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105Vgl. Ruß-Mohl: Die informierte Gesellschaft, S. 13

106Vgl. Michael Meyen, Claudia Riesmeyer: Diktatur des Publikums. Journalisten in Deutschland. Konstanz: UVK 2009

107Vgl. Weischenberg: Medienkrise und Medienkrieg, S. 3-5, 12-13, 16

108Vgl. Hallin, Mancini: Comparing media systems

109Vgl. Alexis von Mirbach: Digitale Illusio. Online-Journalisten in Argentinien, China, Deutschland und den USA. Berlin: Lit 2014

110Florian Rötzer: Medien in der Krise. In: Kursbuch Nr. 170 – Krisen lieben, S. 137-151, hier 142

111Vgl. Michael Meyen: Breaking News. Die Welt im Ausnahmezustand. Wie uns die Medien regieren. Frankfurt/M.: Westend 2018

112Vgl. Georg Franck: Ökonomie der Aufmerksamkeit. München: Hanser 1998

113Ruß-Mohl: Die informierte Gesellschaft, S. 13-17

114Frank-Walter Steinmeier: Eröffnung des Axel-Springer-Neubaus. Rede am 6. Oktober 2020

115Vgl. Rodney Benson, Daniel C. Hallin: How States, Markets and Globalization Shape the News: The French and U.S. National Press, 1965-1997. In: European Journal of Communication 22. Jg. (2007), S. 27-48.

116Vgl. Uwe Krüger: Meinungsmacht. Der Einfluss von Eliten auf Leitmedien und Alpha-Journalisten – eine kritische Netzwerkanalyse. 2. Auflage. Köln: Herbert von Halem 2019

117Vgl. Christoph Neuberger: Meinungsmache statt Macht. In: Medium Magazin Nr. 11/2014, S. 24f.

118Vgl. Uwe Krüger: Die Anstalt sticht ins Wespennest: Journalisten und ihre transatlantischen Netzwerke. In: Dietrich Krauß (Hrsg.): Die Rache des Mainstreams an sich selbst. 5 Jahre Die Anstalt. Frankfurt/M.: Westend 2019, S. 112-120; Uwe Krüger: Im Kampf um die »Meinungsmacht« – Vorwort zur 2. Auflage. In: Krüger: Meinungsmacht, S. I-XIV

119Vgl. Krüger: Mainstream, S. 10-15, 17

120Frank-Walter Steinmeier: Verleihung der LEAD-Awards. Rede vom 14. November 2020

121Vgl. Krüger: Mainstream, S. 59-60

122Ebd., S. 64-65, 67

123Vgl. Edward S. Herman, Noam Chomsky: Manufacturing consent: the political economy of the mass media. New York: Pantheon Books 1988

124Vgl. Krüger: Meinungsmacht, S. 55-60

125Vgl. Fred S. Siebert, Theodor Peterson, Wilbur Schramm: Four theories of the press: The authoritarian, libertarian, social responsibility, and Soviet communist concepts of what the press should be and do. Urbana-Champaign: University of Illinois Press 1956

126Vgl. Noam Chomsky: Media Control: Wie uns die Medien manipulieren. Frankfurt/M.: Nomen 2018. – Für eine Kritik des Propaganda-Modells siehe Pamela J. Shoemaker, Timothy Vos: Gatekeeping Theory. Florence: Routledge 2009

127Vgl. Weischenberg: Medienkrise und Medienkrieg, S. 153, 160. – Siehe auch Stefan Weichert, Christian Zabel (Hrsg.): Die Alpha-Journalisten: Deutschlands Wortführer im Porträt. Köln: Herbert von Halem 2007

128Vgl. Weischenberg: Medienkrise und Medienkrieg, S. 18, 39-42, 160

129Vgl. Klöckner: Sabotierte Wirklichkeit, S. 13, 33

130Vgl. Siegfried Weischenberg, Maja Malik, Armin Scholl: Die Souffleure der Mediengesellschaft. Report über die Journalisten in Deutschland. Konstanz: UVK 2006

131Krüger: Mainstream, S. 73

132Vgl. Hans-Mathias Kepplinger: Angepasste Außenseiter. Was Journalisten denken und wie sie arbeiten. Freiburg: Karl Alber 1979, S. 13

133Ebd., S. 8, 9-12

134Renate Köcher: Spürhund und Missionar. Eine vergleichende Untersuchung über Berufsethik und Aufgabenverständnis britischer und deutscher Journalisten. Diss. München 1985

135Vgl. Elisabeth Noelle-Neumann: Die Entfremdung. Brief an die Zeitschrift »Journalist«: In: Hans-Mathias Kepplinger: Angepasste Außenseiter, S. 261-280

136Vgl. Meyen, Riesmeyer: Diktatur des Publikums, S. 14f.

137Die Mainzer Studien zeigen, dass die politischen Einstellungen der Journalisten teils deutlich von der Bevölkerungsmehrheit abweichen. So war 1976 bei den Westdeutschen die Furcht vor dem Kommunismus und den »Russen« doppelt so hoch wie bei den Journalisten. Vgl. Noelle-Neumann: Die Entfremdung

138Vgl. Kepplinger: Angepasste Außenseiter, S. 17

139Vgl. Krüger: Mainstream, S. 105f.

140Weischenberg: Medienkrise und Medienkrieg, S. 19

141Während 1976 die Hälfte der Westdeutschen Helmut Kohl für einen guten Politiker hielt, waren dies bei den Journalisten nur 17 Prozent. Bei der (positiven) Bewertung von Helmut Schmidt stimmten Bevölkerung und Journalisten allerdings überein. Vgl. Noelle-Neumann: Die Entfremdung

142Vgl. Weischenberg, Malik, Scholl: Die Souffleure der Mediengesellschaft

143Vgl. Bourdieu: Die Regeln der Kunst, S. 255

144Vgl. Albrecht Müller: Glaube wenig. Hinterfrage alles. Denke selbst. Wie man Manipulationen durchschaut. Frankfurt/M.: Westend 2019 S. 85-88

145Vgl. Anthony Giddens: Der dritte Weg. Die Erneuerung der sozialen Demokratie. Frankfurt/M.: Suhrkamp 1999. – Giddens sah die sozialistische Utopie nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion als überholt an und warb vor dem Hintergrund der voranschreitenden Globalisierung für eine ›Erneuerung‹ der Sozialdemokratie, die seiner Meinung die Überlegenheit des Kapitalismus in Wirtschaftsfragen akzeptieren sollte.

146Bei Ulrich Beck bezieht sich Bourdieu auch auf den 1995 erschienenen Bildband Eigenes Leben, der als Gegenstück zu Das Elend der Welt gelesen werden kann. Vgl. Pierre Bourdieu: Gegenfeuer, S. 169 und Ulrich Beck, Wilhelm Vossenkuhl, Ulf Erdman Ziegler: Eigenes Leben: Ausflüge in die unbekannte Gesellschaft, in der wir leben. München: Beck 1995

147Vgl. Bourdieu: Gegenfeuer, S. 159

148Vgl. Ebd. S. 121. – »Epizentrum« des Neoliberalismus ist nach Bourdieu seit den 1960er- und 1970er-Jahren die Ökonomie der Chicagoer Schule. Die Wirtschaftswissenschaft an der Universität Chicago steht für die neoklassische Preistheorie, freie Märkte und den Rückzug des Staates. Die Chicago School brachte in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts zahlreiche Nobelpreiseträger hervor. Ihre bekanntesten Vertreter sind Friedrich von Hayek, Milton Friedman und Gary Becker.

149Vgl. Bourdieu: Gegenfeuer, S. 152

150Vgl. Pierre Bourdieu: Über das Fernsehen. Frankfurt/M.: Suhrkamp 1996, S. 65, 85, 112f. – Der Intrusionseffekt gleicht dem Konzept der Medialisierung. Vgl. Michael Meyen: Medialisierung. In: Medien & Kommunikationswissenschaft 57. Jg. (2009), S. 23-38

151Vgl. Bourdieu: Gegenfeuer, S. 55

152Vgl. Ebd., S. 66, 71, 149-152

153Vgl. Ebd., S. 87, 155

154Vgl. Bourdieu: Post-Scriptum, S. 427

155Bourdieu: Über das Fernsehen, S. 92

156Vgl. Karen Yourish: $2 Billion Worth of Free Media for Donald Trump. In: New York Times vom 15. März 2016

157Vgl. Patrick Champagne: Die Sicht der Medien. In: Das Elend der Welt, S. 60-68

158Vgl. Bourdieu: Post-Scriptum, S. 427

159Vgl. Bourdieu: Gegenfeuer, S. 148

160Vgl. Ebd., S. 58, 125, 147, 153, 157, 166, 172

161Vgl. Ebd., S. 147f.

162Vgl. Pierre Bourdieu: Die politische Ontologie Martin Heideggers. Frankfurt/M.: Suhrkamp 1988, S. 41-43

163Vgl. Siegfried Lamnek: Qualitative Sozialforschung. Weinheim: Beltz 2005, S. 192; Uwe Flick: Qualitative Sozialforschung. Reinbek b. Hamburg: Rowohlt 2007, S. 167

164Vgl. Michael Meyen, Maria Löblich, Senta Pfaff-Rüdiger, Claudia Riesmeyer: Qualitative Forschung in der Kommunikationswissenschaft. Eine praxisorientierte Einführung. Wiesbaden: Springer VS 2019, S. 6

165Vgl. Nathalie Huber: Kommunikationswissenschaft als Beruf. Zum Selbstverständnis von Professoren des Faches im deutschsprachigen Raum. Köln: Herbert von Halem 2010

166Vgl. Bourdieu: Position und Perspektive, S. 17

167Vgl. Michael Burawoy: For Public Sociology. 2004 Presidential Address. In: American Sociological Review 70. Jg. (2005), S. 4-28

168Vgl. Michael Meyen: (Erste) Thesen zur Medienzukunft. In: Media Future Lab 2019

169Vgl. Meyen, Riesmeyer: Diktatur des Publikums, S. 52. – Siehe auch Bourdieu, Wacquant: Reflexive Anthropologie, S. 131

170Vgl. Klaus Beck, Till Büser, Christiane Schubert: Medialer Habitus, mediales Kapital, mediales Feld – oder: vom Nutzen Bourdieus für die Mediennutzungsforschung. In: Wiedemann, Meyen: Pierre Bourdieu und die Kommunikationswissenschaft, S. 234-262

171Vgl. Lamnek: Qualitative Sozialforschung, S. 193

172Vgl. Pierre Bourdieu: Verstehen. In: Das Elend der Welt, S. 403-406

173Bourdieu: Position und Perspektive, S. 18

174Vgl. Pierre Bourdieu im Gespräch mit Günter Grass. Arte-Sendung von 1999

2.DER HOFFNUNGSTRÄGER.
WAS DER ÖFFENTLICH-RECHTLICHE RUNDFUNK BRAUCHT, UM SEINEN AUFTRAG ZU ERFÜLLEN

Michael Meyen

Acht Milliarden Euro im Jahr:1 Dank der Rundfunkbeiträge stehen ARD und ZDF ganz weit oben in der Liste der größten Medienunternehmen auf der Welt.2 Folgt man dem Jahresbericht, den der ›Beitragsservice‹ (ein schönes Wort für Geldeintreiber) 2019 vorgelegt hat, dann waren etwas mehr als drei Millionen Menschen entweder von der Zahlung befreit oder hatten eine Ermäßigung. Dazu kamen gut dreieinhalb Millionen »Beitragskonten in einer Mahnstufe oder in Vollstreckung«. Auch wenn man mit Blick auf diese Zahlen ahnt, warum der ›Beitragsservice‹ fast eintausend »Mitarbeiterkapazitäten« braucht (noch so ein feines Wort),3 heißt das auch: Fast 40 Millionen »Beitragskonten« (meist sicher: Haushalte) laufen ganz regulär. Die allermeisten Deutschen zahlen ihren Rundfunkbeitrag.

Das erklärt, warum Medienkritik in erster Linie auf den öffentlichrechtlichen Rundfunk zielt. Wo sonst sollen wir Ansprüche anmelden, wenn nicht da, wo wir ohnehin bezahlen müssen, ob wir wollen oder nicht? 2018 wollte ich in einer Art Selbstversuch wissen, was Menschen umtreibt, die öffentlich Medien kritisieren (auf digitalen Plattformen wie Facebook oder in den Kommentarspalten von Portalen wie Telepolis). Ich habe damals mehrere Interviews zu meinem Buch Breaking News gegeben4 und dann die entsprechenden Statements ausgewertet.5

Erkenntnis Nummer eins, bestätigt durch vieles, was wir in diesem Buch dokumentieren: Medienkritik zielt auf das große Ganze. Auf das ›System‹. Es geht um »Meinungs- und Deutungshoheit« und »uniformierte Berichterstattung« (Leserbrief aus der Nähe von Stuttgart an mich), um Macht und Beeinflussung (über Werbung, über Thinktanks, über Propaganda6), um den »Zensor namens Markt«, um politische und ökonomische Interessen und damit (immer wieder) um die Besitzverhältnisse – um die Familien Mohn und Springer, um Burda, Funke und Holtzbrinck, um die »wenigen sehr reichen Familien« und ihre »politische Agenda«, um die »Herrschaft der wenigen (1500 Milliardäre) über die vielen« und natürlich auch um Paul Sethe und das Zitat von 1965 (Pressefreiheit als die Freiheit von 200 reichen Leuten, ihre Meinung zu verbreiten7). Kritik am Journalismus macht aus dieser Perspektive genauso wenig Sinn wie jeder konkrete Verbesserungsvorschlag, der nicht die Systemfrage stellt. Journalisten sind da im besten Fall Angestellte, die halt tun müssen, was ihr Arbeitgeber von ihnen verlangt (»beiße nicht die Hand, die dich füttert«, »schon mal den Wisch gesehen, den Springer-Journalisten unterschreiben müssen«?8), oder Nutznießer – als »Regierungsdarsteller«, »ideologisch verblendet« und mit der »Volkserziehung« beauftragt.

Erkenntnis Nummer zwei: Alle Hoffnungen ruhen auf dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Das ist, zugegeben, eine positive Wendung der Generalabrechnung, die ich in den Kommentaren gefunden habe. Ein paar Kostproben: »Staatsfunk«, »Märchenschau«, »Verkündermedien der Regierungsmeinung«, »metastasenartig von Parteien, Freundeskreisen und sonstigem Sympathisantensumpf durchsetzt«. Trotzdem. Auch trotz aller Kritik an »zwangsweise abgepressten Gebühren«. Gerade diese Form der Finanzierung wird als Argument genutzt, um ARD und Co. von den ›Konzernmedien‹ abzugrenzen und hier andere Erwartungen zu hegen. Motto: Eigentlich könnten diese Angebote eine öffentliche Aufgabe erfüllen, weil sie »durch alle Bürger finanziert werden« und folglich keinen Gewinn machen müssen. »Sie tun es aber nicht. Und das regt mich so maßlos auf«. Nutzer ›be8tung‹ war gleich für eine Neugründung:

»Grundauftrag ist hier nicht die Bespaßung, sondern der kritische Blick auf die Politik. Demokratisch organisiert und kontrolliert. Gremien werden durch Vertreter des Volkes bestimmt (am besten durch ein Losverfahren, um die Politiklobby draußen zu lassen). Das Ganze mit einem monatlichen Beitrag von 2,50 Euro«.9

Was von außen ganz einfach aussieht, ist innen so komplex, dass die vier Menschen, die in diesem Kapitel sprechen, unmöglich für den gesamten öffentlich-rechtlichen Kosmos stehen können. Das wäre selbst dann nicht möglich gewesen, wenn wir diesem Thema das ganze Buch gewidmet hätten. Es kann an dieser Stelle auch nicht darum gehen, die Literatur im Detail zu diskutieren. Egal ob Finanzierung, Qualität, Aufsicht oder Politiknähe: Die entsprechenden Bücher und Artikel füllen jeweils Regale. Die vier Stimmen, die gleich folgen, sollen diesem Papierberg Leben einhauchen und sowohl für das öffentlich-rechtliche Prinzip werben als auch Stellschrauben für Reformen freilegen.

Dabei wird schnell klar: Mit 2,50 Euro werden wir nicht sehr weit kommen. Es geht um Geld, natürlich, bei Heiko Hilker, einem der profiliertesten Rundfunkpolitiker Deutschlands, genauso wie bei TV-Reporter Thomas Datt oder bei David Goeßmann, der beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk nicht ganz glücklich war und deshalb mit Kontext TV einen eigenen Kanal gegründet hat. Bei allen drei Männern geht es aber auch um Autonomie und damit um das, was die Kritik im Netz offenkundig am meisten umtreibt. Wie kann es gelingen, das journalistische Feld aus dem Klammergriff der Politik zu befreien? »Schutzmauern«, sagt David Goeßmann. Thomas Datt, der beim MDR erlebt hat, wie eine Nachrichtenredaktion outgesourct wurde, wünscht sich mutige Chefs und Neugier oder wenigstens Toleranz im Berufsstand. »Wir müssen mit allen reden«. Und Heiko Hilker wäre kein Politiker, wenn er nicht in das oberste Regal greifen würde. Ein neues duales System. Auf der einen Seite mit Daten zahlen und auf der anderen mit Geld, um unsere Daten zu schützen. Nach mehr als zwei Jahrzehnten im Rundfunkrat scheint Hilker jedenfalls nicht mehr auf eine Reform zu hoffen.

Alexis Mirbach steuert zu diesem Kapitel ein Gespräch mit Carmen Thomas bei. Carmen Thomas ist nicht nur die erste Frau, die im deutschen Fernsehen eine Sport-Sendung moderierte (Das Aktuelle Sportstudio im ZDF), sondern auch Pionierin des ›Mitmach-Journalismus‹10 – eine Form des Umgangs mit dem Publikum, die für den Fall wie gemacht zu sein scheint, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk nicht ein Medienkonzern wie jeder andere sein will. Ihre Sendung Hallo Ü-Wagen wurde vor einem Vierteljahrhundert abgeschafft, weil sie, so sagt es Carmen Thomas, »zu mächtig« geworden war. Man kann das auch anders ausdrücken: Hier wurde live über Themen und Perspektiven gesprochen, die nicht die vielen Filter in Politik und Journalismus durchlaufen hatten. Carmen Thomas sagt: So etwas brauchen wir wieder.

Medienpolitik: Mühen in der Ebene.
Oder: Ohne Druck von außen geht es nicht

Heiko Hilker, geboren 1966 in Eberswalde. Nach dem Abitur Abschluss als Elektromonteur. 1986 bis 1991 Studium der Informations- und Messtechnik an der TU Dresden. 1991 bis 1993 Koordinator der DT64-Freundeskreise.11 1994 bis 2009 Abgeordneter im sächsischen Landtag, dort medien- und technologiepolitischer Sprecher seiner Fraktion (PDS/Die Linke). Seit 1997 MDR-Rundfunkrat. 2009 Gründung des Dresdner Instituts für Medien, Bildung und Beratung (DIMBB). Herausgeber eines medienpolitischen Newsletters, der sowohl in die Redaktionen geht als auch in die Politik, in Aufsichtsgremien und zu Interessenverbänden. An diesem Newsletter arbeitet er im Moment jeden Tag zwei bis vier Stunden. Ziel: Niemand soll hinterher sagen können, er habe das nicht gewusst. Außerdem, sagt Hilker, bleibe er so auch selbst auf dem Laufenden. Die Politik vergleicht er mit einem Schachspiel. Ein paar Züge vorausdenken. Sich nicht nur zu dem äußern, was einen gerade umtreibt, sondern nach Verbündeten Ausschau halten. Im Rundfunkrat hat er es so geschafft, Mitglieder auf seine Seite zu ziehen, die normalerweise nicht mit einem Linken stimmen. Elf bis 15 Leute, sagt er, könne er mit einem durchdachten Vorschlag gewinnen. Das reicht oft, obwohl der Rat 43 Mitglieder hat. Vollzählig ist man selten. Und: Die meisten interessieren sich nur für die Berichterstattung über die Organisation, die sie in den Rat geschickt hat. Der Sport frage nach dem Sport und die AfD nach der Berichterstattung über die AfD bzw. über deren Themen. Der Blick für die »Allgemeinheit« gehe so verloren.12

Wie ich in die Medienpolitik gekommen bin? Die wenigsten Ostdeutschen haben nach 1989 einfach weitergemacht. 1991 war ich an der TU Dresden Assistent in der Informationstechnik. Damals entstand die Bewegung um DT64. Im Einigungsvertrag stand: Zum 31. Dezember 1991 ist der Rundfunk der DDR abzuschalten oder in andere Strukturen zu überführen. Der Berliner Rundfunk ist privatisiert worden. Teile von Stimme der DDR sind im Deutschlandradio aufgegangen. DT64 sollte faktisch abgeschaltet werden. In der DDR hatte das Programm gar keine so hohe Reichweite, aber ab Oktober, November 1989 stieg die Zuhörerschaft massiv. DT64 entwickelte sich für viele Jugendliche zu einem täglichen Begleiter, fast wie ein Sozialarbeiter. Wie funktioniert die Bundesrepublik? Was macht man, wenn man arbeitslos ist? Das Programm setzte sich auch dafür ein, dass Jugend- und Kultureinrichtungen erhalten bleiben. Mitte 1991 sagten deshalb viele Menschen: Wir wollen dieses Radio erhalten.

In Dresden und Chemnitz hat sich dafür ein Verein gegründet. Wir haben innerhalb kürzester Zeit über 100.000 Stimmen gegen die Abschaltung gesammelt und ortansässigen Politikern ausgehändigt. Diese Politiker fühlten sich aber nicht zuständig und verwiesen uns an die Landesmedienanstalten. Dort hieß es: Geht doch mal zum MDR. Intendant Udo Reiter meinte: Nein, da kann ich nichts tun. Geht zur Politik, die ist schuld. Als wir diesen Kreislauf einmal durchhatten, haben wir anders angesetzt. Mit Demonstrationen, mit Mahnwachen. Wir haben Kreuzungen besetzt. Sachsens Ministerpräsident Kurt Biedenkopf hat irgendwann gesagt: Wir werden für dieses Problem eine Lösung finden. Der MDR hat das Programm unter dem Namen Sputnik faktisch weitergeführt. Ich sage faktisch, weil es nicht das gleiche ist wie DT64. Aber die Zeiten sind auch andere.

Die Freundeskreise von DT64 waren mein erster Kontakt mit der Politik. Es gab über 50 Freundeskreise. Ich war dort für die Politiker zuständig und las mich in die Verfassungsurteile zum Rundfunk ein. Ich habe gelernt, wie man juristisch und politisch argumentiert und wie man mit Journalisten arbeitet. Auch damals hieß es schon, die Jugend sei politikverdrossen. Wir haben gesagt: Nein, die Jugend ist politikerverdrossen, weil die sehr oft etwas versprechen, was sie nicht umsetzen. Wir haben dann beschlossen, uns bei allen Parteien um ein Mandat zu bewerben. Geantwortet haben nur die PDS und die Grünen. Ich weiß nicht, was passiert wäre, wenn die CDU zugesagt hätte, aber letztlich wollte uns nur die spätere Linkspartei wirklich haben. Dort bin ich 1994 auf Listenplatz zwölf gelandet und in den sächsischen Landtag eingezogen.

Die Medienpolitik hat in keiner Partei einen hohen Stellenwert. Die Linke kommt in die Öffentlichkeit, wenn sie über Sozialpolitik spricht, über Arbeitsrecht, über den Strukturwandel.

Medienpolitik war schon immer ein schwieriges Geschäft. Die Parteien verteilen Ressourcen und Mitarbeiter nach Schwerpunkten. Es gibt nirgendwo einen Mitarbeiter, der nur Medienpolitik macht. Mindestens die Kultur kommt noch dazu. Ich habe versucht, die Medienpolitik innerhalb der Partei zu stärken. Experten einladen, auf Parteitagen Anträge stellen. Im Alltagsgeschäft fällt das immer wieder herunter. Viele Politikerinnen und Politiker verstehen gar nicht, wie Medien funktionieren. Sie sehen das als eine Institution und wahren Distanz. Unter welchen Bedingungen journalistische Inhalte entstehen, ist dann egal. Viele können die Medien deshalb auch nicht für ihre Themen nutzen.

Politik ist für mich Beruf und Berufung. Beruf heißt: Man braucht bestimmte Voraussetzungen. Man kann nicht sagen: Ich sitze hier im Parlament und mache alles, was von mir verlangt wird. Man muss verstehen, wie Landtag und Ausschüsse funktionieren. Meine Berufung heißt: Ich will die Gesellschaft verändern. Mein Standbein sind die Vereine und Initiativen, die ich mitgegründet oder bei der Gründung unterstützt habe. Zum Beispiel die freien Radios, die kaum finanzielle Ressourcen bekommen, dafür aber bei jeder Kleinigkeit eine Kritik oder Strafe. Solche Vereine gibt es in Dresden, Leipzig und Chemnitz. Für diese Vereine sitze ich im Moment auch im Rundfunkrat. Unser Ziel war immer, die Programme dauerhaft zu finanzieren. Von der Sächsischen Landesmedienanstalt gibt es im Moment 106.000 Euro im Jahr. Davon gehen 76.000 in Übertragung und Lizenzen. GEMA und GVL.13 Der Rest ist Technikförderung, man kann also kein Personal fördern. Die lokalen kommerziellen Fernsehsender bekommen über zwei Millionen Euro. Geld wäre also da. Die Verteilung ist eine Frage der Prioritäten. Eigentlich wäre die stärkere Förderung der lokalen Radios eine Aufgabe für die Medienpolitik. Die ist CDU-dominiert. Seit 1990 führt die CDU die Landesregierung. Die wollen, dass die Bürgermeister und Landräte im Fernsehen sind. Dafür brauchen sie lokale Sender.

Der Rundfunkrat besteht aus mehreren Gremien. Nehmen wir den Programmausschuss Fernsehen, bei dem die Beschwerden an den Intendanten auflaufen. Was die Wenigsten wissen: Wenn man eine Kritik an den MDR schickt, muss man der Antwort widersprechen. Erst dann erreicht man den Rundfunkrat. Wir beobachten das Programm zwar auch selbst, aber ich habe manchmal das Gefühl, dass ich da einer von ganz wenigen bin. Ich habe mittlerweile ein Netzwerk aus Freiwilligen, die mir Hinweise schicken. Einmal im Monat vielleicht. Im Ausschuss setze ich das dann auf die Tagesordnung. Die Effekte sind aber relativ gering. Ich habe zum Beispiel mehrmals moniert, dass jede Bertelsmann-Bildungsstudie in den Nachrichten erwähnt wird. Wer sich mit dem Thema beschäftigt, der weiß, dass Bertelsmann ein Drittel seines Umsatzes auf dem Bildungsmarkt erlöst und deshalb versucht, auf diesem Gebiet die Definitionsmacht zu gewinnen. Ganz unabhängig von der Qualität der Studien: Darauf müsste hingewiesen werden. Ohne den Kontext kann man das nicht einordnen.

Wie das in den Redaktionen nach so einer Kritik oder Beschwerde läuft, weiß ich nicht genau. Der entsprechende Leiter kommt zur Sitzung in den Programmausschuss. Ich will nicht bei jeder Kritik das große Rad drehen. Wenn das über die Intendantin läuft, fällt viel Papierkram für alle Beteiligten an und der Sender schwächt die Antworten politisch ab. Ich bin inzwischen so lange dabei, dass ich bei einigen Redakteuren anrufen, nachfragen und so die Gründe für die Berichterstattung besser einordnen kann.

Im Rundfunkrat reicht die Zeit bei weitem nicht, um den MDR zu kontrollieren. Die Sitzungen bestehen im Wesentlichen aus Berichten. Der Vorsitzende, die Intendantin, der Verwaltungsrat, die Ausschüsse. Dafür geht die meiste Zeit drauf. Wir können kaum eigene Themen setzen. Beim MDR sind das 43 Mitglieder. Die meisten sind berufstätig und sehen auch gar nicht die Notwendigkeit, den Sender kontinuierlich zu kontrollieren oder grundsätzliche Impulse zu geben. Ich selbst versuche, andere Räte anzusprechen und sachorientiert heranzugehen. Wenn ich beispielsweise mehr Geld für Jugendprogramme möchte, suche ich mir entsprechende Bündnispartner.

Wenn ich zurückblicke, dann war ich im Rundfunkrat eher eine Art Abwehrkämpfer. Aus dem MDR-Gebiet ziehen immer mehr Menschen weg. Der Sender bekommt dadurch weniger Geld und muss am Programm sparen. Heute gibt es für unsere Arbeit aber mehr Öffentlichkeit als in den 1990ern. Wir diskutieren mehr über Qualität. Außerdem bringen sich mehr Mitglieder ein. Vielleicht hat das auch mit dem Zeitgeist zu tun. Es sind jüngere, kritischere Leute dazugekommen, die bereit sind, diesen gesellschaftlichen Auftrag anzunehmen.

Generell gibt es im Rundfunkrat zu wenig Expertise. Auch bei mir. Ich kann journalistische Arbeit nur schwer einschätzen. Ich weiß zwar, wie ein Beitrag aufgebaut sein sollte, habe aber nicht Journalismus studiert und kann auch keine quantitativen Analysen zur Qualität machen. Ich kann mir nur Analysen ansehen und vergleichen. Ich sehe zum Beispiel, dass das Wetter früher als Bericht eingeordnet wurde und heute als Reportage. Das zeigt, wie sich Dokumentarisches in ›Scripted Reality‹ verwandelt. Darüber spreche ich mit Redakteuren. Oder ich sehe mir Finanzrelationen an und frage, ob man über 200 Millionen Euro für Fußballrechte ausgeben muss.

Für die Gremienmitglieder ist es nicht leicht, sich sachkundig zu machen. Es gibt keinen Beratungsapparat. Das Gremienbüro hat zwei Mitarbeiter. Die haben schon viel mit der Organisation der Sitzungen zu tun. Der MDR hat eine Geschäftsführung und acht Direktoren, die jeweils über Referenten verfügen. Für ehrenamtliche Gremienmitglieder ist es da kaum möglich, eine Gegenmacht aufzubauen. Wir bekommen zwar eine Entschädigung, die gar nicht so klein ist. Leben könnte man davon aber nicht.14

Im Alltag ist der Parteieneinfluss gering. Bei gewöhnlichen Sitzungen ist es sogar oft schwierig, auf eine Zwei-Drittel-Anwesenheit zu kommen. Das brauchen wir, um beschlussfähig zu sein.15 So gut wie vollzählig sind wir nur, wenn es um die großen Fragen geht. Intendantenwahl, Etat, Personal. Dann wird auch die parteipolitische Ausrichtung deutlich. Hier würde ich zuallererst ansetzen. Vertreter der Regierung haben in einem Rundfunkrat nichts verloren. Wir bräuchten außerdem wesentlich weniger Parteienvertreter. Beim MDR sind das derzeit 13 von 43. Dazu kommen sieben Leute von Arbeitgeberverbänden und fünf von den Kirchen, aber nur drei von Gewerkschaften und einer für die Jugend.

Dann benötigt der Rundfunkrat unbedingt mehr Ressourcen. Die beiden Mitarbeiter, die sich um den Rundfunkrat kümmern, sind mit organisatorischen Dingen ausgelastet. Nötig wäre auch inhaltliche Unterstützung. Ich kann nicht verstehen, wenn gefordert wird, ausgerechnet die Ausgaben für Rundfunkräte zu senken. Für was sollen Rundfunkbeiträge denn sonst ausgegeben werden? Für noch mehr Sendungen wie Brisant? Um es mal in Relation zu setzen: Der MDR verfügt über ein Beitragsvolumen von 700 Millionen Euro. Wenn wir für die Qualitätskontrolle ein Prozent ausgeben würden, wären wir bei sieben Millionen. Derzeit stehen wir bei knapp 600.000 Euro. Das ist weniger als ein Promille des Gesamtetats, um das gesamte Programm zu kontrollieren. Wer so viel Geld bekommt wie die Rundfunkanstalten, braucht eine qualifizierte Qualitätskontrolle. Und die ist ohne Geld und Personal nicht zu leisten.

Ohne Druck von außen wird nichts passieren. Wir benötigen Publikumsräte. Menschen, die sich das Programm professionell angucken. So wie es eine Kommission gibt, die die Finanzen evaluiert, bräuchte es auch eine Kommission, die Qualität evaluiert, eine Art Public-Value-Test. Jeder Sender müsste alle drei bis fünf Jahre evaluiert werden und anschließend begründen, warum er etwas so oder so macht. Den Public-Value-Test würde ich gerne für das gesamte öffentliche-rechtliche System einführen. Diese inhaltliche Rückkopplung ist ganz wichtig. Es macht einen großen Unterschied, ob sich in den Rundfunkratssitzungen nur die Intendantin und die Gremienmitglieder gegenübersitzen oder ob noch eine dritte Person dabei ist, die in der Öffentlichkeit für Qualitätskontrolle steht. Dann läuft die Auseinandersetzung ganz anders ab. Es ist einfach, Kritik abzuwatschen oder kleinzuhalten. Das passiert schon durch die langen Berichte. Man kennt das aus anderen Bereichen: Wenn eine Veranstaltung schon drei Stunden dauert und einer stellt noch die dritte Nachfrage, dann geht das Gestöhne los. Dann dreht sich die Stimmung gegen den Fragesteller.

Von einer Medienaufsicht nach US-Vorbild bin ich nicht überzeugt. Die Federal Communications Commission ist ein Expertengremium. Ich habe nichts gegen Experten, aber auch die sind verortet. Bei der FCC entscheidet die Politik, wer als Experte gilt. Wo ist da die Gesellschaft? Für mich ist es ganz wichtig, dass die Gesellschaft sowohl innerhalb des Senders abgebildet wird als auch bei der Kontrolle von außen. In der Schweiz gibt es das Ombuds-Prinzip. Das ist ein gutes Modell. Von einem reinen Expertengremium halte ich gar nichts.

Eine Transformation des öffentlich-rechtlichen Rundfunks hin zu seinem ursprünglichen Auftrag kann ich mir kaum vorstellen. Als ich 1997 in den Rundfunkrat kam, dachte ich: Eigentlich müsste man das schöpferisch zerstören, frei nach Schumpeter. Also vollkommen neu aufsetzen. Das geht nicht. Wir könnten trotzdem etwas tun. Wir könnten wie in Brechts Radiotheorie die Empfänger stärker zum Sender machen. Das Publikum mehr in das Programm einbeziehen. Ich meine nicht die Kommentarspalten. Sichtweisen, Probleme, gesellschaftliche Vorstellungen. Das kommt in den Redaktionen kaum an. Aus meiner Sicht muss man den öffentlich-rechtlichen Rundfunk ganz neu denken. Die Grundfrage lautet: Welche Aufgaben haben Medien in dieser Gesellschaft?

Für die Demokratie ist die Darstellung der verschiedenen Positionen essentiell. Das Spiegel-Urteil von 1966 ist da für mich immer noch wegweisend. Sinngemäß: Journalismus soll die Interessen und Meinungen aus der Bevölkerung an die Regierenden herantragen und deren Stellungnahmen wiederum der Gesellschaft spiegeln. Das ist für mich der klassische journalistische Auftrag. Aber der wird immer weniger erfüllt. Man kann die Probleme an der Vielfaltsdebatte festmachen. Es heißt ja immer: Wir müssen die Vielfalt erhalten. Ich frage dann: Gibt es überhaupt Vielfalt? Gehen Sie mal in die Landkreise und sehen sich dort das Medienangebot an. Unter Vielfalt verstehe ich nicht, dass es 300 Tageszeitungen im ganzen Land gibt oder 200 private Fernsehkanäle. Mir geht es um die Kommunikationsräume. Wo sind denn die Leute? Wo findet Politik statt, wo versuchen Menschen, gemeinsam etwas zu verändern? Vor Ort, in der Gemeinde. Mediale Vielfalt gibt es höchstens auf Bundesebene, und auch das nur ansatzweise.

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9783869625645
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