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Читать книгу: «Liebesdramen», страница 10

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Als Susanne eben an den letzten Häusern war, sah sie die Kutsche mitten in einer Staubwolke kommen. Sie spannte ihren Regenschirm auf und verbarg sich hinter demselben, wie ein Soldat hinter einer Faschine.

Die Spazirfahrt war zu Ende. Die Marquise fuhr nach Hause. Susanne mochte wohl schwerlich etwas entdecken, vorausgesetzt daß wirklich etwas zu entdecken war.

Als sie still stand, um Athem zu schöpfen und ihre von Schweiß triefende Stirn zu trocknen, ging Louis von Fontanieu an ihr vorüber.

Susanne ließ den jungen Mann ganz unbeachtet. Er war seit dem Tage, wo ihre der Marquis seiner Frau vorgestellt, nicht wieder in das Hotel Escoman gekommen, und sein stadtkundiges Verhältniß mit Margarethe, machte ihn in Susannens Augen nicht gefährlich.

Aber am folgenden Tage und lange vor der Stunde, wo die Marquise auszufahren pflegte, war Susanne auf einem Beobachtungsposten an der rechten Seite der Landstraße, hinter einer Anhöhe, von welcher sie die ganze Allee übersehen konnte.

Der Wagen kam; er fuhr viermal die Allee auf und ab, ohne anzuhalten, ohne daß sich Jemand näherte.

Susanne glaubte wieder unverrichteter Sache fortgehen zu müssen, da kam ihr wieder Louis von Fontanieu in den Weg.

Sie spitzte die Ohren, und nahm den sentimentalen Spaziergänger genauer in Augenschein. Zu ihrem großen Erstaunen bemerkte sie in seinem Gesicht die Spuren tiefer Schwermuth. Er sah eben so traurig aus wie Emma; er war blaß wie sie; er schien wie sie in tiefen Gedanken zu sein.

Susanne begab sich eiligst nach Hause. Als sie ankam, spannte der Kutscher eben die Pferde aus.

Sie fand die Marquise trauriger und nachdenkender als je.

Susanne war für die heroischen Mittel.

»Rathen Sie, Madame,« sagte sie, »wen ich soeben abgewiesen habe.«

»Du hast Recht gethan, liebe Susanne, gleichviel wer da war. Ich bin so verstimmt, daß ich Niemand sprechen mag.«

»Wenn ich Ihnen den Besuch nenne, werden Sie mich zum Dank küssen.«

»Sprich, ich bin keine Freundin von Räthseln.«

»Denken Sie sich,« fuhr Susanne mit erheuchelter Entrüstung fort, um der Lüge, die sie sagen wollte, größern Nachdruck zu geben, erdenken Sie sich die Keckheit des jungen Menschen —«

Die blassen Wangen der Marquise rötheten sich; sie errieth, wen Susanne meinte.

»Ein Mensch, der uns angefallen, beleidigt hat, fuhr die Letztere fort, »ein Bruder Liederlich, der eine stadtkundige Liebschaft mit einer Dame hat, wünscht die Frau Marquise zu sprechen. Das ist zu arg!«

Zweiter Theil

Erstes Capitel.
Eine Idee Susannens und deren Folgen

Ob Susanne wirklich das Geheimniß der Marquise errathen hatte?

Emma hegte für Louis von Fontanieu eine Neigung, welche sie mit aller Willenskraft bekämpfte, welche aber trotzdem in ihrem Herzen weiter um sich griff, weil die Anstrengungen, welche der Kampf erforderte, die Marquise erschöpften.

Emma hatte sich schon bei der ersten Unterredung zu dem jungen Manne hingezogen gefühlt: er hatte weder die Gemeinheit der Gesinnung noch die Geckenhaftigkeit derer, welche sie bis dahin kennen gelernt hatte. Die Begeisterung, mit der er sich ihrem Glücke zu widmen versprach, wies ihm in ihren Gedanken einen bevorzugten Platz an. Schon den Tag nach ihrer Unterredung konnte sie glauben, daß er Wort gehalten. Sie erwartete seinen Besuch; sie wollte ihm, wie sie dachte, nur danken für diesen glänzenden Beweis seiner Ergebenheit, nur von dem undankbaren Raoul mit ihm sprechen; aber vielleicht gehorchte sie schon einer leisen Regung der Liebe, vielleicht trieb der zarte Gefühlskeim, der ohne ihr Wissen in ihr Herz gefallen war, schon die ersten Knospen.

Aber Louis von Fontanieu kam nicht. Er fühlte eine unüberwindliche Verlegenheit, der vornehmen Dame unter die Augen zu treten, der er eine Liebeserklärung gemacht und die er gleichwohl vergessen hatte, um sich in den Netzen einer gemeinen Grisette fangen zu lassen.

Seine Schüchternheit that mehr für ihn, als er von dem schlauesten Plan hätte erwarten können. Sein Ausbleiben wurde für übertriebenes Zartgefühl gehalten, und er wurde für Emma ein wahrer Gefühlsheros.

Die Marquise war mit der vornehmen Welt so wenig in Berührung gekommen, daß sie noch in den schwärmerischen Jugendphantasien befangen war. Sie dachte Tag und Nacht an ihren Helden, und die reine, ungeheuchelte Freundschaft, die sie ihm versprochen hatte und die sie vor der Welt mit ihm zu theilen hoffte, war ihr einziger Trost in dem Schmerz, den sie in den ersten Tagen nach der Abreise des Marquis fühlte.

Da unternahm Susanne ihre Radicalcur, in welcher natürlich das Capitel »Margarethe-Fontanieu« eine der ersten Stellen einnahm. Emma sah nun ein, daß ihre Gefühle die Grenzen der Freundschaft schon etwas überschritten hatten; sie fühlte eine unaussprechliche Angst und ihre Augen wurden feucht, wenn Susanne, um den Marquis recht tief zu demüthigen, in ihrer blumenreichen Sprache die leidenschaftliche Liebe der Grisette und des jungen Secretärs schilderte.

Sie wandte das wirksamste Mittel, die Vernunftgründe, gegen das Uebel an. Sie suchte sich einzureden, daß es Fontanieu frei stehe, sich nach Gefallen eine Geliebte zu wählen, und daß die Freundschaft durch ein flüchtiges Liebesverhäitniß nicht erschüttert werden dürfe. Sie betäubte sich, ohne sich zu überzeugen.

Erst nach der Ankunft des Marquis, als dieser anfangs durch Interesse, dann durch eine Anwandlung von Zuneigung zu ihren Füßen hingetrieben wurde, erkannte Emma, daß der vermeinte flüchtige Gedanke ein in ihrem Herzen tief wurzelndes Gefühl geworden war. Zwischen ihr und dem Marquis stand fortan ein Gespenst, das sie unablässig schonungslos verfolgte, das sich durchaus nicht abweisen ließ, gegen alle Bitten taub blieb, und sich sogar vor die geschlossenen Augen drängte. Dieses Bild folgte ihr auf allen Promenaden, die sie mit dem Marquis machte, belauschte ihre Gespräche und hielt auf der Schwelle des Schlafzimmers strenge Wache, um den Marquis nicht einzulassen.

Der Letztere bemerkte zu wiederholten Malen, daß Emma erschrocken zurückwich, wenn er sie küssen wollte; sie glaubte die heißen Lippen des Gespenstes, dem ihre aufgeregte Phantasie Leib und Leben gab, auf ihrem Munde zu fühlen.

Und das Gespenst war nicht stumm; es führte eine Sprache, die nur ihrem Herzen verständlich war; und sie erbebte, wenn sie diese wehmüthige, vorwurfsvolle Sprache vernahm, wie das vom Winde bewegte Laub. So war es denn gekommen, daß sie fast unbewußt den Ort ausgesucht, wo sie Louis von Fontanieu zum ersten Male gesehen hatte, und wohin dieser durch ähnliche Gefühle getrieben wurde.

Von den Leidenschaften dieser Welt kannte Susanne nur zwei: die Liebe einer Amme zu ihrem Pflegekinde und die Zuneigung einer Frau zu ihrem Manne. Dem erstern Gefühl gestattete sie den weitesten Spielraum, das zweite umgab sie mit sehr engen Schranken. Es schien ihr unmöglich, daß die sanfte keusche Emma jemals so überspannte, ungeheuerliche Gefühle hegen und sich so sehr verirren könne, wie Escoman und Fontanieu und andere Leute ohne Grundsätze.

Sie war daher eben so erstaunt als erschrocken, als die Gesundheit der jungen Marquise durch den immerwährenden innern Kampf ernstlich gefährdet wurde. Emma wurde nach einer kurzen Unpäßlichkeit bedenklich krank.

Der Hausarzt beurtheilte die Ursache der Krankheit sehr richtig: er vermuthete ein tiefes Seelenleiden, welches er natürlich dem Kummer zuschrieb, den der Marquis seiner Gemahlin gemacht habe. Susanne bestätigte diese Vermuthung, aber sie dachte bereits ganz anders über das Verhältniß ihrer Herrin zum Marquis. Sie würde keine andere Wärterin zugelassen haben; sie saß alle Nächte vor dem Bett, halb versteckt in den Falten der Vorhänge, und beobachtete bei dem flackernden Lichte der Nachtlampe das bleiche Gesicht und die schwerathmende Brust der Kranken. Von Zeit zu Zeit zog sie die Spitzen des Kopfkissens zur Seite, um die Kranke besser zu sehen.

In einer Nacht, als die Wangen der schlummernden Marquise vom Fieber geröthet waren, glaubte Susanne zu bemerken, daß ihre Lippen sich bewegten und mit zärtlichem Ausdruck einen Namen lispelten.

Einige Tage später antwortete der Arzt, den Susanne täglich mit großer Angst befragte, mit bedenklichem Kopfnicken.

Ein Erdbeben hätte Susanne nicht in größere Bestürzung setzen können, als dieser stumme Urtheilsspruch, Sie schrie laut auf und stürzte in das Krankenzimmer. Ohne zu bedenken, daß ihr Jammern und Wehklagen die Kranke erschrecken und ihren Zustand sehr verschlimmern könnten, warf sie sich auf das Bett, umschlang Emma mit beiden Armen und bedeckte ihr Gesicht mit Küssen und Thränen.

Sie hatte das Gespenst des Todes gesehen; ihre erste Bewegung war, ihren Liebling zu vertheidigen und sich das Opfer nur mit Gewalt entreißen zu lassen. Sie weinte und jammerte, sie tobte und wüthete gegen das furchtbar drohende Gespenst. Bald war sie außer sich vor Zorn, bald wurde sie wieder weich und zärtlich; heftige Drohungen und rührende Bitten wechselten auf ihren Lippen. Sie wiegte Emma auf ihren Armen, wie vormals, ehe sie das Kind in die Wiege gelegt hatte. Zum ersten Male nannte sie den Namen Louis von Fontanieu, aber ohne Vorwurf, ohne Unwillen, denn die Kranke wurde durch die Gefahr, in welcher sie schwebte, in den Augen ihrer Amme von jeder Schuld freigesprochen. Noch mehr, Susanne suchte sie zu rechtfertigen; sie gab in ihrem namenlosen Schmerz nicht nur ihre Zustimmung, sondern versprach ihr auch, daß ihre Liebe erwiedert werden solle, wie man ein schreiendes Kind durch ein Spielzeug zu beschwichtigen sucht.

»Sterben!« sagte sie zu sich; »Du solltest vor mir sterben? Ist das möglich? Kann der liebe Gott das zugeben? Er schickt den Winter vor dem Frühling. Von Gott hängt Leben und Tod ab. Wozu brauchen wir einen Arzt? Habe ich denn sonst einen Arzt gehabt, wenn Du krank warst? Wer hat Dich in der Bräune behandelt? Ich ganz allein. Ha! ha! hat die Aerzte! ich glaube kein Wort von allem was sie sagen. – O, Du wirst bald genesen, meine Emma, Du mußt wieder gesund werden. Aber Du mußt Dich nicht grämen. Warum grämst Du Dich denn? Wer hat Dir denn gewehrt, den Herrn von Fontanieu zu lieben? Etwa der Marquis? Er hat nicht das Recht dazu, sonst hätte er Dir mit einem guten Beispiel vorangehen müssen. Das fehlte noch! Seitdem Du krank bist, hat er sein liederliches Leben wieder angefangen. Es kommt ihm fürwahr nicht zu, den ersten Stein auf Dich zu werfen. Wenn man jung ist, kann man nicht ohne Liebe leben; wir armen Frauen haben ja keinen andern Trost in unserem Kummer. Es ist nicht möglich! Ich weiß ja, wie es mir selbst in meiner Jugend ergangen ist!« – Susanne verleumdete sich selbst. – »Sei nur ruhig, meine Emma. Verbanne diese traurigen Gedanken, die allein an deiner Krankheit Schuld sind. Es gibt ja kein reineres Gewissen, als das deine. Im Grunde ist Dir ja Alles erlaubt nach dem himmelschreienden Unrecht, das man Dir gethan. Fasse Muth, in einigen Tagen wirst Du wieder gesund und blühend sein, und dann müssen alle deine Wünsche in Erfüllung gehen.«

Emma befand sich gerade in der Abspannung, die dem Fieber folgt. Sie war anfangs mehr erstaunt als bestürzt über Susannens leidenschaftliche Sprache, und als sie den Namen hörte, der sich beständig in ihrem Herzen wiederholte, schloß sie die Augen und schlief lächelnd, fast ruhig ein.

Eine geringe Besserung folgte dieser Krise und bestärkte Susanne in den selbstsüchtigen Gedanken, welche ihr die Verzweiflung eingegeben hatte. Der Arzt war in ihren Augen ein Pfuscher; sie fragte ihn nicht mehr um seine Meinung über den Zustand der Marquise und beantwortete seine Fragen über die Krankheitssymptome, die sich während seiner Abwesenheit gezeigt, mit beleidigender Kürze.

Susanne beschränkte sich natürlich nicht auf den ersten, Versuch des wirksamen Heilmittels. So oft als sie mit Emma allein war – und sie wußte die Anwesenden immer unter mancherlei Vorwänden zu entfernen – lenkte sie das Gespräch auf Louis von Fontanieu. Sie kannte ihn nur sehr oberflächlich, und gleichwohl sprach sie von dem Zustande seines Herzens, als ob sie darin zu Hause gewesen wäre. Sie schilderte ihn als den liebenswürdigsten jungen Mann und lobte seine Eigenschaften in den überschwenglichsten Ausdrücken.

Im Allgemeinen kleidet man die Krankheiten der Menschen in ein viel zu poetisches Gewand. Um der Wahrheit treu zu bleiben, muß man sie mehr von der materiellen Seite darstellen. Gemeiniglich welkt und schwindet Alles, wenn es der Auflösung entgegengeht; die menschliche Maschine gleicht dann einem Gewebe, dessen Fäden durch eine ätzende Flüssigkeit die Farbe und Haltbarkeit verloren haben. Die Wirkung der Krankheit beschränkt sich selten auf die Schwächung des Körpers, in den meisten Fällen erstreckt sie sich auf die Geisteskraft und sogar auf das Gefühlsvermögen.

Emma konnte seit ihrer Erkrankung nicht mehr klar denken; sie hatte nicht mehr die Willenskraft, den ihren Lippen nahegebrachten süßen Giftbecher zurückzuweisen. Sie fand ja darin Linderung ihrer Schmerzen und freudige Hoffnung. Aber als ihre Kräfte wiederkehrten, erwachte mit ihren anderen Gefühlen auch das Pflichtgefühl, und nun begann auch wieder der Kampf gegen die tief in ihrer Seele wurzelnde Leidenschaft.

Eines Tages antwortete sie ihrer Amme, die von dem künftigen Glücke ihres lieben Kindes sprach, dieses Glück sei für sie nicht da, sie könne sich desselben nicht ohne Sünde erfreuen, und überdies stehe der Erfüllung ein noch größeres Hinderniß im Wege.

Sie nannte nun tief erröthend den Namen Margarethe Gelis und brach in Thränen aus.

Susanne war höchst bestürzt. Sie war in dem Reiche der Phantasie so weit vorgeschritten, daß sie sich darin ganz verirrt hatte. Als sie ihrer Herrin einen Platz in dem Herzen eines nur in ihrer Phantasie existirenden Fontanieu anwies, hatte sie ganz vergessen, daß dieser Platz in dem Original bereits besetzt war. Zum zweiten Male sah sie nun im Geiste das offene Grab, welches ihre Emma zu verschlingen drohte; aber sie würde sich lieber selbst hineingestürzt haben, als daß sie sich ihren Liebling hätte entreißen lassen.

Am andern Morgen ließ sie ihre Stelle im Krankenzimmer durch ein Kammermädchen vertreten und war einige Stunden abwesend.

Zweites Capitel.
Zu leichtfertig für ehrbare Leute – zu ehrbar für leichtfertige Leute

Margarethe konnte, trotz aller Verführungskünste, trotz ihres Bestrebens, sich so liebenswürdig als möglich zu machen, ihre Gewalt über ihn nicht wieder erlangen, ja sie verlor mit jedem Tag an sinnlichem Reiz. Das arme Mädchen war schon verlassen, als sie noch weit entfernt war ihr Unglück zu ahnen. Das einzige Gefühl, welches Louis von Fontanieu bei ihr zurückhielt, war die Ueberzeugung von dem tiefen Schmerz, den er ihr durch gänzliches Zurücktreten verursachen würde.

Wir halten es für unsere Pflicht, ihn in den Augen vieler Leser, welche ihm die ganze Schuld dieses Verhältnisses zuschreiben könnten, zu rechtfertigen und zu zeigen, daß sich Margarethe bei allem guten Willen sehr ungeschickt benahm.

Sie war in einem Sinnentaumel, der Beide ergriffen hatte, die Geliebte des jungenSecretärs geworden. Sie wußte wohl, daß das Herz keinen Antheil an diesem Verhältniß hatte Sie selbst hatte es ihm gesagt: sie hatte ja nach dem Souper, welches dem Duell gefolgt war, sein Gespräch mit dem Chevalier von Moutglas belauscht. Sie trug sich daher mit dem quälenden Argwohn, er sei deshalb so kalt gegen sie geworden, weil er eine Andere liebe.

Jede Frau hat in ihrem Gesicht einen eigenthümlichen Charakter, von welchem sie einen ausgedehnten Gebrauch machen kann. Bei der einen ist es die heitere Laune, die sich bis zum ausgelassensten Gelächter steigern kann; bei der andern ist es die Wehmuth, und die Thränen machen sie nur schöner; aber für alle ist es gefährlich, sich Uebergriffe auf das Gebiet der Nebenbuhlerin zu erlauben – fast so gefährlich wie ein blauer Turban für eine Brünette, wie rothe Blumen im Haar für eine Blondine. Solche Ausnahmen können sich nur Königinnen erlauben. Königinnen sind immer schön.

Margarethe hatte keinen Begriff von dieser weisen Mäßigung, und in ihrem Eifer, dem Geliebten zu gefallen, versuchte sie täglich Unmögliches. Es stand ihr weder Heiterkeit noch Sentimentalität zu Gebote; ihre Augen hatten einen zu sinnlich lüsternen Ausdruck, der von Zeit zu Zeit wohl anziehend ist, für die Dauer aber ermüdend, ja lästig wird.

Diese leidigen Augen straften die Worte ihrer Inhaberin beständig Lügen, sie standen im offenbarsten Widerspruch mit ihrem einstudirten, erzwungenen Benehmen, mochte sie nun das stets düstere Gesicht Fontanieu’s durch Tändeleien zu erheitern suchen oder ihn durch Nachahmung des zarten, sinnigen Wesens der Marquise fesseln wollen. Die Augen lehnten sich gegen alle diese Versuche auf, sie behielten immer den gleichen Ausdruck, und die Einförmigkeit der stets herausfordernden Blicke rechtfertigte die Gleichgültigkeit, mit welcher er sie am Ende aufnahm.

Dies war noch nicht Alles. Margarethe kannte auch die Gefahren des Widerspruches nicht. Sie hatte keine Ahnung von zarten, ideellen Gefühlen, und statt den Geliebten durch Schmeichelei und List an sich zu fesseln, machte sie einen schonungslosen Angriff auf die stille Liebe, welche der Erfüllung ihrer Wünsche im Wege stand. Wenn sie die Marquise von Escoman verleumdete, so zwang sie Fontanieu, die letztere in Schutz zu nehmen und ihre Tugenden, ihre ausgezeichneten Eigenschaften zu preisen.

Noch schlimmer war’s, wenn sie es mit der Melancholie versuchte. Die wahre Melancholie ist nur starken Gemüthern eigen; schwache Naturen kennen nur die Traurigkeit, die ihr ähnlich ist, aber immer schwankend und unsicher bleibt. Fontanieu fand in seiner Stimmung keinen Geschmack an Zerstreuungen, aber er hatte eben so wenig die Kraft sie zu meiden, als den Muth sie aufzusuchen: er ließ sie sich gefallen, weil ihm jede Bewegung, jede Anstrengung zuwider geworden war, wie der Lärm, den man bei ihm machte, wenn er in dem Lande der Träume wanderte.

So setzte er seine Besuche bei Margarethe Gelis fort; so blieb er aus Gutherzigkeit, Zartgefühl und Gewissenhaftigkeit ihr Geliebter.

Ueberdies hatte ihm der Chevalier von Montglas zu verstehen gegeben, daß er für die Zukunft Margarethens verantwortlich bleibe, da sie um seinetwillen ihre frühere Stellung aufgegeben habe. Er war daher sehr freigebig gegen sie; das im Spiele gewonnene Geld setzte ihn in den Stand, durch diese Verschwendung sein Gewissen einigermaßen zu beruhigen.

Louis von Fontanieu dachte übrigens nicht ohne ein gewisses schwärmerisches Gefühl, daß er sich dem Glücke seines Idols geopfert, und zumal seit der Rückkehr des Marquis hielt er sich für verpflichtet, das Opfer der theuersten Gefühle zu vollenden, seinem Idole auf immer zu entsagen; er schloß sich wieder fester an Margarethe an, um den Marquis von ihr fern zu halten. Margarethe konnte daher auf eine kurze Zeit glauben, sie habe ihn wieder für sich gewonnen.

Andererseits wurde er dem Marquis wieder näher gerückt, seitdem Emma erkrankt war. Die Gerüchte, welche über den Zustand der Kranken ausgingen, waren unsicher und widersprechend. Louis von Fontanieu trieb sich voll Angst in den Umgebungen des Hotels umher; er hoffte Susanne zu begegnen, aber diese verließ ihre Herrin keinen Augenblick, und Louis mußte sich an den Marquis selbst wenden.

Emma besaß zu wenig von den Eigenschaften, die einen Wüstling zu fesseln vermögen. Der Marquis strebte daher nicht allzu lange nach der Verwirklichung seiner Wünsche, die ihn theils aus Laune theils aus Spekulation eine kurze Zeit an sein Haus gebannt hatten. Als er den unerwarteten Widerstand sah, den Emma ihm entgegenstellte, kehrte er zu seinen früheren Gewohnheiten zurück. Die alte Sippschaft wurde wieder zu einer geschlossenen Phalanx vereinigt; er hoffte auch seinen Nachfolger bei Margarethen anwerben zu können; er hatte mehr als einen Grund, dies zu wünschen. Er war daher äußerst artig und zuvorkommend gegen Fontanieu, beantwortete jedoch alle Fragen über das Befinden der Marquise mit großer Gleichgültigkeit; er ahnte ja nicht, daß sein vormaliger Gegner so lebhaften Antheil daran nehme.

Louis von Fontanieu war sehr erfreut über diesen Empfang, der ihm, wenn auch nicht wie er gewünscht hätte, einen Platz am Krankenlager, doch wenigstens genaue Nachricht über die Krankheit der Marquise in Aussicht stellte.

Einige Zeit nachher bekam er noch einen Grund, sich über das freundschaftliche Entgegenkommen Escoman’s zu freuen. Seine Besuche bei Margarethe waren, sobald der Marquis nicht mehr an sie zu denken schien, immer seltener geworden; allein eines Tages, als er die dunkle Treppe Margarethens hinunterging, begegnete ihm ein Frauenzimmer, in welchem er trotz dem Dämmerlichte die alte Dienerin der Marquise von Escoman zu erkennen glaubte.

Die Anwesenheit Susannens in diesem Hause fiel ihm auf. Er war schon aus der Straße, ehe er einen Entschluß gefaßt hatte; nun aber bekam seine Neugierde die Oberhand, er ging die Treppe wieder hinauf.

Margarethe bewohnte das erste Stockwerk.

Das zweite bestand aus zwei Dachstuben. Die Gesellen des Hutmachers, der seinen Laden im Erdgeschosse hatte, schliefen in zwei dieser Stuben und pflegten diese nur Abends zu betreten; in der dritten wohnte eine unter dem Namen »Mutter Brigitte« bekannte Verfertigerin von Fußsocken mit einem zehnjährigen Knaben, welcher durch den Tod der armen Alten zur Waise geworden und ihr zur Last gefallen war.

Margarethe, ein gutherziges Geschöpf, wie sie alle sind, hatte mit Fontanieu oft über die traurige Lage der alten Brigitte gesprochen und von ihm einige Almosen für Letztere erhalten. Ein neues Almosen bot einen schicklichen Vorwand zu einem Besuch.

Er klopfte entschlossen an die Thür der Dachstube. Die Thür that sich sogleich auf und die alte Brigitte erschien. Aus ihrem schnellen Erscheinen hätte man schließen können, sie habe diesen Besuch erwartet.

Sie machte einen tiefen Knix, so daß Fontanieu über sie wegschauen und einen Blick in die ärmliche Stube werfen konnte.

Nikolaus – so hieß der kleine Knabe – war in zwei gleichzeitigen Beschäftigungen so vertieft, daß er sich nicht umsah. Mit der einen Hand, welche die Stelle eines Kammes zu vertreten schien, wühlte er in seinen struppigen Haaren; mit der andern versuchte er einen Vorgeschmack der Tafelfreuden zu bekommen und langte in eine auf dem irdenen Ofen stehende Pfanne, aus welcher gar appetitlich duftende Dämpfe aufwirbelten und die Hast, mit welcher der Knabe die ihm von der Großmutter gelassene Muße zu seinem Privatvortheil benutzte, vollkommen rechtfertigten.

Susanne war nicht da; das Stübchen, dessen ganze Einrichtung aus drei Stühlen bestand, war leicht zu übersehen.

Louis von Fontanieu richtete einige Fragen an die Alte, aber sie war taub, sie antwortete nur mir neuen Knixen, die der Kniebeugung sehr nahe kamen, und mit warmen Danksagungen für die schon erhaltenen Geschenke. Er gab ihr ein Fünffrankenstück und setzte seine Nachforschungen fort. Die Hutmachergesellen ließen gewöhnlich ihre Thüre offen. Er trat in die beiden Stuben und ging sogar auf den Boden, aber nirgends fand er eine Spur der Person, die zehn Minuten zuvor dicht an ihm vorübergegangen war.

Dies grenzte ans Wunderbare, und gleichwohl fand er sehr wahrscheinlich, daß Susanne Flügel habe. Ohne das Räthsel zu lösen, vermuthete er, daß ihn die Dienerin der Marquise beobachte.

Diese Vermuthung hatte eine gute und eine schlechte Seite. Wenn er wirklich beobachtet wurde, so war daraus zu schließen, daß man im Hotel Escoman, von welchem er sich jedoch fern hielt, noch an ihn dachte. Allein nach der Unterredung, die er mit Susannen gehabt, konnte er hinter dieser scheinbaren Theilnahme nur üble Absichten vermuthen.

Nach kurzem Besinnen faßte er den Entschluß, ein Herz zu fassen und der Marquise von Escoman, sobald sie seinen Besuch annehmen könne, sein Benehmen in aller Aufrichtigkeit und Demuth zu erklären. Dazu wollte er das freundliche Entgegenkommen des Marquis benutzen. Dieser sollte ihn, wie schon einmal, bei Emma einführen.

Diese künftige Unterredung beschäftigte nun alle seine Gedanken; er studirte Alles ein, was er der Marquise sagen wollte; er suchte ihre Antworten im Voraus zu errathen, und sein Herz pochte ungestüm bei dem Gedanken, daß er sie bald wiedersehen werde.

Zwei Tage nachher bemerkte er den Chevalier von Montglas in der Nähe des Hotels Escoman. Es war sieben Uhr Früh, und dennoch war der Chevalier im Ballanzuge. Der alte Lebemann hatte sich wahrscheinlich bei einem Gelage verspätet, welches einer anständigen Soirée gefolgt war. Diese Deutung wurde durch die Unordnung seines sonst so sorgfältigen Anzugs gerechtfertigt. Seine Weste war aufgeknöpft; eben so hatte er die Knöpfe seiner engen Beinkleider über den Knöcheln gelöst, und die entblößten Stellen, die man über den schwarzen Strümpfen bemerkte, glichen von weitem den Ringen, welche die Wilden um die Beine tragen; sein Hemd verrieth durch röthliche Flecke, daß er dem Bacchus gehuldigt hatte. Um sich gegen die Morgenkühle zu schützen, hatte er den Rockkragen aufgeschlagen, der damals sehr breit getragen wurde und in dieser Stellung eine Capuze um den Kopf bildete. Sobald der Chevalier, der trotz seines abenteuerlichen Anzugs ungemein vergnügt schien, seinen jungen Freund bemerkte, eilte er auf ihn zu.

»Schmachten wir immer noch?« sagte er mit einem schalkhaften Seitenblick auf das Haus der Marquise.

Louis von Fontanieu wußte aus Erfahrung, daß es vergeblich war, sich gegen den Chevalier zu verstellen; er kannte die Treuherzigkeit, die der alte Roué aus allen Stürmen des Lebens gerettet hatte. Ungeachtet seines leichtfertigen Benehmens war Montglas nicht fähig, das Vertrauen eines Freundes zu täuschen.

»Ja wohl,« antwortete Fontanieu, »Sie sind ein Narr, lieber Freund! Was wollen Sie denn mit einer Leiche anfangen? denn wie die Leute sagen, liegt sie in den letzten Zügen.«

Louis von Fontanieu erblaßte, als er diese letzten Worte hörte; aber er faßte sich schnell und erwiederte:

»Im Gegentheil, sie befindet sich besser.«

»Das ist noch schlimmer.«

»Wie so?«

»Ja wohl, für Sie noch schlimmer. Ich habe Alles gethan, was in meinen Kräften stand, um Ihnen diesen tollen Gedanken ans dem Kopfe zu treiben, und es reut mich, daß ich meine Zeit dabei verloren habe. Bedenken Sie doch, armer Junge, daß sie nach ihrer Genesung zwanzig Gründe hat, eine Frömmlerin zu werden, denn sie ist von ihrem Manne wieder verlassen worden, und —«

»Ich gestehe Ihnen,« unterbrach Fontanieu, »daß selbst diese Perspertive mich nicht abschrecken würde.«

»Sie haben Muth, Theuerster; aber eine Frömmlerin hegt immer die Hoffnung, der liebe Gott werde ihr in jener Welt die Tage des Fegefeuers vorrechnen, welches sie in seinem Namen hienieden ihren Liebhabern auferlegt.«

»Um ihretwillen würde ich Alles auf’s Spiel setzen.«

»Seien Sie vernünftig, Fontanieu, denken Sie nicht mehr an die Marquise. Wenn Sie wüßten, wie Sie sich seit einigen Monaten zu Ihrem Nachtheil verändert haben! Ich scherze nicht.«

»Und ich antworte Ihnen eben so ernsthaft, daß es unmöglich ist, ein so heftiges Gefühl, wie ich für die Marquise hege, zu mäßigen.«

»Machen Sie sich wenigstens nicht lächerlich,« erwiederte der Chevalier mit einer zornigen Bewegung, die den breiten Rockkragen von seinem Gesicht ablöste.

»Ich verstehe Sie nicht, erklären Sie sich,« sagte Louis von Fontanieu.

»Allerdings will ich mich erklären. Ich erweise Ihnen einen Freundschaftsdienst dadurch. Mein Zorn gegen den Marquis ist allerdings beschwichtigt, ich habe bewiesen, daß die heutigen Roués uns Voltigeurs Ludwigs XV., wie man uns nannte, nicht bis ans Knie reichten. Ich habe das dünne Silberblättchen entdeckt, welches dem gemeinen Kupfer den Anschein der Echtheit gab, und Jedermann hat darüber urtheilen können. Wir sind wett, das ist gewiß. Aber zwischen Ihnen und ihm schwanke ich keinen Augenblick, und kann nicht mithin, Ihnen einiges Mißtrauen zu empfehlen.«

»Was meinen Sie?«

»Sehen Sie denn nicht ein, daß Escoman Revanche nehmen will, und zwar auf demselben Platze, wo er geschlagen worden ist?«

»Glauben Sie, daß ihm Margarethe noch am Herzen liegt?«

»Allerdings.«

»Woraus schließen Sie das, Chevalier? der Marquis hat sie seit seiner Rückkehr nach Châteaudun nicht gesehen.«

»Das ist möglich, aber er hat sich durch einen Abgesandten bei ihr vertreten lassen.«

»Bah!« sagte Louis von Fontanieu, der über diese Eröffnung weder so erstaunt noch so bestürzt schien, wie es der Chevalier wünschte.

»Bah!« wiederholte Montglas spöttisch, »geben Sie immerhin Margaretha auf, wenn Sie wollen, aber vertheidigen Sie wenigstens Ihre Ehre, die auf dein Spiele steht.«

Fontanieu konnte sich eines Lächelns nicht erwehren, als er die sonderbare Deutung hörte, die der alte Roué seiner Ehre gab.

»Diesen Abgesandten müßte ich doch wenigstens kennen,« sagte er, um seine Lachlust zu verbergen.

»Ich wette, daß Sie unter tausend Namen den rechten nicht treffen.«

»Wir wollen annehmen, ich hätte neunhundert neunundneunzig Namen genannt, ohne den rechten zu treffen, Chevalier, und nennen Sie mir den tausendsten.«

»Es ist Susanne, lieber Freund, jene Gardistin, die man immer bei der Marquise sah und die der schlaue Escoman zu seiner Vertrauten gemacht hat.«

»Das ist nicht möglich, Chevalier.«

»Nicht möglich! Ich sah sie ja zweimal und an verschiedenen Tagen aus Margarethens Hause kommen.«

»Es ist wenigstens sehr unwahrscheinlich. Susanne hatte gegen den Marquis immer eine an Haß grenzende Abneigung.«

»Nun, dann ist sie vielleicht die Abgesandte der Marquise. Diese beabsichtigt wohl Margarethe zu ihrem Ehrenfräulein zu machen.«

Louis von Fontanieu versprach dem Chevalier seine Warnung nicht unbeachtet zu lassen. Er war ganz nachdenklich, als er seinen alten Freund verließ. Dieses seltsame Zusammentreffen von Umständen verwirrte seine Gedanken und warf alle seine Vermuthungen über den Haufen.

Noch denselben Vormittag faßte er zwei Entschlüsse.

Erstens wollte er Margarethen aufgeben. So glaubte er sich einer unangenehmen Ueberwachung zu entziehen, und folglich auch im Sinne des Chevaliers seine Ehre zu wahren. Er konnte sich nun der Marquise mit froherem Muthe vorstellen und ihr seine Aufrichtigkeit beweisen.

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Дата выхода на Литрес:
30 ноября 2019
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410 стр. 1 иллюстрация
Правообладатель:
Public Domain

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