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Читать книгу: «La San Felice Band 14», страница 5

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Sechstes Capitel.
In der Capelle

Dem von Speciale erheilten Befehl gemäß wurden die Verurtheilten nach der Vicaria gebracht und Luisa in das Castello Nuovo zurückgeführt.

Dennoch hatten die beiden Liebenden, welche bei den Soldaten mehr Mitleid fanden als bei den Richtern, noch Zeit, einander Lebewohl zu sagen und einen letzten Kuß zu wechseln.

Beseelt von Vertrauen auf seinen Vater versicherte Salvato seiner Freundin, daß er der besten Hoffnung lebe und daß er diese Hoffnung selbst am Fuße des Schaffots noch nicht aufgeben würde.

Luisa antwortete nur durch ihre Thränen.

Endlich an der Thür mußte man sich trennen. Die Verurtheilten passierten die Calata Trinita Maggiore, die Strada Trinita und den Vico Stoto; dann brachte die Strada dei Tribunali sie geraden Weges nach der Vicaria.

Luisa dagegen kehrte durch die Strada Monte Oliveto und die Strada Medina in das Castello Nuovo zurück, wo sie kraft einer Empfehlung vom Prinzen Francesco, die ein unbekannter Mann gebracht, in ein besonderes Zimmer eingeschlossen ward.

Wir wollen nicht versuchen, die Situation zu malen, in welcher man sie hier ließ. An unseren Lesern ist es, sich selbst eine Vorstellung davon zu machen.

Was die Verurtheilten betraf, so schritten sie, wie wir bereits gesagt, nach der Vicaria, bis an deren Thor sie von denen escortiert wurden, welche der Sitzung des Tribunals beigewohnt hatten.

Ausgenommen hiervon waren jedoch der Chevalier San Felice und der Mönch, welche sich einander genähert hatten und mit einander bis an die erste Ecke der Strada della Guercia, das heißt bis an die Ecke des Vico desselben Namens, geeilt waren.

Das Thor der Vicaria stand fortwährend offen. Es empfing die Verurtheilten von dem Tribunal, behielt sie zwölf, vierzehn bis fünfzehn Stunden und warf sie dann auf das Schaffot.

Der Hof war mit Soldaten angefüllt. Des Abends breitete man für dieselben unter den Arcaden eine Anzahl Matratzen aus und sie schliefen hier in ihren Capot oder in ihren Mantel gehüllt.

Uebrigens stand man jetzt in den wärmsten Tagen des Jahres.

Es war gegen zwei Uhr Morgens, als die Verurtheilten anlangten, und sie wurden sofort in die Capelle geführt.

Hier wurden sie augenscheinlich erwartet. Das Gemach, in welchem sich der Altar befand, war durch Wachskerzen, das andere durch eine an der Decke hängende Lampe erleuchtet.

Auf der Erde lagen sechs Matratzen. Eine Anzahl Schließer warteten in diesem Gemach.

Die Soldaten machten an dem Thor Halt und hielten sich bereit, Feuer zu geben, wenn in dem Augenblick, wo man den Verurtheilten die Ketten abnähme, von ihnen ein Empörungsversuch unternommen würde.

Dies stand aber nicht zu fürchten. An diesem Punkt angelangt, fühlte jeder, daß nicht blos der neugierige Blick seiner Zeitgenossen, sondern auch das unparteiische Auge der Nachwelt auf ihm ruhte, und keiner war ein so großer Feind seines Rufes, daß er die heitere Ruhe des Todes durch eine unkluge zornige Aufwallung getrübt hätte.

Deshalb ließen sie sich mit derselben Ruhe, als ob es sich um andere Personen handelte, die Ketten abnehmen, welche ihnen die Hände fesselten, und sich diejenigen, durch welche sie an den Fußboden gefesselt wurden, an die Füße legen.

Der Ring war nahe genug an dem Bett und die Kette lang genug, damit der Verurtheilte sich niederlegen konnte.

War er aber aufgestanden, so konnte er sich nicht weiter als um einen Schritt von dem Bett entfernen.

Binnen zehn Minuten war die doppelte Operation ausgeführt. Die Schließer entfernten sich zuerst, dann die Soldaten.

Hierauf schloß sich die Thür mit ihren dreifachen Riegeln und ihren doppelten Gittern.

»Meine Freunde,« sagte Cirillo, sobald das letzte Knarren der Thüren verstummt war, »laßt mich als Arzt Euch einen guten Rathgeben.«

»Ah, in der That,« rief der Graf von Ruvo lachend, »Ihr Rath soll mir sehr willkommen sein, denn ich fühle mich sehr krank, so krank, daß ich die dritte Stunde des Nachmittags nicht überleben werde.«

»Mein lieber Graf, entgegnete Cirillo, ich habe gesagt, einen guten Rath, aber nicht ein Recept.«

»Dann nehme ich meine Bemerkung zurück. Wir wollen annehmen, ich hätte gar nichts gesagt.«

»Ich wette,« sagte Salvato seinerseits, »daß ich den guten Rath, den Sie uns geben wollten, mein lieber Hippokrates, errathe; Sie wollten uns rathen, zu schlafen; nicht wahr?«

»Sehr richtig; der Schlaf ist die Kraft, und obschon wir Männer sind, so werden wir doch, wenn die Stunde da ist, unserer Kraft und zwar unserer ganzen Kraft bedürfen.«

»Wie, mein lieber Cirillo,« sagte Manthonnet, »wie kommt es, daß Sie, der Sie ein Mann der Vorsicht sind, sich in Hinblick auf diese Stunde nicht mit einem gewissen Pulver oder mit einer gewissen Flüssigkeit versehen haben, welche uns der Mühe überhebt, vor den Augen dieser Dummköpfe, der Lazzaroni, am Ende eines Stranges den lächerlichen Tanz aufzuführen, mit welchem wir bedroht sind?«

»Ich habe wohl daran gedacht, aber als Egoist, der ich bin, und da ich nicht ahnte, daß wir gemeinschaftlich sterben würden, habe ich nur für mich allein daran gedacht. Dieser Ring schließt wie der Hannibal’s den Tod dessen in sich, der ihn trägt.«

»Ha!« sagte Caraffa, »nun verstehe ich, warum Sie uns rathen zu schlafen. Sie wären mit uns eingeschlafen, aber nicht wieder mit uns erwacht.«

»Da irrst Du Dich, Hector. Ich bin vollkommen entschlossen, wie Ihr und mit Euch zu sterben, und wenn es unter Euch Einen gibt, der schlecht geschlafen hat und im Augenblick, wo die große Reise angetreten werden soll, einige Schwäche fühlen sollte, so gehört dieser Ring ihm.«

»Zum Teufel, sagte Michele, »das ist sehr verlockend.«

»Willst Du ihn, armes Kind des Volkes, der Du nicht wie wir, wenn es zum Sterben kommt, den Beistand der Wissenschaft und der Philosophie zu Hilfe rufen kannst?« fragte Cirillo.

»Ich danke, ich danke, Doctor,« sagte Michele; »es wäre Schade um das Gift.«

»Aber warum?«

»Nun, weil die alte Nanno mir prophezeit hat, daß ich gehängt werden würde und weil nichts mich abhalten kann, auch wirklich gehängt zu werden. Machen Sie daher Ihr Geschenk irgend Jemanden, dem es freisteht, nach seiner Weise zu sterben.«

»Ich nehme Ihr Anerbieten an, Doctor,« sagte Leonora Pimentel.

»Ich hoffe allerdings davon keinen Gebrauch machen zu müssen, aber ich bin Weib und kann im entscheidenden Augenblick eine Anwandlung von Schwäche haben. Wenn dieses Unglück mich treffen sollte, dann werden Sie mir verzeihen, nicht wahr?«

»Hier ist der Ring,« sagte Cirillo, »aber Sie thun unrecht, wenn Sie an sich selbst zweifeln. Ich bürge für Sie.«

»Gleichviel,« sagte Leonora, indem sie die Hand ausstreckte, »geben Sie nur her.«

Die Matratze des Doctors war von der Leonora’s Pimentel zu weit entfernt, als daß Cirillo den Ring hätte von Hand zu Hand geben können. Er gab ihn daher dem ihm zunächst befindlichen Gefangenen, der ihn seinem Nachbar reichte, welcher ihn Leonora zustellte.

»Man erzählt,« sagte diese, »daß Cleopatra, als man ihr die in einem Korbe Feigen liegende Natter brachte, damit begann, das Thier zu liebkosen, indem sie sagte: Sei mir willkommen, du häßliches kleines Thier. Mir erscheinst du schön, denn du bist die Freiheit. Auch du, o kostbarer Ring, bist die Freiheit und ich küsse dich wie einen Bruder.«

Salvato hatte, wie man gesehen, an dieser Conversation keinen Theil genommen. Er saß auf einem Bett, mit den Ellbogen auf den Knien und den Kopf in die Hände stützend.

Hector Caraffa betrachtete ihn mit Unruhe. Von seiner Matratze aus konnte er bis zu ihm reichen.

»Schläfst Du oder träumst Du?« fragte er.

Salvato richtete ein vollkommen ruhiges Gesicht empor. Es war blos traurig, weil die Traurigkeit der einmal vorherrschende Charakter dieser Physiognomie war.

»Nein,« sagte er, »ich denke nach.«

»Worüber?«

»Ueber einen Gewissensfall.«

»Ha!«, rief Manthonnet lachend, »welch ein Unglück, daß der Cardinal Ruffo nicht hier ist!«

»An diesen würde ich mich nicht wenden, denn der Gewissensfall, von welchem ich spreche, kann nur von Dir allein gelöst werden.«

»Zum Teufel!« rief Hector Caraffa, »ich hätte nicht geglaubt, daß man mich hier einsperrte, um Mitglied eines Concils zu sein.«

»Cirillo, unser Lehrmeister in der Philosophie, in der Wissenschaft, besonders aber in der Ehre, sagte soeben: Ich besitze Gift, aber ich besitze dessen nur für mich allein, deshalb werde ich mich desselben nicht bedienen.«

»Wollen Sie es?« fragte Leonora lebhaft. »Ich würde gern bereit sein, es Ihnen zu überlassen, denn es brennt mir in den Händen.«

»Nein, ich danke. Es ist blos eine einfache Frage, welche mir Ihnen zu stellen bleibt. Sie wollen, mein lieber Cirillo, nicht allein eines sanften und ruhigen Todes sterben, während Ihre Genossen einen grausamen und entehrenden Tod erleiden, nicht wahr?«

»Ja, so ist es. Da ich mit ihnen gleichzeitig verurtheilt bin, so glaube ich, muß ich auch mit ihnen und wie sie sterben.«

»Wenn Sie aber nun anstatt der Möglichkeit zu sterben die Gewißheit zu leben hätten?«

»Dann würde ich das Leben aus denselben Gründen zurückweisen, welche mich bewogen haben, den Tod in einer andern Gestalt zurückzuweisen.«

»Denkt Ihr Alle wie Cirillo?«

»Ja, Alle,« antworteten die vier Männer wie mit einer Stimme.

Leonora Pimentel horchte mit steigender Begier.

»Aber,« fuhr Salvato fort, »wenn eure Rettung die Rettung eines Andern, eines schwachen, unschuldigen Wesens herbeiführen könnte, welches, um sich dem Tode zu entziehen, nur auf Euch rechnet, nur auf Euch hofft und welches ohne Euch sterben würde?«

»O dann,« rief Leonora Pimentel lebhaft, »dann wäre es unsere Pflicht, anzunehmen.«

»Sie sprechen als Weib, Leonora.«

»Und wir, wir sprechen als Männer, « hob Cirillo wieder an, »und eben so wie Leonora sagen wir: Salvato, es wäre unsere Pflicht, anzunehmen.«

»Ist das auch Ihre Meinung, Ruvo?« fragte der junge Mann.

»Ja.«

»Auch die Ihrige, Manthonnet?«

»Ja.«

»Auch die deinige, Michele?«

»Ja, hundertmal ja.«

Dann, nachdem Michele dies gesagt, neigte er sich zu Salvato und sagte:

»Im Namen der Madonna, Signor Salvato, retten Sie sich und retten Sie Luisa. Ha, wenn ich sicher sein könnte, daß sie nicht sterben wird, dann würde ich tanzend zum Galgen gehen und mit dem Strick um den Hals noch rufen: »Es lebe die Madonna!«

»Es ist gut,« sagte Salvato, »ich weiß nun, was ich wissen wollte. Ich danke.«

Und Alles versank wieder in Schweigen.

Nur die Lampe, welche ihr Oel erschöpft hatte, knisterte einen Augenblick, schoß kleine Blitze und erlosch langsam.

Es dauerte nicht lange, so brach ein grauer Schimmer, den Tag verkündend, welcher der letzte Tag der Verurtheilten sein sollte, traurig durch das Gitter der Fenster.

»Dies ist das Sinnbild des Todes,« sagte Salvato. »Die Lampe erlöscht, es wird Nacht, dann kommt die Morgendämmerung.«

»Sind Sie der Morgendämmerung aber auch sicher?« fragte Cirillo.

Um acht Uhr Morgens wurden diejenigen der Verurtheilten, welche noch schliefen, durch das Geräusch erweckt, welche das Oeffnen der Thür des ersten Gemaches veranlaßte, das heißt dessen, in welchem sich der Altar befand.

Die Schließer traten in das Gemach der Verurtheilten und ihr Anführer rief mit lauter Stimme:

»Die Todtenmesse!«

»Was soll die Messe?« fragte Manthonnet. »Glaubt man, wir würden nicht ohne dieselbe zu sterben wissen?«

»Unsere Henker wollen den lieben Gott auf ihrer Seite haben,« antwortete Hector Caraffa.

»Ich sehe aber nirgends, daß die Messe durch das Evangelium eingesetzt wäre,« sagte Cirillo seinerseits, »und das Evangelium ist die einzige Richtschnur meines Glaubens.«

»Nun gut,« rief dieselbe gebieterische Stimme, »kettet dann blos die los, welche dem Sacramente beiwohnen wollen.«

»Kettet mich los,« sagte Salvato.

Leonora Pimentel und Michele stellten dieselbe Forderung.

Man kettete alle Drei los.

Sie gingen in das Nebenzimmer. Der Priester stand am Altare, Soldaten hielten die Thür besetzt und man sah in dem Corridor die Bajonnete funkeln, welche verriethen, daß das Detachement zahlreich und daß folglich alle Vorsichtsmaßregeln getroffen waren.

Salvato hatte sich blos losketten lassen, um keine Gelegenheit zu versäumen, sich mit seinem Vater oder den Emissären seines Vaters, welche es vielleicht übernommen hätten, ihn zu retten, in Mittheilung zu setzen.

Leonora hatte verlangt die Messe zu hören, weil sie als Weib und Dichterin sich gedrungen fühlte, an dem göttlichen Geheimnisse theilzunehmen.

Michele hatte es verlangt, weil er als Neapolitaner und Lazzarone überzeugt war, daß ohne Messe ein guter Tod nicht möglich sei.

Salvato blieb in der Nähe der Verhindungsthür zwischen den beiden Gemächern stehen. Mochte er aber die Anwesenden mit den Augen befragen und seinen Blick in den Corridor hinabtauchen lassen, wie er wollte, so sah er doch nichts, was ihn hätte muthmaßen lassen können, daß man sich mit seiner Rettung beschäftigte.

Leonora ergriff einen Stuhl und neigte sich darüber, indem sie sich auf die Lehne stützte.

Michele kniete sich unmittelbar auf die Stufen des Altars nieder.

Michele repräsentierte den unbedingten Glauben, Leonora die Hoffnung, Salvato den Zweifel.

Salvato hörte die Messe mit Zerstreutheit, Leonora hörte sie mit Sammlung, Michele hörte sie mit Begeisterung.

Patriot und Oberst war er nur vier Monate, Lazzarone dagegen sein ganzes Leben lang gewesen.

Als die Messe beendet war, fragte der Priester:

»Wer will communiciren?«

»Ich!« rief Michele.

Leonora verneigte sich, ohne zu antworten.

Salvato schüttelte den Kopf zum Zeichen der Verneinung.

Michele näherte sich dem Priester, beichtete mit leiser Stimme und communicirte.

Dann wurden alle Drei wieder in das Gemach geführt, wo man ihnen ebenso wie ihren Genossen ein Frühstück auftrug.

»Wann ist die Stunde?« fragte Cirillo die Schließer, welche das Mahl herbeibrachten.

Einer davon näherte sich ihm.

»Ich glaube, um vier Uhr, Signor Cirillo,« sagte er.

»Ah,« entgegnete der Doctor, »Du kennst mich also?«

»Ja, Sie haben voriges Jahr mein Weib von einer Brustkrankheit geheilt.«

»Und geht es seit dieser Zeit gut mit ihr?«

»Ja, Excellenz.«

Dann setzte er mit einem Seufzer und leise hinzu:

»Ich möchte Ihnen ein ebenso langes Leben wünschen, als meinem Weibe wahrscheinlich nun noch beschieden sein wird.«

»Mein Freund,« antwortete ihm Cirillo, »die Tage des Menschen sind gezählt. Nur ist Gott weniger streng als Se. Majestät der König Ferdinand. Gott läßt zuweilen Gnade walten, der König Ferdinand aber niemals. Du sagt, um vier Uhr werde die Stunde sein?«

»Ich glaube es,« antwortete der Schließer; »da sie aber Ihrer viel sind, so wird man vielleicht, um Zeit zu gewinnen, eine Stunde eher anfangen.«

Cirillo zog seine Uhr heraus.

»Jetzt ist es halb elf,« sagte er.

Dann, als er im Begriffe stand, sie wieder in die Tasche zu stecken, setzte er hinzu:

»Beinahe hätte ich vergessen sie aufzuziehen. Wenn ich stehen bleibe, so ist dies immer noch für sie kein Grund, auch stehen zu bleiben.«

Und mit diesen Worten zog er gelassen die Uhr auf.

»Gibt es unter den Verurtheilten vielleicht einige, welche den Beistand der Religion zu empfangen wünschen?« fragte der Priester, indem er auf der Schwelle der Thür erschien.

»Nein, antworteten Cirillo, Hector Caraffa und Manthonnet wie aus einem Munde.

»Nun, wie Ihr wollt,« antwortete der Priester.

»Es ist das eine Angelegenheit zwischen Gott und Euch.«

»Ich glaube, mein Vater, antwortete Cirillo, »es wäre richtiger zu sagen, eine Angelegenheit zwischen Gott und dem König Ferdinand.«

Siebentes Capitel.
Das Thor San Agostino alla Zecca

Gegen halb vier Uhr hörten die Verurtheilten die äußere Thür des Cabinets der Bianchi sich öffnen, von welcher sie durch eine starke Scheidewand und durch eine mit Eisenbeschlägen, Vorhängschlössern und Riegeln versehene Thür getrennt waren. Dann vernahmen sie ein Geräusch von Tritten und das Flüstern mehrerer Stimmen. Cirillo zog seine Uhr.

»Halb vier Uhr,« sagte er. »Mein wackerer Schließer hat sich nicht geirrt.«

»Michele,« sagte Salvato zu dem Lazzarone, welcher, seitdem er communicirt hatte, in fortwährendes Gebet versunken war.

Michele stutzte und näherte auf einen Wink von Salvato sich diesem, so weit die Länge seiner Kette es gestattete.

»Excellenz?« fragte er.

»Sieh zu, daß Du Dich nicht von mir entfernt, und wenn sich irgend ein unerwarteter Vorfall ereignete, so benutze denselben.«

Michele schüttelte den Kopf.

»O, Excellenz,« murmelte er, »Nanno hat gesagt, ich würde gehängt werden, und folglich muß ich gehängt werden. Es kann gar nicht anders geschehen.«

»Ach, wer weiß das?« sagte Salvato.

Man hörte die Thür sich öffnen, welche sich der gegenüber befand, die in das Cabinet der Bianchi führte, das heißt die der Capelle, und ein Mann erschien auf der Schwelle des Gemachs der Verurtheilten, während das Klirren der Flintenkolben, welche die Soldaten auf den Boden setzten, bis zu ihnen drang.

Der Anblick dieses Mannes war von der Art, daß man sich nicht wohl in ihm täuschen konnte.

Es war der Henker.

Er zählte die Delinquenten.

»Blos sechs Ducati Prämie,« murmelte er mit einem Seufzer, »und wenn ich bedenke, daß ich eigentlich bei diesem einzigen Geschäft sechzig Ducati verdienen sollte! Indessen denken wir weiter nicht daran.«

Der Fiscalprocurator Guidobaldi trat ein, während ein Gerichtsdiener mit dem Urtheilsspruch der Junta in der Hand voranschritt.

»Kettet die Verurtheilten los,« sagte der Fiscalprocurator.

Die Schließer gehorchten.

»Kniet nieder, um euren Urtheilsspruch zu hören,« sagte Guidobaldi.

»Mit Ihrer Erlaubniß, Herr Fiscalprocurator,« sagte Hector Caraffa, »wir möchten ihn lieber stehend anhören.«

Der spöttische Ton, in welchem diese Worte gesprochen wurden, bewog den Richter mit den Zähnen zu knirschen.

»Es kommt wenig darauf an, ob Ihr ihn kniend, stehend oder sitzend hört, dafern Ihr ihn nur hört und derselbe vollstreckt wird. – Lesen Sie, setzte der Fiscalprocurator dann zu dem Diener hinzu.

Der Spruch verurtheilte Domenico Cirillo, Gabriel Manthonnet, Salvato Palmieri, Michele den Narren und Leonora Pimentel zum Tode durch den Strang und Hector Caraffa zur Enthauptung.

»So ist’s recht,« sagte Hector. »Es läßt sich nichts dagegen einwenden.«

»Dann,« fragte Guidobaldi in spöttischem Tone, »kann man das Urtheil wohl vollstrecken?«

»Jawohl, sobald es Ihnen beliebt. Ich für meine Person bin bereit und setze voraus, daß meine Freunde es ebenfalls sind.«

»Ja,« antworteten die Verurtheilten wie aus einem Munde.

»Dennoch muß ich Dir, Domenico Cirillo, noch Eines sagen,« hob Guidobaldi in einem Tone an, welcher verrieth, daß diese Worte ihm gewaltige Ueberwindung kosteten.

»Und was denn?«, fragte Cirillo.

»Bitte den König um Gnade und vielleicht wird er sie Dir gewähren, weil Du ein Arzt gewesen bist. Auf alle Fälle habe ich, dafern Du diese Bitte stellt, Befehl, eine Frist zu bewilligen.«

Aller Blicke hefteten sich auf Cirillo. Dieser aber antwortete mit einer sanften Stimme, einem ruhigen Gesicht und seinen lächelnden Lippen:

»Vergebens versucht man meinen Ruf durch eine Niedrigkeit zu brandmarken. Ich weigere mich, den mir dargebotenen schimpflichen Rettungsweg zu betreten. Ich bin mit Freunden verurtheilt worden, welche mir theuer sind; ich will auch mit ihnen sterben. Ich erwarte meine Ruhe vom Tode, und ich werde eher nichts thun, um ihn zu fliehen oder auch nur um eine Stunde länger in einer Welt zu bleiben, in welcher Ehebruch, Meineid und Bosheit herrschen.«

Leonora ergriff Cirillos Hand, und nachdem sie dieselbe geküßt, warf sie das Opiumfläschchen, welches sie von ihm erhalten, auf den Fußboden, so daß es zerbrach.

»Was ist dies?« fragte Guidobaldi, als er die Flüssigkeit sich über das Steinpflaster verbreiten sah.

»Ein Gift, welches mich binnen zehn Minuten deinen Klauen entrückt hätte, Elender!« antwortete sie.

»Und warum entsagst Du diesem Gift?«

»Weil es, wie mir scheint, eine Feigheit wäre, Cirillo zu verlassen, sobald er erklärt hat, daß er uns nicht verlassen will.«

»Gut gesprochen, meine Tochter!« rief Cirillo. »Ich werde nicht sagen: »Du bist meiner würdig, sondern: »Du bist deiner selbst würdig.«

Leonora lächelte, warf einen Blick gen Himmel, streckte die Hand aus und sagte mit lächelndem Munde:

»Forsan haec olim meminisse juvabit.«

»Nun,« sagte Guidobaldi ungeduldig, »ist man fertig und hat Niemand weiter noch etwas zu verlangen?«

»Es hat gleich von vornherein Niemand etwas verlangt,« sagte der Graf von Ruvo.

»Und es wird auch Niemand etwas verlangen,« sagte Manthonnet, »ausgenommen, daß diese Komödie angeblicher Milde so schnell als möglich zu Ende gebracht werde.«

»Schließer, öffnet den Bianchi die Thür,« sagte der Fiscalprocurator.

Die Thür des Cabinets öffnete sich und die Bianchi erschienen mit ihren langen weißen Gewändern bekleidet. Es waren ihrer zwölf, für jeden Verurtheilten zwei.

Die Thür des Cabinets schloß sich wieder hinter ihnen. Einer der frommen Bruderschaft näherte sich Salvato, ergriff ihn bei der Hand und machte dabei das Zeichen der Freimauerer.

Salvato gab ihm dasselbe Zeichen zurück, ohne daß sein Gesicht die mindeste Gemüthsbewegung verrieth.

»Sind Sie bereit?« fragte der Büßer.

»Ja,« antwortete Salvato.

Die Antwort hatte einen Doppelsinn, aber Niemand bemerkte etwas davon.

Was Salvato betraf, so erkannte er die Stimme nicht, das maurerische Zeichen aber sagte ihm, daß er es mit einem Freund zu thun hatte. Er wechselte einen Blick mit Michele.

»Bedenke, was ich Dir gesagt habe, Michele,« sagte Salvato.

»Ja, Excellenz,« antwortete der Lazzarone.

»Welcher von Euch heißt Michele?« fragte ein Büßer.

»Ich!« rief Michele lebhaft, denn er glaubte, er werde eine gute Nachricht mitgetheilt erhalten.

Der Büßer näherte sich ihm.

»Ihr habt eine Mutter, nicht wahr?« fragte er ihn.

»Ja,« antwortete Michele mit einem Seufzer, »und das ist eben mein größter Kummer. Die arme Frau! Aber woher wissen Sie das?«

»In dem Augenblick, wo ich in die Vicaria trat, sprach eine arme alte Frau mich an.«

»Excellenz,« sagte sie zu mir, »ich habe eine Bitte an Sie.«

»Was denn für eine?« fragte ich.

»Ich möchte wissen, ob Sie zu den Büßern gehören, welche die Verurtheilten auf das Schaffot begleiten.«

»Ja, dies ist der Fall.«

»Nun denn, einer davon heißt Michele Marino, ist aber mehr unter dem Namen Michele der Narr bekannt.«

»Ist dies,« fragte ich die Alte, »nicht derselbe, welcher unter der sogenannten Republik Oberst war?«

»Ja, der Unglückliche!« antwortete sie; »das ist er!«

»Nun und?«

»Nun, als wackerer Christ, der Sie sind, werden Sie ihn auffordern, beim Heraustreten aus der Vicaria die Augen links zu wenden. Ich werde auf dem Stein der Bankerottirer stehen, um ihn zum letzten Mal zu sehen und ihm meinen Segen zu geben.«

»Ich danke, Excellenz, sagte Michele. »Es ist Thatsache, daß die arme gute Frau mich von ganzem Herzen liebt. Ich habe ihr mein ganzes Leben lang viel Kummer gemacht, heute aber mache ich ihr den letzten.«

Er trocknete sich eine Thräne und fragte dann den Büßer:

»Wollen Sie mir die Ehre erzeigen, mich zu begleiten?«

»Sehr gern,« antwortete Biancho.

»Komm, Michele,« sagte Salvato, »wir wollen nicht auf uns warten lassen.«

»Hier bin ich, Signor Salvato, hier bin ich.«

Und Michele folgte Salvato auf dem Fuße. Die Verurtheilten verließen das Gemach, in welchem sie sich zur geistlichen Vorbereitung befunden, durchschritten das, in welchem ihnen die Messe gelesen worden, und begannen mit dem Henker an der Spitze in den Corridor zu treten.

Sie marschierten in der Reihenfolge, welche ohne Zweifel die war, in der sie hingerichtet werden sollten.

Zuerst kam Cirillo, dann Manthonnet, dann Michele, dann Leonora Pimentel, dann Ettore Caraffa.

Jeder der Verurtheilten marschierte zwischen zwei Bianchi.

An der in den Hof führenden Thür des Gefängnisses stand eine Doppelreihe von Soldaten bis zu der zweiten, welche auf den Platz der Vicaria hinausführte.

Dieser Platz war mit Menschen angefüllt.

Beim Anblick der Verurtheilten erhob die Menge ein furchtbares Geschrei und rief:

»Zum Tode mit den Jakobinern! Zum Tode!«

Es war augenscheinlich, daß ohne die Doppelreihe der Soldaten, welche die Verurtheilten schützte, dieselben nicht fünf Schritte in der Straße hätten zurücklegen können, ohne in Stücke gerissen zu werden. Messer blitzten in Aller Händen und Drohungen funkelten aus Aller Augen.

»Stützen Sie sich auf meine Schulter,« sagte der Büßer, welcher zu Salvato’s rechter Hand einherschritt und sich ihm als Freimaurer zu erkennen gegeben hatte.

»Glauben Sie denn, ich bedürfe einer Stütze?« fragte Salvato lächelnd.

»Nein, aber ich habe Ihnen Instructionen zu geben.«

Man hatte etwa fünfzehn Schritte außerhalb der Vicaria zurückgelegt und sah sich der Säule gegenüber, die auf dem Steine steht, welche man den Stein der Bankerottirer nennt, weil diese im Mittelalter ihre Insolvenz dadurch erklärten, daß sie sich mit dem nackten Hintern auf diesen Stein setzten.

»Halt,« sagte der Büßer, welcher zu Micheles linker Hand schritt.

Die Büßer genießen bei diesen Todesprozessionen eine Autorität, welche es Niemanden einfällt ihnen streitig machen zu wollen.

Meister Donato blieb zuerst stehen, dann machten hinter ihm Büßer, Soldaten und Verurtheilte ebenfalls Halt.

»Junger Mann,« sagte der Büßer, welcher »Halt« gerufen, zu Michele, »sage deiner Mutter Lebewohl. – Weib, setzte er sich zu der Alten wendend hinzu, »gib deinem Sohn den letzten Segen.«

Die Alte stieg von dem Steine, auf dem sie stand, herab und Michele warf sich in ihre Arme.

Einige Secunden lang war weder das Eine noch das Andere im Stande zu sprechen.

Der Büßer, welcher sich Salvato zur Rechten befand, benutzte diesen Umstand, um ihm zu sagen:

»In dem Vico San Agostino alla Zecca wird in dem Augenblick, wo wir der Kirche gegenüber anlangen, ein Tumult entstehen. Eilen Sie dann die Stufen der Kirche hinauf und lehnen Sie sich an die Thür, indem Sie zugleich mit der Ferse daran pochen.«

»Gehört der Büßer zu meiner Linken auch zu den Unsrigen?«

»Nein. Thun Sie, als ob Sie sich mit Michele beschäftigten.«

Salvato drehte sich nach der Gruppe herum, welche durch Michele und seine Mutter gebildet ward.

Michele hatte soeben den Kopf emporgerichtet und schaute sich um.

»Und sie, fragte er, »ist sie nicht bei Euch?«

»Wer denn?« fragte die Alte.

»Assunta.«

»Ihre Brüder und ihr Vater haben sie in das Kloster der Annunciata eingesperrt, wo sie weint und verzweifelt. Sie haben geschworen, wenn sie Dich den Händen der Soldaten entreißen könnten, so solle der Henker nicht das Vergnügen haben, Dich aufzuknüpfen, denn sie würden sich dann die Freude machen, Dich in Stücke zu reißen. Giovanni hat sogar hinzugesetzt: Es wird mich dies einen Ducaten kosten, aber das soll nichts ausmachen.«

»Liebe Mutter, Ihr werdet ihr sagen, daß ich ihr gezürnt, weil sie mich verlassen, daß ich ihr aber nun verzeihe, weil ich weiß, daß sie nicht dafür kann.«

»Wohlan,« sagte der Büßer, »es muß geschieden sein.«

Michele kniete nieder vor seiner Mutter, die ihm beide Hände aufs Haupt legte und ihn im Stillen segnete, denn ein lautes Wort konnte die arme schluchzende Frau nicht mehr hervorbringen.

Der Büßer faßte sie unter dem Arm und setzte sie auf den Stein, auf dem sie wie eine träge Masse, den Kopf auf die beiden Knie stützend, sitzen blieb.

»Ja, gehen wir,« sagte Michele.

Und er stellte sich von selbst wieder in Reihe und Glied.

Der arme Junge war weder ein Freigeist wie Ruvo, noch ein Philosoph wie Cirillo, noch ein Felsenherz wie Manthonnet, noch ein Dichter wie Leonora Pimentel. Er war blos ein Sohn des Volkes, allen Gefühlen zugänglich und verstand nicht dieselben zurückzudrängen oder zu verhehlen.

Er ging mit festem Schritt und aufgerichtetem Haupt, aber thränenfeuchten Wangen.

Man folgte einige Augenblicke lang der Strada dei Tribunali, dann bog man links in den Vico delle Lite ein, durchschritt die Strada Forcella und gelangte dann in den Vico San Agostino alla Zecca.

Am Eingange dieser Straße stand ein Mann mit einem Karren, der mit zwei Büffeln bespannt war.

Salvato kam es vor, als ob der Büßer zu seiner Rechten mit dem Karrenführer ein Zeichen wechselte.

»Halten Sie sich bereit,« sagte der Büßer.

»Wozu?« fragte Salvato.

»Zu dem, was ich gesagt habe.«

Salvato drehte sich um und sah, daß der Mann mit den Büffeln dem Zuge mit einem Karren folgte.

Kurz vor der Estrade del Pendino war die Straße durch einen mit Holz beladenen Wagen versperrt, dessen Axe gebrochen war.

Der Mann spannte seine Pferde ab, um dann den Wagen abzuladen. Fünf oder sechs Soldaten schritten voraus mit dem Rufe: »Platz! Platz!« und versuchten in der That die Straße frei zu machen.

Man befand sich jetzt der Kirche San Agostino alla Zecca gegenüber.

Plötzlich hörte man ein fürchterliches Gebrüll und die Büffel stürzten wie plötzlich toll geworden mit blutigen Augen, heraushängenden Zungen und feuersprühenden Nüstern, während sie den Karren mit donnerähnlichem Getöse hinter sich herschleppten, sich auf den Zug und zerquetschten und zertraten das Volk, womit die Straße angefüllt war, ebenso wie die Nachhut der Soldaten, welche vergebens versuchten, sie mit ihrem Bajonneten aufzuhalten.

Salvato begriff, daß dies der Augenblick war. Mit dem Ellbogen den zweiten Büßer, der ihm zur Linken einherging, auf die Seite schiebend, stieß er den Soldaten, der ihm der nächste war, über den Haufen und sprang mit dem wiederholten Rufe: »Die Büffel! die Büffel!« als ob er blos dieser Gefahr zu entrinnen suchte, die Stufen der Kirche hinan, lehnte sich an die Thür und schlug mit dem Absatze an dieselbe. Die Thür öffnete sich, wie bei einem gut in Scene gesetzten Zauberspiele eine Versenkung sich öffnet, und ehe man Zeit gehabt hatte, zu sehen, wohin er verschwunden war, schloß die Thür sich wieder hinter ihm.

Michele wollte Salvato folgen, aber ein eiserner Arm hielt ihn zurück. Es war der des alten Fischers Basso Tomeo, des Vaters Assunta’s.

Возрастное ограничение:
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Дата выхода на Литрес:
30 ноября 2019
Объем:
200 стр. 1 иллюстрация
Правообладатель:
Public Domain

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