Читать книгу: «Vom Mars zur Erde», страница 6

Шрифт:

„Wie?“ fragte der Erdensohn erstaunt, „ist es möglich, daß du Wesen, die schon eine gewisse Kulturstufe erreicht haben, die Fähigkeit der Weiterentwicklung absprichst?“

„Das tue ich nicht,“ erwiderte Sirian; „ich denke nur, daß es unsern Erositen an Zeit fehlen wird, so hoch zu steigen. Ihr kleiner Planet wird seine Atmosphäre nicht festzuhalten vermögen. Vielleicht schon in tausend Jahren ist alles Leben auf ihm erloschen, verschwunden seine Luft, verdunstet sein Wasser; kalt und starr und tot wie unsere Monde zieht dann Eros seine Bahn um das ewige Licht.“

Da warf der Erdensohn einen wehmütigen, bedauernden Blick auf die kleine Welt hinab, die infolge ihrer Winzigkeit zu einem vorzeitigen Absterben verurteilt war, und es war doch so schön, zu wachsen und sich zu entwickeln!

Dann verließ das marsitische Luftschiff die Atmosphäre des Eros und schwebte wieder draußen im kalten, lichtlosen Ätherraume der Erde zu.

Eines Nachts – schon befanden sich die Reisenden in der Anziehungssphäre der Erde, und Fridolin Frommherz genoß noch den tiefen, ungestörten Schlaf in der absoluten Stille des Weltraumes – da wurden die Insassen der Gondel plötzlich vom wachenden Uschan geweckt.

„Ein glühender Körper nähert sich unserm Luftschiff,“ sagte er. „Zwar ist er noch fern, aber grell sticht sein Glanz vom undurchdringlichen Dunkel des Raumes ab. Er scheint unsere Bahn zu kreuzen. Wir müssen zu wenden suchen.“

Noch ehe Uschan ausgesprochen, war Sirian an der vorderen Luke.

„Ein Meteorit von ungeheuren Dimensionen!“ rief er, mit aller Macht das Steuer rückwärts drehend. „Wir müssen so rasch wie möglich aus seiner gefährlichen Nähe, sonst sind wir verloren!“

Da sich aber das Luftschiff schon im Bereiche der irdischen Anziehung befand und der Erde mit einer Geschwindigkeit von fünfunddreißigtausend Kilometer in der Stunde entgegenstrebte, gehorchte es der steuernden Hand nicht mehr unbedingt. Statt zu wenden oder seitwärts auszuweichen, verlangsamte sich nur seine Bewegung unter dem ausgeübten Drucke, aber die Richtung blieb dieselbe. Es war das erstemal seit der Abfahrt vom Lichtentsprossenen, daß den kühnen Durchschiffern des Ätherraumes Gefahr in nächster Nähe drohte. Was tun? Immer näher raste die gewaltige, glühende Kugel mit nicht zu bestimmender Geschwindigkeit, wohl Tausende von Kilometern in einer einzigen Minute. Das Herz schlug in diesem Augenblicke nicht nur dem Erdensohne rascher. In wenigen Minuten mußte der Zusammenstoß erfolgen. Noch einmal drehte Sirian das Steuer mit aller Kraft.

„Es wird nichts mehr nützen,“ murmelte er dabei, „selbst wenn jetzt das Wenden gelingt; wenn wir wirklich noch ausweichen können, werden wir von der vielleicht tausendmal größeren Masse des Meteoriten angezogen werden – sein gluthauchender Schlund wird uns nur ein paar Augenblicke später verschlingen.“

Da geschah etwas so Wunderbares, wie es keiner der Insassen des marsitischen Luftschiffes in solcher Schönheit und Großartigkeit je erlebt hatte: der Meteorit platzte, zerbarst in Tausende von sich jagenden Teilen. In allen Farben sprühten sie auf, stürzten auf einander, platzten von neuem in immer neuem Farbenspiel; grüne, gelbe, rote, blaue Flammen durchzuckten den nachtschwarzen Ätherraum, züngelten empor in lodernder Glut und erloschen.

Und als es wieder Nacht um sie geworden, da wußten die kühnen Reisenden, daß sie gerettet waren, gerettet im Augenblicke höchster Gefahr, als selbst marsitische Technik und Gewandtheit gegenüber den Allgewalten der Natur zu versagen drohten.

Und immer weiter flog das Luftschiff, unbeirrt von allem, was ihm begegnete, mit wunderbarer Sicherheit von Sirians Führerhand direkt auf die Erde zu gesteuert. Der Besuch auf dem Monde, das erste Verlassen der Gondel seit nahezu drei Monaten, stand als nächstes Ereignis bevor.

Neuntes Kapitel.
Eine Station auf dem Monde

„Wir haben Glück,“ sagte Sirian zufrieden lächelnd, als sich die kühnen Reisenden dem toten Sohne der Mutter Erde näherten, „denn der Mondtag neigt sich seinem Ende zu.“

„Warum wünschtest du am Abend auf dem Monde zu landen?“ fragte Fridolin Frommherz.

„Weil ich seinen Tag wie seine Nacht kennen lernen möchte.“

„Wäre das nicht auch möglich gewesen, wenn wir morgens oder mittags angekommen wären?“

„Lieber Fridolin, bedenke die Länge eines Mondtages! Vierzehn Erdentage bilden einen einzigen Tag auf dem Monde, vierzehn weitere Tage eine einzige Mondnacht!“

Fridolin Frommherz war an eines der Fenster getreten. Eine solche überwältigende Lichtfülle strömte ihm entgegen, daß er geblendet die Augen schloß. Uschan reichte ihm ein schwarzes Glas, und nun war es den Augen des Erdensohnes möglich, hinabzuschauen auf die in grellstem Sonnenlichte strahlende Mondlandschaft, über der das Luftschiff schwebte. Da stiegen hohe, schroffe Felsenmassen zu unheimlicher Höhe empor, lange, tiefschwarze Schatten werfend, die im Gegensatz zu dem blendenden Lichte doppelt schwarz erschienen. Fürchterliche Abgründe gähnten ihm aus Riesenkratern entgegen, aus deren Tiefe sich wiederum ein spitzer, kegelförmiger Berg erhob. Da türmten sich Gipfel an Gipfel, da klafften Spalten und weiteten sich Täler, übergossen vom grellsten, durch keine Atmosphäre gemilderten Sonnenglanz und mit schwarzen Schatten, die an Dunkelheit und Schärfe ihresgleichen nicht hatten. Vergeblich aber suchte das Auge nach einem Tropfen Wasser, nach einer Spur von Grün.

Langsam brachte Sirian das Luftschiff zum Sinken. Mit großer Sicherheit landete es auf einer weiten, sandigen Fläche. Zaran brachte sechs eigentümliche, vollständig durchsichtige und doch äußerst feste, glockenartige Kopfbedeckungen herbei. Fridolin Frommherz stülpte die seine, dem stummen Beispiele der Marsiten folgend, über den ganzen Kopf bis zum Halse, wo sie fest geschlossen wurde.

„Wozu das?“ wollte er fragen, aber niemand hatte jetzt Zeit, ihm Auskunft zu geben. Jetzt öffnete Sirian die Gondeltür und betrat als Erster den Boden, auf dem noch kein Wesen geatmet hatte. Rasch folgten die übrigen. Alle beteiligten sich an der Arbeit des Festlegens ihres Luftschiffes. Doch schien es Fridolin Frommherz, als müsse die Arbeit ganz besonders schwierig sein. Immer wieder prüfte Sirian die Anker und Ketten und festigte bald da bald dort. Auf dem Lichtentsprossenen war es anders gewesen. Weder Landung noch Festlegen hatte da bei Luftschiffahrten besondere Schwierigkeiten verursacht. Keiner der Marsiten sprach ein Wort; auch hörte Fridolin keine Kette klirren, keinen Hammerschlag, noch irgend ein Geräusch der Werkzeuge, die doch in voller Tätigkeit waren. Eine geisterhafte Stille herrschte, eine Stille, die unheimlich war und bedrückte. Der Erdensohn sah sich um. Da wölbte sich über ihm ein dunkler Himmel, schwarz wie Tinte, wolkenlos, darin brannte eine Sonne, die er selbst durch sein geschwärztes Glas kaum zu betrachten vermochte, und neben der Sonne standen Tausende von glänzenden Sternen, die trotz Sonnenglanz am schwarzen Himmel funkelten. Und ein großer, dunkler, von hellem Lichtrande umgebener Körper hing am Himmel. Das mußte die Erde sein. Dreizehnmal so groß muß sie, vom Monde aus gesehen, sich ausnehmen wie der Vollmond, von der Erde aus betrachtet!

„Wie seltsam das alles ist, der Himmel so schwarz und die Sterne am Tage sichtbar!“ sagte Fridolin Frommherz zu den Marsiten, die endlich ihre Arbeit vollendet zu haben schienen. Merkwürdig gedämpft klang ihm die eigene Stimme entgegen. Von den Marsiten erhielt er keine Antwort. Da war Totenstille rings umher. Da vernahm man keinen Ton. Da bewegte sich kein Lufthauch, da plätscherte kein Bach, da schwirrte kein Vogel, da summte kein Käfer; lautlos waren die Tritte der Menschen, die hier gingen. Die Sonne brannte, und nichts milderte ihre Glut; trotz Sonnenglut aber war der Boden eisig kalt, seine Temperatur unter Null Grad.

„Wie kommt es, daß der Boden bei dieser Hitze so kalt ist?“ fragte der Erdensohn.

Wieder erhielt er keine Antwort. Die Marsiten, die jetzt mit Messungen und photographischen Aufnahmen beschäftigt waren, schienen seine Worte gar nicht gehört zu haben. Keiner der sonst so freundlichen Männer wandte sich nach ihm um. Da fing es Fridolin an, unheimlich zu werden. Rasch trat er auf den ihm zunächst stehenden Zaran zu und faßte ihn am Ärmel. Der Marsite wandte das Gesicht dem Erdensohne zu und neigte sich so weit zu ihm, bis seine glockenartige Kopfbedeckung die Fridolins berührte. Dann fragte er freundlich:

„Was fehlt dir, lieber Freund? Kann ich dir helfen?“

„Ich fragte vorhin, warum trotz Sonnenglut der Boden hier so furchtbar kalt ist; aber keiner von euch antwortete mir.“

„Weil wir deine Frage nicht hören konnten,“ sagte Zaran lächelnd.

„Ihr konntet nicht?“

„Nein, lieber Fridolin! Du vergißt, daß der Mond keine Atmosphäre hat, und wo keine Luft ist, kann auch keine Schallvermittlung stattfinden.“

„Selbstverständlich!“ sagte Fridolin Frommherz; „das kam mir augenblicklich gar nicht zum Bewußtsein, weil wir doch atmen.“

„O ja,“ lächelte Zaran, „durch die in unsern Glocken mitgenommene, sich langsam verflüchtigende, für etwa sechs Stunden ausreichende Luft. Wenn ich meine Glocke mit der deinigen in Berührung bringe, trägt mir die darin eingeschlossene Luft die von deiner Stimme erzeugten Schallwellen zu. Ist aber nur der kleinste Zwischenraum vorhanden, so dringt kein Laut über die Wandung deiner Glocke hinaus. Der Hinweis auf das Fehlen der Luft beantwortet zugleich auch deine Frage von vorhin. Weil keine Lust da ist, die die Sonnenhitze zurückhält, ist hier der Boden ewig kalt. Was du auch Seltsames auf dem Monde siehst, es findet alles seine Erklärung in dem Mangel an Luft.“

Der Erdensohn wußte genug. Weil keine Luft da war, schien ihm auch der Himmel schwarz statt blau, weil keine Luft da war, waren die Sterne neben der Sonne am Tage sichtbar, weil keine Luft da war, glühte die Sonne so heiß, waren die Schatten so schwarz, war kein Wölkchen am Himmel, kein Tropfen Wasser in Schluchten und Tälern, entsetzliche Öde, starrer Tod überall.

Sirian winkte und gab den Gefährten durch Zeichen zu verstehen, daß man den nächsten Berg ersteigen wolle. Fridolin Frommherz wunderte sich darüber. Es war ein Riesenkegel, nach oberflächlicher Schätzung wohl nahezu dreitausend Meter hoch. Und den wollte Sirian erklimmen ohne Vorbereitungen, ohne Mitnahme von Proviant, bei Sonnenuntergang und mit einem Luftvorrat, der höchstens noch für fünf Stunden reichte? Man setzte sich in Bewegung. Wie leicht sie alle gingen! Keine Spur von anstrengendem Klettern, beschleunigter Herztätigkeit, mühsamem Atmen. Haushohe Felsen wurden in kühnem Sprunge genommen. So frei, so leicht fühlte sich der Erdensohn ohne Atmosphärendruck; das eigene Gewicht war so verringert, daß er die mächtigsten Felsen ohne Mühe erklomm. Riesenblöcke hob er mit den Armen hoch wie kleine Holzstücke, und als er seinen schweren goldenen Chronometer aus der Tasche zog, war die Uhr leicht wie ein Stückchen Papier. Jetzt war ihm auch klar, warum hier auf dem Monde die Verankerung des Luftschiffes so viele Schwierigkeiten hatte: es war auf dem atmosphärenlosen Monde zu leicht.

Als sie die Höhe erreichten, standen sie am Rande eines schauerlich tiefen Kraters mit weitem, ringförmigem Walle. Aber auch der Vulkan war tot. Da gab es keine Feuersäule, keinen Aschenregen, keine flüssige Lava, keine dampfenden Spalten, nichts, was auf ein glühendes Innere unter der harten Außenkruste hätte schließen lassen. Ausgestorben jede Spur von Leben!

Hinter den jenseitigen Bergen versank langsam die Sonne. Ein Kälteschauer durchzuckte die Gefährten; ihre Glieder zitterten. Der kleine Teil von Wärme, den der Mond während seines langen Tages aufgenommen, strahlte hinaus in den eisigen Weltraum. Auf dem Boden, dessen Temperatur vorher schon unter dem Gefrierpunkt gewesen, vermochten jetzt die Füße kaum mehr zu stehen. Sirian gab das Zeichen zu raschester Rückkehr. Fast plötzlich, ohne jede Dämmerungserscheinung, ohne Farbenzauber beim Sonnenuntergang, war die Nacht hereingebrochen. Aber dunkel war sie nicht. Mit blendendem Glanze leuchteten die Sterne, und die Erde, die eine wahre nächtliche Sonne zu sein schien, strahlte jetzt in zurückgeworfenem Sonnenlichte so wunderbar herrlich, daß jeder Fels, jede Spalte, jeder Stein der Mondlandschaft mit hellem Glanze übergossen schien.

Glücklich, aber fast starr vor Kälte erreichte die schweigende kleine Gesellschaft ihr Luftschiff. Nicht nur Fridolin Frommherz, auch die Marsiten atmeten auf, als die Anker gelichtet waren und die Entfernung zwischen ihnen und dem toten Monde immer größer wurde.

Es mochten etwa 30 Stunden seit der Abfahrt vom Monde verstrichen sein – ungefähr zehn Uhr abends nach Erdenzeit – als das Luftschiff der Marsiten so langsam und vorsichtig wie nur möglich in die Erdatmosphäre eintrat. Langsam? Trotz aller Hemmungsvorrichtungen legte das Fahrzeug noch fünfundzwanzig Kilometer in der Sekunde zurück! Erst durch die Reibung beim Eintritt in die Atmosphäre verlangsamte sich sein Lauf bedeutend; aber die gehemmte Bewegung setzte sich in Wärme um. Glücklicherweise ließen die Isoliervorrichtungen nichts zu wünschen übrig, und die erzeugte übermäßige Hitze strömte rasch durch die geöffneten Luken hinaus in die kühlen, dünnen oberen Luftschichten. Jetzt gehorchte das Fahrzeug der Steuerung wieder vollständig. Absichtlich brachte es Sirian nur sehr langsam zum Sinken. In einer Höhe, wo die Luftdichtigkeit ungefähr der geringen Dichte der Marsatmosphäre entspricht, wollte er kreuzen, um am Morgen zu erkennen, über welchem Erdteile er sich befand, und dann Freund Fridolin in seiner Heimat Schwaben, womöglich am Orte seines einstigen Aufstieges, zu landen. Die Dunkelheit der Nacht machte augenblicklich ein Orientieren auf der Erdoberfläche unmöglich. Der grauende Morgen erst würde ein Umsehen gestatten. Die Luft war unnatürlich ruhig und für die Höhe, in der sich das Luftschiff befand, merkwürdig schwül. Da wurde ganz unvermittelt das Fahrzeug von wilden Schwankungen erfaßt, erst hin und her und dann mit einem heftigen Rucke tiefer herabgerissen. Es war, als stieße es ringsum an schwere Gegenstände an.

„Was ist das?“ fragte Fridolin Frommherz erschrocken.

„Wir sind in widerstrebende Winde geraten. Hört, wie jetzt das unheimliche Brausen des Sturmes durch die dunkle Nacht klingt! Noch sind wir in schwarzer Finsternis, aber gleich wird ein Gewitter losbrechen, wie wir Marsiten es noch nie erlebt haben.“

Kaum hatte Sirian ausgesprochen, als die Insassen des Luftschiffes plötzlich, von greller Helligkeit geblendet, die Augen schlossen. Und jetzt zuckte ein rascher, schneidender Blitzstrahl durch die Dunkelheit, und ein fürchterlicher Donnerschlag folgte, noch ehe das Licht des Blitzes ganz erloschen war. Blitz auf Blitz zerriß nun die Wolken, die sich in schweren Regen auflösten, so daß die elektrischen Funken vom Wasser knisterten.

Mitten in einem großartigen Gewitter befand sich das marsitische Luftschiff, fort und fort in grelles elektrisches Licht getaucht, und wenn Sirian das Steuer berührte, ging ein phosphoreszierendes Leuchten über seine Hände.

Mit staunender Bewunderung, ohne eine Spur von Furcht oder Bangen, folgten die Marsiten dem ihnen unbekannten Schauspiel eines irdischen Gewitters. Aber rasch steuerte Sirian wieder in die Höhe, in die obersten Luftschichten. Hoch über dem Gewitter sich haltend, wollte er warten, bis der Sturm sich ausgetobt hätte. Doch während des Emporsteigens zogen die Blitze feurige Flammenlinien rund um das Luftschiff. Es stieg wie in einem Feuermeere. Plötzlich aber war es über die Wetterwolken emporgekommen. Unter ihm lagen die wildstürmenden Luftschichten; unter ihm zuckten die Blitze hinüber und herüber; oben aber wölbte sich ein ruhiger Sternenhimmel in mildem Glanze, und friedliche Mondstrahlen stiegen hinab auf die sturmbewegten Wolken. Es war ein Schauspiel, wie es schöner kaum gedacht werden konnte, und die Marsiten freuten sich über das Erlebnis.

„Sieh, mein Freund,“ sagte Sirian zu dem Erdensohne, „du hast in den vierzehn Jahren, die du nach deiner Rechnung bei uns weiltest, kein einziges wirkliches Gewitter gesehen. Kleinere elektrische Entladungen kommen wohl auch in unserer dünnen, wasserdampfarmen Atmosphäre vor; doch was sind sie im Vergleich mit der Großartigkeit eurer Gewitter! Und diese herrlichen Wolkenbildungen! Welche Fülle reichen, lebenspendenden Wassers bergen sie! Nimm dagegen unsere klare, dünne, durchsichtige Atmosphäre! Ihr bißchen Wasserdampf schlägt sich in den Sommermorgen als Tau nieder auf die durstige Vegetation. Der Winter bringt uns wohl leichten Regen- und Schneefall – aber hast du bei uns je wirkliche Wolken gesehen? Fallen Regen und Schnee nicht vielmehr als feiner Niederschlag, wie aus einem zarten Nebel herab? Hätten wir eure Wolken, wahrlich, wir hätten unser Kanalnetz nicht zu ändern brauchen.“

Fridolin Frommherz nickte.

„Ich liebte euren wunderbar klaren Himmel, die Durchsichtigkeit eurer Luft, den ungetrübten Glanz eurer Gestirne, – aber du hast recht, die Erde mit ihren Wolken ist von Natur doch wohl reicher als der Lichtentsprossene.“

„Auch wir waren einmal so reich an Wasser, wie ihr es jetzt noch seid, und es wird einmal die Zeit kommen, da ihr so wasserarm sein werdet, wie wir es jetzt, sind. Dann ist bei uns schon alles Leben erloschen; dann ist nicht nur der letzte Rest unseres Wassers, dann ist auch unsere Luft verschwunden, und der starre Tod hält unsern Lichtentsprossenen umfangen. Und abermals schwinden die Jahrmillionen, – dann seid auch ihr nicht mehr; andere Gestirne und andere Wesen sind an unserer wie an eurer Stelle. – Doch nun laßt uns wieder zur Ruhe gehen; seht, das Gewitter hat ausgetobt! Lautlos und ruhig schwebt das Luftschiff jetzt wieder in der gereinigten Atmosphäre.“

Es war inzwischen schon Mitternacht vorüber. Nach wenigen Stunden, beim ersten Morgengrauen, sollte des Erdensohnes engere Heimat gesucht werden.

Zehntes Kapitel.
Die drei Freunde

Jedes Jahr am 7. Dezember versammelten sich sechs Gelehrte im Hause ihres Freundes Stiller auf Stuttgarts waldumrauschter, grüner Bopserhöhe. Es waren die Teilnehmer an jener ersten kühnen Weltfahrt durch den Ätherraum, die den Bruderplaneten Mars zum Ziele gehabt hatte. Bei ihrer Zusammenkunft feierten sie den Jahrestag des Aufstieges nach jener fernen, wunderbaren Welt und tauschten alte, liebe Erinnerungen aus an das eigenartige, idealschöne Leben, das die Gelehrten zwei volle Jahre lang auf dem Mars hatten führen dürfen.

Eine Nachahmung hatte die gefahrvolle Reise nicht mehr gefunden. Die Gelehrten hatten berichtet, daß von den Marsiten weitere Besuche auf ihrem Planeten nicht mehr angenommen, sondern mit aller Entschiedenheit abgewiesen werden würden, damit die Höhe einer Jahrtausende alten Kultur nicht durch schlechtes Beispiel Schaden leide. Diese Behauptung der Zurückgekehrten wurde zwar allgemein verlacht und dahin ausgelegt, daß aus sehr durchsichtigen Gründen die klugen Herren Professoren aus Tübingen sich für immer den Rekord der Weltenreisen sichern wollten. Aber auch ein merkwürdiges Mißgeschick, das die Zurückgekommenen verfolgte, trug dazu bei, andern kühnen Luftschiffern die Lust zu nehmen, das gewagte Experiment, über den Erdenkreis hinauszuschweifen, nachzumachen. Nein, die hochentwickelte, moderne Luftschiffahrt hatte wahrlich Praktischeres zu tun, als fragwürdige Planetenfahrten auszuführen, deren Gelingen nur das Spiel des blinden, launischen Zufalles war.

Andere, wichtigere und aktuellere Fragen, als nach fernen Sternen zu blinzeln, bewegten die hastenden, unruhigen Menschen. Und so wurde kaum noch der heldenmütigen Reise gedacht. Das Rad der Zeit rollte weiter, es ließ die Erinnerung an die wichtige Großtat bei der Menge mehr und mehr verblassen. Nur als ein Jahr nach der Rückkehr der sechs Schwaben vom Mars ein Obelisk auf dem Cannstatter Wasen errichtet und feierlich enthüllt worden war, da gingen die Wogen der Begeisterung noch einmal hoch, da waren die gelehrten „Weltensegler“ wieder einmal Gegenstand allgemeiner Huldigung.

Wie still war es aber seitdem wieder geworden, still auch im kleinen Kreise der Freunde, die seit der Rückkehr in die Heimat durch das trauliche, brüderliche Du inniger als je miteinander verbunden waren! Es schien, als ob sie nachgerade die Erde, die sich so stolz Welt nennt, immer weniger verstünden oder die Welt sie nicht mehr, trotz der unverdrossenen Mühe, die sie sich gaben, Marssches Licht in das Durcheinander irdischer Auffassung zu tragen.

In dem kleinen Freundeskreise war es in den elf Jahren, die jetzt seit ihrer Rückkehr vom Mars verflossen waren, allgemach lichter geworden. Rasch nacheinander waren drei der Teilnehmer an jener ewig denkwürdigen Reise gestorben, und nur drei waren noch übrig geblieben: Siegfried Stiller, der Astronom und Führer der Expedition, Bombastus Brummhuber, der Philosoph, und Parazelsus Piller, der Arzt.

In altgewohnter Weise saßen heute, am Jahrestag ihrer Abreise, die drei Freunde im großen, wohldurchwärmten Balkonzimmer des Stillerschen Hauses beieinander. Von da aus genoß man einen herrlichen Blick über Stuttgart weg bis nach Cannstatt hin. Ein leichter Frost war eingezogen. Da und dort waren die dunkelgrünen Tannen mit silbernem Reif behangen. Um so behaglicher ließ es sich in dem vornehm ausgestatteten Gemache sitzen. Eine tiefe Stille herrschte, denn jeder der Herren war gerade mit seinen eigenen Gedanken beschäftigt.

„Was wohl Fridolin Frommherz macht?“ entfuhr es unwillkürlich den Lippen Pillers, des Arztes, der im bequemen Lehnstuhle saß und sinnend den Himmel betrachtete.

„Daran dachte auch ich in demselben Augenblicke,“ entgegnete Stiller lächelnd.

„Nun, wie soll es dem Ausreißer dort oben gehen? Natürlich nur gut,“ warf Brummhuber ein.

„Das können wir nur vermuten, mit Bestimmtheit aber nicht sagen, lieber Brummhuber,“ erwiderte Stiller sanft.

„Was vermuten! Was nicht mit Bestimmtheit sagen!“ schrie Piller, dessen Stimmung seit Jahren schon mehr und mehr gereizt geworden war. „Ich sage euch, der Knabe Fridolin hat es besser als wir. Wie kann es einem Menschen im Paradiese der Marsiten, bei diesem geistig und körperlich gleich hervorragend gesunden Volke anders gehen als gut, als ausgezeichnet? Mich interessiert auch deshalb nicht, wie er sich befindet, nur was der Drückeberger treiben mag dort oben auf dem Lichtentsprossenen.“

„Er schreibt möglicherweise noch an dem deutsch-marsitischen Wörterbuche,“ lachte Brummhuber. „Weißt du noch, Stiller, wie Eran, der würdige Patriarch, von dieser Art der Bestrafung des Ausreißers sprach, als du ihn der Nachsicht der Marsiten besonders empfahlst?“

Der Angeredete nickte lächelnd.

„Wohl bekomm’s ihm! Die Arbeit hätte ich auf keinen Fall ausgeführt,“ erwiderte Piller finstern Tones.

„Mühevoll ist sie, gewiß,“ bestätigte Stiller. „Fridolin wird aber ohne Zweifel seine Aufgabe gelöst haben, wenn auch erst nach Überwindung einer langen Reihe von Schwierigkeiten verschiedenster Art.“

„Recht hat er gehabt, daß er oben geblieben ist,“ knurrte Piller.

„Nein, lieber Freund, dreimal nein! Doch streiten wir nicht über diesen Punkt! Darüber einigen wir uns zu meinem aufrichtigen Bedauern nie, wie mir scheint.“

„Piller neidet Frommherz eben den guten Marstropfen,“ spottete Brummhuber.

„Hat etwas Wahres, was du sagst, Brummhuberchen. Im übrigen, Stiller, bringe eine Flasche des heimischen Nektars von Neckars Halden, Zuckerle genannt. Ich habe eine sehr empfindliche Anwandlung von Schwäche.“

„Piller, wir kennen dich und deine vielen Schwächeanfälle,“ antwortete Brummhuber, während Stiller aus dem Zimmer trat und den Befehl erteilte, den gewünschten Wein herbeizubringen.

Als der Gelehrte in das Gemach zurücktrat, fielen gerade die letzten Strahlen der untergehenden Sonne durch dessen hohe und breite Fenster. Eine Fülle goldenen Lichtes umspielte die hohe Gestalt des Gelehrten und seinen feingeschnittenen Kopf.

„Eran, nur etwas verjüngt,“ rief Piller, als er seinen Freund in dieser Beleuchtung erblickte.

„Wahr gesprochen! Stiller hat eine merkwürdige Ähnlichkeit mit Eran,“ bestätigte Brummhuber.

„Eine Ähnlichkeit, wenn auch nur äußerlich, mit diesem vortrefflichen Weisen der Marsiten könnte mich nur ehren,“ entgegnete Stiller ernst:

„Du hast sie, und zwar in geradezu staunenerregendem Maße, seitdem du älter geworden bist. Haar und Bart sind ja jetzt auch bei dir weiß geworden. Und fällt das Licht auf dein Gesicht wie soeben, so ist diese Ähnlichkeit tatsächlich frappierend. Es fehlt dir nur noch die Kleidung, und du könntest sofort an Stelle Erans in den Stamm der Weisen in Angola eintreten.“

„Brummhuber hat recht. Du bist Erans getreues Ebenbild,“ fügte Piller bei.

„Diesem ehrwürdigen Alten zu gleichen, ihm ähnlich zu werden an Adel der Gesinnung und der Empfindung, und das Ideal meines Strebens hienieden wäre der Erfüllung nahe,“ sprach Stiller leise, wie wehmütig vor sich hin.

„Na, kommen schon wieder trübe Gedanken?“ polterte Piller.

„Nein,“ entgegnete Stiller ruhig, „dafür aber hier der gewünschte Wein,“ als soeben die Türe aufging und der Bediente eintrat, auf einem silbernen Präsentierbrett den Wein mit Gläsern tragend.

Nachdem die Gläser mit dem duftenden, rötlich schimmernden Weine gefüllt waren, ergriff Stiller sein Glas und sprach: „Weihen wir den ersten Schluck der Erinnerung an den heute zum vierzehnten Male wiedergekehrten Tag des Antrittes unserer Weltenreise.“

Die Gläser klangen zusammen. Piller hatte den Inhalt des seinen mit einem Schlucke geleert, füllte es sich von neuem wieder, räusperte sich und rief: „Der zweite Schluck, er gelte dem Andenken unseres Lebens auf jenem Planeten voll Licht und Freude.“ Wieder leerte sich Pillers Glas.

„Und ich bringe heute, erlaubt es mir, liebe Freunde, zum ersten Male mein Glas dem Andenken an Fridolin Frommherz,“ sprach Brummhuber.

„Soll gelten, als drittes Glas. Frommherz’ Sünde sei hiermit in Gnaden verziehen,“ erwiderte Piller, indem er in andächtigem Zuge sein Glas austrank.

„Warum uns denn heute immer und immer wieder der Fridolin einfallen muß?“ schimpfte Piller nach einer Weile und begann sich heftig zu schneuzen, um sein gestörtes seelisches Empfinden wieder herzustellen.

„Mir will heute die Erinnerung an ihn auch nicht aus dem Kopfe,“ versicherte Brummhuber. „Wäre er nicht so unendlich weit von uns entfernt, jede Möglichkeit einer Rückkehr ausgeschlossen, so würde ich glauben, daß er nach dem bekannten Sprichwort urplötzlich erscheinen müßte.“

„Und warum sollte dies ein Ding der Unmöglichkeit sein?“ fragte Stiller. „Sind wir hinauf und wieder heruntergekommen, ebensogut oder womöglich noch besser oder leichter dürften die Marsiten mit Freund Fridolin den Weg zur Erde finden, wenn sie ernstlich wollten.“

„Ja, wenn sie wollten! Die werden es aber bleiben lassen, unserer Erde einen Besuch abzustatten nach den schwarzen Bildern, die wir oben von ihr entworfen haben,“ knurrte Piller.

„Ja, wir malten recht düster damals in Angola,“ warf Brummhuber ein.

„Aber durchaus wahr. Und rückhaltsloseste Wahrheit und Offenheit waren wir den edlen Marsiten schuldig,“ bemerkte Stiller.

„O Angola!“ seufzte Piller, sich wieder kräftig schneuzend. „Doch was nützt die Sehnsucht nach diesem Eden? Vorbei, vorbei für immer!“

„Sei aufrichtig dankbar für die herrliche Erinnerung daran, die dir geblieben ist,“ verwies ihn Stiller.

„Laß mich lieber Lethe trinken und schieb mir die Flasche zu, Freund Siegfried,“ bat Piller. Lächelnd gehorchte Stiller.

„Immer derselbe!“ tadelte Brummhuber. „So treibst du es an jedem siebenten Dezember, seit wir wieder hier unten weilen.“

„Mensch und Freund, wie prosaisch bist du wieder einmal! Wie wenig verstehst du mich! Nur wer die Sehnsucht kennt, weiß was ich leide, kann auch ich mit dem Dichter sagen.“

„Wir wollen dir deshalb auch mildernde Umstände zubilligen, Piller, und eine neue Flasche bestellen, wenn wir auch dein sogenanntes Leiden nur cum grano salis gelten lassen,“ entgegnete Stiller mit freundlichem Lächeln und die Klingel ziehend.

„Stiller, altes Haus, du verstehst mich immer wieder am besten,“ lobte Piller.

„Als ob zu diesem Verständnis viel gehören würde!“

„Gut gebrummt, Brummhuberchen! Doch hier kommt neue Labung. Mit Wärme füllt der edle Wein mein ganzes Ich.“

„Das wissen wir schon lange, Piller. Es bedarf wahrlich keiner besonderen Betonung mehr.“

„Brummhuber, heute bist du einmal deines Namens wieder vollkommen würdig.“

„Hoffe es auch sonst immer zu sein.“

„Kann es nicht ohne reservatio mentalis bestätigen.“

„Bleib mir damit vom Leibe, Piller, sonst werde ich wirklich brummig.“

„Friede, meine lieben Freunde, Friede!“ mahnte Stiller.

„Ich bin stets friedvoll gestimmt, und nichts liegt mir ferner, als diese hehre Stunde des Zusammenseins durch Streit zu entweihen. Schon die Blume dieses heimischen Nektars wirkt dämpfend auf jegliche Empfindung und stimmt versöhnungsvoll,“ entgegnete Piller.

„Du bist und bleibst der Alte,“ erwiderte Stiller und klopfte ihm auf die Schulter.

„Warum soll ich mich ändern? Bin ich dir doch bislang gut genug gewesen!“

„Und wirst es auch stets bleiben, lieber Freund,“ versicherte ihm Stiller.

„Auch mir,“ fügte Brummhuber fröhlich bei.

Der Dezemberabend fing an in den gemütlichen Raum seine leichten Schatten zu werfen.

„Soll ich Licht machen?“ fragte Stiller seine Gäste.

„Nein, noch nicht!“ bat Brummhuber. „Es läßt sich in der Dämmerstunde so hübsch träumen.“

„Und auch plaudern,“ warf Piller ein. „Ich bewundere immer von neuem wieder dein schönes Heim, das du dir hier geschaffen hast, Stiller. Es ist wie du selbst.“

„Wie meinst du das?“

„Nun, gediegen, vornehm, ruhig und voll stillen Zaubers.“

„Ja, bei Freund Stiller läßt es sich leben. Da fühlt man sich beinahe so wohl geborgen wie auf dem Mars,“ bemerkte Brummhuber.

„Für uns das Angola Schwabens,“ fügte Piller bei.

„Ihr übertreibt, beste Freunde,“ erwiderte Stiller heiter. „Und doch freuen mich diese Vergleiche gerade von euch. Was wart ihr für nüchterne, poesielose Menschen, bevor ihr nach dem Mars kamt, und welch große Umformung eures ganzen Innern brachte der Aufenthalt dort oben mit sich!“

Возрастное ограничение:
0+
Дата выхода на Литрес:
01 марта 2019
Объем:
160 стр. 1 иллюстрация
Правообладатель:
Public Domain
Формат скачивания:
epub, fb2, fb3, html, ios.epub, mobi, pdf, txt, zip

С этой книгой читают