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Читать книгу: «Die Holländerin», страница 14

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12

Als Henry in das Zimmer seines Vaters trat, fand er ihn mit dem Notar allein.

– Mein Vater, Sie haben eine Unklugheit begangen, sprach er, indem er näher trat.

– Nein, mein Sohn, so ist es recht, ganz recht, antwortete der Doctor, indem er Henry die Hand reichte. Ist alles in Ordnung, mein Herr? wandte er sich zu dem Notar.

– Ja, antwortete dieser.

– Gut; so legen Sie meinem Sohne das Papier vor.

Der Notar legte Henry eine Acte vor, worin ihn sein Vater anerkannte und zu Louise’s Adoptiv-Sohn machte.

– Danke, danke, mein Vater rief Henry, indem er sich in die Arme des Doctors warf.

– Jetzt, sprach Herr Mametin, geh zu Louise, um ihr zu danken. Ich möchte mit diesem Herrn noch einen Augenblick allein sein. Der junge Mann ging zu Louise und dankte ihr, indem er ihr ehrfurchtsvoll die Hand küßte.

Als Henry sich entfernt hatte, fuhr Herr Mametin fort zu schreiben. Von Zeit zu Zeit fragte er den Notar um die üblichen Formen bei dergleichen Sachen.

– Auf diese Weise, sprach er, nachdem er dem Notar sein Testament vorgelesen, wird mein Sohn sein Vermögen und meine Frau das ihrige besitzen. Im Fall ich sterben sollte, wird sie sich wieder verheirathen und ihrem neuen Gatten dieses Vermögen ohne Streit zubringen können, nicht wahr?

– Ja, mein Herr.

– Gut. Herr Mametin versiegelte den Brief, den er geschrieben hatte, stand auf, und übergab ihn dem Notar mit den Worten:

– Ich danke Ihnen, mein Herr, für Ihren guten Rath, der, so hoffe ich, meinen Erben noch lange nützlich sein wird.

Der Doctor lächelte dem ernsten Manne zu; dieser aber hielt es seiner würdig, sich ohne zu lächeln zurückzuziehen.

Sobald Herr Mametin allein war, stand er still, indem er die Hand an seine Stirn legte, als ob ein schwankender Gedanke sich zur Gewißheit in seinem Geiste gestaltet habe, und als ob er diesen Gedanken wieder ändern wollte.

– Es muß geschehen, sprach er. Dann zog er ein Fläschchen aus seiner Tasche, goß den Inhalt desselben in eine mit Wasser gefüllte Caraffe, die auf einem Tische stand und zog die Glocke.

Ein Diener erschien.

– Man sage meinem Sohne, daß ich ihn zu sprechen wünsche. Als der Diener das Zimmer verlassen, öffnete der Doctor das Fenster, warf das Fläschchen, das er geleert hatte, in den Garten und sog mit großen Zügen die frische Luft ein. Ein leichtes Frösteln durchbebte seine Glieder. Henry erschien und traf Herrn Mametin am Fenster.

– Noch eine Unklugheit, mein Vater, sprach der junge Mann; Sie haben Fieber und setzen sich der kalten Luft aus, die leicht gefährlich für Sie werden kann.

– Fürchte nichts, mein Kind, das Glück ist ein Universalheilmittel; seit gestern bin ich geheilt.

– Sie haben mich rufen lassen, lieber Vater.

– Ja, mein Sohn, sprach der Greis, indem er seine Hand auf Henry’s Arm legte und sich auf das Fensterbrett setzte; ich wünschte, daß Du mir noch einmal Deine Verzeihung ausspricht.

– Mein Gott, was habe ich Ihnen zu verzeihen?

– Das Schweigen, das ich so lange beobachtet und das Unglück, welches ich Dir während so langer Zeit bereitet. Es war nicht meine Schuld, wie ich Dir bereits gesagt, mein Kind. Deine Mutter hatte mich schwören lassen, daß Du, so lange sie am Leben sei, weder ihren noch meinen Namen erfahren solltest. Jetzt ist sie todt, und bevor sie starb, sandte sie mir einen Brief für Dich. Ich habe Dir den Brief gegeben, Du hast ihn mir vorgelesen und beide haben wir meine Entschuldigung darin gefunden. Ich weiß, daß Du Dich verheirathen willst, ich weiß aber auch, daß diese Heirath von dem abhängt, was sich hier ereignet; darum meine ich, Du reisest morgen in aller Frühe, denn ich will Dein Glück nicht halb begründet haben. Ich habe deshalb diese Unterredung mit Dir gewünscht, weil der Tod wacht an der Thür der Leute meines Alters, und weil, wenn ich sterbe ehe Du reisest, mein Tod Dein Glück verzögern und das Vergehen meines Lebens fortsetzen würde. Auch bin ich seit zu kurzer Zeit. Dein Vater, um Dich jetzt schon zur Trauer zu verurtheilen; ich will, daß Du reisest, und daß Du sobald als möglich mir Deine Frau zuführt. Auf Wiedersehen denn, mein Kind. Schreibe mir von Paris aus und sei glücklich als Lohn für Deine unglückliche Vergangenheit. Mit Thränen in den Augen umarmte der Greis seinen Sohn.

– Jetzt sende mir Louise.

In diesem Augenblicke erinnerte sich Henry Tristan’s Auftrages.

– Mein Vater, sprach er, die Gewißheit, daß ich eine treu ergebene Frau bei Ihnen zurücklasse, bestimmt mich zu reifen.

– Du hast Recht, mein Freund, Louise ist ein Engel.

– Der viel gelitten hat, wie Sie mir gesagt haben.

– Es ist wahr; das arme Kind!

– Sie haben mir aber noch nicht gesagt, mein Vater, wie Sie Louise kennen gelernt?

– Als ich sie das erste Mal sah, sprach Herr Mametin, der anfangs zu antworten zauderte, lag sie ohnmächtig auf der Straße. Ich hob sie auf. Wie ich erfuhr, suchte sie ihren Mann, der sie verlassen hatte, um sich zu tödten. Die Nachricht von seinem Tode war die Ursache ihrer Ohnmacht.

– Das ist seltsam.

– Wie? sprach zitternd Herr Mametin.

– Wie nannte sich ihr Mann?

– Tristan.

– Dieser Tristan ist derselbe, mit dem ich mich zu gleicher Zeit tödten wollte, und den ich später in Italien wieder angetroffen habe.

– Du irrst, mein Freund, antwortete der Doctor und versuchte einer Stimme Festigkeit zu geben; es ist derselbe Name, dieselbe Geschichte, aber nicht dieselbe Person.

– Sind Sie dessen gewiß?

– Ganz gewiß. Als Du mir von diesem Tristan erzähltest, stiegen in mir ebenfalls Zweifel empor; aber da ich selbst ihn habe beerdigen lassen, bin ich von seinem Tode überzeugt.

»Er hat Tristan gesehen, dachte der Doctor, und er fragt mich.«

»Er zweifelt nicht, dachte Henry; um so besser!«

– Nun, mein Vater, so werde ich Ihnen Louise senden.

– Doch zuvor, sprach Herr Mametin mit einer leichten Bewegung, die sein Sohn nicht bemerken konnte, gieb mir ein Glas Wasser, mich dürstet.

Henry gab seinem Vater, was er verlangte. Dieser ergriff das Glas und trank den Inhalt desselben in einem Zuge.

– Lebe wohl, mein Kind, sprach er dann, indem er den jungen Mann noch einmal umarmte; auf baldiges Wiedersehen.

Henry ging und einige Augenblicke später trat Louise ein.

– Da bin ich, mein Freund, sprach die junge Frau.

Während dieser Zeit wollte Henry zu Tristan gehen; dieser aber, der ihn erwartete, hatte ihn aus dem Hause kommen gesehen und war ihm bis an die Thür entgegen gegangen.

– Nun? fragte er.

– Er weiß nichts, antwortete Henry.

– So muß ich reisen, denn meine Lage ist nicht mehr zu ertragen.

– Auch ich rathe Ihnen dazu, meines Vaters und Ihrer eigenen Ruhe wegen.

– - Und Sie?

– Ich reise morgen.

– Wohin?

– Nach Paris.

– So sehen wir uns dort.

– Gedenken Sie nach Paris zu gehen?

– Ja. Ich habe einen Freund, der nichts sehnlicher wünscht, als Frankreich zu sehen.

– Auf Wiedersehen, bester Freund!

– Leben. Sie wohl!

Tristan kehrte in sein Zimmer zurück und Henry verschwand.

– Mein liebes Kind, sprach Herr Mametin zu Louise, ich glaube, daß ich ein wenig Fieber habe. Henry hatte Recht, als er sprach, die Abendluft könnte mir schaden. Laß Herrn Tristan rufen. Doch zuvor schließe das Fenster und gieb mir ein Glas Wasser.

Louise that, was er verlangte.

Herr Mametin trank dieses zweite Glas wie das erste.

– Dieses Wasser hat einen schlechten Geschmack, sprach er; schütte es in den Garten und bringe mir diese Caraffe voll frischen Wassers.

Louise verließ das Zimmer. In dem Augenblicke, als sie durch den Speisesaal ging, hörte sie den Papagei schreien. Sie trat zu dem Käfig, um zu sehen, was ihm fehle.

– Armer Jacob, sprach sie, Du hast Durst!

Bei diesen Worten füllte sie das Trinkgeschirr des Thieres mit dem Wasser, das sie im Begriffe fand auszuschütten, den Rest goß sie an einen Rosenstock im Garten. Dann gab die Befehl, Herrn Tristan zu holen, und kehrte endlich zu ihrem Manne zurück, den sie im Bett antraf.

Einige Augenblicke später trat Tristan in das Zimmer des Greises.

– Befinden Sie sich schlechter? fragte unser Held, als er Herrn Mametin in einem Bette sah.

– Ja, antwortete dieser, mich friert.

– Decken Sie sich fest zu, Sie haben Fieber. Sie sind wahrscheinlich unvorsichtig gewesen?

– Ich hatte mich an das Fenster gesetzt; es wird hoffentlich keine üblen Folgen haben, auch habe ich Sie deshalb nicht rufen lassen. Setzt Euch Beide an mein Bett, meine Kinder, und hört mich an.

– Unwillkührlich begegneten sich Tristan’s und Louises Blicke.

– Gebt mir Eure Hände, Kinder, fuhr der Greis fort. Ihr besitzt. Beide edle und gute Herzen, und Gott hat wohlgethan, mich Euch entgegen zusenden, damit ich Euch vereinigen könne, mich, den er gewählt zu haben schien, Euch zu trennen. Ich weiß alles, meine Kinder, ich kenne Eure Ergebenheit und kenne das Opfer, das Ihr dem Glücke eines Greises bringt, der nur noch kurze Zeit zu leben hofft, der aber, bevor er stirbt, dieses Opfer dankbar anerkennen will.

»Hier ist Ihre Gattin, Tristan. Danken Sie dem Himmel, der, als er sie von Ihnen trennte, mich ihr sandte, wie ich ihm dafür danke, daß er sie mir anvertraut. Seitdem Louise Sie in Mailand wiedergefunden, hat sie viel gelitten, doch nie hat ein Wort die Neigung geschwächt, die sie mir geschworen, nie der geringste Anflug von Traurigkeit das Glück getrübt, das sie mir versprochen hatte. Ich habe durch meinen Sohn erfahren, als ich mich dessen am wenigsten versah, daß die Vorsehung Euch wieder vereinigt hat; ich wollte aber, daß dieses Geheimniß nur von uns Dreien gekannt sei, und deshalb ließ ich ihn bei dem Glauben, als er mich fragte, ich wisse von nichts.

Obgleich mein Tod Euer Glück begründet hätte, so hat mich Tristan dennoch mit kindlicher Ergebenheit in meiner Krankheit behandelt. Nun hört mich an. Ich bin alt. Ich habe nur noch wenige Jahre, vielleicht nur wenige Tage zu leben. Mein Sohn, den ich seit einigen Tagen wiedergefunden, geht nach Paris, um sich dort zu verheirathen; es ist vorauszusehen, daß er sich ganz seiner neuen Familie widmen wird. Ich habe nur noch eine Freude, eine Stütze, die ist Louise; deshalb, mein Freund, bitte ich Sie, bringen Sie mir das letzte Opfer und gestatten Sie, daß sie mich bei den letzten Schritten meines Lebens begleite.

Sie lieben aber Ihre Frau, und es ist vorauszusehen, daß Sie früher oder später unter dem Opfer, welches Sie sich aufgebürdet, erliegen werden, daß Sie vielleicht jetzt schon, dieses seltsamen Lebens müde, ein Mittel ersonnen, es zu ändern, oder wohl gar zu brechen – antworten Sie mir, habe ich Recht?

– Es ist wahr, antwortete Tristan, den diese unerwartete Scene tief ergriffen hatte.

– Und was haben Sie beschlossen?

– Ich habe beschlossen, abzureisen.

– Dieses war das beste Mittel, mein Freund, ohne Vorwurf das abzuwarten, was Sie, im Grunde genommen, wünschen müssen. So reisen Sie denn, reisen Sie morgen, ein Greis, ein Freund fordert es von Ihnen. Gehen Sie nach Frankreich und seien Sie der Freund meines Sohnes, dessen Unerfahrenheit eines Leiters bedarf. Sorgen Sie für ihn, und an demselben Tage, wo Sie sehen, daß er Trauer anlegt, kehren Sie hierher zurück, und Sie werden Louise vorfinden, die dann keine andere Pflichten mehr zu erfüllen hat, als Ihnen zu folgen, Werden Sie nur nicht ungeduldig, fuhr der Doctor fort, indem er die Hand des jungen Mannes drückte, es wird nicht lange mehr dauern.

Louise weinte und unserm Tristan selbst traten die Thränen in die Augen.

– Mein Vater, rief er, erlauben Sie mir, daß ich Sie so nenne, ich bin zu allem bereit, was Sie von mir fordern; aber ich schäme mich, Sie jetzt zu verlassen, jetzt, da Sie krank sind. Ich schwöre Ihnen, daß niemand, und wäre es Ihr leiblicher Sohn, mit mehr Liebe für Sie sorgen würde, als ich.

– Die Aufregung dieses Tages hat mich ein wenig angegriffen, sprach der Greis mit zitternder Stimme, ich

bedarf der Ruhe; darum zieht Euch zurück, meine Kinder. Du, Louise, bete zu Gott, so lange Du kannst, und Sie, Tristan, mögen sich zur Abreise rüsten. Morgen Mittag erwarte ich Euch Beide, vielleicht habe ich Euch noch etwas zu sagen.

Nachdem Louise und Tristan die Stirn des kranken Greises geküßt, zogen sie sich zurück. Schweigend reichten sich die beiden jungen Leute die Hände, dann trennten sie sich mit einem Gefühle, das die menschliche Sprache nicht bezeichnen kann.

Als Tristan in ein Zimmer trat, saß Wilhelm und betrachtete die Sterne.

Er klopfte ihn auf die Achsel.

– Packen Sie Ihre Koffer, sprach er.

– Meine Koffer?

– Ja.

– Soll ich reisen?

– Ja, wir reisen.

– Wann?

– Morgen.

– Und wohin?

– Nach Paris.

Wilhelm sprang Tristan an den Hals und drückte ihn so fest in seine Arme, als ob er ihn ersticken wollte.

Einige Minuten später hörte Tristan einen Freund Stühle und Tische über einander werfen: er packte seine Koffer.

13

Schon früh am nächsten Morgen war Tristan bei Louise. Sie weinte, als er eintrat.

– Was fehlt Ihnen? fragte er.

– Es ist vielleicht eine Thorheit, daß ich weine, antwortete sie; aber ein kleines Unglück scheint immer ein größeres anzukündigen. Ich bin ein wenig abergläubisch, mein Freund, kommen Sie, Sie sollen sehen, worüber ich weine.

– Louise nahm Tristan bei der Hand, führte ihn in den Garten und zeigte ihm den todten Papagei, dessen Körper man auf eine Bank gelegt hatte

– Armes Thier! sprach Tristan mit Thränen in den Augen.

Dann näherte er sich dem Thiere, nahm es, betrachtete es, und küßte mit einer Rührung, die leicht erklärlich ist, den noch warmen Kadaver.

– Woran ist er gestorben? fragte Tristan, indem er Louise ansah.

– Ich weiß es nicht; als ich ihm diesen Morgen sein Futter bringen wollte, lag er auf dem Boden seines Käfigs.

– Sonderbar; er war doch gestern nicht krank. Tristan öffnete das geschlossene Auge des Thieres.

– Das Auge ist verglast, sprach er, man sollte glauben, dieser Papagei sei vergiftet.

– Vergiftet! antwortete Louise; von wem?

– Das möchte ich auch wissen. Wo ist ein Käfig?

– In dem Speisesaale. Tristan ging nach dem von Louise bezeichneten Orte und untersuchte die Gefäße, worin sich die Futterkörner und das Wasser befanden. Er tauchte seinen Finger in das Wasser und brachte ihn an die Lippen.

– Dieses Wasser ist vergiftet! sprach er.

– Dieses Wasser? rief Louise erbleichend.

– Ja, dieses Wasser!

– Sind Sie davon überzeugt?

Tristan erneuerte die Probe.

– Ganz gewiß! rief er.

– Das ist nicht möglich rief Louise und sank in die Knie.

– Warum?

– Ich habe dieses Wasser in das Gefäß gegossen.

– Woher haben Sie es genommen?

– Herr Mametin gab es mir, um es auszuschütten, es sei bitter, sagte er.

Tristan ward bleich.

– Haben Sie Herrn Mametin diesen Morgen schon gesehen?" fragte er Louise.

– Nein.

– Hat er noch nicht gerufen?

– Nein.

– Auch in der Nacht nicht?

– Nein.

– Hat er von diesem Wasser getrunken?

– Ein großes Glas.

– Gehen Sie schnell in sein Zimmer, sprach Tristan.

– Mit Ihnen?

– Nein, allein. Ich werde hier warten.

– Louise wagte nicht, ihren Platz zu verlassen.

– Eilen Sie, eilen Sie, mahnte Tristan, er hat vielleicht noch Zeit, Ihnen etwas zu sagen.

Louise ging. Eine Sekunde später klopfte sie mit gepreßtem Herzen an die Thür des Doctors; es erfolgte aber keine Antwort. Hierauf öffnete sie die Thür, und Tristan, der einige Stufen der Treppe erstiegen hatte, hörte plötzlich einen Schrei und das Geräusch, das ein Körper verursacht, wenn er zu Boden fällt. Hastig eilte er in das Zimmer, in das Louise gegangen war.

Diese lag ohnmächtig am Boden und hielt in der Hand ein Papier, das sie auf Herrn Mametin’s Bette gefunden hatte und folgende Worte, von der Hand des Doctors geschrieben, enthielt:

»Es ist besser, daß Tristan nicht reist.«

Herr Mametin war todt.

Schluß

Seit den Ereignissen, die wir dem Leser mitgetheilt haben, waren drei Monate verflossen, als Louise und Tristan, schwarz gekleidet, in einem Zimmer des Hotel Maurice zu Paris das Mittagessen eingenommen hatten. Ein Diener trat ein und meldete:

– Herr Wilhelm.

– Willkommen, besten Freund! rief Tristan. Es ist lange her, daß wir uns nicht gesehen haben.

Wilhelm, blässer und viel besser gekleidet, als wir ihn früher gekannt, küßte mit großem Anstande die Hand, welche ihm Louise reichte, und ließ sich an Tristan’s Seite nieder.

– Ich habe gehört, daß Sie morgen abreisen, sprach er.

– Es ist wahr.

– Würden Sie diese Reise wohl um einige Tage aufschieben?

– Wenn Ihnen ein Dienst damit geleistet wird, gern.

– Das ist es eben.

– So bin ich der Ihrige, bester Freund. Was kann ich thun?

– Sie sollen mir als Zeuge dienen.

– Wollen Sie sich schlagen?

– Nein, ich verheirathe mich.

– Ah! Und mit wem?

– Mit einem reizenden jungen Mädchen, das ich liebe und das mich ein wenig wieder liebt, wie ich glaube.

– Und die frühere Liebe?

– Ich werde Ihnen später alles erzählen; für jetzt theile ich Ihnen nur mit, daß ich davon geheilt bin.

– Dann bin ich zufrieden.

– Aber dies ist noch nicht alles. Ich muß Sie meiner künftigen Schwiegermutter vorstellen.

– Wann?

– Ich komme, um Sie zu holen.

– Sogleich?

– Ja.

– Ich kleide mich an und bin der Ihrige.

Tristan ging in sein Zimmer und ließ Wilhelm und Louise allein.

– Sie zürnen mir doch nicht, daß ich eine Verzögerung Ihrer Reise herbeiführe, Madame?

– Durchaus nicht, mein Herr; ich kenne und theile die Freundschaft meines Mannes für Sie.

– Tausend Dank, Madame! Wohin gehen Sie?

– Nach Italien. Eine Caprice veranlaßt mich, das Land, welches jeder von uns allein bereist hat, in Gesellschaft meines Mannes noch einmal zu besuchen, um die verschiedenen Eindrücke, die wir dort gehabt, gemeinschaftlich zu empfinden.

– Ich bin bereit, sprach Tristan, der völlig angekleidet aus seinem Zimmer trat. Gehen wir weit?

– Zu den Italienern.

– Ah, ist Ihre künftige Familie dort?

– Ja.

– Giebt man eine neue Oper?

– Ja. Auch debütiert eine große Sängerin.

– Wie heißt sie?

– Ich glaube Lea. Louise sah Tristan an.

– Ich bin überzeugt, sprach sie, daß wir einen Eindruck in Mailand weniger zu erwarten haben.

Tristan lächelte bei dieser Erinnerung Louise’s, welcher der Impresario, wie sich der Leser erinnern wird, die Liaison Lea’s und Fabiano’s erzählt hatte.

Wilhelm, welcher diesen Abschnitt aus Tristan’s Leben nicht kannte, verstand nichts von diesem Gespräche.

– Sie werden doch nicht hinter die Coulissen gehen? fragte Louise Tristan, indem sie ihm ihre Stirn bot.

– Sei ohne Sorge.

– Die beiden jungen Leute fliegen die Treppen hinab.

– Nun, sprach Tristan, ist mit Madame Van-Dick alles vorbei?

– Auf immer, mein Freund! Dieses lächerliche Verhältniß wird mir ein ewiger Gewissensbiß bleiben. Sie müssen mich für sehr dumm gehalten haben.

– Ich habe Sie lieber wie sie sind, als wie Sie waren. Doch kurz und bündig, was ist aus ihr geworden?

– Sie ist nach Amsterdam zurückgekehrt und bringt dem Herrn Van-Dick einen neuen Commis mit, der schon damals engagiert war, als ich nach dem Tode des Herrn Mametin meiner Reiselust nicht widerstehen konnte und hier in Paris ankam. Uebrigens wissen Sie dieses alles eben so gut, als ich.

– Machen Sie eine gute Parthie?

– Sie werden sich überzeugen.

Einige Augenblicke später traten die beiden jungen Männer in eine der ersten Logen der italienischen Oper, und Wilhelm stellte wirklich einen Freund Tristan einer alten Dame vor, welche von ihrem Manne und von ihrer Tochter begleitet war. Die beiden Männer begrüßten sich gegenseitig.

Tristan betrachtete nun die bunte, elegante Menge, welche er seit langer Zeit nicht gesehen hatte. Da gewahrte er in einer Loge, welche sich der einigen fast gegenüber befand, eine Dame, die ihn lorgnettierte und hinter ihrer Lorgnette lächelte. Als sie nach kurzer Zeit die Lorgnette senkte, erkannte Tristan Henriette von Lindsay, welche ihm auf diese Weise zu erkennen gab, daß er sich in ihrer Loge, worin sie sich mit einer andern Dame allein befand, ihr vorstellen könne.

Nach dem Wilhelms Schwiegermutter Tristan zu der Unterzeichnung des Contractes eingeladen hatte, bat unser Freund um die Erlaubniß, sich zurückziehen zu dürfen. Kaum war diese Loge geschlossen, als er sich die Henriettes öffnen ließ.

– Zürnen Sie mir noch immer? fragte sie lächelnd.

– O nein, antwortete Tristan, indem er die dargebotene Hand küßte.

– Ich habe Sie schmerzlich vermißt.

– Wahrhaftig?

– Auf Ehre! Ihr Freund war langweilig bis zum Umkommen.

– Unser Freund, wollen Sie sagen.

– Aber warum haben Sie die ganze Sache so ernst genommen?

– Weil ich verliebt war.

– Und jetzt?

– Bin ich verheiratet.

– Ist sie wiedergefunden?

– Ja, und wenn Sie Aufträge nach Italien haben, so beehren Sie mich damit, ich reise in einigen Tagen ab.

– Soll ich Ihnen mein Haus am lago maggiore leihen? fragte Henriette lächelnd.

– Spötterin!

– Hat er Ihnen nicht einen Degenstich versetzt?

– Henry? Ja.

– Er hat es mir erzählt; ich habe herzlich darüber gelacht.

– Sehr verbunden!

– Aber Sie sind gerächt, Herr Tristan.

– Wie?

– Wissen Sie nicht, was ihm begegnet ist?

– Nein.

– Er sollte sich verheirathen.

– Ist mir bekannt.

– Wie es schien, hatte er seinen Vater wiedergefunden. Er reist also ab, um den Urheber seines Lebens zu umarmen, kommt zurück und findet eine Braut mit einem andern verheirathet.

– Armer Teufel! Er wird nur einmal in seinem Leben glücklich gewesen sein.

– Ich danke Ihnen, sprach Henriette; ich werde mich dieser Worte erinnern. Und wissen Sie, was er nun gethan hat?

– Nein.

– Er ist in der größten Verzweiflung nach seinem Schlosse von Enghera abgereist. Wenn Sie in diese Gegend kommen, können Sie ihn besuchen.

– Ich werde ausdrücklich diesen Weg einschlagen. Armer Henry!

– Und nun leben Sie wohl.

– Sie jagen mich fort?

– Ja

Dieses »Ja« sprach Henriette, indem sie die Lorgnette an ihre Augen setzte.

Tristan verfolgte die Richtung der Hand und sah einen jungen Mann, der so eben ankam und mit dem Blicke der antwortete, die er hinter dieser Lorgnette vermuthete.

– Noch ein Wort, sprach Tristan.

– Reden Sie.

– Ist diese Lea, welche heute Abend debütiert, dieselbe, die früher vor Ihrem Hotel gesungen hat?

– Ja, sie ist es.

– Und auch dieselbe, welche sich weigerte, Ihre Briefe zu befördern?

– Ganz recht. Wer hat Ihnen dieses alles erzählt?

– Sie selbst.

– So kennen Sie die Sängerin?

– Ich habe sie in Mailand kennen gelernt. Henriette warf Tristan einen Blick zu, hinter den man ein sehr bedeutungsvolles Fragezeichen hätte setzen können.

– Ja, antwortete der junge Mann.

– Gehen Sie zu ihr, um sie zu begrüßen?

– Das ist unnütz.

– Aber Sie interessieren sich doch noch für sie?

– Wie meinen Sie das?

– Für ihr Glück, meine ich damit.

– Ja.

– Nun, sie hat den ersten Act bewunderungswürdig gesungen, und jedes mal, so oft man ihr applaudierte, sah sie jenen jungen Mann an, der im Orchester den dritten Stuhl einnimmt. Und nun Adieu! Kehren Sie nach Paris zurück, so besuchen Sie mich.

– Bewohnen Sie immer noch dieselbe Wohnung?

– Noch immer. Tristan verbeugte sich und ging.

– Wer ist dieser Herr? fragte die Dame, welche mit in Henriette"s Loge war, ich kenne ihn nicht.

– Die Antwort auf diese Frage ist eine ganze Geschichte, die ich Dir später erzählen werde. In derselben Zeit gab Henriette dem jungen Manne, den sie vorhin durch die Lorgnette angesehen, ein kaum merkliches Zeichen, daß er kommen möge. Einige Minuten später sprach er zu Henriette:

– War nicht ein Herr hier in der Loge?

– Ja.

– Wer ist er?

– Obgleich ich diesen Herrn fast gar nicht kenne, so habe ich doch stets große Noth, ihn los zu werden, so oft er mir begegnet, sprach Henriette mit einer sehr gleichgültigen Miene.

Acht Tage später war Wilhelm verheirathet und Louise und Tristan befanden sich auf der Straße nach Italien.

Wie unser Held gesagt, stattete er einen Besuch auf dem Schlosse von Enghera ab. Er bestieg also mit Louise die Ruinen, die wir bereits kennen, und fand jenen greisen Diener vor, welchen Henry von Saint-Ile in sein Testament gesetzt hatte.

– Wen suchen Sie, mein Herr? fragte der gute alte Mann, der Tristan nicht wiedererkannte.

– Herrn Henry von Saint-Ile.

– Herrn Mametin, wollen Sie sagen?

– Ja, antwortete Tristan.

– Er ist todt, mein Herr.

– Todt? rief Tristan bewegt und überrascht.

– Ja.

– Erzählen Sie! —

Es scheint, daß ihn außer dem Tode seines Vaters, den er kaum wiedergefunden hatte, noch ein anderes Unglück betroffen hat. Er kam zurück, um sich hier, wie früher, einzuschließen. Eines Morgens sah ich ihn nicht, wie gewöhnlich, erscheinen, deshalb trat ich in ein Zimmer. Er war ausgegangen und sein Bett stand unberührt da. Anfangs dachte ich, er habe die Nacht im Gebirge zugebracht, wie es öfter zu geschehen pflegte; als er aber zu lange ausblieb, ging ich, um ihn zu suchen. Da fand ich denn meinen armen Herrn an einem Baumzweige aufgehängt. Hat er sich nun selbst entleibt, oder ist er gewaltsam ermordet, ich weiß es nicht. Mit Hilfe einiger guten Bauern habe ich ihn begraben. Sehen Sie, mein Herr, schloß der Greis, hier ist sein Grab.

Bei diesen Worten deutete er auf einen kleinen mit Rasen bedeckten Hügel.

Louise kniete auf dem Grabe nieder. Indem sie sich wieder erhob, pflückte sie eine Margarethenblume und verbarg sie in ihrem Busen.

– Armer Freund! sprach Tristan.

– Ach ja, mein Herr, beklagen Sie ihn, sprach der Greis. Man weiß wahrhaftig nicht, warum Gott erlaubt, daß es solche arme Geschöpfe giebt, die bei ihrer Geburt, in ihrem Leben und in ihrem Tode verflucht sind.

Der gute Mann wischte mit seinem Rockärmel eine Thräne ab, die ihm in das Auge trat.

– Wann haben Sie einen Körper aufgefunden? fragte Tristan.

– Am dreizehnten des letzten Monats, antwortete der Greis, am Morgen eines Freitags.

– Freitags? rief Tristan.

– Ja.

– Da sollte man wirklich an ein Verhängniß glauben, sprach der junge Mann.

– Und an die Vorsehung, fügte Louise hinzu, indem sie ihrem Gatten die Stirn zum Kuß reichte. Nachdem Beide noch einmal Abschied von Henry’s Grabe genommen, stiegen die Hand in Hand den Berg wieder hinab. Von Zeit zu Zeit sahen sie sich um, als ob sie das Andenken dieser Gegend und der Vergangenheit, die sie hinter sich ließen, tief ihrem Geiste einprägen wollten.

Ende
Возрастное ограничение:
0+
Дата выхода на Литрес:
06 декабря 2019
Объем:
230 стр. 1 иллюстрация
Правообладатель:
Public Domain

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