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Читать книгу: «Die Holländerin», страница 5

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9

Wie wir bereits mitgetheilt, hatte Tristan dem Herrn Wilhelm versprochen, Euphrasia’s Portrait am nächsten Morgen vollendet zu haben.

Nach dem Frühstücke verfügte er sich demnach in Madame Van-Dick’s Zimmer, die, auf die Meldung, der Maler sei da, auch nicht lange warten ließ, und in derselben Kleidung als Tages zuvor erschien.

Als Euphrasia eintrat, reichte die Tristan die Hand und sprach mit einem feinen Lächeln:

– Wie befinden Sie sich?

– Ach, Madame, Bewunderung und Furcht hat sich meiner zu gleicher Zeit bemächtigt.

– Warum?

– Weil ich fürchte, indem ich Sie so schön sehe, das Bild nicht ähnlich zu malen.

– Kind, wie können Sie lügen! Nach dem Worte »Kind«, in einem gewissen freundschaftlichen, anmaßenden und bewegten Tone gesprochen, hätte man glauben mögen, Madame Van-Dick habe die ganze Nacht von dem geträumt, an den sie es richtete.

– Sie finden also, daß ich so gut bin?

– Ich finde keine Worte, um Ihnen zu antworten.

– Ist es nöthig, daß ich dieses Tuch ablege, das mir die Schultern deckt?

– Ich antworte, was die Menschen antworten würden, wenn Gott sie früge, ob sie wollten, daß er die Wolken vom Himmel verjagte.

– Wissen Sie, Herr Tristan, entgegnete Euphrasia mit der Röthe der Eitelkeit auf den Wangen, wissen Sie, daß man sehr stark sein muß, um zu widerstehen, wenn Sie einer Frau den Hof machen? Um mich zu waffnen, will ich ein wenig kokett werden, was meinen Sie dazu, Herr Tristan?

– Ich meine, Madame, daß die Koketterie, wenn man jung, schön und geliebt ist, nicht besser in diese dreifache Krone paßt, als ein falscher Stein in ein königliches Diadem.

– Wenn die Frau, fuhr Madame Van-Dick fort, während Tristan Pinsel und Farben vorbereitete, zwar noch jung ist, aber nicht mehr schön und geliebt, muß sie sich in Ermangelung echter Steine wohl mit einigen unechten begnügen.

– Ich kenne keine Frau dieser Gattung, Madame!

– Es ist rein unmöglich, Ihnen beizukommen. Dies führt mich zu der Frage zurück: Wie würden Sie sich wohl benehmen, wenn sie heute oder morgen verlieben werden?

– Zunächst erlauben Sie mir die Bemerkung, das es für mich rein unmöglich ist, in diesen Fall zu kommen.

– Und warum? fragte Euphrasia mit dem Lächeln einer beleidigten Frau.

– Weil ich alle Liebe, die mein Herz barg, verschwendet habe und nun ruiniert bin.

– Sie zweifeln an Gott!

– Ich zweifele nur an mir, das ist Alles.

– Wenn aber eine Frau Sie liebte?

– So würde ich diese Frau beklagen.

– Und wenn sie Ihnen ihre Liebe gestände?

– Würde ich sie noch ein wenig mehr beklagen.

– Wenn es aber nun eine Frau wäre, die noch nie geliebt und alle ihre Träume, alle ihre Hoffnungen auf Sie gesetzt hätte?

– O, dann würde ich sie ungeheuer beklagen!

– Und würden Sie nicht versuchen, Ihr Herz an diesem jungen und reinen Feuer wieder zu erwärmen?

– Nein.

– Sie stellen sich stärker, als Sie sind.

– Auch glaube ich, daß ich nie in die Nothwendigkeit versetzt werde, zum Aeußerten schreiten zu müssen und ihr zu sagen, wenn sie mir ihre Liebe gesteht, daß ich sie nicht liebe.

– Warum?

– Weil eine Frau, die nie geliebt hat, jung und keusch ist, bei dem ersten Anblicke sich bis zur Leidenschaft in mich nicht verlieben wird, zumal, wenn ich ihr den Hof nicht gemacht habe; und sollte eine Leidenschaft Wurzel fassen, so wird sie es nicht wagen, mir zu gestehen, daß sie mich liebt, denn wir Männer wagen ja kaum einer Frau zu sagen, daß wir sie lieben.

Madame Van-Dick biß sich in die Lippen.

– Sie sind sehr streng, antwortete sie.

– Nein, ich glaube nur an die Tugend der Frauen. Eine lange Pause trat ein. Tristan, der schien, als ob er diese Unterhaltung schon vergessen hatte, richtete seine Augen auf Madame Van-Dick, wie auf eine Statue, sah wieder auf das Bild, um seinem Pinsel zu folgen, und hatte die gleichgültigste Miene von der Welt.

– Habe ich dieselbe Stellung von gestern? Sagen Sie es nur, wenn Sie wollen, daß ich mich anders setzen soll.

– Sie sind in derselben Stellung, Madame.

– Haben Sie gut geschlafen?

– Vollkommen.

– Sie sind sehr glücklich; ich habe die ganze Nacht kein Auge geschlossen.

– Waren Sie krank?

– Nein; aber ein Heer trauriger Gedanken drängte sich mir auf.

– Was könnte Sie wohl betrüben, fuhr Tristan fort, ohne auch nur das kleinste Gewicht auf das zu legen, was er sprach, Sie, die Sie geschaffen sind, um glücklich zu sein? Wollten Sie gefälligst Ihren Kopf ein wenig mehr links wenden?

– So?

– Ja. Danke!

– Was wollten Sie mir sagen?

– Ich wollte fragen, woher diese Traurigkeit bei Ihnen käme?

– Habe ich Ihnen nicht schon hundertmal gesagt, Herr Tristan, daß ich nicht glücklich bin.

– Sie sehen, daß ich es nie geglaubt.

– Daran haben Sie sehr unrecht gethan, denn es ist wahr, vorzüglich seit einigen Tagen.

Madame Van-Dick war hoch erfreut, sich bücken zu können, um ihr Schnupftuch aufzuheben, und die Bewegung zu unterdrücken, die sie zu empfinden glaubte.

– Wahrhaftig? sprach Tristan, indem er sich ein wenig zurückbog, um die Wirkung der Farbe zu sehen, die er in diesem Augenblicke aufgetragen hatte. Wahrhaftig? Was ist Ihnen begegnet, Madame?

– Ich weiß nicht, ob ich Ihnen dergleichen Sachen sagen darf.

– Haben wir uns nicht gestern gegenseitiges Vertrauen und Freundschaft gelobt?

Madame Van-Dick stockte.

– Nun? fragte der Maler.

– Nun – —

– Verzeihung, Madame, wenn ich Sie unterbreche, wollten Sie wohl den Kopf ein wenig höher heben und mich ansehen – So – tausend Dank! Was wollten Sie jagen?

Madame Van-Dick sah, daß sie durch die Gleichgültigkeit desjenigen, mit dem sie sich unterhielt, in ein höchst lächerliches Gespräch verwickelt hatte, aus dem nach und nach sich herauszuziehen es ihr an Geist fehlte. Da sie nicht wagte, es plötzlich abzubrechen, kam sie immer tiefer hinein, was unserm Tristan ein großes Vergnügen gewährte, der, wie wir wissen, sich geschworen hatte, hart wie Marmor zu bleiben.

– Ich sagte, und dieses steht in Verbindung mit dem, was wir vorhin sprachen, fuhr Euphrasia fort, die glücklich war, auf das wieder zurückzukommen, das sie gezwungen worden, abzubrechen – ich sagte, daß es nicht nur junge Mädchen giebt, welche einer ernsten Liebe fähig sind, sondern auch verheirathete Frauen, und diese, wenn sie unter einer Leidenschaft seufzen, die nichts zu bezwingen vermag, sind doppelt unglücklich, erstens, weil sie nicht frei sind, und zweitens, weil die Welt ihnen diese Leidenschaft zum Verbrechen anrechnet.

– Ich muß aber noch hinzufügen, sprach Tristan, dem es Vergnügen zu machen schien, der armen Madame Van-Dick zu widersprechen, daß es auch sehr viel Frauen giebt, die in excentrischer Leidenschaft ein Glück zu finden wähnen und sich dem ersten besten jungen Manne, braun oder blond, ergeben, ohne an ihren Mann und an ihre Kinder zu denken. Mögen sie nun durch Umstände vor einem Fehltritte bewahrt worden sein, oder mögen sie wirklich erlegen haben, sie werden später einsehen, daß sie sich getäuscht und nicht einmal sich wundern, daß sie vor Liebe nicht gestorben sind.

– Sie werden immer strenger, Herr Tristan, antwortete Euphrasia verletzt; was Sie soeben sagten, dürften Sie nicht allen Frauen sagen, denn Sie könnten leicht einer begegnen, die sich in dem Falle befindet, den Sie bezeichnen. Sie würden dieser Frau dann sehr wehe thun, ohne daß sie Ihnen etwas zu Leide gethan.

Tristan sah ein, daß er ein wenig zu weit gegangen war, denn Madame Van-Dick traten fast die Thränen in die Augen.

– Dann muß ich auch noch hinzufügen, sprach er rasch, daß ich von den Frauen im Allgemeinen sprach und daß jede Regel ihre Ausnahme hat. Es kann leicht geschehen, daß die Familie eines jungen Mädchens sich wirklich täuscht und die Träume eines Kindes der Langeweile eines Greises beigesellt, ein liebendes Herz einem blasirten und eine ausgezeichnete Natur einer gemeinen. Unter diesen Umständen würde ich eine Frau nicht nur entschuldigen, sondern fiel achten und gegen Jedermann vertheidigen.

– Dies söhnt mich mit Ihnen wieder ein wenig aus, Herr Tristan. Ach, wie glücklich sind doch die Männer, und vorzüglich Sie, mein Herr, da Sie so gleichgültig über Herzensangelegenheiten sprechen können. Doch nun erlauben Sie mir, Sie um etwas zu bitten.

– Reden Sie, Madame!

– Wollen Sie von jetzt an. Alles glauben, was ich Ihnen sagen werde?

– Ja.

– Und zu errathen suchen, was ich nicht wage, Ihnen zu sagen?

– Ich werde alle meine Kräfte aufbieten.

– Jetzt, sprach sie, indem sie aufstand und sich die Augen trocknete, bin ich häßlich, durch Ihre Schuld habe ich rothe Augen bekommen. Zeigen Sie mir mein Portrait, damit ich sehe, wie ich vorhin war, denn wie ich jetzt bin, wage ich nicht, mich zu betrachten.

Euphrasia legte beide Hände auf die Achsel des Malers, ihren Kopf auf die Hände und betrachtete so das Bild.

– Reizend! rief sie aus; doch bin ich auch so schön, als dieses Bild?

– Wie ich bereits gesagt, antwortete Tristan lächelnd, nehme ich Sie stets, wie Sie sind.

Euphrasia sah den jungen Mann liebevoll an und lächelte wieder.

– Lieben Sie mich ein wenig? fragte sie.

– Wie können Sie an meiner aufrichtigen Zuneigung zweifeln, Madame!

– Sie haben recht, wenn Sie mich lieben, denn ich liebe Sie auch.

Ein Seufzer der Resignation entquoll ihrem Busen.

– Soll ich noch sitzen? fuhr sie nach einer Pause fort.

– Wie Sie sehen, Madame, ist das Bild ziemlich vollendet; ich habe nur noch das Kleid zu machen und dazu bedarf es der Sitzung nicht.

– So kann ich mich wohl entkleiden?

– Ich werde mich auf mein Zimmer zurückziehen.

– O nein, Sie können bleiben! Ich gehe in mein Toilettenzimmer. Diesen Abend, Tristan?

– Auf Wiedersehen, Madame!

Euphrasia reichte dem Maler die Hand und ihn mit allem Feuer anblickend, das sie noch im Auge hatte, sprach sie:

– Sie machen sich doch nicht lustig über mich?

– Ich habe nie daran gedacht.

– Wissen Sie jetzt, wem dieses Portrait bestimmt ist? fügte sie mit einer erkünstelten Schüchternheit hinzu.

– Ja, antwortete Tristan mit einer erkünstelten Bewegung.

– Adieu!

– Tristan küßte Euphrasia’s Hand.

Kaum war er in das Zimmer getreten, als Wilhelm ihm folgte.

– Nun, sprach der Handlungsdiener, ist es fertig?

– Hier, sprach der Tenor und zeigte ihm das Portrait.

– Ach, bewunderungswürdig schön! Mein bester Tristan, seien Sie meiner Dankbarkeit gewiß! Wann wird es ganz vollendet sein?

– Es bedarf kaum noch einer Stunde Arbeit.

– Hat Ihnen Euphrasia gestanden, daß dieses Bild für mich ist?

– Ja, aber mit einem Beisatze.

– Mit welchem?

– Ihnen durchaus keinen Grund zu Vermuthungen zu geben. Darum stellen Sie sich, als ob Sie nichts wüßten.

– Ohne Sorgen.

– Sie wird es Ihnen nicht einmal hier geben.

– Wie?

– Sie wird es Ihnen auch nicht selbst überreichen.

– Warum?

– Weil sie eine vollkommene Ueberraschung beabsichtigt.

– Vortrefflich!

– Sie hat mich beauftragt, Sie bis zum Wagen zu begleiten und es Ihnen im Augenblicke, wo Sie abreisen, in die Hand gleiten zu lassen.

– Daran erkenne ich sie!

– Also Vorsicht, oder ich zürne Ihnen.

– Fürchten Sie nichts. Jetzt gehe ich ruhig in mein Bureau zurück. Tausend Dank, mein bester Tristan!

Mit einem Gedichte, in dem sich die seligste Freude aussprach, verließ Wilhelm das Zimmer.

– Das ist ein glücklicher Mensch, dachte Tristan, als er den Commis sich entfernen sah. Meine beste Madame Van-Dick, Sie mögen reden und handeln wie Sie wollen, dahin bringen Sie mich nicht, daß ich das Glück dieses unschuldigen Jünglings zerstöre.

10

Am Tage vor Wilhelm’s Abreise hatte Tristan ihn noch einmal das Versprechen abgenommen, Euphrasia in Bezug auf das Portrait nichts zu sagen. Wilhelm war ein ehrlicher junger Mann und hielt treulich sein Versprechen. Es war ein Uhr Nachts, als der arme Knabe zu einer Geliebten schlich, um auf einen Monat Abschied von ihr zu nehmen. Tristan, hinter einem Fenster verborgen, lauschte der Scene.

Der Abschied war herzzerreißend.

Vor Anbruch des Tages verließ Wilhelm Euphrasia’s Zimmer. Er war so bewegt, daß er nicht bemerkte, wie seine Geliebte es noch etwas mehr hätte sein können. Nach dem Frühstück, von dem er, beiläufig gesagt, nur wenig genossen, fand er noch einmal Gelegenheit, während Herr Van-Dick in seinem Bureau die letzten Instructionen ordnete, Euphrasia zu sprechen. Die Dame seufzte, als ob sie dem scheidenden Geliebten auf ein ganzes Jahr Vertrauen einflößen wollte; Wilhelm aber ward von Secunde zu Secunde bewegter und gewahrte mithin den Erguß des Kummers nicht, wie er in verflossener Nacht die Kälte nicht gewahrt hatte.

Herr Van-Dick kehrte mit Briefen in der Hand zurück. Indem er Wilhelm’s Hand auf das Freundschaftlichste drückte, sprach er:

– Bester Wilhelm, ich hätte Sie gern dieser langweiligen Reise überhoben, aber Sie wissen, daß ich abgehalten bin. Ich habe gethan, was in meinen Kräften fand, um Sie hier bleiben zu lassen, meine Anwesenheit hier ist aber durchaus nothwendig. Zürnen Sie mir darum nicht, und kehren Sie so schnell als möglich zurück. Haben Sie mich verstanden?

– Ja.

– Sie besitzen unbeschränkte Vollmacht.

– Gut.

– Handeln Sie, wie Sie es für gut finden und sagen Sie dem Hause Daniel, daß ich ihm nicht allein Zeit, sondern auch Geld bewillige, um seinem Sturze vorzubeugen. Sorgen Sie dafür, daß ich in keinen Proceß verwickelt werde, das ist Alles, was ich wünsche. Nun reisen Sie!

– Leben. Sie wohl, mein bester Herr Van-Dick!

– Leben. Sie wohl, mein bester Wilhelm.

Eine innige Umarmung vollendete diese Abschiedsszene. Der Herr des Hauses, sich die Hände reibend, ging in sein Zimmer zurück, und Wilhelm, von Tristan begleitet, verließ das Haus.

Eine Thräne und ein tiefer Seufzer des Handlungsbeflissenen begleitete das Geräusch der sich schließenden Thür.

– Fassen Sie Muth, Wilhelm! sprach Tristan.

Wäre der Leser mit Tristan Zeuge von dem Schauspiele dieser Leidenschaft gewesen, er würde sie, wie er, lächerlich und äußerst komisch gefunden haben, was sie im Grunde auch war.

– Muth, wiederholte er, und wenn Sie keinen haben, werden Sie ihn von mir erhalten.

– Haben Sie das Portrait?

– Ja.

– So geben Sie es mir.

– Versprechen Sie mir auch, Muth zu fassen?

– Ja.

– Nicht mehr traurig zu sein?

– Ja.

Nun amüsierte sich Tristan, ihm das Portrait zu zeigen und es jedes mal zurückzunehmen, so oft er es ergreifen wollte. Dabei erpreßte er ihm ein Versprechen nach dem andern, wie man mit Kindern zu thun pflegt, wenn man ihnen ein Spielzeug unter der Bedingung giebt, daß sie artig sein sollen. Endlich übergab er das Medaillon seinem Freunde, der es mit Begeisterung küßte.

– Und ich glaubte, rief Wilhelm, Sie seien in Euphrasia verliebt!

– Großer Thor!

– Ja, ein Thor, der glaubte, daß Sie mich hintergingen!

– Wer läßt Sie solche Sachen glauben?

– Euphrasia.

– Wie?

– Sie sagte mir, daß Sie bis zum Wahnsinn in sie verliebt wären.

– Ich?

– Ja. Sie hätte es aus Ihren Blicken und aus Ihrem zuvorkommenden Benehmen gemerkt. Als sie sah, daß sich die Eifersucht in mir regte, schien sie glücklich zu sein.

– Dies ist nur ein Mittel, das sie erfand, um sich noch ein wenig geliebter zu machen.

– Ich glaube es fast; es ist aber schlecht von ihr.

– Zürnen Sie ihr deshalb nicht, diese Gewohnheit besitzen fast alle Frauen.

– Sie konnte mich aber mit Ihnen entzweien, der Sie mein bester Freund sind.

– Jetzt wissen Sie doch, was Sie davon zu halt haben, nicht wahr?

– O Himmel!

– Werden Sie mich noch länger in Verdacht haben?

– Man könnte mir noch wahrscheinlichere Sachen sagen, ich würde sie nicht glauben.

– Daran werden Sie wohl thun, denn ich schwöre Ihnen, daß dies das allerletzte ist, woran ich – denken werde.

Unter diesem Gespräche waren die beiden Freunde bei der Diligence angelangt.

Wilhelm begegnete einigen bekannten Personen, die grüßte; er entfernte sich aber rasch von ihnen, denn er mußte noch von Euphrasia reden. Man hörte es an seinen Worten, daß ihm das Herz gewaltig klopfte und selbst da als er von andern Sachen sprach, als von seiner Liebe, verrieth das Beben seiner Lippen und das Stocken seiner Rede, daß die Heiterkeit seines Geistes seinem Herz folgte, und das Herz weder dort war, wo er sich befand noch wohin er ging.

– Sie werden mir doch schreiben? fragte er.

– Ja.

– Und werden mit ihr von mir reden?

– Gewiß.

– Aber nicht zu offen, denn das Schamgefühl einer Frau leidet immer, wenn ein Fremder von ihrem Liebhaber spricht.

– Sie hat aber Vertrauen zu mir. Würde sie mich im entgegengesetzten Falle wohl beauftragt haben, Ihnen ihr Portrait einzuhändigen?

– Das ist wahr. Sie bleiben zurück, o wie glücklich sind Sie!

– Und Sie werden in vierzehn Tagen zurückgekehrt sein.

– So bald als möglich.

Die Reisenden wurden gerufen. Die beiden Freunde umarmten sich.

Bis zur Abfahrt des Wagens blieb Tristan an der Thür desselben stehen. Bei dem ersten Peitschenhiebe des Postillons reichte Wilhelm noch einmal die Hand aus dem Wagen, und rief dem Freunde ein letztes Lebewohl zu. In diesem Augenblicke traten dem armen jungen Manne zwei lange zurückgehaltene Thränen in die Augen. Außer diesen beiden floß auch eine für Tristan.

Der Wagen fuhr ab.

Wilhelm steckte noch zwei oder drei Mal den Kopf aus der Thür und grüßte Tristan, der, die Hände in seinen Taschen, den Rückweg antrat. Als der Wagen an der nächsten Straßenecke verschwand, blieb der Handlungsreisende allein mit seinen Gedanken.

– Ich bin doch neugierig, dachte Tristan, was sich nun ereignen wird.

Bald trat er in das Haus des Kaufmanns, wo er Herrn Van-Dick in seinem Bureau fand. Der würdige Mann war schon seit einigen Tagen, wie er Wilhelm gefragt hatte, an sein Arbeitszimmer gefesselt, denn die Geschäfte drängten sich. Nur zur Tischzeit sah man ihn seine Bücher verlassen, und dann erschien er lächelnd und sich die Hände reibend.

Madame Euphrasia Van-Dick war allein. Als sie Tristan kommen sah, ging sie ihm auf der Treppe entgegen und that, als ob sie ihm zufällig begegnete.

– Nun, sprach sie, ist er abgereist?

– Ja.

Freiheit und Freude strahlten aus Euphrasia’s Augen.

– Was werden Sie jetzt beginnen, Herr Tristan?

– Ist Ihr Herr Sohn immer noch krank?

– Ja.

– Bedarf Herr Van-Dick meiner?

– Nein.

– Dann werde ich ein wenig ausgehen, antwortete Tristan, der eine Unterhaltung mit Euphrasia vermeiden wollte.

– Sie gehen aus, und ich muß mit meiner Traurigkeit allein bleiben. Sie sind ein schlechter guter Freund. Bei diesen Worten zog sie ein Mäulchen.

– Mich ruft ein Geschäft fort, Madame; kehre ich zurück, stehe ich mit Vergnügen zu Ihren Diensten, wenn Sie noch traurig und allein sind.

– Adieu denn, sprach Euphrasia und war noch betrübter, Tristan auf eine Stunde scheiden zu sehen, als sie es bei Wilhelm’s Abschiede für einen ganzen Monat gewesen.

Wie sich denken läßt, kam Tristan zurück, als man sich zu Tische setzen wollte. Euphrasia hatte eine neue Toilette gemacht, sie war daher gereizt, daß sie vergebens gewartet hatte, und böse, daß sie sich angekleidet, um zu warten. Als aber Tristan erschien, verschwand der Groll, ohne auch nur auf der Stirn der Kaufmannsfrau eine von jenen flüchtigen Wolken zurückzulassen, die den Abzug eines Gewitters bezeichnen.

– Wie geht es Eduard? fragte Herr Van-Dick, indem er sich zu Tische setzte.

– Besser, mein Freund.

Dies war der einzige menschliche Laut, der sich in das Geklirr der Gabeln und Teller während der Mahlzeit mischte. Herr Van-Dick schien zu viel zu denken, um reden zu können, Tristan fand keinen Geschmack an der Unterhaltung seiner Tischgenossen und Euphrasia konnte vernünftigerweise nicht sagen, was sie dachte.

Nach dem Essen förderte Herr Van-Dick noch drei Silben zu Tage.

– Ich gehe, sprach er.

Und er ging.

Diesmal bot sich kein Mittel dar, Euphrasia zu entgehen.

– Sie haben bei Tische kein Wort gesprochen, Herr Tristan, sind Sie krank?

Tristan, der in dieser Phrase eine Ausgangsthür aus er Verlegenheit sah, antwortete:

– Ja, Madame, mir ist nicht wohl, darum gedenke ich, mich bei guter Zeit zurückzuziehen.

– Ich glaube, Sie suchen mich wirklich zu fliehen.

– Ich, Madame, und warum?

– Sie versprachen mir, recht bald zurückzukehren.

– Ein Geschäft —

– Eine Frau vielleicht?

– Die Frauen sind aus meinem Herzen verbannt.

– Alle?

– Alle!

– Das Wetter ist schön, fuhr Madame Van-Dick nach einigen Augenblicken fort, reichen Sie mir Ihren Arm und führen Sie mich ein wenig in den Garten; wollen Sie?

– Gern.

Der Abend war in der That sehr schön. Euphrasia und Tristan gingen nach einer Laube, deren in einander verschlungene Zweige und Blätter dem letzten Scheine des Tages den Eingang verwehrten. Durch die warme, ruhige Luft wehte ein würziger Hauch, der die Herzen der Liebe erschließt und unwillkürlich zur Mittheilung dessen reizt, was man empfindet.

Madame Van-Dick empfand wahrscheinlich sehr viel, denn sie stützte sich mit einer Nachlässigkeit, welche die Wärme des Abends entschuldigte, auf Tristan’s Arm und betrachtete mit seitwärts gebogenem Kopfe die Blumen, welche ihre erfrischten Blätter und Kelche über die Wege des Gartens neigten.

In der Laube befanden sich Stühle. Madame Van-Dick ergriff einen und ließ Tristan sich ihr gegenüber auf einen andern setzen, doch so nahe, daß ihre Füße die seines Stuhles erreichen konnten.

– Ein köstlicher Abend! sprach sie.

– In der That, Madame.

Fünf Minuten vergingen, ohne daß ein Wort gesprochen wurde.

– Wie befinden. Sie sich, Freund?

– Besser.

– Ich wußte es ja.

Es vergingen abermals fünf Minuten.

Die Unterhaltung glich einer Lampe ohne Oel, deren Docht man vergebens anzuzünden sucht und nur eine kleine blaue Flamme zeigt, um gleich wieder zu erlöschen.

– Was fehlt Ihnen, Herr Tristan? Warum reden Sie nicht?

– Ich dachte, Madame.

– Und darf man wissen, an wen?

– An den armen Wilhelm, der gewiß sehr traurig sein wird und wünscht, daß er mit mir seinen Platz vertauschen könne.

– Würden Sie diesen Tausch gern eingehen?

– Um ihn glücklich zu machen – —

– Sie sind indifferent, sprach Euphrasia etwas gereizt.

– Ich bin nur ergeben, Madame.

– Und warum glauben Sie, daß Herr Wilhelm bei mir sein möchte?

– Darf ich reden?

– Ich bitte.

– Weil er Sie liebt.

– Wissen Sie auch, ob das, was ihn glücklich macht, mir Vergnügen gewähren würde und daß der Tausch, den Sie in Ihrer Ergebung beabsichtigen, nur einem von beiden angenehm ist?

– Ich bin überzeugt, Madame, daß Sie Wilhelm’s Wunsch theilen.

– Was läßt Sie das glauben?

– Das, was ich glaube gesehen zu haben.

– Sie täuschen sich in dem, was Sie gesehen haben, und in dem, was Sie glauben.

– Dann beklage ich ihn.

– Herr Wilhelm ist ein Freund, der mich liebt, und den ich wie eine Freundin wieder liebe; er wird aber mit den Angelegenheiten, welche eine Reise nöthig machten, so beschäftigt sein, daß er sich um seine zurückgelassenen Freunde wenig kümmert, dessen bin ich gewiß.

– Sie sind undankbar.

– Nein, ich kenne Wilhelm, nichts weiter.

– Bedauern Sie ihn nicht?

– Seine Reise war nothwendig. Herr Tristan, Sie scheinen von mir in Bezug auf Wilhelm irgend eine Eröffnung erlangen zu wollen, wird er dasselbe von Ihnen über mich verlangen?

– Nein, Madame.

– Ich wiederhole Ihnen, Herr Wilhelm ist und bleibt nichts mehr als ein Freund für mich. Ich weiß, daß er stark in mich verliebt ist, und vielleicht würde seine aufrichtige Liebe in meinem traurigen und einförmigen Leben mich gerührt haben; aber jetzt ist es zu spät.

– Das ist köstlich! dachte Tristan. Ich habe zwar schon oft gehört, wenn Frauen lügen, diese aber übersteigt alle Begriffe.

– Und warum zu spät? fragte er laut.

– Weil der Platz, den er einzunehmen wünschte, zwar noch nicht besetzt, aber doch schon vergeben ist.

– Darf man wissen, an wen?

– Nein, man muß ihn errathen, und Sie haben ihn errathen, davon bin ich überzeugt.

Tristan antwortete nicht.

Euphrasia nahm dieses Schweigen für ein Geständniß.

– Haben Sie sich mit dem Medaillon beschäftigt? fuhr sie fort.

– Ja, Madame.

– Ist es fertig?

– Ja.

– Wo ist es?

– Haben Sie mir nicht gesagt, daß Sie es Jemandem bestimmt hätten?

– Wohl wahr; aber ich habe Ihnen die Person nicht genannt.

– Haben Sie mir nicht gesagt, ich solle sie errathen?

– Ja.

– Nun, ich habe sie errathen.

– Ach, rief Euphrasia in einem Tone, der sich nicht beschreiben läßt, so haben Sie das Portrait dem gegeben, der es haben sollte?

– Ja.

– Sind Sie Ihrer Sache gewiß?

– Halten Sie mich für unfähig, eine so leichte Sache zu errathen?

– War er – glücklich?

– Enthusiasmiert!

– Und was wird er thun?

– Er wird es ein ganzes Leben hindurch auf seinem Herzen tragen.

– Und jetzt?

– Würde er es begeistert küssen, wenn ihm nicht Jemand zur Seite säße.

Euphrasia ergriff Tristan’s Arm.

– Machen wir einen Spaziergang durch den Garten, sprach sie. Wissen Sie, daß Sie ein geistreicher Mann sind, Herr Tristan? Sie errathen Sachen, ohne daß man sie Ihnen sagt.

– Dazu, Madame, bedarf man nur des Herzens und der Augen.

– Ist er überzeugt, daß ich ihn liebe?

– Gewiß.

– Wird er mich nicht täuschen?

– Nie, er hat es geschworen!

Euphrasia stützte sich bei jeder Antwort ein wenig mehr auf Tristan’s Arm.

– Ich weiß nicht, wie mir heute Abend ist, fuhr sie fort; ich empfinde ein Glück, das ich noch nie empfunden habe. Ich bin so glücklich, und Sie?

– Wer würde an meiner Stelle nicht glücklich sein? Euphrasia drückte den Arm, der den ihrigen unterstützte.

– Würden Sie mir wohl etwas glauben?" fragte sie plötzlich.

– Was?

– Sie werden es nicht glauben?

– Ich schwöre es.

– Nun, mein Mann wird nach Hause kommen, nicht wahr?

– Ja.

– Wissen Sie, was er thun wird?

– Nein.

– Er wird in sein Zimmer gehen, sich einschließen und lesen.

– Wahrhaftig?

– Ja. Er kümmert sich nie um mich und thut, als ob ich gar nicht existierte. Komme ich nach Hause und bin in meinem Zimmer, so bin ich Wittwe und bin mehr durch seine Gewohnheiten als durch das Stockwerk, welches zwischen uns liegt, von meinem Manne geschieden.

– Das ist seltsam!

– Ich könnte des Nachts bei mir empfangen, wen ich wollte, ohne daß Herr Van-Dick etwas davon merkte. Sein Zimmer ist weit von dem meinigen entfernt, er hört weder kommen, noch gehen.

– Glücklicherweise wacht die Tugend an Ihrer Schwelle.

– Nein, die Tugend nicht, aber die Treue.

– So nehmen Sie also Besuche an?

– Nein, aber wenn er mich liebt, wie er gesagt, so wird er verstehen, daß er kommen kann.

– Der, welcher Ihr Portrait hat?

– Ja.

– Er wird kommen.

Euphrasia drückte abermals Tristan’s Arm.

– Er wird kommen, nicht wahr?

– Ja.

– Ach, Tristan, ich weiß nicht, was ich sage, mir brennt der Kopf und das Herz. Endlich empfinde ich die Liebe, die ich geträumt habe!

Glühend drückte sie die Hand des jungen Mannes und ließ ihn abermals neben sich setzen, dann spreizte sie ihr Kleid aus einander, als ob sie die Frische der Abendluft von allen Seiten einsaugen wollte, wonach sie ein großes Bedürfniß zu haben schien. Ihre Arme waren bloß und ein gewisses wollüstiges Parfüm entströmte dieser Frau, die, in dem Schatten des Abends, nicht mehr die lächerliche Frau des Tages war. Bei jeder Frau, die liebt, gleichviel ob mit den Sinnen oder mit dem Herzen, sei sie Bürgerin oder Herzogin, geistreich oder einfältig, erscheint immer ein Moment, in dem sie sich verführerisch und unwiderstehlich zu machen weiß. Madame Van-Dick, erschöpft von der Schwüle des Tages und überzeugt, daß Tristan ihr Portrait behalten habe, hatte ihm keine wörtlichen Vertraulichkeiten mehr zu eröffnen, mit Innigkeit, die vielleicht ihre einzige Tugend war, legte sie ihren Kopf auf die Schulter ihres geträumten Geliebten und in dem Drucke ihrer Arme fühlte Tristan eine von jenen starken, unbändigen Naturen, die wohl zuweilen müde, aber nie zu sättigen sind.

Tristan war nicht von Erz, auch er erlag der glühenden Luft, die sich in Euphrasia zu concentrieren und, von ihr wieder ausströmend, sich noch brennender über ihn zu ergießen schien. Es ist wahr, er hatte auf ein »Liebst Du mich?« das ihren Lippen entquoll, und in das die bürgerliche Phryne das ganze Feuer ihres Blutes gelegt, nichts geantwortet; aber ungeachtet des Wilhelm gegebenen Versprechens, das in rothen Zügen über den Blättern der Bäume webte und das Tristan’s verwirrter Kopf zu bannen suchte, konnte er sich dennoch nicht erwehren, Euphrasia’s häufiges Drücken zu erwidern, er konnte seine Augen von diesem halbentblößten Busen nicht abwenden, den ihm das bleiche Licht der Sterne wie unter einer Perlenmutterhülle zeigte und sein heißer Kopf konnte den verlangenden Athem der Frau nicht abwehren, die er in seinen Armen hielt. Noch schwankte Tristan, als sich Lotte’s Stimme vernehmen ließ.

Madame Van-Dick machte einen Satz, als ob man ihr ein glühendes Eisen auf die Schulter applicirte. Aber nicht Scham oder Furcht brachte bei ihr diese Bewegung hervor, sondern der ganz natürliche Eindruck eines unerwarteten Schrei’s, der plötzlich durch die starkgeschwächten Sinne fährt,

– Was giebt es? fragte sie ganz laut, indem sie aufstand und die unterbrochene Ordnung ihrer Toilette wiederherstellte.

– Madame, rief Lotte von der andern Seite des Gartens her, der Umschlag ist fertig und Herr Eduard will, daß Sie ihm denselben umlegen sollen.

– Ich werde kommen.

Lotte entfernte sich.

– Höre, sprach Euphrasia, indem sie Tristan’s Hand drückte, ich will ein wenig bei meinem Sohne bleiben, geh’ in Dein Zimmer und wenn Du mich auf meinem Piano spielen hört, geh’ in den Garten hinab, nimm jene Leiter und steige durch das Fenster. Ich liebe Dich!

Euphrasia war verschwunden, ehe Tristan ein Wort antworten konnte. Der Hauslehrer stand nun auf, schwankte ein wenig, wie ein Mann, der aus einem Traume oder aus einer Trunkenheit erwacht, fuhr mit der Hand über die Stirn, sah sich um, machte dann einen kurzen Spaziergang durch den Garten, ging in sein Zimmer, setzte sich an das Fenster und betrachtete die Sterne. Er hatte noch keine halbe Stunde so geträumt, ohne zu wissen wovon, als er den ersten Ton von dem Piano der Madame Van-Dick hörte. Sie spielte »den letzten Gedanken« von Weber, und zufällig spielte sie ihn gut.

Возрастное ограничение:
0+
Дата выхода на Литрес:
06 декабря 2019
Объем:
230 стр. 1 иллюстрация
Правообладатель:
Public Domain

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