, dass die Geständnisfiktion (§ 173 VwGO i.V.m. § 331 Abs. 1 S. 1 ZPO) mit dem den Verwaltungsprozess beherrschenden Amtsermittlungsgrundsatz nicht vereinbar sei. Die Gegenauffassung leitet die Zulässigkeit eines Versäumnisurteils wie das Anerkenntnisurteil insbesondere aus Nr. 5111 des Kostenverzeichnisses des Gerichtskostengesetzes ab, in dem beide Urteilsarten ausdrücklich aufgeführt sind.

In der Klausurbearbeitung kommt es auf diesen Meinungsstreit nur dann an, wenn die zur mündlichen Verhandlung erschienene Partei den Erlass eines Versäumnisurteils gegen die nicht erschienene Partei beantragt. Ist ein solcher Antrag nicht gestellt worden, bedarf es keiner Entscheidung des Meinungsstreits. Denn nach § 102 Abs. 2 VwGO kann das Verwaltungsgericht den Rechtsstreit auch dann durch Urteil entscheiden, wenn ein Beteiligter zur mündlichen Verhandlung nicht erschienen ist, soweit hierauf in der Ladung zur mündlichen Verhandlung hingewiesen worden ist.

B. Die Bindungswirkung verwaltungsgerichtlicher Urteile

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Verwaltungsgerichtliche Urteile erwachsen in Rechtskraft (§ 121 VwGO). Die Rechtskraftwirkung unterscheidet sich nicht von der Rechtskraftwirkung zivilgerichtlicher Urteile. Auch im Verwaltungsprozess ist zwischen formeller und materieller Rechtskraft zu unterscheiden.

I. Die formelle Rechtskraft

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Formelle Rechtskraft bedeutet die Unanfechtbarkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils. Sie tritt ein, sobald das Urteil mit ordentlichen Rechtsmitteln (Antrag auf Zulassung der Berufung, Berufung, Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision, Revision) nicht mehr angefochten werden kann. Die Möglichkeit, Verfassungsbeschwerde oder Wiederaufnahmeklage (§ 153 VwGO) zu erheben, steht dem Eintritt der formellen Rechtskraft nicht entgegen. Die formelle Rechtskraft ist vielmehr eine Zulässigkeitsvoraussetzung der Verfassungsbeschwerde und der Wiederaufnahmeklage.

II. Die materielle Rechtskraft

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Materielle Rechtskraft tritt mit der formellen Rechtskraft ein und bedeutet, dass der Inhalt der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung die Beteiligten bindet. Ihre materiellrechtlichen Rechtsbeziehungen sind durch das rechtskräftige Urteil geklärt. Die Bindungswirkung gilt im gesamten Bundesgebiet und erstreckt sich auf alle Beteiligten des gerichtlichen Verfahrens, also auf die Beteiligten sowie auf etwaige (einfach oder notwendig) Beigeladene und den Vertreter des öffentlichen Interesses, selbst wenn dieser sich nicht oder nur eingeschränkt am Verfahren beteiligt haben sollte.[5] Die Rechtsnachfolger der Beteiligten sind ebenfalls an das rechtskräftige Urteil gebunden, es sei denn, Streitgegenstand waren höchstpersönliche Rechtsbeziehungen. Eine weitere Ausnahme ist bei rechtskräftigen stattgebenden Entscheidungen über Normenkontrollanträge nach § 47 VwGO (vgl. Rn. 547 ff.) zu beachten. Stattgebende Entscheidungen binden nicht nur die Beteiligten des Normenkontrollverfahrens, sondern sind gemäß § 47 Abs. 5 S. 2 VwGO allgemein verbindlich; die Entscheidungsformel des Urteils ist vom Antragsgegner des Normenkontrollverfahrens ebenso zu veröffentlichen wie die Satzung oder die im Rang unter dem Landesgesetz stehende Rechtsvorschrift bekannt zu machen wäre (§ 47 Abs. 5 S. 2 VwGO). Soweit das Oberverwaltungsgericht den Normenkontrollantrag ablehnt, hat die Entscheidung dagegen nur Bindungswirkung zwischen den Beteiligten, weil die weitergehende Bindungswirkung gemäß § 47 Abs. 5 S. 2 VwGO ausdrücklich nur für den Fall der Stattgabe gilt.

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Die Reichweite der materiellen Rechtskraft ergibt sich nicht nur aus dem Tenor des verwaltungsgerichtlichen Urteils. Außerdem sind zur Bestimmung der Reichweite auch der Tatbestand und die Entscheidungsgründe heranzuziehen, wenn der Tenor, etwa im Falle der Klageabweisung, für sich allein keinen hinreichenden Aufschluss darüber gibt, worüber das Verwaltungsgericht entschieden hat.

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Bei einem Prozessurteil ist strittig, ob dieses nur in formelle oder auch in materielle Rechtskraft erwächst.[6] Diejenigen, die eine materielle Rechtskraft bejahen, gehen allerdings von einer eingeschränkten Reichweite der materiellen Rechtskraft aus. Da mit dem Prozessurteil nicht über die materiellrechtlichen Rechtsbeziehungen der Beteiligten entschieden werde, habe die materielle Rechtskraft des Prozessurteils nur die Bedeutung, dass mit bindender Wirkung zwischen den Beteiligten des Klageverfahrens entschieden sei, dass die erhobene Klage unzulässig sei. Diese Schlussfolgerung ist allerdings bei Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen in dieser Allgemeinheit missverständlich, weil im Falle der Abweisung einer Anfechtungs- und Verpflichtungsklage die angefochtenen Verwaltungsakte in Bestandskraft erwachsen und mit Eintritt der Bestandskraft des Verwaltungsaktes die materiellrechtlichen Rechtsbeziehungen der Beteiligten mit bindender Wirkung geklärt sind (vgl. im Einzelnen Rn. 17 ff.).

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Bei einem Sachurteil umfasst die sich aus der materiellen Rechtskraft ergebende Bindungswirkung nur den Streitgegenstand, über den das Verwaltungsgericht entschieden hat.[7] Der Streitgegenstandsbegriff ist in Rechtsprechung und Literatur strittig.[8] Es ist für die Klausurbearbeitung nicht notwendig, den Meinungsstreit in allen Einzelheiten zu kennen. Als eine vertretbare „Faustformel“ kann der Klausurlösung zugrunde gelegt werden, dass der Streitgegenstand der geltend gemachte prozessuale Anspruch ist, also das vom Kläger aufgrund eines bestimmten Sachverhalts an das Verwaltungsgericht gerichtete Begehren um Rechtsschutz durch Erlass einer verwaltungsgerichtlichen Entscheidung mit einem bestimmten Inhalt.[9] Streitgegenstand ist danach bei der allgemeinen Leistungsklage der eingeklagte Anspruch des Klägers, bei einer Verpflichtungsklage der Anspruch des Klägers auf Erlass des begehrten Verwaltungsaktes (§ 113 Abs. 5 S. 1 VwGO) oder sein geltend gemachter Anspruch auf Neubescheidung im Sinne des § 113 Abs. 5 S. 2 VwGO, bei einer Anfechtungsklage der geltend gemachte Anspruch auf Aufhebung des Verwaltungsaktes wegen Rechtswidrigkeit und Rechtsverletzung (vgl. § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO) und bei Feststellungsklagen das Rechtsverhältnis, dessen Bestehen oder Nichtbestehen das Verwaltungsgericht feststellen soll.

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Ändert sich die Sach- und Rechtslage nach Eintritt der materiellen Bestandskraft, steht diese einem erneuten Rechtsstreit nicht entgegen. Aufgrund der Änderung liegt ein neuer Streitgegenstand vor, der von der Rechtskraft des ersten Urteils nicht erfasst wird. Allerdings hat nicht jede Änderung der Sach- und Rechtslage zur Folge, dass eine zweite Klage zulässig ist. Erforderlich ist, dass sich die Sach- und Rechtslage in entscheidungserheblichen Punkten geändert hat. Eine solche Änderung liegt nur vor, wenn die sich für die erste verwaltungsgerichtliche Entscheidung maßgeblichen (tatsächlichen und rechtlichen) Gesichtspunkte geändert haben.[10]

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Streitig ist, welche prozessuale Folge die materielle Rechtskraft eines ersten Urteils für eine zweite Klage über denselben Streitgegenstand hat. Nach herrschender Meinung ist die zweite Klage als unzulässig abzuweisen, weil eine selbstständige Zulässigkeitsvoraussetzung sei, dass der Klage keine rechtskräftige Entscheidung über denselben Streitgegenstand entgegenstehe.[11] Nach der Gegenauffassung ist die zweite Klage zwar zulässig, aber als unbegründet abzuweisen, weil das Gericht aufgrund der Rechtskraft gehindert sei, ein abweichendes Sachurteil zu erlassen. Insoweit besteht ein vergleichbarer Streit wie bei der Frage nach der prozessualen Folge des Eintritts der Bestandskraft eines Verwaltungsaktes (vgl. dazu im Einzelnen Rn. 17 ff.). Auch im Zusammenhang mit der Bindungswirkung der Rechtskraft gemäß § 121 VwGO kann in einer Klausurlösung der Gegenauffassung, die die Klage als unbegründet abweist, entgegengehalten werden, dass für eine zweite Klage über denselben Streitgegenstand kein Rechtsschutzbedürfnis besteht, wenn hierüber bereits rechtskräftig entschieden ist.

III. Die Tatbestands- und Feststellungswirkung

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Von der Rechtskraftwirkung zu unterscheiden sind die Tatbestands- und Feststellungswirkung eines Urteils. Das Urteil entscheidet nur über Rechte und Pflichten der Beteiligten. Das materielle Recht kann aber an der Rechtskraft eines Urteils oder auch schon an den bloßen Erlass des Urteils weitergehende Rechtsfolgen knüpfen, sei es für die Beteiligten oder auch für Nichtbeteiligte. Dabei wird von Tatbestandswirkung gesprochen, wenn eine Rechtsnorm in ihrem Tatbestand an das Vorhandensein des Urteils anknüpft und bestimmte Rechtsfolgen damit verbindet (vgl. z.B. § 54 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG. Feststellungswirkung hat ein Urteil, wenn aufgrund einer Rechtsnorm die im Tatbestand oder den Entscheidungsgründen des Urteils getroffenen tatsächlichen und/oder rechtlichen Feststellungen verbindlich sind. Rechtsvorschriften, die eine solche Feststellungswirkung normieren, finden sich häufig im Ordnungsrecht, etwa in § 35 Abs. 3 GewO oder § 3 Abs. 3 StVG.

IV. Die Bindungswirkungen eines Prozessurteils

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Die Unterscheidung zwischen Prozess- und Sachurteil wird sowohl im Verwaltungsprozess als auch im Zivilprozess teilweise mit der Vorstellung verknüpft, ein Prozessurteil habe stets im Vergleich zum Sachurteil eine eingeschränkte Rechtskraftwirkung. Das ist im Grundsatz zutreffend. Denn bei einem Prozessurteil wird im Unterschied zum Sachurteil nicht mit bindender Wirkung über den geltend gemachten materiellrechtlichen Anspruch entschieden. Der Kläger kann deshalb nach einem Prozessurteil erneut Klage über denselben Streitgegenstand erheben, wenn der ursprüngliche Zulässigkeitsmangel, der zur Abweisung der ersten Klage als unzulässig geführt hat, inzwischen behoben ist. Hieraus wird überwiegend sogar hergeleitet, dass das Prozessurteil nicht in materielle Rechtskraft erwachsen könne.[12] Für die auch in den Klausuren häufigen Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen (§ 42 Abs. 1 VwGO) wird in diesem Zusammenhang aber häufig übersehen, dass die Klageabweisung als unzulässig, also der Erlass eines Prozessurteils, ungeachtet der Frage, ob ein Prozessurteil in materielle Rechtskraft erwachsen kann, eine materiellrechtliche Klärung der Rechtsbeziehungen der Beteiligten zur Folge hat. Das verdeutlicht der nachfolgende Fall.

Fall:

Die Behörde B hat dem A eine Baugenehmigung erteilt. C erhob gegen die Erteilung der Baugenehmigung Klage, die das Verwaltungsgericht als unzulässig abgewiesen hat, weil der C aus gesundheitlichen Gründen vorübergehend prozessunfähig war. Nach Eintritt der Rechtskraft des Urteils erlangt C seine Prozessfähigkeit zurück. Er erhebt erneut Klage gegen die Erteilung der Baugenehmigung. Wie wird das Verwaltungsgericht über die zweite Klage des C entscheiden? Eines Vorverfahrens bedarf es nicht.

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Das Verwaltungsgericht wird auch die zweite Klage des C entweder als unzulässig oder als unbegründet abweisen. Der Zulässigkeit der zweiten Klage steht zwar grundsätzlich das erste rechtskräftige Urteil des Verwaltungsgerichts nicht entgegen. Denn es handelt sich um ein Prozessurteil, weil die Klage als unzulässig abgewiesen worden ist. Prozessurteile stehen aber einem erneuten Prozess über den gleichen Streitgegenstand nicht entgegen, soweit die bislang fehlende Zulässigkeitsvoraussetzung nachträglich gegeben ist. Bei verwaltungsgerichtlichen Urteilen, mit denen Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen abgewiesen werden, gilt aber die Besonderheit, dass die angefochtenen Bescheide der Behörde unanfechtbar und damit bestandskräftig werden. Aufgrund der materiellen Bestandskraft, die inhaltlich mit der materiellen Rechtskraft eines Urteils identisch ist,[13] sind die Rechtsbeziehungen der Beteiligten durch den Verwaltungsakt mit bindender Wirkung geklärt.

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Welche prozessualen Konsequenzen diese materiellrechtliche Klärung aufgrund des Eintritts der Bestandskraft des Verwaltungsaktes für eine Klage hat, ist strittig.[14] Nach herrschender Meinung ist nach Eintritt der Bestandskraft eines belastenden oder ablehnenden Verwaltungsaktes eine Anfechtungsklage gegen einen belastenden Verwaltungsakt und eine Verpflichtungsklage auf Erlass des bestandskräftig abgelehnten Verwaltungsaktes unzulässig; nach der Gegenauffassung ist die Klage zulässig, aber unbegründet. In einer Klausurlösung muss der Meinungsstreit nicht in allen Einzelheiten aufgezeigt werden. Es gibt ein gutes Argument gegen die Richtigkeit der Gegenauffassung, die die Klage im Falle des Eintritts der Bestandskraft des Verwaltungsaktes als zulässig ansieht: Nach Eintritt der Bestandskraft eines Verwaltungsaktes fehlt ein rechtlich geschütztes Interesse (Rechtsschutzbedürfnis) an einer verwaltungsgerichtlichen Entscheidung, weil aufgrund der sich aus der Bestandskraft ergebenden Bindungswirkung die Rechtsbeziehungen zwischen den Beteiligten geklärt sind. Im Fall ist jedenfalls aus diesem Grund auch die zweite Klage des C unzulässig.

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