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Anspruchsgrundlagen auf Erlass eines Verwaltungsaktes oder auf Neubescheidung finden sich nicht nur in den Gesetzen und Verordnungen des allgemeinen und besonderen Verwaltungsrechts. Sie können sich auch aus einem öffentlich-rechtlichen Vertrag (§§ 54 ff. VwVfG) oder aus einer Zusicherung (§ 38 VwVfG) ergeben. Ein bestandskräftiger oder sofort vollziehbarer Verwaltungsakt kann aufgrund seiner Titelfunktion ebenfalls Anspruchsgrundlage für den Erlass eines weiteren Verwaltungsaktes sein.[175] Denkbar sind weiter Ansprüche aus Grundrechten, soweit sie nicht nur als Abwehrrechte verstanden werden.[176] Außerdem kommen Ansprüche aus Gewohnheitsrecht oder aus allgemein anerkannten (ungeschriebenen) Grundsätzen in Betracht. Hierzu gehört etwa der Folgenbeseitigungsanspruch, der einen Anspruch auf Erlass eines Verwaltungsaktes begründen kann, wenn die Beseitigung des rechtswidrigen hoheitlichen Handelns den Erlass eines Verwaltungsaktes erfordert.

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bb) Die Passivlegitimation ist gegeben, wenn der Beklagte nach der Kompetenzordnung zur Erfüllung des Anspruchs auf Erlass des beantragten Verwaltungsaktes oder zur Neubescheidung zuständig ist. In der Klausurbearbeitung liegt hier nur ausnahmsweise ein Problem. Denn nach der Klärung der einschlägigen Anspruchsgrundlage liegt regelmäßig auf der Hand, welche Behörde passivlegitimiert ist. Insoweit gilt wie bei der Anfechtungsklage (vgl. Rn. 362), dass es mitunter mühsam und schwierig ist, die einschlägigen Zuständigkeitsvorschriften zu finden und zu benennen, dies allein es aber gemessen an §§ 108 Abs. 1 S. 2 VwGO, 313 Abs. 3 ZPO nicht rechtfertigt, hierzu in den Entscheidungsgründen eines verwaltungsgerichtlichen Urteils (ausführlich) Stellung zu nehmen. Die Passivlegitimation ist vielmehr nur dann zu erörtern, wenn die Zuständigkeit des Beklagten zum Erlass des beantragten Verwaltungsaktes oder zur Neubescheidung ernsthaft zweifelhaft ist oder ein Beteiligter des Klageverfahrens die Passivlegitimation in Frage gestellt hat.

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cc) Welche Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sein müssen, ergibt sich aus der jeweiligen Anspruchsgrundlage und den mit ihr im Zusammenhang stehenden Vorschriften. Insoweit kann zwischen formellen und materiellen Anspruchsvoraussetzungen unterschieden werden.[177]

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Formelle Anspruchsvoraussetzung für den Erlass eines Verwaltungsaktes ist regelmäßig eine Antragstellung bei der zuständigen Behörde. Der Prüfungspunkt hat jedoch für die Prüfung der Begründetheit einer Verpflichtungsklage keine Relevanz, weil er bereits im Rahmen der Zulässigkeit der Verpflichtungsklage zu prüfen ist. Denn Zulässigkeitsvoraussetzung der Verpflichtungsklage ist, dass der Kläger vor Klageerhebung erfolglos einen Antrag bei der Behörde gestellt hat. Ob sonstige formelle Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sein müssen, z.B. die Einhaltung von Antragsfristen oder die Mitwirkung anderer Behörden, ergibt sich entweder aus der einschlägigen Anspruchsgrundlage oder aus den mit ihr im Zusammenhang stehenden Rechtsvorschriften.

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Die materiellen Anspruchsvoraussetzungen ergeben sich regelmäßig aus der Anspruchsgrundlage selbst. Bei gebundenen Verwaltungsakten, also solchen, deren Erlass nicht im Ermessen der Behörde steht, sind regelmäßig nur die jeweiligen Tatbestandsvoraussetzungen zu prüfen. Eine Ausnahme gilt dann, wenn der Behörde ein Beurteilungsspielraum obliegt. In diesen Fällen setzt die Verpflichtung der Behörde zum Erlass des beantragten Verwaltungsaktes gemäß § 113 Abs. 5 S. 1 VwGO voraus, dass sich der Beurteilungsspielraum der Behörde auf den Erlass des Verwaltungsaktes verengt, der Behörde also aus Rechtsgründen kein Spielraum verbleibt. Das Gleiche gilt bei Verwaltungsakten, deren Erlass im Ermessen der Behörde steht. Eine Verpflichtung zum Erlass des Ermessensverwaltungsaktes setzt voraus, dass das Ermessen auf Null reduziert ist, also jede andere Entscheidung als der Erlass des Verwaltungsaktes ermessensfehlerhaft wäre. Verbleibt der Behörde ein Beurteilungs- oder Ermessensspielraum kommt allenfalls eine Verpflichtung der Behörde gemäß § 113 Abs. 5 S. 2 VwGO zur Neubescheidung in Betracht.

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c) Bei der Vornahmeklage bedarf das Grundaufbauschema einer weitergehenden Differenzierung. Diese hängt davon ab, ob der Kläger den Erlass eines gebundenen oder im Ermessen der Behörde stehenden Verwaltungsaktes begehrt.

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aa) Bei gebundenen Verwaltungsakten liegt der Schwerpunkt in der Prüfung der Tatbestandsvoraussetzungen, soweit der Behörde kein Beurteilungsspielraum zusteht.

Fall:

Der Kläger klagt auf Erteilung einer Erlaubnis, die nach der einschlägigen Anspruchsgrundlage zu erteilen ist, wenn die Tatbestandsvoraussetzungen „A“ und „B“ erfüllt sind. Ein Beurteilungs- oder Ermessensspielraum steht der Behörde nicht zu. Wie wird das Verwaltungsgericht die Prüfung der Begründetheit der Verpflichtungsklage aufbauen?

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Das Verwaltungsgericht wird seine Begründetheitsprüfung an dem Grundaufbauschema für die Vornahmeklage orientieren, weil ein gebundener Verwaltungsakt in Rede steht und damit eine Verpflichtung zur Neubescheidung (§ 113 Abs. 5 S. 2 VwGO) aufgrund des fehlenden Beurteilungs- und Ermessensspielraums von vornherein ausscheidet. Das Aufbauschema lautet:


1. Anspruchsgrundlage
2. Passivlegitimation
3. Anspruchsvoraussetzungen a) Voraussetzung A b) Voraussetzung B

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(1) Welche Prüfungspunkte aus dem Aufbauschema zu erörtern sind, hängt, wie bei jeder anderen Klageart, von dem Ergebnis der Begründetheitsprüfung ab, also von der gedanklichen rechtlichen Lösung. Danach wird das Verwaltungsgericht in den Entscheidungsgründen seines Urteils sämtliche Prüfungspunkte des Aufbauschemas nur dann erörtern, wenn der Verpflichtungsklage stattgegeben wird, wobei auch in diesem Fall eine Erörterung der Passivlegitimation entfällt, wenn sie unproblematisch gegeben ist und auch von keinem der Beteiligten des Klageverfahrens in Zweifel gezogen worden ist. Ist die Verpflichtungsklage unbegründet, so wird das Verwaltungsgericht in den Entscheidungsgründen seines Urteils nur den Prüfungspunkt ansprechen, der der Stattgabe entgegensteht. Fehlt die Passivlegitimation des Beklagten, kann dahinstehen, ob die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind. Umgekehrt kommt es auf eine problematische Passivlegitimation des Beklagten nicht an, wenn eine Anspruchsvoraussetzung nicht erfüllt ist. In diesem Fall wird in den Entscheidungsgründen auch nur die Anspruchsvoraussetzung angesprochen, die nicht gegeben ist, im Fall also entweder die Tatbestandsvoraussetzung „A“ oder „B“. Anderes gilt nur, wenn ein entgegenstehender Bearbeitervermerk vorhanden ist, der eine Prüfung aller Fragestellungen des Falles erfordert.

Wenn die Verpflichtungsklage begründet ist, können im Beispielsfall die Obersätze zu Beginn der Begründetheitsprüfung wie folgt formuliert werden:

Die Klage ist als Verpflichtungsklage im Sinne des § 42 Abs. 1 VwGO zulässig und begründet. Der Ablehnungsbescheid des Beklagten vom 1.2.2020 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 S. 1 VwGO). Der Kläger hat einen Anspruch auf Erteilung der beantragten Erlaubnis.

Anspruchsgrundlage für das Begehren des Klägers ist § … Nach dieser Vorschrift ist die Erlaubnis zu erteilen, wenn die Voraussetzungen „A“ und „B“ erfüllt sind.

Der Beklagte ist entgegen seiner Auffassung auch passivlegitimiert. Er ist dafür zuständig, den vom Kläger begehrten Verwaltungsakt zu erlassen. …

Die Voraussetzungen der Anspruchsgrundlage sind erfüllt. Der Kläger erfüllt die Tatbestandsvoraussetzungen „A“ und „B“. …

Ist die Verpflichtungsklage unbegründet, weil die Tatbestandsvoraussetzung „A“ nicht erfüllt ist, so lauten die Obersätze im Beispielsfall:

Die Klage ist als Verpflichtungsklage im Sinne des § 42 Abs. 1 VwGO zulässig, aber unbegründet. Der Ablehnungsbescheid des Beklagten vom 1.2.2020 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 S. 1 VwGO). Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erteilung der beantragten Erlaubnis.

Anspruchsgrundlage für das Begehren des Klägers ist § … Nach dieser Vorschrift ist die Erlaubnis zu erteilen, wenn die Voraussetzungen „A“ und „B“ erfüllt sind.

Ob der Beklagte entgegen seiner Auffassung passivlegitimiert ist und ob die Voraussetzung „B“ erfüllt ist, bedarf keiner näheren Erörterung. Der Kläger hat jedenfalls deshalb keinen Anspruch auf Erteilung der beantragten Erlaubnis, weil er die Voraussetzung „B“ nicht erfüllt. …

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(2) Im Beispielsfall wird das Verwaltungsgericht wie bei allen anderen Vornahme- und Bescheidungsklagen sowohl bei der Stattgabe als auch bei der Abweisung der Verpflichtungsklage in seine rechtlichen Überlegungen die Frage einbeziehen, ob und inwieweit es die Spruchreife der Sache herbeiführen kann und muss. Die Frage der Spruchreife kann sich auf alle oder nur auf einzelne Prüfungspunkte der Begründetheit der Verpflichtungsklage beziehen. Spruchreife bedeutet, das Verwaltungsgericht kann die Behörde zum Erlass des beantragten Verwaltungsaktes (§ 113 Abs. 5 S. 1 VwGO) oder zur Neubescheidung (§ 113 Abs. 5 S. 2 VwGO) verpflichten, weil die Voraussetzungen hierfür in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht geklärt und erfüllt sind.[178]

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Bei der Vornahmeklage (§ 113 Abs. 5 S. 1 VwGO) kann die Spruchreife aus rechtlichen Gründen fehlen, wenn der Behörde ein Beurteilungs- oder Ermessensspielraum obliegt und dieser Spielraum nicht auf Null reduziert ist. So liegt es etwa bei Prüfungsentscheidungen. Das Verwaltungsgericht kann aufgrund des Beurteilungsspielraums der Prüfer eine Prüfungsleistung nicht selbst bewerten und die Behörde als Folge der eigenen Bewertung der Prüfungsleistung verpflichten, dem Kläger eine bestimmte Note zu erteilen. Bei einem Bewertungsfehler kommt deshalb nur eine Verpflichtung der Prüfungsbehörde zur Neubewertung der Prüfungsleistung in Betracht, wobei eine solche Verpflichtung der Sache nach eine Verpflichtung zur Neubescheidung gemäß § 113 Abs. 5 S. 2 VwGO darstellt. Unklare oder schwierige Rechtsfragen stehen der Spruchreife der Sache in keinem Fall entgegen. Das Verwaltungsgericht muss derartige Rechtsfragen entscheiden.[179] Bei der Bescheidungsklage sind allenfalls theoretisch Fälle denkbar, in denen das Verwaltungsgericht aus Rechtsgründen aufgrund fehlender Spruchreife gehindert wäre, den Beklagten zur Neubescheidung zu verpflichten.

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Auch in tatsächlicher Hinsicht fehlt die Spruchreife nur ausnahmsweise. Aufgrund des Amtsermittlungsgrundsatzes (§ 86 Abs. 1 S. 1 VwGO) ist das Verwaltungsgericht grundsätzlich verpflichtet, die Sache spruchreif zu machen, um eine abschließende Entscheidung treffen zu können. Der entscheidungserhebliche Sachverhalt muss vollständig aufgeklärt und feststellt werden. Das gilt auch dann, wenn die Behörde keine oder keine hinreichenden Sachverhaltsfeststellungen getroffen hat, das Verwaltungsgericht also eine fehlende hinreichende Sachverhaltsaufklärung durch die Behörde nachholen muss. Die dahingehende Verpflichtung des Verwaltungsgerichts lässt insbesondere § 75 VwGO erkennen.[180] Nach dieser Vorschrift kann das Verwaltungsgericht unter den dort genannten Voraussetzungen die Behörde auch dann zum Erlass eines beantragten Verwaltungsaktes verpflichten, wenn die Behörde noch gar nicht mit der Sache befasst war. Soweit der Sachverhalt nicht vollständig aufgeklärt werden kann, weil etwa ein Zeuge verstorben ist oder eine entscheidungserhebliche Tatsache aus anderen Gründen nicht mehr aufgeklärt werden kann, kann das Verwaltungsgericht die Verpflichtungsklage grundsätzlich nicht wegen fehlender Spruchreife abweisen. Vielmehr ist in diesen Fällen eine Entscheidung auf der Grundlage der allgemeinen Beweislastregeln zu treffen.[181]

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Die Verpflichtung zur Herbeiführung der Spruchreife und zur Sachverhaltsaufklärung gilt für die Vornahme- und Bescheidungsklage in gleicher Weise. Das Verwaltungsgericht ist auch bei der Bescheidungsklage nicht davon befreit, den Sachverhalt im Rahmen seiner Amtsermittlungspflicht aufzuklären. Es sind alle Tatsachen aufzuklären, die erforderlich sind, um entscheiden zu können, ob eine fehlerhafte Ausübung des Beurteilungs- oder Ermessensspielraums vorliegt.[182] Eine Grenze der Pflicht zur Herstellung der Spruchreife wird nur in Ausnahmefällen angenommen, etwa bei hochkomplexen und technischen Abwägungen im Immissionsschutzrecht und bei Planfeststellungsbeschlüssen.[183] Diese Ausnahmen können hier vernachlässigt werden, weil sie nicht klausurrelevant sind.

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bb) Bei Ermessensverwaltungsakten liegt der Schwerpunkt regelmäßig bei der Prüfung, ob eine Ermessensreduktion auf Null vorliegt. Nur in diesem Fall kann das Verwaltungsgericht die Behörde gemäß § 113 Abs. 5 S. 1 VwGO zum Erlass des beantragten Verwaltungsaktes verpflichten.

Fall:

Der Kläger klagt auf Erteilung einer Erlaubnis, die nach der einschlägigen Anspruchsgrundlage das Vorliegen der Voraussetzungen „A“ und „B“ voraussetzt und der Behörde bei Vorliegen dieser Voraussetzungen Ermessen eröffnet. Das Ermessen der Behörde ist auf Null reduziert. Wie wird das Verwaltungsgericht die Prüfung der Begründetheit der Verpflichtungsklage aufbauen?

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(1) Das Verwaltungsgericht wird seine Begründetheitsprüfung an dem Grundaufbauschema für die Vornahmeklage orientieren, weil aufgrund der Ermessensreduktion die Behörde gemäß § 113 Abs. 5 S. 1 VwGO zur Erteilung der Erlaubnis zu verpflichten ist. Das Aufbauschema lautet:


1. Anspruchsgrundlage
2. Passivlegitimation
3. Voraussetzungen der Anspruchsgrundlage a) Tatbestandsvoraussetzungen aa) A bb) B b) Ermessensreduktion auf Null

Enthält die Anspruchsgrundlage keine Tatbestandsvoraussetzungen mit der Folge, dass die Behörde nach pflichtgemäßem Ermessen über die Erteilung der Erlaubnis entscheidet, entfällt der Prüfungspunkt 3a. Anspruchsvoraussetzung für die Erteilung der Erlaubnis ist in diesem Fall allein das Vorliegen einer Ermessensreduktion auf Null.

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Das Verwaltungsgericht wird im Beispielsfall in seinen Entscheidungsgründen sämtliche Prüfungspunkte erörtern, weil der Verpflichtungsklage stattgegeben wird. Die Passivlegitimation bedarf allerdings nur dann einer näheren Erörterung, wenn sie ernsthaft zweifelhaft ist oder ein Beteiligter die Passivlegitimation in Frage gestellt hat. Letzteres soll im Beispielsfall dahin unterstellt werden, dass der Beklagte seine Passivlegitimation bestritten hat. Die Obersätze könnten danach in den Entscheidungsgründen wie folgt formuliert werden:

Formulierungsbeispiel:

Die Klage ist als Verpflichtungsklage im Sinne des § 42 Abs. 1 VwGO zulässig und begründet. Der Ablehnungsbescheid des Beklagten vom 1.2.2020 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 S. 1 VwGO). Der Kläger hat einen Anspruch auf Erteilung der beantragten Erlaubnis.


1. Anspruchsgrundlage für das Begehren des Klägers ist § … Nach dieser Vorschrift kann die beantragte Erlaubnis erteilt werden, wenn die Voraussetzungen „A“ und „B“ erfüllt sind.
2. Der Beklagte ist entgegen seiner Auffassung passivlegitimiert. Er ist nach der Kompetenzordnung dafür zuständig, den vom Kläger begehrten Verwaltungsakt zu erlassen. …
3. Die Voraussetzungen der Anspruchsgrundlage sind erfüllt. a) Der Kläger erfüllt die Tatbestandsvoraussetzungen A und B. … b) Das bei Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen A und B eröffnete Ermessen des Beklagten ist auf Null reduziert. Jede andere Entscheidung als der Erlass des beantragten Verwaltungsaktes ist ermessensfehlerhaft. …

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Sollte die Verpflichtungsklage im Beispielsfall unbegründet sein, wird das Verwaltungsgericht in den Entscheidungsgründen seines Urteils nur den Prüfungspunkt ansprechen, der der Stattgabe entgegensteht. Fehlt die Passivlegitimation des Beklagten, kann dahinstehen, ob die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind. Umgekehrt kommt es auf eine eventuell problematische Passivlegitimation des Beklagten nicht an, wenn eine Anspruchsvoraussetzung nicht erfüllt ist. In diesem Fall wird – sofern sich aus dem Bearbeitervermerk nichts anderes ergibt – in den Entscheidungsgründen auch nur die Anspruchsvoraussetzung angesprochen, die nicht gegeben ist, im Beispielsfall also entweder das Fehlen der Tatbestandsvoraussetzung A oder B oder das Fehlen einer Ermessensreduktion auf Null.

Formulierungsbeispiel:

Die Klage ist als Verpflichtungsklage im Sinne des § 42 Abs. 1 VwGO zulässig, aber unbegründet. Der Ablehnungsbescheid des Beklagten vom 1.2.2020 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 S. 1 VwGO). Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erteilung der beantragten Erlaubnis.

Anspruchsgrundlage für das Begehren des Klägers ist § … Nach dieser Vorschrift kann die beantragte Erlaubnis erteilt werden, wenn die Voraussetzungen A und B erfüllt sind. Ob der Beklagte hiernach passivlegitimiert ist und ob die Tatbestandsvoraussetzungen für die Erteilung der Erlaubnis erfüllt sind, bedarf keiner näheren Erörterung. Jedenfalls ist das dem Beklagten bei Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen eröffnete Ermessen nicht auf Null reduziert. Es lässt sich nicht feststellen, dass jede andere Entscheidung als die Erteilung der beantragten Erlaubnis ermessensfehlerhaft wäre. …

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(2) Die Ermessensreduktion auf Null ist den meisten Klausurbearbeitern bekannt. Es fehlt aber häufig eine hinreichende Vorstellung darüber, aus welchen Aspekten eine Ermessensreduktion auf Null hergeleitet werden kann.

Fall:

Der Mandant M begehrt den Erlass eines Verwaltungsaktes, der im Ermessen der Behörde steht. Er bittet Rechtsanwalt R um Auskunft darüber, wann eine Ermessensreduktion auf Null vorliegt und ob das Verwaltungsgericht in diesem Zusammenhang auch die Ermessenserwägungen der Behörde überprüft. Was wird Rechtsanwalt R antworten?

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R wird antworten, dass eine Ermessensreduktion auf Null vorliegt, wenn sich die verschiedenen Handlungsmöglichkeiten der Behörde auf der Rechtsfolgenseite auf eine einzige verdichten. Das ist der Fall, wenn jede andere Entscheidung als der Erlass des Ermessensverwaltungsaktes ermessensfehlerhaft wäre. Eine solche Ermessensreduktion kann sich im Einzelfall nur auf einen Teil einer mehrgliedrigen Ermessensentscheidung beziehen. So kann im Ordnungs- und Polizeirecht das Entschließungsermessen der Behörde auf ein Einschreiten reduziert sein, während das Auswahlermessen nicht auf Null reduziert ist, weil mehrere jeweils ermessensfehlerfreie Handlungsmöglichkeiten verbleiben.[184] Wann eine Ermessensreduktion auf Null vorliegt, lässt sich nicht abstrakt sagen, weil sie ihrer Natur nach jeweils von den konkreten Gegebenheiten des Einzelfalls abhängt. Sie kann sich aus den unterschiedlichsten rechtlichen Aspekten ergeben.[185]

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(a) Eine Ermessensreduktion auf Null kann sich zunächst aus dem Sinn und Zweck der Ermessensnorm ergeben. Dies ist der in der Praxis häufigste Ansatzpunkt für eine Ermessensreduktion. Fällt gerade der zu entscheidende Einzelfall nach dem Sinn und Zweck der Norm in den Anwendungsbereich der Ermessensnorm, ist das Ermessen auf Null reduziert. Regelt die Norm, dass der Verwaltungsakt bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen erlassen werden „soll“, so enthält die Norm ein intendiertes Ermessen (vgl. Rn. 382), das eine Ermessensreduktion begründen kann. Der Verwaltungsakt „soll“ bei Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen erlassen werden mit der Folge, dass eine Ermessensreduktion auf Null gegeben ist, wenn kein Ausnahmefall vorliegt. Ob ein Ausnahmefall vorliegt, der es rechtfertigt, den Verwaltungsakt nicht zu erlassen, bestimmt sich maßgeblich ebenfalls nach dem Sinn und Zweck der Ermessensnorm.

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(b) Eine Ermessensreduktion kann sich weiter aus Verfassungsrecht ergeben. Einen Ansatzpunkt hierfür bilden zunächst die Grundrechte. Gefährdet etwa die Ablehnung der im Ermessen stehenden Subvention den Gewerbebetrieb des Klägers, kann sich aus den Grundrechten gemäß Art. 12 und Art. 14 GG eine Ermessensreduktion ergeben. Auch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit kann im Einzelfall eine Ermessensreduktion herbeiführen. Das ist der Fall, wenn die Ablehnung des Ermessensverwaltungsaktes außer Verhältnis zu dem Sinn und Zweck der Ermessensnorm steht oder den Kläger sonst unzumutbar belasten würde.[186] Im Rahmen der Zumutbarkeit kann sich im Einzelfall auch eine Folgenbeseitigungslast der Behörde ermessensreduzierend auswirken. Voraussetzung dafür ist, dass der Erlass des Ermessensverwaltungsaktes erforderlich ist, um ein vorangegangenes rechtswidriges Verhalten der Behörde zu beseitigen.[187]

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(c) Ein weiterer wichtiger Anwendungsfall der Ermessensreduktion auf Null ist die Selbstbindung der Verwaltung. Eine solche Selbstbindung kann sich aus einer behördlichen Zusicherung (§ 38 VwVfG) oder auch aus einer ständigen Verwaltungspraxis ergeben. Der Gleichbehandlungsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG) verpflichtet die Behörde, in wesentlich gleich gelagerten Fällen nicht ohne hinreichende sachliche Gründe eine andere Entscheidung zu treffen. Voraussetzung für eine sich aus Art. 3 Abs. 1 GG ergebende Bindung ist allerdings stets, dass die ständige Verwaltungspraxis rechtmäßig ist. Denn der Gleichbehandlungsgrundsatz vermittelt keinen Anspruch auf Gleichbehandlung im Unrecht. Liegt der Verwaltungspraxis eine Verwaltungsvorschrift zugrunde, so hat diese als bloßes Innenrecht keine Bindungswirkung für die Verwaltungsgerichte. Als Ansatzpunkt für eine Ermessensreduktion auf Null kommt deshalb auch hier nur die auf der Verwaltungsvorschrift beruhende ständige Verwaltungspraxis der Behörde (i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG) in Betracht. Eine ermessensreduzierende Selbstbindung der Verwaltung scheidet aus, wenn die Behörde ihre bisherige Verwaltungspraxis für die Zukunft ändert und der Änderung keine Vertrauensschutzgesichtspunkte entgegenstehen.[188] Ermessenslenkende Verwaltungsvorschriften haben für die verwaltungsgerichtliche Entscheidung nur ausnahmsweise unmittelbare Relevanz, wenn sich noch keine ständige Verwaltungspraxis gebildet hat. In diesen Fällen wird unter dem Aspekt der antizipierten Verwaltungspraxis angenommen, dass die Verwaltungsvorschriften die künftige Verwaltungspraxis vorwegnehmen, sodass schon jetzt unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung (Art. 3 Abs. 1 GG) eine Selbstbindung der Verwaltung vorliegt, soweit die Verwaltungsvorschrift ihrerseits rechtmäßig ist.[189]

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(d) Bei der Prüfung einer Ermessensreduktion auf Null ist das Verwaltungsgericht nicht an die Ermessenserwägungen der Behörde gebunden. Vielmehr prüft das Verwaltungsgericht unabhängig von den Erwägungen der Behörde, ob eine Ermessensreduktion in Betracht kommt. Allerdings darf das Verwaltungsgericht eine Ermessensreduktion nur aus rechtlichen Gründen herleiten. Das Verwaltungsgericht ist mit Blick auf den Grundsatz der Funktionentrennung (Art. 20 Abs. 3 GG) und § 114 VwGO auch bei der Prüfung einer Ermessensreduktion auf Null nicht befugt Zweckmäßigkeitserwägungen anzustellen, die neben der Ausgangsbehörde nur die Widerspruchsbehörde anstellen darf (§ 68 Abs. 1 S. 1 VwGO). Bildlich gesehen legt damit das Verwaltungsgericht bei der Prüfung, ob eine Verpflichtung der Behörde gemäß § 113 Abs. 5 S. 1 VwGO in Betracht kommt, die Entscheidung der Behörde beiseite und prüft aufgrund eigener Überlegungen, ob eine Ermessensreduktion auf Null aus rechtlichen Gründen gegeben sein kann, während das Verwaltungsgericht bei der Frage, ob eine Neubescheidung gemäß § 113 Abs. 5 S. 2 VwGO in Betracht kommt, seine Prüfung an der Entscheidung der Behörde orientiert und (nur) die in dem Bescheid enthaltenen Ermessenserwägungen der Behörde dahin überprüft, ob die Ermessenserwägungen fehlerfrei sind.

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(e) Auch bei einer Ermessensreduktion auf Null kann sich im Einzelfall die Frage stellen, ob das Verwaltungsgericht verpflichtet ist, Spruchreife herzustellen. Dies ist strittig.[190] Die überwiegende Auffassung, insbesondere die Rechtsprechung, geht davon aus, dass das Verwaltungsgericht nicht verpflichtet, aber berechtigt ist, die Sache spruchreif zu machen. In der Klausurbearbeitung empfiehlt es sich, dieser überwiegenden Auffassung zu folgen und abschließend zu klären, ob im zu entscheidenden Klausurfall eine Ermessensreduktion auf Null vorliegt.

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d) Bei der Bescheidungsklage bedarf das Grundaufbauschema (Rn. 439) ebenfalls einer weitergehenden Differenzierung.

Fall:

Der Kläger klagt auf Neubescheidung (§ 113 Abs. 5 S. 2 VwGO) mit der Begründung, der Beklagte habe zutreffend erkannt, dass die Voraussetzungen A und B für die Erteilung der beantragten Erlaubnis erfüllt seien, aber sein Ermessen fehlerhaft ausgeübt. Wie wird das Verwaltungsgericht die Prüfung der Begründetheit der Bescheidungsklage aufbauen?

450

aa) Auch bei der Bescheidungsklage hängt das Aufbauschema letztlich davon ab, ob der Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung als Anspruchsgrundlage für das Begehren auf Neubescheidung auch das Vorliegen von Tatbestandsvoraussetzungen erfordert. Ist das der Fall, so sind zunächst die Tatbestandsvoraussetzungen zu prüfen. Denn das Ermessen auf der Rechtsfolgenseite ist erst bei Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen eröffnet. Das Aufbauschema lautet deshalb im Beispielsfall:

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1. Anspruchsgrundlage (für die beantragte Neubescheidung)
2. Passivlegitimation des Beklagten
3. Voraussetzungen der Anspruchsgrundlage a) Tatbestandsvoraussetzungen aa) Voraussetzung A bb) Voraussetzung B b) Vorliegen eines Ermessensfehlers

452

Das Verwaltungsgericht wird im Beispielsfall in seinen Entscheidungsgründen sämtliche Prüfungspunkte nur dann erörtern, wenn es der Bescheidungsklage stattgibt. Allerdings gilt wie bei der Vornahmeklage, dass die Erörterung der Passivlegitimation in den Entscheidungsgründen des Urteils erfordert, dass sie ernsthaft zweifelhaft ist oder ein Beteiligter des Klageverfahrens die Passivlegitimation in Frage gestellt hat. Im Beispielsfall (Rn. 449) soll davon ausgegangen werden, dass die Passivlegitimation unproblematisch gegeben und auch nicht in Abrede gestellt worden ist. Die Obersätze könnten danach in den Entscheidungsgründen wie folgt formuliert werden:

Formulierungsbeispiel:

Die Klage ist als Verpflichtungsklage im Sinne des § 42 Abs. 1 VwGO zulässig und begründet. Der Ablehnungsbescheid des Beklagten vom 1.2.2020 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 S. 2 VwGO). Der Kläger hat einen Anspruch auf Neubescheidung. Denn der Beklagte hat den Anspruch des Klägers auf ermessensfehlerfreie Entscheidung noch nicht erfüllt.

Anspruchsgrundlage für das Begehren des Klägers ist § … Bei Vorliegen der Voraussetzungen A und B vermittelt die Vorschrift dem Kläger einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung, weil der Beklagte im Rahmen des ihm auf der Rechtsfolgenseite zustehenden Ermessens nicht nur öffentliche Interessen, sondern auch die schutzwürdigen Interessen des Klägers zu berücksichtigen hat.

Die Voraussetzungen des Anspruchs auf ermessensfehlerfreie Entscheidung sind erfüllt.

Der Kläger erfüllt die Tatbestandsvoraussetzungen A und B. …

Der Beklagte hat sein bei Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen A und B eröffnetes Ermessen fehlerhaft ausgeübt. Es liegt ein Ermessensdefizit vor. …

453

Soweit die Bescheidungsklage im Beispielsfall unbegründet wäre, wird das Verwaltungsgericht in den Entscheidungsgründen seines Urteils nur den Prüfungspunkt ansprechen, der der Stattgabe entgegensteht. Fehlt die Passivlegitimation des Beklagten, kann dahinstehen, ob die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind. Umgekehrt kommt es auf eine eventuelle problematische Passivlegitimation des Beklagten nicht an, wenn der Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung nicht gegeben ist. In diesem Fall wird – sofern sich aus dem Bearbeitervermerk nichts anderes ergibt – in den Entscheidungsgründen auch nur die fehlende Anspruchsvoraussetzung angesprochen, im Beispielsfall also entweder das Fehlen der Tatbestandsvoraussetzung A oder B oder das Fehlen eines Ermessensfehlers.

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