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2.1 Muskelarbeit beim Fahren

Bleiben wir erst einmal beim Wesentlichen: Lenkrad, Schaltung, Gaspedal und Bremse werden mit Arm- und Beinbewegungen bedient. Diese Bewegungen – und seien sie noch so klein oder leicht – hängen immer mit dem Einsatz von Muskulatur zusammen. Beim Drehen des Lenkrades werden Teile der Hand- und Unterarmmuskulatur (Festhalten des Lenkrades) und Teile der Oberarm-, der Brust- und der Schultermuskulatur (Drehen des Lenkrades) aktiv. Abhängig von der Art der Schaltvorrichtung sind beim Schalten nur einzelne Fingermuskeln gefordert (Schaltwippe am Lenkrad) oder die gesamte Muskulatur eines Armes bis in den Schulterbereich hinein (bei sequenzieller oder konventioneller Schaltung).

Beim Gasgeben, Kuppeln und Bremsen werden Muskeln in den Beinen aktiv. Dabei ist es nach meinen Beobachtungen sowohl eine Frage des individuellen Stils als auch abhängig vom Fahrzeug, ob ein Fahrer bei der Bewegungen nur die Füße einsetzt – dafür braucht er vor allem die Unterschenkelmuskulatur – oder die Pedale mit einer Art Stampfbewegung über das gesamte Bein hinweg bedient – dafür benötigt er den Einsatz nahezu aller Muskeln in Unter- wie Oberschenkel sowie einzelner in der Hüftregion. So oder so – zusammengefasst lässt sich sagen, dass das Fahren eines Rennwagens aktive Muskelaktionen im Finger-, Arm-, Brust, Schulter-, Bein- und Hüftbereich verlangt.

Drängt sich die Frage auf: Wie stark ist diese Muskelbelastung? Die Antwort lautet: Es kommt auf das Rennfahrzeug an. Im Falle einer Servoünterstützung verursachen Lenkkräfte und der Druck von Gas-, Brems- und Kupplungspedal keine nennenswerte Muskelanstrengung. In Klassen, in denen diese Servounterstützung fehlt, kann die Anstrengung für die Muskeln allerdings durchaus gewaltig werden. So kommt es etwa bei Neueinsteigern in die GP2-Klasse nicht selten vor, dass während der ersten Testfahrten so genannte Long-Runs abgebrochen werden müssen, weil die Armmuskulatur nicht mehr mitspielt. Und legendär ist, dass Eddy Irvine in der Formel 1 seine ersten Testfahrten für Jaguar abbrechen musste (und ihm ein verschärftes Fitness-Programm verordnet wurde), weil dieses Fahrzeug im Vergleich zu seinem vorherigen (Ferrari) damals eben nicht über Servolenkung verfügte und seine Muskelkraft für einen ganzen Testtag offenbar nicht ausreichte.

Muskelarbeit ist aber nicht nur eine Frage von Muskelkraft, sondern auch von Bewegungsschnelligkeit. Zumindest bei geringem Widerstand ist für die Schnelligkeit von Bewegungen gute Muskel- respektive Bewegungssteuerung (die so genannte Koordination) verantwortlich. Dass die Bewegungsschnelligkeit für die Leistungsfähigkeit von Rennfahrern ein nicht zu unterschätzender Faktor ist, macht eine Untersuchung deutlich, in der 1992 in der DTM bei geübten Piloten für einen damals noch mechanischen Schaltvorgang 0,07 Sekunden, bei ungeübten Piloten bis zu 0,4 Sekunden gemessen wurden (Voigt, 1992). Auch bei Michael Schuhmacher wurde zu Anfang seiner Formel-1-Karriere darüber gesprochen, dass die Schaltvorgänge bei ihm im Vergleich zu denen der Teamkollegen schneller und obendrein exakter auf die Drehzahl abgestimmt erfolgten. Das war bereits in den Nachwuchsklassen ein wichtiges Puzzlestück für seine Überlegenheit.

Wenn es um die Muskelarbeit im Auto geht, dann ist auch die Art und Weise der Beanspruchung interessant. Beim Drehen des Lenkrades leistet die Arm- und Schultermuskulatur dynamische Arbeit, beim Halten des Lenkrades in der Kurve ist die Arbeit dagegen trotz kleinerer, vibrationsbedingter Ausgleichsbewegungen statisch. Wie unter Punkt 5 näher beschrieben wird, ist der gesamte Körper durch dynamische Muskelarbeit umso weniger beansprucht, je kleiner die Anzahl der beteiligten Muskelgruppen ist.

Ist die Muskelarbeit dagegen statisch, so kann sich bereits die Arbeit kleinerer Muskelgruppen deutlich auf die Funktionen des gesamten Körpers auswirken. Leistet ein Muskel Haltearbeit, so verändert er seine Länge nicht und ist dauerhaft angespannt. Beides führt dazu, dass seine inneren Blutwege abgequetscht werden und die Versorgung mit Sauerstoff und Nährstoffen eingeschränkt ist. Der Effekt tritt bereits ab einem Einsatz von 15 Prozent der maximalen Kraftmöglichkeiten des Muskels auf, ab 50 Prozent kommt die Blutversorgung völlig zum Erliegen. Ist die Blutversorgung eingeschränkt oder ganz gekappt, dann kann ein Muskel zum einen seine Leistung nicht lange aufrechterhalten, zum anderen wird der gesamte Körper in erhöhte Alarmbereitschaft gesetzt. Dabei kommt es vor allem innerhalb der Systeme, die für den Bluttransport verantwortlich sind, zu kompensatorischen Notfallmaßnahmen. Im Endeffekt kann so bereits eine statische Beanspruchung von kleineren Muskelgruppen im Körper zu einer deutlich vermehrten Ausschüttung von Stresshormonen führen, was unter anderem sämtliche Herz-Keislaufparameter, darunter auch die Herzfrequenz, in die Höhe schnellen lässt.

2.2 Einfluss von Beschleunigungskräften

Werden durch die Aktionen an Lenkrad, Schaltung und Pedalerie eher kleinere Muskelmassen beansprucht, so wirken die Kräfte, die sich beim Fahren ergeben, auf den ganzen Körper. Spätestens durch den Einfluss von Beschleunigungskräften wird für Rennfahrer die statische Muskelarbeit zum dominierenden Thema. Beim Durchfahren einer Kurve müssen die Muskeln in Armen, Brust, Schultern und Beinen ihre Haltearbeit gegen das Zerren der seitlichen Beschleunigungskräfte leisten. Und als Träger und Beweger des Kopfes bekommen die Kraftmöglichkeiten in der Halsmuskulatur umso mehr Bedeutung, je massiver die Einwirkung der Beschleunigungskräfte ausfällt.

Je höher die Kräfte sind, die auf den Körper wirken, desto stabiler müssen die Ansatzpunkte für die Bewegungsmuskulatur sein. Im Fall von Armbewegungen heißt das: Die gesamte Rumpfmuskulatur (Bauch- und Rückenmuskulatur) wird unter Spannung gesetzt. Nur wenn die Rumpfmuskulatur zusammen mit der Schultermuskulatur angespannt ist, können die Arme stabil agieren. Ein deutliches Zeichen dafür, dass beim Fahren auch die Rumpfmuskulatur arbeitet, ist, wenn ein Fahrer in Kurven in die so genannte Pressatmung1 verfällt.

Meist wird im Autorennsport nur über die enormen seitlichen Beschleunigungskräfte gesprochen, mit denen der Körper eines Rennfahrers konfrontiert wird. Beim Fahren eines Rennwagens wirken aber natürlich Beschleunigungskräfte aus sämtlichen Richtungen.

Die Beschleunigungskräfte erreichen in den großen Formel-Klassen die höchsten Werte. Für Formel-1- Fahrzeuge werden Maximalwerte von 4 bis gut 5 g angegeben. Ein g entspricht der Erdbeschleunigung, ein mit 4 g beschleunigter Körper ist also seinem vierfachen Normalgewicht ausgesetzt. Diese Werte gelten sowohl für die seitlichen (beim Durchfahren von Kurven) als auch für die positiven (beim Beschleunigen), negativen (beim Bremsen) und unter besonderen Streckenbedingungen auch für horizontale Kräfte (von oben in die Senke von Eau Rouge/Spa). Offensichtlich dabei ist, dass die Halsmuskulatur als Träger und Beweger des Kopfes hier enorme Arbeit leisten muss. Mit Helm hat der Fahrerkopf in der Regel ein Gewicht von gut 6,5 kg. Beim Durchfahren von Streckenpassagen, in denen die Beschleunigungskraft 4 g erreicht, ziehen also stattliche 26 kg an der Halsmuskulatur, ebenso beim Beschleunigen und beim Bremsen.

Auch wenn 26 kg auf den ersten Blick viel erscheint: Dauert die Einwirkung der Bescheunigungskraft nur Sekundenbruchteile, so ist das auch für die Halsmuskulatur von Nicht-Rennfahrern kein allzu großes Problem. Kurze Belastungsstöße kann ein gesunder menschlicher Körper überraschend locker verkraften. Beschleunigungskräfte werden erst dann zum richtigen Problem, wenn sie über einen längeren Zeitraum auf den Körper einwirken. Dabei erhöht sich mit zunehmender Einwirkzeit nicht nur die statische Beanspruchung der Muskulatur. Auch die Schwelle, ab der Beschleunigungskräfte gesundheitliche Schäden verursachen, sinkt deutlich. Die nachfolgende Tabelle zeigt Werte, die von der Luft- und Raumfahrtmedizin für Beschleunigungskräfte alsobere Toleranzgrenzen für den menschlichen Körper angegeben werden (in sitzender Position mit Oberkörper in 90°).

1 Pressatmung: Ausatmung gegen geschlossene Luftröhre; schafft im Brust- und Wirbelsäulenbereich stabile Ansatzverhältnisse für die angrenzende Muskulatur.


Richtung der auf den Fahrer einwirkenden Beschleunigungskräfte (G) beim Fahren eines Rennautos Frontalkräfte (Gx): 1 = von hinten (–) 2 = von vorne (+); Seitkräfte (Gy): 3 = von links (–) 4 = von rechts (+); Horizontalkräfte (Gz): 5 = von unten (–) 6 = von oben (+)


KRAFTRICHTUNG Kurzzeiteinwirkung (< 1 sec.) Langzeiteinwirkung (> 2 sec.)
1 von hinten (- Gx) 40 g 5-8 g
2 von vorne (+ Gx) 15 g 3-5 g
3 und 4 seitlich (± Gy) 8 g 3-4 g
5 von unten (- Gz) 4 g 2 g
6 von oben (+ Gz) 20 g 4,5 g

Beschleunigungskräfte (g) und menschliche Toleranzwerte, sitzend, Oberkörper 90° (in Anlehnung an Ernsting et al., 1999)

Die menschliche Toleranz für die Kurzzeiteinwirkung von Beschleunigungskräften ist durch die Festigkeit von Knochen und Bändern sowie durch die Widerstandsfähigkeit der Blutgefäße gegeben. Verantwortlich für die verminderte Toleranz bei Langzeiteinwirkung ist dagegen eine massive Verschiebung des Blutvolumens im Körper. Wenn große Mengen Blutes durch die Beschleunigungskräfte in die Beine oder in eine Körperseite gepresst und dort gehalten werden, besteht die Gefahr, dass das Gehirn nicht mehr ausreichend mit Sauerstoff versorgt wird. Unter Sauerstoffmangel ist das Gehirn nur etwa vier Sekunden lang funktionsfähig (das so genannte Sauerstofffenster1), danach kommt es innerhalb von Sekundenbruchteilen zu einem massiven Abfall der mentalen Leistungsfähigkeit. Das macht sich kurzfristig in Wahrnehmungsstörungen wie Greyout2, Blackout3 und Tunnelblick4 bemerkbar, mittelfristig verliert die Person das Bewusstsein und fällt ins G-LOCK5.

Dass die negativen Effekte von länger einwirkenden Beschleunigungskräften in den höchsten Klassen des Motorsports mehr als nur eine theoretische Gefahr sind, weiß man spätestens, seit 2001 in der amerikanischen CART-Serie ein Rennen auf dem neu erbauten Texas Motor Speedway nach dem Qualifikationstraining aus Sicherheitsgründen abgesagt werden musste. Nahezu alle Fahrer berichteten damals über deutliche Wahrnehmungsstörungen und Bewusstseinseintrübungen während des Fahrens. Ihr Gehirn wurde dabei so stark strapaziert, dass einige Fahrer aufgrund von Gleichgewichtsstörungen gar nicht mehr in der Lage waren, nach den schnellen Runden selbstständig aus ihrem Auto zu steigen, geschweige denn sich danach auf den Beinen zu halten (Guedry et al. 2002). Wenn Sie sich vergegenwärtigen, dass auf Formel-1-Rennfahrer etwa auf der Gand-Prix-Strecke der Türkei in der Kombination der Kurven 7,8 und 9 rund vier Sekunden lang kontinuierlich eine seitliche Beschleunigungskraft von deutlich über 4 g wirkt, dann wissen Sie, dass in der Königsklasse des Autorennsports die Grenzen des menschlich Möglichen zumindest angekratzt werden.

Das Herz-Kreislaufsystem hat nur begrenzte Möglichkeiten, auf Verschiebungen des Blutvolumens zu reagieren. Indem es öfter schlägt, versucht das Herz, die verringerte zirkulierende Blutmenge zu kompensieren. Damit das wenige Blut, das zur Verfügung steht, schneller durch den Körper fließen kann, kommt es zudem zu einer Engstellung von Blutgefäßen. Diese Veränderungen sind sinnvoll, werden allerdings problematisch, wenn die Wirkung der Beschleunigungskraft abrupt nachlässt und dem Körper von jetzt auf gleich wieder das gesamte Blutvolumen für die Zirkulation zur Verfügung steht. Ein schnell schlagendes Herz pumpt dann plötzlich ganz viel Blut in ein Kreislaufsystem, dessen Gefäße noch eng gestellt sind. Resultat ist eine rasante Zunahme des Blutdrucks innerhalb kürzester Zeit. Ist dieser Effekt extrem, so kann dies vor allem für die Gefäße im Gehirn gefährlich werden.

1 Sauerstofffenster: Zeitraum, in dem vom Gehirn eine Minderung der Sauerstoffversorgung toleriert werden kann

2 Greyout: Eintrübung des Farbensehens

3 Blackout: Zustand der kurzfristigen Bewusstlosigkeit und der momentanen Erblindung

4 Tunnelblick: Einschränkung des Gesichtsfeldes

5 G-LOCK: durch Beschleunigungskräfte hervorgerufener schlagartiger Verlust des Bewusstseins

„Heinz-Harald Frenzen

(Formel 1 Vizeweltmeister 1997)

„Manchen Fahrern wird sogar, für Bruchteile von Sekunden, schwarz vor Augen, weil das Gehirn diese freiwerdenden Kräfte nicht immer gleich verar-beitet.“ (in Spiegel Special 6/1999)

Je öfter länger einwirkende Beschleunigungskräfte aus unterschiedlichen Richtungen innerhalb von kurzer Zeit auf den Körper einwirken, desto massiver wird das Herz-Kreislaufsystem beansprucht. Ist das Herz-Kreislaufsystem gesund, besteht allerdings keine größere gesundheitliche Gefahr. Ist das System jedoch vorgeschädigt, wird es kritisch. Rennfahrern ab spätestens 40 Jahren kann daher nur dringend zu einem regelmäßigen medizinischen Check geraten werden, bei dem als Mindestanforderung ein vernünftiges Belastungs-EKG durchgeführt wird.

Beschleunigungskräfte wirken sich auch auf die Atmung aus. So wird etwa beim harten Bremsen der Körper eines Formel-1-Rennfahrers bis über 4 g hinaus in die Sicherheitsgurte gepresst. Dabei wird der gesamte Rippenbogen zusammengedrückt, was die Atmung massiv behindert. Im Extremfall kann dabei sogar die Lunge komprimiert werden. Auch Beschleunigungskräfte, die beim Durchfahren einer Kurve seitlich wirken, können sich negativ auf den Rippenbogen und die Lunge auswirken. In der Luft- und Raumfahrtmedizin sind Fälle beobachtet worden, bei denen extreme Beschleunigungskräfte dazu geführt haben, dass Körperflüssigkeit in die Lunge gepresst wurde und sich Lungenödeme1 gebildet haben (Ernsting et al. 1999).

1 Lungenödeme: Ansammlung von Flüssigkeit im Lungengewebe und/oder in Lungenbläschen mit negativer bis lebensbedrohlicher Auswirkung auf Atmung und Sauerstoffversorgung des Körpers.

Bruno Spengler über die Atmung in schnellen Kurven:

„Ich weiß, dass es im Auto Situationen gibt, in denen ich wenig oder kaum atme. In schnellen Kurven zum Beispiel passiert mir das oft. In der Situation nehme ich das aber gar nicht richtig wahr, ich weiß nur, dass es passiert. Und ich weiß auch, dass das nicht unbedingt gut ist. Besser wäre, weiterzuatmen. Aber das zu kontrollieren und das zu machen, ist nicht so einfach. Ich kann mich auch an eine gute Qualifying-Runde erinnern, eine mega-gute Qualifying-Runde, bei der ich kaum geatmet habe. Das ist mir aber auch erst danach bewusst geworden. Ob man das so machen muss, um die optimale Performance aus sich rauszuholen, weiß ich nicht. Aber das kommt automatisch, zumindest in einer Qualifying-Runde. Im Rennen ist das natürlich anders, da atme ich, da muss ich atmen. Letztendlich macht mir das aber bewusst, dass ich das Auto auch am Limit bewegen kann, wenn ich dabei die Atmung nicht stoppe.“


Atempause in schnellen Kurven: Bruno Spengler


Beispiel für die Höhe von seitlichen Beschleunigungskräften in einem Formel 1 Rennwagen auf der GP-Strecke Türkei

Um Beschleunigungskräfte besser tolerieren zu können, wird Formel-1-Rennfahrern eine spezielle Atemtechnik empfohlen. Diese Atemtechnik stammt aus der Luft- und Raumfahrtmedizin und wird als „Assisted Positive Pressure Breathing“ (APPB) bezeichnet. Das APPB stabilisiert zum einen den Brustkorb, zum anderen kann damit auch die Blutzirkulation beeinflusst und das Auftreten von Grey- bzw. Blackouterscheinungen (s.o.) hinausgezögert werden.

Einen eindrucksvollen Einblick in die Praxisanwendung dieser Atemtechnik bieten Cockpitaufnahmen von Kunstflugpiloten, die an Wettbewerben wie den Red Bull Air Races teilnehmen (gleichzeitig sind in diesem Sport die Beschleunigungskräfte derart massiv, dass die Piloten spezielle Hosen und Anzüge tragen, die Blut- und Sauerstoffmangel im Gehirn verhindern helfen). Die APPB-Methode ist eine systematische Erweiterung und gezielte Anwendung der bereits zuvor angesprochenen Pressatmung, in die selbst Rennfahrer aus kleineren Klassen beim Durchfahren von Kurven häufig automatisch verfallen.

Schon bei der einfachen Pressatmung kommt es zum verstärkten Einsatz der Muskulatur, die für das Atmen verantwortlich ist. Das sind zum einen das Zwerchfell und die Muskeln zwischen den einzelnen Rippen, zum anderen aber auch so genannte Atemhilfsmuskeln, die sich über die gesamte Hals-, Brust- und Schulterregion erstrecken. Dabei ist die Arbeit der Muskeln überwiegend statisch. Je öfter und je massiver die gesamte Atemmuskulatur durch statische Arbeit Druck im Brustkorb aufbaut, desto deutlicher wirkt sich das auf die Blutzirkulation im Körper aus. So wird durch Pressatmung stets auch das Herz-Kreislaufsystem kräftig mitbeansprucht.

2.3 Einfluss von Vibrationskräften

Zu Vibrationen kommt es, wenn die Richtung einer Bewegung auf einer Bewegungsebene wiederholt hin und her wechselt. Eine Hin- und Herbewegung pro Sekunde entspricht einem Hertz (1 Hz). Maßgeblichen Anteil an der Belastung des Körpers hat neben der Vibrationsfrequenz, also der Häufigkeit, auch die Bewegungsamplitude, also die Wegstrecke der einzelnen Ausschläge.

Autorennfahrer sind Vibrationsbelastungen alleine schon durch die Eigenschwingungen von Chassis und Motor ständig ausgesetzt. Die Vibrationskräfte treten vermehrt auf, wenn etwa der Streckenbelag uneben oder beschädigt ist, wenn Randsteine überfahren werden und natürlich, wenn sich ein Fahrer den berühmten Bremsplatten eingefangen hat.

Die Frage, wie stark Vibrationskräfte den Körper von Autorennfahrern beanspruchen, ist abhängig vom Fahrzeug, vom Material und der Passgenauigkeit des Fahrersitzes, aber auch vom Körper des Fahrers. Menschliche Körper unterscheiden sich in ihrer Masse, in ihrem Volumen sowie in der Statik, und die Wirkung von Vibrationskräften auf den Körper wird von all diesen Faktoren bestimmt. Eine generelle Aussage über die menschlichen Toleranzwerte in Bezug auf Vibrationskräfte ist daher nicht möglich.

Man kann davon ausgehen, dass Vibrationskräfte nahezu alle Funktionen des Körpers beanspruchen. Im Bereich der Muskulatur, der Bewegungssteuerung und der optischen Wahrnehmung sind diese Auswirkungen umso deutlicher, je mehr sich zu einer eher niedrigen Frequenz eine hohe Bewegungsamplitude gesellt. Eine präzise Steuerung der Lenkbewegung, des Gasgebens, Kuppelns und Bremsens wird unter Einfluss solcher Vibrationskräfte mitunter deutlich erschwert. Durch die Notwendigkeit, das Lenkrad auch unter starken Vibrationen zu halten, werden vor allem Arm-, Schulter- und Halsmuskulatur beansprucht.

Kann die Muskulatur unter Einfluss von massiven Vibrationen bereits in sehr kurzer Zeit überfordert sein, so wirken sich leichtere Vibrationen eher langfristig aus. Der amerikanische Luft- und Weltraummediziner J.R. Stott (Ernsting et al. ,1999) gibt an, dass das menschliche Nervenssystem durch Vibrationen in einem Frequenzbereich von 20 bis 100 Hz ganz automatisch aktiviert wird. Resultat ist eine unwillkürliche, leichte Daueranspannung in der Muskulatur. Das lässt die Muskulatur beim Fahren zum einen schneller ermüden, zum anderen behindert eine unwillkürliche Daueranspannung das schnelle Agieren und situationsgerechte Reagieren im Auto.

Eine ganz eigene Beanspruchung für die Muskulatur entsteht, wenn es zu einer Kombination von Beschleunigungskräften und Vibrationen kommt. Wie bereits angesprochen, leisten die einzelnen Muskeln unter dem Einfluss von Beschleunigungskräften im Auto vor allem Halte- und Stabilisierungsarbeit, sind also statisch beansprucht. Treten Vibrationskräfte auf, dann wirken gleichzeitig kurze und mehr oder weniger starke Stöße und Schwingungen auf den ganzen Körper. Selbst die angespannteste Muskulatur kann dann nicht verhindern, dass Kopf, Rumpf, Arme und Beine minimal in Bewegung geraten. In diesem Fall wird die Form der Muskelbeanspruchung als exzentrisch1 bezeichnet. Ist ein Muskel an diese Art von Belastung nicht gewöhnt, führen diese minimalen Bewegungen zu kleineren, so genannten Mikroverletzungen2.

Die Kombination aus Haltearbeit und Vibrationsbelastung ist übrigens auch der Grund dafür, dass Formel-1-Rennfahrer selbst nach massivstem Training der Halsmuskulatur in der Winterpause nach den ersten Testtagen dann doch wieder von Ermüdungserscheinungen, mindestens jedoch von Muskelkater in der Halsmuskulatur berichten.

Vibrationskräfte können auch in der Atmung ungünstige Körperreaktionen provozieren. Bei Hubschrauberpiloten wurde beobachtet, dass es durch den Einfluss von Vibrationskräften in der Lunge zur Stimulation von Dehnrezeptoren gekommen ist, was letztendlich zu einer Steigerung der Atemfrequenz führte (Stott, 1999). Das heißt, obwohl die Piloten keinen Mehrbedarf an Sauerstoff hatten, atmeten sie plötzlich öfter! Mehratmung ohne größeren Sauerstoffbedarf heißt Hyperventilation3. Dauert die länger an, besteht die Gefahr, dass die Atemregulierung des Körpers völlig durcheinander gerät und nicht mehr auf den eigentlichen Sauerstoffbedarf abgestimmt ist. Im Extremfall kann die Atmung selbst dann ausbleiben, wenn im Körper bereits massiver Sauerstoffmangel besteht.

Ob diese Problematik bei Rennfahrern schon einmal beobachtet worden ist, ist mir nicht bekannt. Im Zusammenhang mit Maschinen, in denen Menschen sitzen, ist der Einfluss von Vibrationskräften auf die Atmung jedoch immer ein nicht zu unterschätzendes Thema. Und im Automobilrennsport gibt es zumindest Fälle, in denen Unfälle letztendlich mit so genannten Mini-Black-Outs – also mit kurzzeitigem Sauerstoffmangel im Gehirn der Fahrer – erklärt wurden, bei genauerem Hinsehen ein Einfluss von übermäßigen Beschleunigungskräften jedoch ausgeschlossen werden konnte.

1 Exzentrische Muskelbelastung: Eine so genannte dynamisch-negative Muskelarbeit. Der Muskel wird unter Anspannung in die Länge gezogen und entwickelt sehr hohe Spannung.

2 Mikroverletzungen: Kleine Risse innerhalb von Muskelzellen.

3 Hyperventilation: Zu tiefe und/oder zu schnelle Atmung. Dadurch wird mehr Kohlendioxid abgegeben als Sauerstoff aufgenommen. Die Konzentration an Kohlendioxid im Blut ist für den Körper ein maßgeblicher Faktor der Atemregulation. Ist die Konzentration an Kohlendioxid durch das Abatmen stark reduziert worden, so besteht die Gefahr, dass der Körper auch bei Sauerstoffmangel keinen Anreiz zum Atmen erhält.

Maro Engel über die unterschiedliche Art der Beanspruchung in DTM und Formel 3

„Zwischen DTM und Formel 3 unterscheidet sich die Stärke der seitlich einwirkenden Beschleunigungskräfte in schnellen Kurven kaum voneinander. Allerdings ist die Art, wie diese Kräfte auf den Fahrer einwirken, zwischen beiden Klassen kaum zu vergleichen. Das DTM-Auto bewegt sich in einer Kurve deutlich mehr auf und ab, es schlägt praktisch ständig durch. Und als Fahrer bist du dabei im Vergleich zur Formel 3 gleichzeitig auch noch Teil einer wesentlich größeren Masse. Meiner Meinung nach ergibt sich dadurch beim Fahren eines DTM-Fahrzeugs vor allem für den Hals-Schulterbereich eine wesentlich höhere Beanspruchung. Ich habe schon in meiner Formel-3-Zeit die Halsmuskulatur trainiert und damals selbst bei sehr langen Testtagen nie Probleme gehabt. Ich kann mich aber noch gut daran erinnern, dass ich bei meinen ersten DTM-Testfahrten in Mugello am Ende des Testtages sehr überrascht war, weil ich aufgrund einer Ermüdung der Halsmuskulatur in den letzten Runden den Kopf kaum mehr dort halten konnte, wo ich ihn gerne gehabt hätte.“

Beschneiden Vibrationskräfte die Leistungsfähigkeit der Muskulatur also unmittelbar und können sie die Atmung akut beeinflussen, so wirken sie sich auf Knochen und Wirbelsäule eher langfristig aus. Sid Watkins (1997) berichtet in diesem Zusammenhang davon, dass er bei Formel-1-Rennfahrern überdurchschnittlich häufig Verschleißerscheinungen an den Wirbeln der Halswirbelsäule sowie vertikale Bandscheibenvorfälle festgestellt habe. Generell sind die Federwege bei Formel-Autos so kurz und die Abtriebkräfte gleichzeitig so hoch, dass sämtliche Stöße und Fahrzeugvibrationen den Fahrerkörper so gut wie ungedämpft treffen.

Weil Karts keine Federung haben, übertragen sich auf deren Fahrer sämtliche Stoß- und Vibrationsbelastungen nahezu ungefiltert. Das wirkt sich vor allem dann ungünstig auf den Körper aus, wenn er sich noch voll im Wachstum befindet (und das ist ja bei den Teilnehmern am Kart-Sport nun mal die Regel). In den vergangenen zehn Jahren haben mein Team und ich bei der Betrachtung von Körperbau und Wirbelsäulenform von Kart- und Autorennfahrern im Vergleich zu Sportlern aus anderen Sportarten überzufällig oft ebenso deutliche wie spezielle Veränderungen festgestellt. Typisch bei ausgewachsenen Rennfahrern, die bereits im Kindesalter mit dem Kart-Sport begonnen haben, sind deutliche Skoliosen (Wachstumsdeformitäten in Form von seitlichen Auskrümmungen im Längsverlauf der Wirbelsäule) und das Abgleiten einzelner Wirbel im Übergangsbereich der Lenden- zur Brustwirbelsäule. Letzteres lässt einen Bruch innerhalb der Bögen eines Wirbelkörpers vermuten, der in jungen Jahren durch zu starke Scherkräfte verursacht wurde, aber unentdeckt blieb.

Die genannten Befunde sind häufig begleitet von Rückenschmerzen, die bereits in frühen Jahren auftreten und im Verlauf der Rennfahrerkarriere an Häufigkeit und Intensität immer weiter zunehmen. Von einer derartigen Schmerzproblematik berichten übrigens auch Lkw-Fahrer. Man geht davon aus, dass vor allem die Vibrationen der Fahrzeuge über die Berufsjahre hinweg negative Auswirkungen auf die Wirbelsäule haben. Bei Lkw-Fahrern sprechen wir aber von Personen, die 50 Jahre und älter sind, bei Rennfahrern beginnt diese Problematik leider häufig bereits im Alter von weniger als 14 Jahren. Wir werden daher unter Punkt 5.2 speziell darauf eingehen, dass bereits in jungen Jahren im Bereich des Krafttrainings eine gezielte Präventionsarbeit in Form eines Auftrainierens eines muskulären „Schutzpanzers“ höchste Priorität für die angehenden Rennfahrer hat.

Durch Vibrationskräfte können im Autorennsport auch optische Wahrnehmungsprobleme provoziert werden. Diese Probleme treten auf, wenn der Kopf unter Einfluss von Vibrationskräften von der Halsmuskulatur nicht mehr ausreichend stabilisiert werden kann. Die Folge sind unkontrollierte Pendelbewegungen des Kopfes. Diese Pendelbewegungen sind so schnell, dass sie vom Auge nicht mehr ausgeglichen werden können. Gleichzeitig sind aber auch die Augen eines Fahrers selbst bei fixiertem Kopf unter Einfluss von stärkeren Vibrationskräften nicht mehr in der Lage, Objekte zu fixieren. Dadurch schwindet auch die Fähigkeit, die Umwelt räumlich wahrzunehmen.

Unter diesen Umständen versuchen die Augen, die Einschränkungen durch unwillkürliche kleine Bewegungen zu kompensieren, was die Sehleistung allerdings kaum verbessert. Bemerkenswert ist, dass diese Augenbewegungen sogar dann noch eine Zeitlang anhalten, wenn die Vibrationseinwirkung wieder vorbei ist. In diesem Fall zucken die Augen immer noch schnell hin und her, obwohl die Vibrationen aufgehört haben. Für die Praxis heißt das: Auch nachdem ein Reifen mit Bremsplatten gewechselt worden ist, kann es möglich sein, dass die optische Wahrnehmung des Rennfahrers im Rennen noch eine Zeitlang eingeschränkt bleibt.


Ausgeprägte Skoliose als eine der typischen Auffälligkeiten in der Wirbelsäule von Rennfahrern

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9783966642811
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