Читать книгу: «Charlys Sommer», страница 4

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Just Met a Man – Anouk

Gereon bog auf den Parkplatz des Motorradtreffs ab und fuhr suchend durch die Reihen, bis er die Maschine seines Freundes gefunden hatte. Er stellte die Fireblade daneben und holte sich vom Kiosk einen Kaffee. Die weitere Suche blieb ihm erspart; sein Freund hatte es sich auf der Bank daneben bequem gemacht und hob träge grüßend die Hand.

Er trat zu ihm, klopfte ihm auf die Schulter und gratulierte den üblichen Summs von Gesundheit, Glück, Erfolg, lalala zum Geburtstag. Dann stutzte er. „Welche Laus ist dir über die Leber gelaufen?“

„Anraunzer bekommen“, war Christians einsilbige Antwort.

„Von wem?“, fragte er weiter, ohne sich beeindrucken zu lassen.

„Einem Mädel.“

‚Das gibt’s nicht! Das muss eine seltene Erscheinung sein’, dachte er. „Hier?“ Seine Augenbrauen schnellten nach oben. Ohne es richtig zu bemerken, ließ er den Blick abschätzend über die verschiedenen Grüppchen schweifen.

„Ist eben weggefahren.“

Christians Haltung war eine Nuance zu wegwerfend. Gereon hörte auf, in seinem Kaffee zu rühren und betrachtete ihn eingehend. „Erzählst du es mir freiwillig, oder muss ich dir jeden Satz aus der Nase ziehen?“

Statt einer Antwort stand sein Freund auf, ging zum Kiosk und sprach einige Zeit mit der Bedienung. Noch brummiger und mit einem weiteren Kaffee kam er zurück und schilderte, was sich ereignet hatte. Er deutete mit dem Kopf zum Tresen. „Sie will mir weder den Namen noch die Telefonnummer ihrer Freundin sagen.“

„Wie sieht sie aus? Was fährt sie? Hast du das Kennzeichen?“, fragte er langsam und deutlich, als spräche er mit einem geistig Minderbemittelten. „Dann halte ich mit die Augen offen.“

„Hübsch. Motorrad. Nein“, antwortete Christian knapp. „Aber danke. Wie war es in Berlin?“

‚Oha! Entweder hat sie einen Nerv getroffen oder er hat sich prompt in sie verguckt. Ich lasse ihn lieber in Ruhe, bis er bessere Laune hat. Vielleicht morgen Abend, nach dem ersten Bier.’ Er berichtete seinerseits, dann hingen sie beide ihren Gedanken nach.

Christian erhob sich als Erster. „Wir sehen uns morgen.“

„Klar, Party! Lasse ich mir doch nicht entgehen“, zwinkerte Gereon ihm zu.

Zu verkaufen ein schneeweißes Brautkleid – Jürgen Renfordt

Charly gönnte sich zunächst auf der Pottensteiner Strecke ein paar Kurven, zum einen, um ihre Gedanken aufs Fahren zu konzentrieren, zum anderen, um die Begegnung mit ihrer Mutter noch ein wenig hinauszuzögern. Schließlich aber fuhr sie doch auf der Autobahn zügig nach Süden. Wenigstens war die Wohnung ihrer Mutter im Norden Münchens und recht weit außerhalb, so dass sie vor Einbruch der Dunkelheit ankam. Sie stellte das Motorrad ab und hörte den Türöffner brummen, noch ehe sie abgestiegen war. ‚Ungeduldig wie immer’, ärgerte sie sich und verdrehte die Augen.

Gitta erwartete sie im Atelier.

„Sag nichts! Es war ein Pferd!“, begrüßte sie ihre Mutter und legte ihren Helm ab.

Die zog die Augenbrauen hoch. „Hoffentlich ist es in zehn – nein, neun – Tagen wieder weg!“

Charly konnte sich ein teuflisches Grinsen nicht verkneifen. „Dann hat deine Make-up Artistin wenigstens eine Herausforderung.“

Ihre Mutter sah hilfesuchend gen Himmel, beließ es aber dabei. „Kann’s losgehen?“

„Ja.“ Charly schälte sich aus der Textilkombi und ließ sich in eines der Kleider helfen. Die nächsten Stunden vergingen mit unablässigem An- und Ausziehen.

Ihre Mutter konnte sehr anstrengend sein, aber hier im Atelier, zwischen ihren Entwürfen, den edel schimmernden Stoffen und der punktuellen Beleuchtung, kurz, in ihrer Welt, war sie glücklich und ausgeglichen. Und sie, Charly, liebte es, in den ausgefallenen oder verträumten, aber immer eleganten Kreationen ihrer Mutter vor dem Spiegel zu stehen und sich wie eine Prinzessin zu fühlen, während deren schlanke, kühle Finger an ihr herumzupften, Falten und Nähte arrangierten und Maße absteckten. Ein Rausch aus Taft, Tüll und Seide, der sie oft noch die nächsten Tage begleitete.

Zwischendrin orderte ihre Mutter Pizza, weil man Charly ja ‚nirgends mit hinnehmen konnte, so wie sie aussah’. Ihr war es recht. Sie zog die cremeweiße Atelier-Prinzessinnenwolke jedem Münchner Szeneschuppen vor.

***

Nach nur vier Stunden Schlaf fuhr Charly wieder gen Norden. Der Arbeitstag verging ruhig, sie inspizierten eine neue Arbeitsstelle, ein kleines Schlossensemble, das umfangreich instand gesetzt werden sollte. Einem frühen Feierabend stand nichts im Wege.

So saß sie bereits um kurz nach zwei wieder im Sattel, auf dem Weg nach Chemnitz. Diesmal ließ sie sich Zeit, kurvte über Landstraßen durchs Fichtelgebirge, überdachte auf einer ausgiebigen Wiesenrast die vergangene Woche und schmiedete Pläne, machte noch einen Umweg, damit sie in einem kleinen, guten Restaurant essen konnte und fuhr erst im Licht der untergehenden Sonne auf den großen Hof vor der Werkshalle, die ihrem Vater als Lager, Werkstatt und Wohnung diente.

Sie begrüßte ihren Vater und Steven, dann wanderte sie ziellos durch die Halle und begutachtete die verschiedenen Fahrzeuge, die in unterschiedlichsten Stadien ihrer Wiederherstellung entgegensahen. Ganz rechts, im Übergang zum Lagerbereich, stand der Unimog. Die beiden Männer ließen sie in Ruhe.

Raindrops Keep Fallin’ on My Head – B.J. Thomas

„Dein Protektor liegt im Büro.“

„Prima, danke.“

Ihr Vater Arved und ihr Adoptivbruder Steven hatten die Arbeit beendet und es sich draußen neben der Halle gemütlich gemacht. Dort stand ein Bauwagen, innen über und über mit vergilbten Fotos und Postkarten übersät, die Arved von seinen Reisen in die ganze Welt mitgebracht hatte. Er war vor dem Unfall, der ihn in den Rollstuhl gezwungen hatte, gern und viel gereist, und hatte sich auch danach nicht davon abhalten lassen. Finanziert hatte er sein Leben mit dem Ankauf und der Aufbereitung aller möglichen Fahrzeuge. Seit Jahren war er in den einschlägigen Kreisen bekannt und verdiente gut.

Charly beendete ihren Rundgang, holte sich Werkzeug und den Protektor und komplettierte ihr Motorrad wieder. Dann hockte sie sich zu den beiden Männern. „Ich habe mir drei Pferde gekauft“, sagte sie in deren behagliches Schweigen hinein. Nach einer kleinen Pause fügte sie hinzu: „Und einen Hund.“

Ihr Vater und Steven wechselten einen Blick, der ihr nicht entging.

„Was sagt Amadeus dazu?“, fragte Arved.

Sie lachte. „Der sitzt fast nur noch im Apfelbaum.“

„Wie hast du eigentlich den Protektor ramponiert?“, wechselte Steven das Thema.

„Ach“, sie spürte ihre Wangen heiß werden. „War unkonzentriert, beim Parken“, nuschelte sie und drehte angelegentlich den Korkenzieher in den Korken der Rotweinflasche.

„Weswegen denn?“, fragte Steven unschuldig, aber zielsicher.

Arved nahm ihr die Weinflasche aus der Hand, zog den Korken heraus und hielt ihr die Flasche wieder hin. Sie füllte die Gläser und antwortete, den Blick auf den einfließenden Wein gerichtet. „Wegen eines Autos.“

„Wegen des Autos“, echote Steven „oder des Fahrers?“

Sie schnappte den Korken vom Tisch und warf ihn in Stevens Richtung. Der versuchte, ihn zu fangen und kippte dabei mit seinem Campingstuhl um.

„Geschieht dir recht“, grummelte sie.

Ihr Vater hatte das Schauspiel amüsiert verfolgt.

„Irre ich mich oder war es ein blauer Porsche?“

„Es war ein blauer Porsche.“

Ihr Vater nickte. „Hat er dir das Bike aufgehoben?“

Sie schnaubte. „Das schaffe ich schon selber. Außerdem könnt ihr euch das Verhör sparen, ich hab den Typen zwar ein paar Mal gesehen, aber immer nur von weitem.“

Wieder wechselten die Männer einen bedeutungsvollen Blick.

„Den anderen habe ich sofort vergrault, weil ich ihn angemault habe, als mir die BMW umgefallen ist“, fuhr sie fort und funkelte beide an.

„Gleich zwei Männer in einer Woche? Hast einen ganz ordentlichen Verschleiß.“ Steven kringelte sich vor Lachen und Charly erwog kurzzeitig, ihm eine Rotweindusche zu verpassen. Sie warf einen Blick aufs Etikett und ließ es bleiben. ‚Zu teuer.’

„Drei, wenn du den Hengst mitzählst, der mir das blaue Auge verpasst hat … vier, das Fohlen“, antwortete sie betont gleichmütig. „Wie viele Mädels hast du kennengelernt?“, erkundigte sie sich süffisant.

„Vertragt euch“, mahnte Arved milde. „Habt ihr Pläne fürs Wochenende? Ist schließlich ein langes.“

Charly stutzte. „Ach ja, Pfingsten. Das hatte ich ganz vergessen. Ich wäre glatt Sonntagabend wieder abgehauen.“ Sie überlegte eine Weile, überschlug die Möglichkeiten, gedankenverloren den Wein im Glas schwenkend. Tief atmete sie seinen samtenen Duft ein. „Ich hatte mich auf Basteln eingestellt. Wie soll denn das Wetter werden?“

„Durchwachsen. Nicht mehr so warm.“

„Kletterhalle? Sauna?“

Arved schmunzelte. „Morgen basteln, abends klettern. Sonntag fahren wir ins Gebirge in die Sauna und Montag ausschlafen und klettern. Alle einverstanden?“

Steven und sie nickten.

***

Ein klasse Wochenende neigte sich dem Ende zu. Sie liebte es, gemeinsam mit Steven und ihrem Vater an den verschiedenen Fahrzeugen herumzuschrauben, sich Kniffe abzuschauen. Beim Klettern war ihr endlich an einer 8er-Route ein Erfolg gelungen, und sich in der Sauna zu aalen, war einfach nur himmlisch gewesen. Nur jetzt, da sie auf dem Heimweg war, regnete es in Strömen. Eklig nass schmiegten sich die Handschuhe um ihre klammen Finger; da halfen weder die Protektoren noch die Griffheizung besonders viel. Dazu wehte ein böiger Wind und ließ jede Vorbeifahrt an einem größeren Fahrzeug zu einem Balanceakt werden.

Sie hatte gehofft, über die Autobahn schnell voranzukommen. Doch Stau reihte sich an Stau. Sie mogelte sich durch, mit den Alukoffern nicht die leichteste Übung. Aufatmend bog sie schließlich auf die Landstraße ab. An Kurvenjagd und Fußrastenschleifen war heute nicht zu denken; sie fuhr auf Sicherheit. Nach einer gefühlt endlosen Fahrt schob sie die BMW auf ihren Platz unterm Dach und rief noch von da aus ihren Vater an. Er hörte sich genauso erleichtert an, wie sie es war.

***

Die Pferde standen triefend, die Hinterteile in den Wind gedreht, geduldig im Regen und zuckten kaum mit den Ohren. Das Fohlen hatte den besten Platz abbekommen. Es passte genau unter den Hengst, der dicht neben der Mutterstute stand. Weitgehend trocken zappelte es unter ihm herum und streckte mal die Nase raus in den Regen, nieste, schnappte nach den Schweifhaaren des Hengstes, knabberte an dessen Beinen und war dem langmütigen Gesichtsausdruck des Schimmels nach ein rechter Plagegeist.

‚Spielkamerad besorgen und Unterstand bauen’, notierte sie sich mental. Auch wenn letzterer wahrscheinlich genauso ungenutzt bleiben würde wie der bereits bestehende. Wenigstens der Hund lag darin, wie üblich. Nein, nicht ganz, sacht klopfte die Rute auf die Decke, immerhin ein Fortschritt in ihrer Beziehung. Dann legte er mit einem tiefen Seufzer den Kopf wieder zwischen die Pfoten, beobachtete aber jede ihrer Bewegungen argwöhnisch, während sie ins Stallbuch schaute und ihm frisches Futter hinstellte.

Amadeus fehlte. Kein Wunder bei diesem Wetter. Er hatte sich vermutlich in einer der Scheunen des Dorfes ein gemütliches Plätzchen gesucht und würde nach dem Regen wieder auftauchen, kuschelsüchtig und nach Heu duftend.

***

Am nächsten Morgen war sie sehr früh wach. Der Wind wehte kräftig und warm in ihr Schlafzimmer. Aber was sie geweckt hatte, war Amadeus. Er lag der Länge lang auf ihrem Bauch und tatzte mit den Pfoten gegen ihr Kinn. Sie kuschelte ein paar Minuten mit ihm und sprang aus dem Bett.

Einige Handgriffe im Haushalt, dann schaute sie nach den Pferden. Der Hengst kam ihr wiehernd bis zum Törchen entgegen. Vom Regen, der stellenweise den Dreck aus seinem Fell gewaschen hatte, sah er ganz streifig aus, wie ein Zebra.

Sie holte das Putzzeug, trat zu ihm auf die Koppel und begann zuerst vorsichtig, aber bald routinierter, ihn zu putzen. Er ließ es sich gern gefallen. Unterm Bauch war er kitzelig, an den Beinen putzte sie zunächst nur das Gröbste und sehr wachsam. Nur an den Kopf ließ er sie gar nicht heran. Schließlich trat sie zurück und betrachtete ihr Werk. „Na, vorher war’s einheitlicher. Siehst aus wie ein Schwarzkopfschaf. Heute Nachmittag bist du dran, Gesicht, Füße und Haare waschen.“ Er lauschte aufmerksam ihrer Stimme. Sie belohnte ihn mit einigen Leckerchen für seine Geduld, packte das Putzzeug weg und ging selber unter die Dusche. Kurz darauf war sie auf dem Weg zur Arbeit.

Free Fallin’ – Tom Petty and the Heartbreakers

Charly stand auf einem niedrigen Seitengebäude des Schlosses und deckte gemeinsam mit Sepp und dem Azubi das Dach ab. Sie war die Leichteste und hatte die zweifelhafte Ehre, auf dem maroden Dachstuhl herumzusteigen.

Sie waren am Ende des Gebäudes angelangt, die Giebelwand war teilweise weggebrochen, der Dachstuhl mit zwei Stützen abgesichert. Vorsichtig tastend arbeitete sie und horchte auf das Knarren des Balkens unter ihren Füßen. Nur noch wenige Handgriffe, dann war es geschafft. Als sie den letzten Dachziegel vom First angelte, spürte sie, wie die Konstruktion sich zu verschieben begann.

„Achtung!“ Sie warf Sepp den Dachziegel zu und hechtete zur Mauer, während der Balken schon unter ihr wegbrach. Sie erwischte die Mauerkrone passgenau, aber ihr Momentum war zu hoch. Mit beiden Händen packte sie die rauen Ziegel und ließ sich an der Außenseite hinabgleiten, stemmte sich mit dem linken Fuß von der Mauer weg und ließ los. Landete knappe drei Meter weiter unten im Gras auf den Füßen, rollte rückwärts über die Schulter ab und stand wieder, als Sepp kreidebleich neben ihr auftauchte. So sah er auch, dass sie das Gesicht verzog, als sie die Arme bewegte.

„Ab zum Arzt! Keine Widerrede.“ Er schob sie zum Transporter.

***

„Charly, welch seltener Anblick“, wurde sie vom Arzt begrüßt.

„Arbeitsunfall“, knurrte sie unwillig und er lachte.

„Sonst wärst du wohl kaum hier. Schnellenbach kommt mir ja immer zuvor.“

Sie seufzte. Die Blaue-Augen-Story war also schon bis hierher gedrungen. Zudem war es nicht das erste Mal, dass sie sich mit der Einschätzung des Tierarztes begnügt hatte.

„Wo zwackt’s?“

„Flügellahm“, antwortete sie wortkarg.

Mit der Diagnose ‚leichte Schulterprellung’ und dem Arm zur Schonung in einer Schlinge stand sie eine halbe Stunde später wieder auf der Straße. Krank geschrieben für nur eine Woche, weil sie dem Doc versprochen hatte, die zweite Woche Urlaub zu nehmen. Allerdings mit Kletterverbot. Reiten und Motorradfahren hatte er ausdrücklich auf „zuverlässige Untersätze“ beschränkt und ihr auf die Schulter geklopft.

Auf die unversehrte wohlgemerkt.

Sepp hatte ihren Bus am Ortsrand geparkt, sie konnte ihn von hier aus sehen. Sie rief ihn an, dann ihren Chef, dann Melli. Mit dem Handy am Ohr wanderte sie langsam Richtung Bus, als es neben ihr heftig rumpelte. Im nächsten Augenblick bellte sie ein riesiger Schäferhund von oben herab an.

„Meine Güte, hast du mich erschreckt!“ Sie nahm das Handy vom Ohr und wandte sich dem Hund, der mit zuckender Nase schnupperte, zu.

Aus dem Garten erklang ein scharfer Befehl, es polterte wieder und der Hund verschwand, dafür schaute ein Mann über die Mauer, die hier das Grundstück begrenzte.

„Entschuldigen Sie… oh, hallo!“

Braune Augen blickten sie erstaunt an. ‚Der hilfsbereite Motorradfahrer‘, erkannte sie. Sein Blick erfasste sie – und natürlich die bandagierte Schulter.

„Schon wieder vom Pferd?“, fragte er argwöhnisch und durchaus ironisch.

„Hi.“ Sie fuhr sich verlegen durch die Haare. ‚Was wird der von mir denken?’

„Äh, nein. Bin vom Dach gefallen“, antwortete sie.

„Und was bitte machst du auf dem Dach?“

Sie lachte. „Meine Brötchen verdienen. Ich bin Zimmermeisterin.“ Sie deutete auf ihre Kluft. „Ich heiße Charly“, setzte sie hinzu. „Sorry für den Anraunzer letzte Woche. Ich hasse es, wenn mir das Motorrad umkippt.“

„Christian.“ Er zuckte die Schultern. „Schon okay.“

Sie zögerte. Mittlerweile spürte sie die Nachwirkungen ihres Sturzes und grub in der Hosentasche nach dem Autoschlüssel. „Ich muss nach Hause.“

Er musterte sie eingehend. Was er sah, schien ihn zu beunruhigen. „Wo ist denn ‚zu Hause’? Ich fahre dich besser“, bot er an.

Gerührt über seine Fürsorglichkeit schüttelte sie dennoch ablehnend den Kopf. „Im nächsten Dorf. Passt schon, die paar Meter schaffe ich. Mein Auto steht da vorn.“ Sie lächelte ihn an und hoffte, dass sie kompetent genug aussah.

„Wie du willst.“

She Works Hard for the Money – Donna Summer

Charly zerrte den Sitzsack auf die Terrasse und fläzte sich hinein.

Nach wenigen Minuten stand sie auf, ging ins Haus und kam kurz darauf mit Stift, Papier und einem Kaffee wieder heraus.

Rutschte hin und her, um die bequemste Position zu finden.

Stand auf und fügte ihrer Sammlung eine Flasche Wasser, Sonnenbrille und Sonnencreme sowie eine Tafel Schokolade hinzu, überlegte kurz und verschwand noch einmal im Haus.

Mit einem zusammengelegten Sonnensegel kehrte sie zurück, hängte es in die Haken am Haus ein und spannte es zum Apfelbaum.

Räumte die Terrasse um und ließ sich endlich im Schatten wieder in den Sitzsack fallen. Genoss ihren Kaffee und den Blick über Garten und Koppeln und widmete sich dann ihrer To-Do-Liste. Binnen kurzem notierte sie die Punkte:

 • Namen aussuchen

 • Hengst waschen / Helfer?

 • Frühjahrsputz Haus

 • Werkstatt aufräumen

 • Spielkamerad für Fohlen / Reitverein?

 • Unterstand bauen

 • Caddy verkaufen

 • Gespräch Chef

 • neues Winterprojekt organisieren

Bei diesem Punkt verweilte sie.

‚Ob ich noch einmal nach Quedlinburg fahren soll? Mit dem Bus und Hänger? Dort standen ein paar interessante Fahrzeuge. Zwar deutlich älter als das, was ich sonst in den Fingern habe, aber warum nicht? Dad oder Steven helfen mir, wenn ich nicht klarkomme.’

‚Aber eigentlich wollte ich was Modernes, Schnelles. An so was kommt auch Dad nicht ohne weiteres ran, und wenn, dann ist meist nicht mehr viel zu retten.’

‚Oder wieder eine Auftragsarbeit wie den Umbau des Expeditionsjeeps damals, war auch cool. Am besten, ich spreche mit Dad, der kann mir vielleicht was vermitteln. Es hat ja noch Zeit.’

‚Zuerst gibt es naheliegendere Dinge zu organisieren.’ Charly seufzte, überlegte und nahm einen neuen Zettel, den sie mit „Unterstand“ überschrieb:

 • mit Peter klären

 • Bauvoranfrage/Baugenehmigung?

 • mobil / zerlegbar / Teile für mich händelbar

 • Verankerung?

 • Dichtigkeit Dach?

 • Verbindungen stabil, rostfrei, „eselsicher“

Darunter fügte sie eine Skizze hinzu, die den Unterstand in der Seitenansicht zeigte. Dann ließ sie Zettel und Stift sinken und lehnte sich zurück. Wie gerufen tauchte Amadeus auf und machte es sich schnurrend auf ihrem Bauch bequem.

***

Eine knappe Stunde später erwachte Charly. Sie konnte sich nicht erinnern, wann sie das letzte Mal derart königlich Mittagsschlaf gehalten hatte, wenn auch sehr verspäteten Mittagsschlaf. Sie streckte sich, was Amadeus ungehalten quittierte, indem er seine Krallen in ihren Bauch schlug.

„Autsch!“, protestierte sie, aber er sah sie nur aus unergründlich grünen Augen an.

Ergeben nahm sie ihre Schlafhaltung wieder ein und begann, den Kater zu kraulen. Ihre Gedanken wanderten.

„Was machst du denn für Sachen?!“

Charly zuckte zusammen, Amadeus schoss erschreckt von ihrem Bauch herunter, nicht ohne sie wiederum seine Krallen spüren zu lassen, und stolzierte mit ärgerlich wippender Schwanzspitze zum Apfelbaum.

„Hi Peter.“ Sie rieb sich die malträtierte Mitte. „Halb so wild. Hat Sepp es dir erzählt? Ich dachte, deine Skatrunde ist donnerstags?“

„Ist sie auch. Ich habe Sepp beim Einkaufen getroffen“, nickte Peter.

„Gut, dass du da bist.“ Sie reichte ihm das Blatt mit der Skizze. „Die drei in deinem Garten brauchen einen Unterstand.“

Peter angelte umständlich seine Lesebrille aus der Brusttasche seines Hemdes, setzte sie auf und studierte Charlys Notizen. „Nichts dagegen einzuwenden.“ Er sah auf.

Charly schnaubte. „Wegen Punkt eins hatte ich auch keine Bedenken. Ich hoffte, du könntest mir bei Punkt zwei behilflich sein?“

Er schmunzelte. „Dachte ich mir schon. Auch kein Problem. Ich vermute, es soll möglichst schnell gehen?“

„Ja, wäre nicht schlecht. Wobei ich sowieso nicht gleich loslegen kann.“ Sie hob die bandagierte Schulter und seufzte. „Dabei hatte ich heute so viel vor.“

„Ein bisschen Ruhe schadet dir nicht.“ Peter betrachtete sie. „Was gibt’s zum Abendessen?“

Sie deutete auf die Schokolade.

„Was sagst du zu Wildschweinschinken und Hirschsalami?“, fragte er. „Nicht zu vergessen, frisches Brot?“

Charly blinzelte schelmisch. „Ich sage, ich decke den Tisch und denke, es findet sich bei mir ein guter Rotwein dazu.“

‚Abendessen in Gesellschaft, besser geht’s nicht’, dachte sie vorfreudig.

860,87 ₽
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Дата выхода на Литрес:
26 мая 2021
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631 стр. 2 иллюстрации
ISBN:
9783960148241
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