Читайте только на ЛитРес

Книгу нельзя скачать файлом, но можно читать в нашем приложении или онлайн на сайте.

Читать книгу: «La San Felice Band 14», страница 9

Шрифт:

Jeder Athemzug stockte, Aller Herzen hörten auf zu schlagen. Man wartete, daß der König die Bittschrift sehe.

»O!« rief er plötzlich, »was hat das Bürschchen denn da unter dem Arme?«

»Sire,« sagte Marie Clementine, »anstatt der drei Gnadenbeweise, welche man gewöhnlich der Kronprinzessin gewährt, die der Krone einen Erben schenkt, verlange ich nur einen.«

Die Stimme der Prinzessin war, indem sie diese Worte sprach, so zitternd, daß der König sie überrascht ansah.

»Zum Teufel, liebe Tochter,« sagte der König, »wie es scheint, ist das, was Du wünschet, nichts Geringes.«

Und indem er den Knaben in seinen gebogenen linken Arm legte, ergriff er mit der rechten Hand das Papier und faltete es langsam auseinander, indem er den Prinzen Franz, welcher bleich ward, und die Prinzessin Marie Clementine ansah, welche sich auf ihr Kopfkissen zurücksinken ließ.

Der König fing an zu lesen; gleich bei den ersten Worten aber runzelte er die Stirn und der Ausdruck eines Gesichtes ward finster und unfreundlich.

»O,« sagte er, ehe er noch das Blatt umgewendet hatte, »wenn es dies ist, was Ihr von mir erbitten wollt, mein Herr Sohn und meine Frau Schwiegertochter, so habt Ihr Euch vergeblich bemüht. Diese Frau ist verurtheilt, diese Frau wird sterben.«

»Sire!« stammelte der Prinz.

»Und wenn Gott selbst sie retten wollte,« sagte der König, »so würde ich den Kampf gegen Gott beginnen.«

»Sire, im Namen dieses Kindes!« flehte die Prinzessin.

»Da hier!« rief der König, »nehmen Sie es wieder, Ihr Kind. Da haben Sie es, ich gebe es Ihnen zurück.«

Und nachdem er den Neugebornen mit heftiger Geberde auf das Bett zurückgeworfen, verließ er das Zimmer mit dem wiederholten Rufe:

»Nimmermehr! nimmermehr!«

Die Prinzessin Marie Clementine ächzte und schloß ihr weinendes Kind in ihre Arme.

»Armes unschuldiges Wesen!« sagte sie. »Dies wird Dir Unglück bringen.«

Der Prinz sank in einen Lehnstuhl und war nicht im Stande, auch nur ein Wort hervorzubringen.

Der Chevalier stieß die Thür des Cabinets auf und kam bleicher als ein Todter, um die Bittschrift aufzuheben, die auf den Boden gefallen war.

»O mein Freund!« sagte der Prinz, indem er ihm die Hand bot, »Du siehst, an uns liegt die Schuld nicht.«

Der Chevalier aber verließ, ohne, wie es schien, den Prinzen zu sehen oder zu hören, das Zimmer, während er die Bittschrift zerriß und vor sich hin murmelte:

»Dieser König ist ein Ungeheuer!«

Vierzehntes Capitel.
Tonino Monti

In demselben Augenblick, wo der König wüthend aus dem Zimmer der Kronprinzessin hinaus stürzte, und der Chevalier San Felice ihm, die Bittschrift zerreißend, folgte, besprach sich der Capitän Skinner in seiner Cajüte mit einem großen schönen jungen Burschen von fünfundzwanzig Jahren, welcher ihm seine Dienste als Matrose angeboten, über die Höhe des zu bewilligenden Lohnes.

Wenn wir sagen angeboten, so ist dies eigentlich nicht der ganz richtige Ausdruck.

Am Abend vorher hatte nämlich einer von Skinners besten Matrosen, welcher an Bord den Posten eines Hochbootsmannes bekleidete, und in Palermo geboren war, nachdem ihn der Capitän beauftragt, zur Verstärkung der Mannschaft einige Leute anzuwerben, an der Thür des Hauses Nr. 7 in der Strada della Salute einen schönen jungen Mann gesehen, der eine Fischermütze auf dem Kopfe trug, und seine Hosen bis über das Knie hinaufgestreift hatte, so daß ein kräftiges und zugleich schöngeformtes Bein sichtbar war.

Der Hochbootsmann war einen Augenblick vor dem jungen Mann stehengeblieben und hatte ihn mit einer Aufmerksamkeit und Hartnäckigkeit betrachtet, welche Letzteren bewogen, in sicilichem Dialect die Frage auszusprechen:

»Was willst Du von mir?«

»Nichts,« antwortete der Hochbootsmann in demselben Dialect. »Ich sehe Dich an und ich sage Dir, daß es eine Schande ist.«

»Was ist denn eine Schande?«

»Daß ein großer, starker Kerl wie Du, der einen so schönen Matrosen machen würde, bestimmt ist, einen so schlechten Schließer abzugeben.«

»Wer hat Dir denn das gesagt?« fragte der junge Mann.

»Das kann Dir gleich sein, sobald ich es nur weiß.«

Der junge Mann zuckte die Achseln.

»Was willst Du?« sagte er. »Das Fischerhandwerk nährt seinen Mann nicht, das Schließerhandwerk aber bringt täglich zwei Carlini ein.«

»Was! Zwei Carlini täglich, sagte der Hochbootsmann, indem er mit den Fingern knippte. »Ein schöner Lohn für ein so trauriges Handwerk! Ich bin an Bord eines Schiffes, wo die Schiffsjungen zwei Carlini, die Recruten vier und die ausgelernten Matrosen acht Carlini bekommen.«

»Wie? Du verdienst acht Carlini täglich?« fragte der junge Fischer.

»Ich? O, ich verdiene deren zwölf. Ich bin Hochbootsmann.«

»Zum Teufel!« sagte der Fischer, »was für Geschäfte treibt denn dein Capitän, daß er seinen Leuten solche Löhne zahlen kann?«

»Mein Capitän treibt gar keine Geschäfte, er fährt spazieren.«

»Dann ist er wohl reich?«

»O, er ist Millionär.«

»Das ist eine schöne Profession und noch besser als die eines Matrosen für acht Carlini.«

»Die aber immer noch besser ist als die eines Schließers für zwei Carlini.«

»Das ist wohl wahr, mein Vater hat es sich aber einmal in den Kopf gesetzt, daß ich Schließer werden müsse, um einmal sein Nachfolger als Oberaufseher werden zu können.«

»Was bringt ihm denn dieses Amt ein?«

»Sechs Carlini täglich.«

Der Hochbootsmann fing an zu lachen.

»In der That,« sagte er, »das ist eine glänzende Zukunft. Und dein Entschluß steht fest?«

»Ach, Lust habe ich freilich durchaus nicht dazu, aber, setzte er mit der Sorglosigkeit der Südländer hinzu, »etwas muß ich doch machen.«

»Es ist aber nicht sonderlich amüsant, des Nachts aufzustehen, die Runde durch die Corridors zu machen, in die Gefängnisse zu gehen und unglückliche weinende Gefangene zu sehen.«

»O, daran gewöhnt man sich schon. Gibt es nicht überall Leute, welche weinen?«

»Ah, ich sehe schon, wie die Sache steht,« sagte der Hochbootsmann. »Du bist verliebt und willst deshalb aus Palermo nicht fort.«

»Verliebt? ich habe in meinem Leben zweimal geliebt. Die eine Geliebte ward mir um eines englischen Officiers, die andere um eines Canonicus der heiligen Rosalia willen Untreu.«

»Dann bist Du also frei wie die Luft?«

»Ja, ich bin frei wie die Luft. Wenn Du mir einen guten Posten anzubieten hat, so mache mir deine Offerte, denn zum Schließer bin ich noch nicht ernannt, obschon ich seit drei Jahren darauf warte.«

»Einen guten Posten? ich habe keinen andern anzubieten, als den eines Matrosen an Bord meines Schiffes.«

»Und wie heißt dein Schiff?«

»Der Renner.«

»Ah, dann gehörst Du also zu der amerikanischen Mannschaft?«

»Nun, hast Du etwas gegen die Amerikaner?«

»Es sind Ketzer.«

»Mein Capitän ist ein so guter Katholik wie Du und ich.«

»Und Du machst Dich verbindlich mir Aufnahme an Bord deines Schiffes zu verschaffen?«

»Ich werde mit dem Capitän darüber sprechen.«

»Und ich werde acht Carlini täglich bekommen wie die Andern?«

»Ja wohl.«

»Muß man für seine Beköstigung selbst sorgen, oder bekommt man dieselbe?

»Man bekommt dieselbe.«

»Ist sie auch gut und reichlich?«

»Früh setzt es Kaffee und ein kleines Glas Rum, Mittags Suppe, ein Stück Rinder- und Hammelbraten und Fisch, wenn man gerade welchen gefangen hat, und Abends Maccaroni.«

»Da möchte ich es einmal versuchen.«

»Das kommt blos auf Dich an. Jetzt ist es halb zwölf Uhr, um zwölf Uhr wird zu Mittag gegessen. Ich lade Dich hiermit dazu ein.«

»Aber der Capitän?«

»Der Capitän? Glaubst Du, der werde auf Dich achten?«

»Nun, wenn es geht, so nehme ich die Einladung an,« antwortete der junge Mann. »Ich hatte ohnehin weiter nichts zum Mittagessen als ein Stück Baccala.«

»Pfui Spiner!« sagte der Hochbootsmann. »Wir haben einen Hund an Bord, aber so etwas fräße dieser nicht.«

»Madonna,« sagte der junge Mann, »dann gibt es viele Christen, welche nichts Besseres wünschen würden, als Hunde an Bord deines Schiffes zu sein.«

Und indem er seinen Arm in den des Hochbootsmannes schob, ging er mit ihm den Quai entlang bis zur Marina.

An der Marina lag dicht am Ausladungsplatz ein Boot am Strande. Es war von einem einzigen Matrosen bewacht, der Hochbootsmann ließ aber eine Pfeife ertönen und sogleich kamen drei andere Matrosen herbeigeeilt und sprangen in das Boot, in welches der Hochbootsmann und der junge Fischer dann ebenfalls hineinstiegen.

»Nachdem »Renner« und rasch!« rief in schlechtem Englisch der Hochbootsmann, indem er am Steuerruder Platz nahm.

Die Matrosen griffen zu den Rudern und das leichte Fahrzeug glitt über das Wasser hin.

Zehn Minuten später legte es an der Packbordtreppe des »Renner« an.

Der Hochbootsmann hatte die Wahrheit gesagt.

Weder der Capitän noch sein Lieutenant schienen die Ankunft eines Fremden an Bord zu bemerken.

Man setzte sich zu Tisch und da der Fischfang gut gewesen war und einer der Matrosen, ein geborener Provençale, eine sogenannte Boullabaisse bereitet hatte, so war die Mahlzeit noch viel besser, als der Hochbootsmann gesagt hatte.

Wir müssen gestehen, daß die drei Schüsseln, welche aufeinanderfolgten, mittelst einer halben Flasche calabresischen Weines benetzt, auf die Laune des Eingeladenen eine sehr günstige Wirkung hervorzubringen schienen.

Beim Dessert erschien der Capitän auf dem Roß und lenkte, hin und herspazierend, seine Schritte endlich nach dem Vordertheil des kleinen Schiffes.

Bei der Annäherung des Capitäns erhoben sich die Matrosen, und als der Capitän ihnen mit der Hand winkte, sich wieder zu setzen, sagte der Hochbootsmann: »Ich bitte um Entschuldigung, Herr Capitän; ich habe eine Bitte an Sie.«

»Und was willst Du?« fragte der Capitän Skinner, lachend. »Sprich, mein wackerer Giovanni.«

»Es ist nicht für mich, Capitän, sondern für einen meiner Landsleute, mit dem ich in den Straßen von Palermo zusammentraf und den ich eingeladen habe, mit uns zu speisen.«

»Ah so! Wo ist er denn dieser Landsmann von Dir?«

»Hier ist er, Herr Capitän.«

»Und was begehrt er?«

»Eine große Gunst, Herr Capitän.«

»Welche denn?«

»Er wünscht auf Ihre Gesundheit zu trinken.«

»Das will ich ihm gern gestatten,« sagte der Capitän.

»Ich werde ja selbst den Nutzen davon haben.«

»Der Capitän soll leben – hoch! hoch!« riefen die Matrosen wie aus einem Munde.

Skinner verneigte sich dankend.

»Und wie heißt dein Landsmann?« fragte er dann.

»Ach, meiner Treu,« sagte Giovanni, »das weiß ich selbst nicht.«

»Ich heiße Ihr Diener, Excellenz,« antwortete der junge Mann, »und wünschte sehr von Ihnen die Antwort zu hören, daß Sie mein Herr heißen.«

»Ah, Du bist, wie es scheint, nicht ohne Witz, mein Junge.«

»Glauben Sie, Excellenz?«

»Ich bin dessen überzeugt.«

»Meine Mutter sagte es auch, als ich noch ganz klein war, seitdem aber hat Niemand wieder etwas davon bemerkt.«

»Aber Du hast doch auch noch einen andern Namen als den meines Dieners?«

»Ich habe deren noch zwei, Excellenz.«

»Und was für welche?«

»Tonino Monti.«

»Warte einmal, warte einmal,« sagte der Capitän, als ob er sich auf etwas zu besinnen suchte. »Es ist mir, als kennte ich Dich.«

Der junge Mann schüttelte zweifelhaft den Kopf.

»Das sollte mich sehr wundern,« sagte er.

»O ja, ich besinne mich – ja, richtig, so war es.

»Bist Du nicht der Sohn des Oberaufsehers im Fort Castellamare?«

»Allerdings bin ich das. Sie müssen ein Hexenmeister sein, daß Sie so etwas zu errathen wissen.«

»Ein Hexenmeister bin ich nicht, wohl aber der Freund eines Mannes, welcher Dir den Posten eines Schließers zu verschaffen bemüht ist, mit einem Worte, ich bin der Freund des Chevalier San Felice.«

»Aber wird dieser mir auch den gewünschten Posten verschaffen können?«

»Warum sollte er ihn Dir nicht verschaffen können? Der Chevalier ist ja nicht blos der Bibliothekar, sondern auch der Freund des Herzogs von Calabrien.«

»Ja, aber er ist auch der Ehemann der Gefangenen, welche der König so streng beaufsichtigen läßt und welche nur aus Gnade noch lebt. Besäße der Chevalier irgend welchen Einfluß, so würde er zunächst das Leben seiner Gattin zu retten suchen.«

»Eben weil man ihm eine große Gunst verweigert hat oder wahrscheinlich verweigern wird, wird man gern bereit sein, ihm eine klein zu gewähren.«

»Gott möge mir gnädig sein, ihn nicht zu erhören.«

»Warum nicht?«

»Weil es mir viel besser zusagen würde, Ihnen zu dienen, Herr Capitän, als dem König Ferdinand.«

»Aber,« entgegnete der Capitän Skinner lachend, »ich möchte ihm nicht gern Concurrenz machen.«

»O, Sie werden ihm keine Concurrenz machen, Herr Capitän. Ich gebe meine Entlassung, ehe ich noch die Anstellung habe.«

»Ach, Herr Capitän,« sagte Giovanni, »nehmen Sie das Anerbieten an. Tonino ist ein wackerer Junge. Von Kindheit an Fischer, wird er ein ganz vortrefflicher Seemann werden. Ich bürge für ihn und wir werden uns Alle freuen, ihn in das Register der Mannschaft eingetragen zu sehen.«

»Ja! ja!« riefen alle Matrosen.

»Herr Capitän, sagte Tonino, die Hand aufs Herz legend, »bei der Treue eines Siciliers verspreche ich Ihnen, wenn Sie mir meine Bitte gewähren, so sollen Sie zufrieden mit mir sein.«

»Höre, mein Freund, « antwortete der Capitän, »ich bin mit deinem Anerbieten gern einverstanden, denn Du scheinst mir ein wackerer Junge zu sein. Ich will aber nicht, daß man sagt, ich wäre ein Werber oder Seelenverkäufer und hätte Dich angeworben, während Du betrunken gewesen wärest. Amüsiere Dich daher jetzt mit deinen Cameraden, so lange Du Lust hat, kehre aber heute Abend noch einmal nach Hause zurück. Ueberlege Dir deinen Entschluß die ganze Nacht und morgen der ganzen Tag, und wenn Du dann morgen Abend noch immer auf deiner Absicht beharrst, so komme wieder und wir wollen den Handel abschließen.«

»Es lebe der Capitän!« rief Tonino.

»Es lebe der Capitän!« rief die ganze Mannschaft.

»Hier sind vier Piaster,« sagte Skinner. »Geht ans Land, vertrinkt sie, verschmaust sie – dies geht mich weiter nichts an. Heute Abend aber seid Alle wieder da und laßt mich keine Spur von dem Weine sehen, den Ihr getrunken haben werdet. Jetzt geht.«

»Aber die Goelette, die Goelette, Herr Capitän?« fragte Giovanni.

»Laß zwei Mann an Bord.«

»Es wird aber Niemand dableiben wollen.«

»Laß losen, und jeder der beiden soll als Entschädigung einen Piaster bekommen.«

Man looste und die beiden Matrosen, welche das Loos traf, erhielten jeder einen Piaster.

Abends neun Uhr waren Alle wieder zurück und wie der Capitän empfohlen, heiter, aber weiter nichts.

Der Capitän ließ, wie er alle Abende zu thun gewohnt war, seine Leute die Musterung passieren und forderte dann Giovanni, aber diesen allein, durch eine Geberde auf, ihm in einer Weile in seine Cajüte zu folgen.

Zehn Minuten später lag mit Ausnahme der Matrosen von der ersten Nachtwache an Bord Alles im Schlafe.

Giovanni schlich sich in die Cajüte des Capitäns, der ihn mit seinem Lieutenant erwartete. Beide schienen seiner mit Ungeduld zu harren.

»Nun?«, fragte Skinner.

»Nun, er ist unser, Herr Capitän.«

»Bist Du dessen sicher?«

»So sicher, als ob ich ihn schon in das Register eingeschrieben sähe.«

»Und Du glaubst, daß er morgen —«

»Morgen Abend sechs Uhr hat er unterzeichnet, so wahr ich Giovanni Capriolo heiße.«

»Das gebe Gott!«, murmelte der Lieutenant. »Damit wäre unsere Aufgabe schon zur Hälfte gelöst.«

Und in der That ging am nächstfolgenden Tage, wie Giovanni versprochen und wie wir zu Anfange dieses Capitels bereits erwähnt, Tonino Monti, nachdem man sich über den Lohn geeinigt und auf seinen in dem Contracte ausdrücklich erwähnten Wunsch, auf drei Jahre als Matrose an Bord des »Renners« und erhielt drei Monate Lohn voraus, während er sich zugleich für den Fall, daß er sein Wort bräche, der ganzen Strenge der Gesetze unterwarf.

Fünfzehntes Capitel.
Der Oberaufseher

In dem Augenblick, wo der Neuangeworbene allerdings mit einiger Schwierigkeit, aber doch wenigstens leserlich seinen Namen unter den Contract schrieb, trat ein Matrose in die Cajüte und brachte ein Couvert, welches Papiere enthielt, die ein Bote im Auftrage des Chevalier San Felice mit der ausdrücklichen Bestimmung überbracht, daß dieselben nur dem Capitän Skinner selbst eingehändigt werden sollten.

Schon seit Mittag hatte sich in Palermo das Gerücht verbreitet, daß bei der Herzogin von Calabrien sich die Geburtswehen eingestellt hätten. Die Besitzer der Goelette hatten an diesem Ereignisse ein zu großes Interesse, als daß sie nicht mit zuerst davon unterrichtet gewesen wären. Dann hatte das Glockengeläute und hierauf die Ausstellung des heiligen Sacramentes ihnen die Befürchtungen des Hofes verkündet, bis endlich das Knallen der Kanonenschläge, die Raketen und die Illuminationen sie von dem glücklichen Ausgange unterrichtet hatten, an welchem sie ein so lebhaftes Interesse nahmen, weil das Leben der Gefangenen gewissermaßen davon abhing.

Der Capitän Skinner begriff daher sofort, daß das ihm eingehändigte Couvert die Entscheidung des Königs enthielte, möchte dieselbe nun ausgefallen sein, wie sie wollte.

Er winkte Salvato, der noch einen Blick auf den Contract warf, zu Tonino sagte, es sei Alles so gut, dann den Contract ergriff und denselben in die Tasche steckte.

Tonino, der nicht wenig erfreut war, nun in aller Form der Mannschaft des »Renner« anzugehören, ging wieder auf das Deck hinauf.

Salvato und sein Vater beeilten, sobald sie allein waren, sich, das Siegel zu erbrechen.

Das Couvert enthielt die in acht oder zehn Fetzen zerrissene Bittschrift Luisas.

Man weiß, welche Bedeutung diese Antwort hatte. Dieselbe sagte so klar wie mit Worten: »Der König ist unerbittlich gewesen.«

Außer diesen Fetzen enthielt das Couvert aber auch noch zwei andere Papiere, welche unversehrt waren. Das erste, welches Salvato öffnete, war von der Hand des Chevaliers geschrieben.

Es enthielt folgende Worte:

»Eben stand ich im Begriff Ihnen die beifolgenden Papierfetzen ohne weitere Erläuterung zuzusenden – denn unserer Verabredung gemäß bedeuten sie, daß die Bemühungen der Prinzessin erfolglos gewesen sind und daß von unserer Seite nichts mehr zu hoffen ist – als ich von dem Polizeidirektor die von mir erbetene Ernennung des Tonino Monti zum Posten eines Unterschließers erhielt. Gibt vielleicht diese Ernennung ein Rettungsmittel an die Hand? Ich weiß es nicht und versuche nicht einmal es zu ergründen, so wirr ist es mir im Kopf. Sie aber, Sie sind Männer, welche Erfindungsgabe und Gewandtheit besitzen. Sie haben die Mittel zur Flucht, welche mir fehlen, Ihnen stehen Leute zu Gebote, die ich nicht habe und die ich auch nicht aufzutreiben wüßte. Suchen Sie, erfinden Sie, greifen Sie, wenn es sein muß, zum Wahnsinnigen, zum Unmöglichen, aber retten Sie nur Luisa.

»Ich für meine Person kann die Arme nur beweinen.

»Das Anstellungspatent für Tonino Monti liegt hier bei.«

Diese Mittheilung war eine furchtbare, aber weder Salvato noch sein Vater hatten jemals auf die königliche Milde gerechnet, und die Enttäuschung von dieser Seite war daher weit entfernt auf die Beiden die Wirkung hervorzubringen, welche sie auf den Chevalier San Felice geäußert hatte.

Die beiden Männer sahen einander mit Wehmuth an, aber nicht mit Verzweiflung, ja noch mehr, es erschien ihnen, als ob diese Ernennung Toninos Monti ein Ersatz für die Niederlage wäre, welche ihnen durch die zerrissene Bittschrift verkündet ward.

Sie hatten, wie man gesehen, sich ebenfalls auf diesen Ausgang gefaßt gemacht und, indem sie sich Toninos aufs Gerathewohl hin bemächtigten, demzufolge ihre Maßregeln getroffen.

Ihr Plan an und für sich war noch sehr unbestimmt, oder vielmehr sie hatten noch gar keinen Plan. Sie standen da mit wachsamen Blick, lauschendem Ohr und ausgestrecktem Arm, bereit, die Gelegenheit zu ergreifen, wenn dieselbe sich darböte. Es kam ihnen vor, als sähen sie in Tonino’s Anwerbung einen Lichtschimmer, und dieser Lichtschimmer ward durch die Ernennung des jungen Burschen zum Schließer noch heller.

Von diesem Lichtschimmer geleitet standen sie jetzt im Begriff, ihrem seither flüchtig und ungreifbar gewesenen Traum eine feste Gestaltung zu geben.

Es war sieben Uhr Abends. Um acht schienen sie einen Entschluß gefaßt zu haben, denn die Mannschaft ward benachrichtigt, daß man im Laufe des nächstfolgenden Nachmittags den Anker lichten werde.

Tonino erhielt Erlaubniß, noch denselben Abend oder den nächstfolgenden Tag ans Land zu gehen, um von seinem Vater Abschied zu nehmen. Er erklärte jedoch, er fürchte den Zorn des Alten so sehr, daß er, weit entfernt, Abschied von ihm nehmen zu wollen, sich, wenn er ihn etwa auf das Schiff zukommen sähe, in den untersten Raum verkriechen wurde.

Wie es schien, konnte Salvato und sein Vater sich nichts Besseres wünschen als diese Furcht, die Tonino vor seinem Vater hatte, und sie wechselten eine Geberde der Befriedigung.

Wir werden nun die Ereignisse erzählen, so wie dieselben geschahen, ohne zu versuchen, ihnen eine andere Erklärung als die der Thatsachen zu geben.

Am nächstfolgenden Tage gegen fünf Uhr Abends begann bei bewölktem äußeren Himmel die Goelette ihre Anstalten zum Lichten des Ankers zu treffen.

Während dieser Operation brach, sei es nun in Folge der Ungeschicklichkeit der Mannschaft, sei es in Folge einer mangelhaften Beschaffenheit der Kette, ein Ring in derselben und der Anker blieb im Grunde stecken.

Dieser Unfall ereignet sich nicht selten, und wenn der Anker nicht allzutief steckt, so gehen Taucher auf den Grund hinab, um ihn herauf zu befördern.

Trotz dieses mit dem Anker geschehenen Unfalls fuhr man jedoch fort, das Schiff zum Absegeln fertig zu machen. Nun ward verabredet, daß, da der Anker nur drei Klafter tief stak, ein Boot mit acht Mann und dem Hochbootsmann Giovanni, um den Anker herauszufischen, zurückbleiben und die Goelette am Eingange des Hafens kreuzend das Boot erwarten sollte. Um sich in einer mondlosen Nacht sichtbar zu machen, sollte sie drei Feuer von verschiedenen Farben tragen.

Gegen acht Uhr Abends steuerte die Goelette zwischen den in dem Hafen liegenden sie umgebenden Fahrzeugen hindurch und begann an der verabredeten Stelle zu lavieren, während die acht Matrosen, deren man zum Hinaussegeln aus dem Hafen bedurft hatte, mit dem Boote zurückruderten, um den Anker wieder aufzufischen.

Zu derselben Stunde trat der Oberaufseher des Fortes Castellamare, Ricciardo Monti, in das Zimmer des Gouverneurs und meldete, er habe soeben einen Brief von seinem Sohn erhalten, der ihm melde, daß er zu seiner herzlichen Freude zum Unterschließer ernannt worden und daß er zwischen neun und zehn Uhr mit seinem Vater zusammentreffen wolle, weil er vorher noch einigen Formalitäten auf der Polizei zu genügen habe.

Diesen Brief hatte Tonino ohne Zweifel auf den Rath eines Cameraden geschrieben, um die Aufmerksamkeit seines Vaters von dem Abgang der Goelette abzulenken, wo er sagen hören konnte, daß sein Sohn angeworben sei.

Als Stelldichein war dem alten Monti eines der kleinen Wirthshäuser an der Piazza Marina bezeichnet worden. Ohne Mißtrauen trat er hinein und fragte nach Tonino Monti. Man bezeichnete ihm einen Corridor, der nach einem Zimmer führte, in welchem, wie man ihm sagte, sein Sohn mit drei oder vier Cameraden bei der Flasche säße.

Kaum war er aber in dieses Zimmer, in welchem er mit den Augen vergebens den suchte, der ihn hierherbestellt, eingetreten, so ward er von vier Männern ergriffen, gebunden, geknebelt und auf ein Bett geworfen, indem man ihm jedoch zugleich versicherte, daß er den nächstfolgenden Morgen wieder in Freiheit gesetzt werden und daß ihm kein Leides widerfahren würde, wenn er nicht etwa zu entwichen suchte.

Die einzige Thätlichkeit, welche man ihm zufügte und welche die Anwendung von Gewalt und besonders von Drohungen nothwendig machte, bestand darin, daß man ihm den Schlüsselbund abnahm, welchen er am Gürtel trug und mit dessen Hilfe er in die Zellen der Gefangenen gelangte.

Dieser Schlüsselbund ward durch die halb geöffnete Thür Jemanden gereicht, der hinter dieser Thür wartete.

Eine halbe Stunde später pochte ein junger Mann von Tonino’s Alter und Wuchs an das Thor des Fortes und verlangte im Namen seines Vaters mit dem Gouverneur zu sprechen.

Der Gouverneur befahl den jungen Mann vorzulassen. Letzterer erzählte nun, Ricciardo Monti sei in den Augenblick, wo er die Toledostraße durchschritten, durch einen aus Anlaß der Niederkunft der Prinzessin abgefeuerten Mortarello, welcher gesprungen sei, schwer verwundet und in das Hospital dei Pellegrini geschafft worden.

Der Verwundete hatte sofort seinen Sohn rufen lassen, ihm seinen Schlüsselbund übergeben und ihm befohlen, sich sofort zu Seiner Excellenz dem Gouverneur zu verfügen, den er bereits von der Ernennung seines Sohnes unterrichtet, ihm ein Anstellungspatent zu präsentieren und seinen Vater bis zu einer hoffentlich baldigen Wiederherstellung zu ersetzen.

Der Gouverneur las das Anstellungspatent des neuernannten Unteraufsehers. Es war vollkommen in Ordnung.

In dem Ricciardo Monti zugestoßenen Unfall lag nichts Außerordentliches, denn dergleichen ereigneten sich bei jedem Fest zu Hunderten. Der Gouverneur war übrigens, wie wir bereits erwähnt, auch schon vorher davon benachrichtigt, daß sein Oberaufseher ausgehen wollte, um mit seinem Sohn zurückzukommen. Er schöpfte daher durchaus keinen Verdacht, sondern forderte den falschen Tonino auf die Schlüssel seines Vaters vorläufig zu behalten, sich in Bezug auf seinen Dienst instruieren zu lassen und seinen Posten anzutreten.

Der neue Schließer steckte sein Patent behutsam in die Tasche, hing die Schlüssel, welche er auf den Tisch des Gouverneurs legte, wieder an seinen Gürtel und verließ das Zimmer.

Der von den Wünschen des Gouverneurs in Kenntniß gesetzte Inspector führte ihn von Corridor zu Corridor und zeigte ihm die bewohnten Zimmer. Es waren deren neun.

Als man an dem Luisa’s vorüberkam, blieb der Inspector stehen, um dem jungen Manne zu sagen, daß diese Gefangene eine ganz besonders wichtige sei, und daß man, um sich von ihrer Anwesenheit zu überzeugen, ihr Zimmer dreimal am Tage und zweimal des Nachts zu visitieren habe – das erste Mal um acht Uhr Abends, das zweite Mal um drei Uhr Morgens.

Ueberdies waren an demselben Tage neue Befehle ertheilt worden, welchen zufolge die Wachsamkeit im Innern wie im Aeußern verdoppelt werden sollte.

Als der Rundgang beendet war, zeigte der Inspector dem neuangestellten Schließer noch das Wachzimmer. Der mit der Ueberwachung dieses Theiles der Festung beauftragte Aufseher mußte die ganze Nacht hier bleiben. Er hatte am Tage vier Stunden zum Schlafen. Wenn er sich langweilte, oder wenn er in dem Wachtzimmer einzuschlafen fürchtete, so stand ihm frei, in dem Corridors auf- und abzugehen.

Es war halb zwölf Uhr, als der Inspector und der neue Schließer sich trennten. Ersterer empfahl Letzterem Pünktlichkeit und Wachsamkeit und der Schließer versprach, daß er ganz gewiß noch mehr leisten würde, als man von ihm erwartete.

In der That hätte Niemand, der ihn mit offenem Auge und lauschendem Ohr an der Thür des Wachzimmers gesehen, welches auf den ersten Corridor und den Fuß der Treppe Nr. 1 ging, ihn beschuldigen können, daß er seinem Worte untreu werde.

So stand er unbeweglich da, bis alles Geräusch in dem Fort verstummte.

Es schlug Mitternacht.

Возрастное ограничение:
0+
Дата выхода на Литрес:
30 ноября 2019
Объем:
200 стр. 1 иллюстрация
Правообладатель:
Public Domain

С этой книгой читают