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I. Allgemeines

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§ 370 regelt den Straftatbestand der Steuerhinterziehung. Er wird durch weitere Vorschriften des Achten Teils der AO (insb. die Möglichkeit zur Selbstanzeige nach §§ 371, 398a, die verlängerte Verjährungsfrist nach § 376 und die Verfahrensvorschriften der §§ 386 ff.) sowie über § 369 Abs. 2 durch die Regeln des allgemeinen Strafrechts (siehe dazu § 369 Rn. 22 ff.) ergänzt. Den Grundtatbestand der Steuerhinterziehung enthält § 370 Abs. 1, mit ergänzenden Reglungen in den Abs. 4–7. Verschiedene der in der Vorschrift genannten Tatbestandsmerkmale (wie „steuerlich erhebliche Tatsachen“ in § 370 Abs. 1 Nr. 1 und 2) können erst durch die Heranziehung steuerlicher Normen ausgefüllt werden (zu den sich daraus ergebenden Schwierigkeiten s. Rn. 3 ff.). § 370 Abs. 1 Nr. 1 stellt aktives Tun unter Strafe, die Nummern 2 und 3 ein pflichtwidriges Unterlassen. Der Taterfolg kann einerseits im Verkürzen von Steuern bestehen sowie andererseits im Erlangen nicht gerechtfertigter Steuervorteile. In § 370 Abs. 4 werden diese Erfolge näher beschrieben. § 370 Abs. 3 sieht eine Erhöhung des Strafrahmens für besonders schwere Fälle der Steuerhinterziehung vor, welche als Regelbeispiele in den Nrn. 1-6 aufgeführt sind. Nach § 370 Abs. 2 ist auch der Versuch der Steuerhinterziehung strafbar.

II. Verfassungsmäßigkeit des § 370 – Gesetzliche Bestimmtheit

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Gemäß dem Bestimmtheitsgebot des Art. 103 Abs. 2 GG (und § 369 Abs. 2 i.V.m. § 1 StGB), kann eine (Steuer-) Straftat nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde (siehe dazu sowie zu weiteren verfassungsrechtlichen Vorgaben auch Vorbem. zu § 369 Rn. 10 ff.). Gesetz ist im formellen und nicht lediglich im materiellen Sinne zu verstehen. Jedenfalls die wesentlichen Fragen der Strafwürdigkeit sind im parlamentarischen Prozess zu klären und die Voraussetzungen der Strafbarkeit so konkret zu umschreiben, dass Tragweite und Anwendungsbereich der Straftatbestände zu erkennen sind und sich durch Auslegung ermitteln lassen.[1] Der Straftatbestand des § 370 genügt nach der Rspr. des BVerfG als solcher den Bestimmtheitsanforderungen des Art. 103 Abs. 2 GG.[2] Er verweist für zahlreiche Tatbestandsmerkmale auf das Steuerrecht. So sind bei der Tathandlung des § 370 Abs. 1 Nr. 1 die Merkmale „Finanzbehörden“, „steuerlich erhebliche Angaben“, „Steuern verkürzt“ bzw. „Steuervorteile erlangt“ solche des Steuerrechts, die sich erst durch Heranziehung der Steuergesetze bestimmen lassen. Von der in Rspr. und Literatur vorherrschenden Meinung wird § 370 daher – meist ohne nähere Begründung – als Blankettgesetz eingeordnet.[3] Teilweise lässt der BGH die Frage auch ausdrücklich offen[4] oder verweist auf die dazu ergangene Rechtsprechung des BVerfG, ohne diese ausdrücklich als eigene Rechtsauffassung kenntlich zu machen.[5] Blankettvorschriften zeichnen sich dadurch aus, dass sie nur Art und Maß der Strafandrohung aufstellen, hinsichtlich der mit Strafe bedrohten Handlung aber auf „ausfüllende Vorschriften“ (Gesetz, Rechtsverordnung oder Verwaltungsakt) verweisen.[6] Andere Stimmen betrachten die auf das Steuerrecht verweisenden Normen als normative Tatbestandsmerkmale, die zu ihrer Auslegung der Heranziehung steuerlicher Normen bedürfen.[7] Zudem werden die beiden Auslegungen kombiniert, indem die Norm als Blankettvorschrift bezeichnet wird, gleichzeitig aber betont wird, dass die Tatbestände des § 370 normative Tatbestandsmerkmale enthalten, deren Auslegung einen Rückgriff auf andere Steuergesetze erfordert.[8] Innerhalb dieses Rahmens sind zahlreiche Einzelheiten umstritten.[9] Die Unterscheidung spielt insb. für die Frage eine Rolle, inwieweit die Merkmale der steuerlichen Vorschriften vom Vorsatz umfasst sein müssen (s. dazu Rn. 263 ff.).[10]

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Die Annahme, bei § 370 würde es sich um ein Blankettgesetz handeln, kann deshalb nicht richtig oder jedenfalls nicht rechtmäßig sein, weil der Tatbestand nicht durch „Ausfüllungsnormen“ des Steuerrechts vervollständigt wird. Der BGH hat dazu außerhalb des Steuerstrafrechts entschieden, dass bei Blankettstrafgesetzen „ein vollständiger Straftatbestand nur [vorliegt], wenn sowohl eine wirksame Verhaltens- als auch eine rechtswirksame Sanktionsnorm vorliegen, die durch entsprechende Verweisung miteinander verknüpft sind“.[11] § 370 umfasst aber selbst den vollständigen Tatbestand der Steuerhinterziehung sowie die dafür zu verhängende Sanktion, so dass der Rückgriff auf die Steuergesetze nur zur Auslegung der in § 370 geregelten Tatbestandsmerkmale erforderlich ist. Abgesehen davon erscheint zweifelhaft, dass der „Verweis“ auf das Steuerrecht den allgemein an Bankettvorschriften gestellten Anforderungen genügen soll. Blankettstrafgesetze genügen den Anforderungen des Bestimmtheitsgebots nur dann, wenn sich einerseits die möglichen Fälle der Strafbarkeit schon aufgrund des Gesetzes voraussehen lassen und andererseits auch die das Blankettstrafgesetz ausfüllenden Vorschriften den Anforderungen des Art. 103 Abs. 2 GG (ggf. i.V.m. Art. 104 Abs. 1 S. 1 GG),[12] somit u.a. der für die Auslegung geltenden Wortlautgrenze und dem Analogieverbot genügen (siehe auch Vorbem. zu § 369 Rn. 40 ff. zu Wortlautgrenze und Vorbem. zu § 369 Rn. 46 ff. zu Analogieverbot).[13]

Bei § 370 kann keine Rede von einer Verweisung auf (bestimmte) Steuernormen § 370 nicht in bestimmten steuerlichen Normen definiert, sondern müssen durch Anwendung und Auslegung zahlreicher im Einzelfall einschlägiger Vorschriften ermittelt werden.[18] Bei dem insoweit durch § 370 in Bezug genommenen Steuerrecht handelt es sich um eine unüberschaubare Fülle von unterschiedlichen, häufigen Änderungen unterworfenen Vorschriften, die in einer Vielzahl von nationalen Gesetzen, internationalen Abkommen, europäischen Vorgaben usw. geregelt, zu einem Großteil auslegungsbedürftig, durch Rspr. und Verwaltungsanweisungen näher bestimmt und/oder in der Auslegung umstritten sind. Der Verweis auf eine solche unbegrenzte Rechtsmaterie im Wege einer Blankettvorschrift lässt sich mit den vom BVerfG an Blankettvorschriften gestellten Anforderungen im Hinblick auf das Bestimmtheitsgebot des Art. 103 Abs. 2 GG nicht vereinbaren.[19]

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Da es – worauf Ransiek zutreffend hinweist – nicht darum geht, „ob der Tatbestand eines formellen Steuergesetzes gegeben ist oder nicht, sondern allein um das Ergebnis, das sich aus der Anwendung des (gesamten) Steuerrechts ergibt“,[20] handelt es sich bei den Tatbestandsmerkmalen „steuerlich erhebliche Tatsachen“, „Steuerverkürzung“ und „Steuervorteil“ um normative Tatbestandsmerkmale.[21] Aber auch die „Pflichtwidrigkeit“ des § 370 Abs. 1 Nr. 2 ist – ebenso wie die „Pflichtwidrigkeit“ im Rahmen der Untreue gem. § 266 StGB –[22] nicht als Blankettverweisung, sondern als normatives Tatbestandsmerkmal einzuordnen[23] (s. dazu näher Rn. 268).

Unabhängig von der richtigen Einordnung der Tatbestandsmerkmale des § 370 führt die zur Ausfüllung des Tatbestandes erforderliche Heranziehung weiterer Normen zu Problemen im Hinblick auf das Bestimmtheitsgebot. Zwar gilt für die Vorschriften, welche die normativen Tatbestandsmerkmale ausfüllen nach h.M. das Analogieverbot und die Wortlautgrenze des Art. 103 Abs. 2 GG nicht. Bei diesen sollen für die ausfüllenden Vorschriften ausschließlich die Anforderungen aus dem jeweiligen Rechtsgebiet gelten, durch dessen Wertungen das jeweilige Merkmal des Straftatbestandes ausgefüllt wird.[24] Die Auslegung des normativen Tatbestandsmerkmals als solchem muss aber dem Bestimmtheitsgrundsatz genügen.[25]

Nach Rechtsprechung des BVerfG darf der Gesetzgeber bei der Umschreibung des Tatbestandes auch auf Vorschriften anderer Normgeber, u.a. auch auf das Unionsrecht verweisen.[26] Innerstaatliche Rechtsvorschriften, die eine Richtlinie oder eine Verordnung der Europäischen Union in deutsches Recht umsetzen, sind nur in dem Umfang am Maßstab des GG zu messen, in dem die Richtlinie oder die Verordnung den Mitgliedstaaten einen Umsetzungsspielraum lässt. Außerhalb dieses Spielraums sind sie am Unionsrecht zu messen.[27] Grundsätzlich unschädlich ist es dementsprechend nach Auffassung des BGH, wenn sich die Strafbarkeit gem. § 370 aufgrund europarechtskonformer Auslegung ergibt.[28]

III. Anwendungsbereich der Norm

1. Geschütztes Rechtsgut, Deliktsnatur

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Die Steuerhinterziehung setzt die Verkürzung von Steuern oder das Erlangen nicht gerechtfertigter Steuervorteile voraus (§ 370 Abs. 1) und ist damit ein Erfolgsdelikt. Geschütztes Rechtsgut ist nach ständiger Rspr. des BGH das öffentliche Interesse am rechtzeitigen und vollständigen Aufkommen jeder einzelnen Steuerart.[29] § 370 wird deshalb als Vermögensdelikt eingestuft,[30] auch wenn der Erfolg nach vorherrschender Auffassung nicht die tatsächliche Beeinträchtigung des Steueraufkommens voraussetzt, sondern, eine Gefährdung der Durchsetzung des Steueranspruchs ausgehend von § 370 Abs. 4 genügt.[31]

2. Zeitliche Anwendung

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Die Strafe und ihre Nebenfolgen bestimmen sich grundsätzlich nach dem Gesetz, das zur Zeit der Tat (s. § 8 StGB) gilt, § 369 Abs. 2 i.V.m. § 2 Abs. 1 StGB (zur zeitlichen Anwendung siehe auch Vorbem. § 369 Rn. 57 ff. und § 369 Rn. 27 ff.).[32] Wird das Gesetz, das bei Beendigung der Tat gilt, vor der Verurteilung geändert, ist gem. § 2 Abs. 3 StGB das mildeste Gesetz anzuwenden. Das ist nach vorherrschender Auffassung das Gesetz, das bei einem Gesamtvergleich im konkreten Einzelfall die dem Täter günstigste Beurteilung zulässt.[33] Das bedeutet, dass nicht die für ihn günstigen Elemente aus verschiedenen Gesetzen zugunsten des Angeklagten kombiniert werden können.[34] Für Verjährungsvorschriften gilt die geänderte Verjährungsdauer, auch wenn sich dadurch die Verjährungsfrist verlängert, sofern zum Zeitpunkt des Inkrafttretens die frühere Verjährungsfrist noch nicht abgelaufen war (dazu ausführlich: § 376 Rn. 8 f.).[35] Wird allerdings nach Tatbegehung die Höchststrafe geändert, nach der sich gem. § 78 Abs. 3 StGB die Verjährungsfrist bestimmt, so berechnet sich die Frist nach der niedrigeren Höchststrafe.[36]

a) Wesentliche gesetzliche Änderungen des § 370

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Der heutige Tatbestand der Steuerhinterziehung entspricht weitgehend § 370 in der Fassung der AO 1977,[37] bzw. schon früheren, damals noch in der RAO geregelten Fassungen des Tatbestandes. Mit dem Steuerverkürzungsbekämpfungsgesetz vom 18.12.2001 wurde als § 370a ein Qualifikationstatbestand eingeführt, der die gewerbs- oder bandenmäßig begangene Steuerhinterziehung als Verbrechen, mit einem Strafrahmen von einem bis zu zehn Jahren, einstufte.[38] Mit Gesetz vom 23.7.2002 wurde der Verbrechenstatbestand dahingehend eingeschränkt, dass für die gewerbsmäßige Begehung zusätzlich Steuern in großem Ausmaß verkürzt sein mussten.[39] Das Merkmal „großen Ausmaßes“ wurde jedoch als zu unbestimmt erachtet, um den Hinterziehungstatbestand zu einem Verbrechen zu qualifizieren, so dass der BGH mehrfach erhebliche Zweifel an der Vereinbarkeit mit dem Bestimmtheitsgrundsatz des Art. 103 Abs. 2 GG äußerte.[40] In der Folge wurde § 370a mit Wirkung zum 1.1.2008 wieder aufgehoben.[41] Die Steuerhinterziehung„großen Ausmaßes“ als Regelbeispiel gem. § 370 Abs. 3 Nr. 1 wurde allerdings beibehalten und das bis dahin zusätzlich verlangte Merkmal „aus grobem Eigennutz“ gestrichen (§ 370 Abs. 3 Nr. 1). Zugleich wurde das Regelbeispiel der bandenmäßigen Hinterziehung von Umsatz- oder Verbrauchsteuern gem. § 370 Abs. 3 Nr. 5 neu eingefügt.[42] Zudem wurde als Reaktion auf die sog. Panama Papers durch das StUmgBG m.W.v. 27.6.2017[43] in § 370 Abs. 3 S. 2 Nr. 6 ein neues Regelbeispiel für das Vorliegen eines besonders schweren Falles der Steuerhinterziehung eingeführt, wenn zur Verschleierung Domizilgesellschaften in Drittstaaten genutzt werden. Diese Änderungen können bei der Bestimmung des mildesten Gesetzes nach § 2 Abs. 3 StGB eine Rolle spielen (s. dazu Rn. 306 ff.).

b) Rückwirkungsverbot – Änderung von Steuergesetzen

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Werden den Tatbestand des § 370 „blankettausfüllende“ steuerliche Vorschriften nach Beendigung der Tat geändert, so führt auch das zu einer Rechtsänderung i.S.d. § 2 Abs. 3 StGB, sofern es sich bei dem Steuergesetz nicht um ein Zeitgesetz i.S.d. § 2 Abs. 4 StGB handelt.[44] Zeitgesetze sind Normen, deren zeitliche Anwendbarkeit von vornherein befristet ist. Dabei ist es unschädlich, wenn eine zeitliche Verlängerungsmöglichkeit vorgesehen ist, ebenso wenn die Anwendbarkeit tatsächlich verlängert wird.[45] Selbst wenn erst die Auslegung des Gesetzes ergibt, dass der Gesetzgeber „keine ihrer Natur nach auf Dauer angelegte Regelung treffen, sondern wechselnden Verhältnissen und Zeitnotwendigkeiten überwiegend nach Gesichtspunkten der Zweckmäßigkeit mit Bestimmungen, die erkennbar Übergangscharakter haben, gerecht werden will“, handelt es sich nach Ansicht des BGH um ein Zeitgesetz.[46] Ein Anhaltspunkt für das Vorliegen eines Zeitgesetzes soll darin liegen können, dass das Gesetz „verschiedenen Wandlungen unterworfen worden ist, die alle das Ziel hatten, es den wechselnden Verhältnissen anzupassen“.[47] Grundsätzlich ist demnach danach zu differenzieren, ob die Gesetze aufgrund besonderer tatsächlicher Verhältnisse geändert wurden (dann gilt das Zeitgesetz gem. § 2 Abs. 4 StGB) oder wegen sich ändernden Rechtsüberzeugungen (dann gilt das mildeste Gesetz gem. § 2 Abs. 3 StGB).

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Nach Ansicht des BGH greift der Wortlaut des § 2 Abs. 3 StGB nicht ein, sofern die blankettausfüllenden steuerrechtlichen Normen nur für spätere Besteuerungszeiträume geändert werden, nicht aber für die strafrechtlich relevanten Zeiträume; das Steuergesetz fülle dann in der Gestalt, die es damals hatte, nach wie vor die Blankettvorschrift des § 370 aus.[48] Dem ist zuzustimmen: Der Gesetzgeber legt die Geltungsanordnung in den Steuergesetzen regelmäßig selbst fest, so dass die nachträgliche Änderung der Normen, aus denen der Fiskus seinen Steueranspruch herleitet, keine Auswirkungen auf den bereits entstandenen Steueranspruch hat. Ist der Steueranspruch einmal entstanden, fällt er nicht dadurch wieder weg, dass die Steuer in späteren Besteuerungszeiträumen nicht mehr entsteht. Etwas anderes gilt natürlich, wenn der Anspruch wegen rückwirkender Gesetzesänderung – etwa wegen festgestellter Verfassungswidrigkeit – mit Wirkung für die Vergangenheit wegfällt.

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Wird die Geltung einer steuerlichen Norm nicht ausreichend durchgesetzt, weil ein strukturelles Vollzugsdefizit besteht, so führt dies zu einer gleichheitswidrigen Besteuerung entgegen Art. 3 Abs. 1 GG und damit zur Verfassungswidrigkeit der Norm selbst.[49] Stellt das Verfassungsgericht – wie regelmäßig bei Verstößen gegen den Gleichheitsgrundsatz nur die Unvereinbarkeit der Norm mit Verfassungsrecht fest (§ 79 Abs. 1 BVerfGG), so kann durch (nachträgliche) Behebung des Vollzugsdefizits die Verfassungswidrigkeit (rückwirkend) entfallen. Anders, bei Feststellung der Nichtigkeit der Norm (§ 78 BVerfGG).[50]

3. Örtliche Anwendung

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§ 370 gilt nach dem Territorialitätsprinzip des allgemeinen Strafrechts für Steuerstraftaten, die im Inland begangen werden (§ 369 Abs. 2 i.V.m. § 3 StGB, siehe dazu auch § 369 Rn. 34 ff.). Nach § 9 Abs. 1 Alt. 1 StGB ist eine Tat an jedem Ort begangen, an dem der Täter gehandelt hat oder im Falle des Unterlassens hätte handeln müssen. Darüber hinaus gilt deutsches Strafrecht nach § 370 Abs. 7 auch dann, wenn die Tat außerhalb des Geltungsbereichs der AO begangen worden ist. Somit kommt es bei im Ausland vorgenommenen Hinterziehungshandlungen anders als im allgemeinen Strafrecht (§ 9 Abs. 1 Alt. 2 StGB) nicht darauf an, ob der zum Tatbestand gehörende (Hinterziehungs-)Erfolg im Inland eingetreten ist. Allerdings erfasst der Schutzbereich des § 370 nur Steuern und Steuervergütungen i.S.d. § 1, also solche, die durch Bundesrecht oder Recht der Europäischen Union geregelt sind, soweit sie durch Bundes- oder Landesfinanzbehörden verwaltet werden (beachte aber auch § 370 Abs. 6 sowie § 153c StPO, der ein Absehen von der Strafverfolgung bei Auslandstaten erlaubt).

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Für den Teilnehmer liegt der Tatort nach § 9 Abs. 2 StGB sowohl dort, wo die Haupttat begangen wurde, als auch dort, wo der Teilnehmer gehandelt hat, bzw. hätte handeln müssen (zu beachten ist § 370 Abs. 7, der auch für die Teilnahme gilt, § 11 Abs. 1 Nr. 5 StGB).

IV. Objektiver Tatbestand des § 370

1. Täter

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Täter ist derjenige, der eine eigene Tat begeht, wer hingegen an einer fremden Tat mitwirkt, ist Teilnehmer.

a) Formen der Täterschaft

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Nach § 369 Abs. 2 AO i.V.m. § 25 StGB kann allgemein Täter einer Steuerhinterziehung sein,


wer die Tat selbst begeht (§ 25 Abs. 1 Alt. 1 StGB), als unmittelbarer Täter,
wer die Tat durch einen anderen begeht (§ 25 Abs. 1 Alt. 2 StGB), als mittelbarer Täter,
wer die Tat gemeinschaftlich mit anderen begeht (§ 25 Abs. 2 StGB), als Mittäter (siehe dazu auch § 369 Rn. 39 ff.).

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Unmittelbarer Täter ist, wer die Tat selbst begeht, also allein (§ 25 Abs. 1 StGB) oder gemeinschaftlich (§ 25 Abs. 2 StGB) sämtliche Tatbestandsmerkmale erfüllt. Das ist im Fall des § 370 Abs. 1 Nr. 1 derjenige, der die Tathandlung selbst vornimmt, also z.B. seine Steuererklärung ausfüllt und an das Finanzamt schickt. Es genügt, dass der unmittelbare Täter darüber bestimmt, für wen und mit welchem Inhalt die Erklärung in den Rechtsverkehr gelangen soll und die Erklärung der zuständigen Behörde zugänglich macht.[51] Diktiert der Steuerpflichtige seiner Sekretärin z.B. falsche Angaben für eine Steuererklärung, die er anschließend unterschreibt und von ihr beim Finanzamt einwerfen lässt, so hat er die Herrschaft über den Inhalt und die Abgabe der Erklärung und ist damit allein unmittelbarer Täter.

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Bei gemeinschaftlicher Tatbegehung muss sich jeder Täter gem. § 25 Abs. 2 StGB den Tatbeitrag des oder der anderen als eigenen zurechnen lassen. Mittäter begehen die Steuerhinterziehung gemeinschaftlich, wenn sie die Tat aufgrund eines gemeinsamen Tatentschlusses gemeinsam ausführen, sodass jeder zentrale Gestalt des tatbestandlichen Geschehens ist. Anhaltspunkte für eine Mittäterschaft sind – auch im Bereich der Steuerdelikte – das eigene Interesse an der Tat, der Umfang der Tatbeteiligung und die Tatherrschaft oder zumindest der Wille zur Tatherrschaft, so dass Durchführung und Ausgang der Tat maßgeblich auch vom Willen des Mittäters abhängen müssen.[52] Entsprechend kann Mittäter einer Steuerhinterziehung in der Form des § 370 Abs. 1 Nr. 1 auch sein, wer selbst weder Steuerschuldner noch sonst Steuerpflichtiger in Bezug auf die hinterzogenen Steuern ist.[53] Dann wird jedoch in besonderem Maße zu prüfen sein, ob Täterschaft vorliegt und nicht lediglich eine Beteiligung an einer fremden Tat als Gehilfe[54] (zur Abgrenzung s. Rn. 22). Beispielsweise kann Mittäter einer Steuerhinterziehung sein, wer einem Unternehmen manipulierte Rechnungen ausstellt, die dieses zur Geltendmachung von Vorsteuer und Betriebsausgaben nutzt.[55] Es muss dann eine besondere Tatbeteiligung (Tatherrschaft und Wille zur Tatherrschaft) gegeben sein, die über eine Beihilfe i.S.d. § 27 StGB hinaus geht. Auch führt bspw. die mittäterschaftliche Hinterziehung von betrieblichen Umsatzsteuervorauszahlungen und Lohnsteuer nur unter besonderen Umständen zu einer Mittäterschaft bzgl. der vom Betriebsinhaber verkürzten persönlichen Einkommensteuer. Objektiv ergibt sich aus der Abgabe unrichtiger Umsatzsteuervor- und Lohnsteueranmeldungen keine unmittelbare Auswirkung auf die jährlichen Einkommensteuererklärungen des Betriebsinhabers. Zudem müssen besondere Feststellungen Rückschlüsse auf eine Tatherrschaft des Angeklagten sowie eine entsprechende Motivation ziehen lassen.[56]

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Dem mittelbaren Täter wird eine fremde steuerliche Erklärung als eigene zugerechnet, wenn er die Steuerhinterziehung durch den Vordermann als „Werkzeug“ begeht. Der mittelbare Täter veranlasst „mit Tatherrschaft und Täterwillen“ einen anderen, für ihn die zur Verwirklichung des Tatbestandes notwendigen Handlungen vorzunehmen.[57] In der Regel kommt das nur in Betracht, wenn die handelnde Person nicht selbst vorsätzlich und voll verantwortlich den Tatbestand erfüllt. Fingiert der technische Leiter der steuerpflichtigen GmbH, der nicht gesetzlicher Vertreter i.S.d. § 35 GmbHG ist, Vorsteuer aus Scheinrechnungen und werden entspr. falsche Umsatzsteuervoranmeldungen von dem gutgläubigen Buchhalter oder Steuerberater abgegeben, so handelt der technische Leiter als mittelbarer Täter.[58] Mittelbarer Täter ist auch, wer durch Bestechungshandlungen einen Betriebsausgabenabzug gem. § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 10 EStG auslöst und den Erklärungspflichtigen nicht über die Gründe informiert, die zum Abzugsverbot geführt haben, so dass dieser infolge regelhafter Abläufe bei der Verbuchung von Rechnungen die Geltendmachung der Beträge als Betriebsausgaben herbeiführt.[59]

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9783811406506
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