Читать книгу: «Vom Mars zur Erde», страница 8

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„Sind leider inzwischen gestorben,“ antwortete Brummhuber.

„Wie sehr bedaure ich diese traurige Kunde!“

„Wir werden dir gelegentlich das Nähere darüber erzählen. In dieser Stunde des Wiedersehens wollen wir alles Traurige von uns fernhalten,“ bemerkte Stiller.

„Stiller hat recht! Sage mir aber zunächst, Fridolin, bist du absichtlich oder unabsichtlich auf dem Wasen niedergegangen?“ fragte Piller.

„Mit vollster Absicht, schon des großen Platzes wegen, auf dem das gewaltige, für ununterbrochene Hin- und Rückfahrt eingerichtete Fahrzeug mit aller Sicherheit landen konnte.“

„Das ist ein Grund, der gelten kann. Wieviel Marsiten begleiteten dich?“

„Fünf in jeder Hinsicht ausgezeichnete Männer, darunter auch Zaran, Erans Neffe.“

„Einige Stunden oder Tage hätten sich deine Begleiter ohne Schaden auf der Erde und in unserm Schwabenlande aufhalten können. Daß sie uns keiner weiteren Beachtung würdigten und sofort wieder dahin den Kurs lenkten, woher sie gekommen waren, das hätte kein Sterblicher unseres Planeten fertig gebracht. Welch ein Mangel an Neugierde, vor allem aber, welch große Nichtachtung liegt auch in diesem hastigen, einer Flucht gleichkommenden Verschwinden!“ urteilte Piller.

„Sie wollten mit der Erde nichts zu tun haben, nicht einmal berührt, gestreift werden durch den Hauch ihres Lebens,“ entschuldigte Frommherz seine Begleiter.

„Kein Kompliment für uns,“ lachte Brummhuber.

„Sicherlich nicht. Aber sie handelten korrekt, folgerichtig,“ antwortete Frommherz.

„Und taten ungefähr dasselbe, was du vorhin selbst getan hast, Piller,“ fügte Stiller hinzu.

„Ich? Wieso?“ fragte Piller erstaunt.

„Ja, du. Du verbatst dir ja auch, nachdem der Oberbürgermeister von Stuttgart hier gewesen, jeden weitern Besuch und Verkehr von außen her und wolltest dadurch unsere geschlossene Gesellschaft vor aller Profanierung schützen. Just so machten es aber auch die Marsiten,“ erwiderte Stiller.

Die Herren lachten.

„Stiller ist immer noch derselbe,“ erklärte Piller seinem Freunde Frommherz. „Seiner Dialektik bin ich nicht gewachsen.“

„Wie lange warst du unterwegs?“ forschte Brummhuber.

„Genau nach Erdenmaß gemessen drei Monate.“

„Nur?“

„Lange genug, trotzalledem.“

„Gewiß! Und die furchtbaren Gefahren und Entbehrungen, die wir bei unserem Fluge durch den Weltenraum einst durchgemacht, werde ich niemals vergessen, und würde ich so alt wie Methusalem,“ gestand Brummhuber offen.

„Wie ging es denn dir unterwegs? Eine etwas verspätete Frage, nicht?“ fragte Stiller herzlichen Tones.

„Verhältnismäßig erträglich. Doch gab es auch allerlei Gefahren zu bestehen, und ich glaube, daß meine Marsiten bei aller Kühnheit, Unerschrockenheit und Geschicklichkeit, die sie bewiesen, froh sein werden, wenn sie glücklich wieder auf ihrem wunderschönen Planeten angelangt sein werden.“

„Ja, es ist ein irdisches Paradies, dieses Land des Mars. Wie oft hat uns danach schon das Heimweh, die Sehnsucht gepackt!“ seufzte Piller.

„Es war aber doch besser, meine Freunde, daß ihr nicht oben geblieben seid.“

„Mein lieber Fridolin, damals, als wir fortzogen, warst du völlig anderer Meinung,“ entgegnete Brummhuber.

„Gewiß. Ich habe sie aber seitdem geändert, nicht infolge äußerer, veränderter Lebensbedingungen auf dem Mars, nein, von Innen nach langen, schweren Kämpfen, langsam aus mir selbst heraus. Ich fand, daß Freund Stiller recht hatte, daß er eine sittliche Tat vollbrachte, als er mit euch zur Erde wieder zurückkehrte und ein Leben voll Mühe und Enttäuschung dem ruhiger und angenehmer Beschaulichkeit vorzog. Und als ich mich endlich zu dieser Erkenntnis durchgerungen hatte, da reifte in mir der Entschluß, dem gegebenen Beispiele zu folgen. So kam ich wieder und bekenne ohne Zögern, daß ich dadurch den Fehler, den ich einst durch meine Abtrennung von euch beging, wieder gut zu machen suchte.“

„Ich weiß nicht, ob du recht getan hast,“ bemerkte Piller. „Oft war ich der Meinung, als ob du den besten Teil gewählt, wir aber töricht gehandelt hätten, deinem Beispiele nicht gefolgt und oben geblieben zu sein.“

„Wir mußten fortgehen. Wie oft sagte ich das schon!“ rief Stiller. „Daß Freund Fridolin sich im Laufe der Jahre meine Anschauung auf dem Mars zu eigen gemacht und sich ebenfalls zur Rückkehr entschlossen hat, ist der schönste Beweis für die Richtigkeit unserer Handlungsweise.“

„Dagegen läßt sich nun so wie so nichts mehr einwenden,“ warf Brummhuber ein. „Jetzt sind wir wieder unten auf der Erde und werden wohl auch für immer hier unten bleiben müssen.“

„Wir passen auch nicht zu den Marsiten. Das wußten unsere Gastgeber ebenfalls ganz genau. Ihr Wesen, in vielem mit dem unsern verwandt, ist, wenn ich mich so ausdrücken darf, ätherischer, feiner geprägt. Dadurch war schon eine Scheidewand zwischen ihnen und uns gezogen. Und was konnten wir ihnen, den so Hochstehenden, bieten? Doch nur sehr wenig, lange nicht genügend, um ihre großartig geübte Gastfreundschaft auch nur einigermaßen befriedigend wieder auszugleichen,“ sprach Frommherz.

„Das stimmt,“ bestätigte Piller.

„Was von der Erde stammt, ist eben anders geartet als das dem Mars Entsprossene,“ fuhr Frommherz fort. „Die feinen, aber doch merkbar trennenden Unterschiede lernte ich in den langen Jahren meines Aufenthaltes nach und nach kennen. So wage ich denn zu sagen, daß wir uns oben als alleinstehende Männer, ohne Familie, ohne die Möglichkeit in dem Marsvolke selbst aufzugehen, am Ende innerlich als Fremde gefühlt haben würden, trotz der Schönheit des Daseins, der Herzlichkeit und Liebenswürdigkeit unserer Freunde.“

„Was Fridolin soeben ausgesprochen, vertrat ich in ähnlicher Weise einst in Angola. Ganz besonders danke ich unserm Freunde für sein offenes Bekenntnis. Die Gefühle reinen Glückes bei der Erinnerung an jene unvergeßlich schöne Zeit auf dem Mars bleiben bestehen, solange wir noch atmen dürfen, aber das tief Schmerzliche, das nun einmal jeder großen Entsagung anhaftet, es ist durch Fridolins Worte, durch seine freiwillige Rückkehr zu uns wesentlich gemildert worden,“ bemerkte Stiller.

Piller schneuzte sich wieder kräftig. „Finden wir uns damit ab, soweit es möglich ist,“ entgegnete er nach kurzer Pause. „Unser irdisches Leben scheint sich nun einmal nicht harmonisch gestalten lassen zu wollen. Die wirklich schönste Melodie des Lebens, die meinen Enthusiasmus erweckt, die mich, den realen Praktiker der Wissenschaft, in holde Träume zu wiegen vermocht, ich hörte sie niemals hier unten, sondern wohl zum ersten und auch letzten Male oben auf dem Lichtentsprossenen.“

Erstaunt blickte Fridolin Frommherz auf Piller. Eine solche Sprache hatte er früher, in alter Zeit, von dem allem Idealen so wenig geneigten Manne niemals gehört.

„Ja, ja, unser Freund Piller hat sich seit seinem Aufenthalte auf dem Mars in dieser Richtung etwas gebessert,“ erklärte Stiller, der den erstaunten Blick Fridolins bemerkt und richtig verstanden hatte.

„Es ging uns allen mehr oder weniger gleich,“ ergänzte Brummhuber.

Eine tiefe Stille trat ein. Da schlugen zuerst leise, dann immer kräftiger anschwellende Akkorde einer ausgezeichneten Musik außen vor dem Kursaale an ihr Ohr. Sie formten sich zu einer imposanten Melodie, der die vier Gelehrten, angenehm überrascht, lauschten. Es war die Hymne, die Kapellmeister Klingler vor elf Jahren bei Anlaß des Einzuges der sechs zurückgekehrten Schwabensöhne in Stuttgart komponiert hatte, und die er nun Frommherz zu Ehren mit seiner Kapelle da draußen vortrug.

„Dahinter steckt der Oberbürgermeister! Jetzt begreife ich, warum er unsere Einladung zum Bleiben ablehnte und so hastig verschwand,“ rief Piller.

„Eine liebenswürdige Aufmerksamkeit, fürwahr, die ich dankbar anerkenne,“ lobte Frommherz.

Einige weitere, ausgesucht schöne Musikvorträge folgten der „Hymne an Schwabens kühnste Söhne“. Dann zog die Kapelle wieder ab.

„Für uns ist es nun auch Zeit, an den Aufbruch zu denken,“ mahnte Stiller.

Als die Herren aus dem Gebäude traten, wurden sie durch eine zweite Aufmerksamkeit des Oberbürgermeisters von Stuttgart überrascht. Die weißgekleidete Tochter des städtischen Oberhauptes in Gesellschaft einiger anderer ebenfalls festlich geputzter Mädchen übergab mit einer kurzen Ansprache Frommherz einen frischen Lorbeerkranz, dessen seidene Schleifen die Farben der Residenz und des Landes trugen. Frommherz nahm den Lorbeerkranz mit Worten herzlichen Dankes entgegen und schüttelte jedem der blühenden, ihn mit scheuer Ehrfurcht betrachtenden Menschenkinder warm die Hand.

Stiller war unterdessen ins Haus zurückgeeilt und hatte ein kurzes Zwiegespräch mit dem Wirte gehalten. Nun kam er wieder zurück und lud die Mädchen im Namen des Gefeierten zu einer Erfrischung ein, die von ihnen mit Jubel angenommen wurde.

„In unserm großen Auto haben die Kinder auch noch Platz. Wir bringen sie hinauf nach Stuttgart,“ schlug Stiller vor.

Gern willigten die andern Freunde ein. Mit welch stolzer Befriedigung fuhren nachher die Mädchen, die nun jede Scheu verloren hatten, mit ihren berühmten Begleitern durch Cannstatt, über die Karlsbrücke und durch die im Gewande des Frühlings prangenden Anlagen nach Stuttgart! Die Freude über die ihnen erwiesene Auszeichnung leuchtete aus den strahlenden Augen der Kinder, als sie auf dem Schloßplatze aus dem Auto stiegen und sich von den Gelehrten verabschiedeten. Unter den brausenden Hochrufen einer rasch sich ansammelnden Menschenmenge fuhren die Freunde Stillers Heim zu.

„Einfach, aber würdig war der Empfang. Er hat mir gefallen und mich vollkommen befriedigt,“ erklärte Frommherz.

„Wahrhaftig, mir machte er einen besseren Eindruck als der unsere damals, als wir auf dem Hasenberge ankamen,“ meinte Brummhuber.

„Weil er sich unvorbereitet, so ganz aus sich selbst heraus vollzog,“ bemerkte Stiller.

Die Herren hatten es sich im Hause ihres Freundes bequem gemacht und saßen in anregendem Gespräche in dem bekannten großen Balkonzimmer.

„Wenn große Ereignisse mein seelisches Empfinden berühren, so fühle ich stets einen merkwürdigen Durst und . . .“ Doch Stiller ließ seinen Freund Piller nicht ausreden. „Ich verstehe dich auch ohne diese Einleitung,“ lachte er fröhlich. „Piller ist nämlich immer noch derselbe Durstige wie früher,“ erklärte er Frommherz. „Du sollst deinen Trunk haben, lieber Piller. Wir alle wollen ein Glas auf das Wohl des teuren, uns wiedergeschenkten Freundes leeren.“

Der Wein wurde gebracht. Die Gläser hatten ausgeklungen. Der Abend senkte langsam seine Schatten auf das Häusermeer im Tale, während die Bopserhöhe sich noch in den Strahlen der untergehenden Sonne golden badete. Da begannen unten in der Stadt die Glocken anzuschlagen.

„Wir haben doch meines Wissens morgen keinen Festtag, der am Abend vorher eingeläutet werden sollte?“ fragte Brummhuber.

„Nicht daß ich wüßte,“ erwiderte Piller.

„Es gilt ohne Zweifel unserm Freunde Fridolin,“ bemerkte Stiller. „Die alte Heimat will ihrem wiedergekehrten Sohne durch den ehernen Mund der Glocken lauten Willkomm bieten.“

„Du magst recht haben,“ erklärte Brummhuber.

Eine volle halbe Stunde währte das harmonische Geläute, dann verstummte es . . .

Und die Sonne, die Spenderin alles Lichtes und Lebens, war inzwischen im Westen verglüht. Leise bewegten sich im leichten Abendwinde die blühenden Bäume an der Talseite und sandten ihren Duft herauf zu den Gelehrten, die da an den offenen Fenstern des Gemaches saßen und die Lieblichkeit des Landschaftsbildes still genossen.

„Was kommt denn da die Weinsteige herauf?“ fragte Brummhuber erstaunt und machte seine Freunde auf eine Masse von Lampions aufmerksam, die sich einer feurigen Schlange gleich gegen die Bopserhöhe zu bewegten.

„Fridolin, das gilt dir,“ lachte Piller.

„Ich bin wirklich begierig, was dir und uns noch diesen Abend bevorsteht,“ äußerte sich Stiller. „Unser Oberbürgermeister scheint die kurze Zeit heute fieberhaft ausgenützt zu haben, um deine Rückkehr würdig zu ehren.“

„Das kommt mir auch so vor,“ antwortete Frommherz. „Ich würde aber am liebsten auf jede weitere Ehrung verzichten. Ähnlich äußerte ich mich dem Oberbürgermeister gegenüber ja schon am Kursaale.“

„Ergib dich in dein unvermeidliches Schicksal, Freund Fridolin! Ohne Sang und Klang darf dieser denkwürdige Tag nicht in der unwiederbringlich verlorenen Vergangenheit verschwinden,“ sprach Piller.

Näher dem Hause kam der Zug. Es war die Liedertafel von Stuttgart, die da durch den Garten zog und sich vor dem Hause aufstellte. Eine feierliche Stille trat ein. Dann intonierte der große Männerchor das prachtvolle Lied: „Des Vaterlandes Gruß.“

Frommherz, tief bewegt durch den vollendet schönen Vortrag, war mit seinen Freunden zu den Sängern getreten und dankte ihnen mit innigen Worten. Stiller lud die Sänger zu einem kühlen Trunke ein. Piller sorgte, unterstützt durch die Dienerschaft des Hauses, für das Getränk, und bald entwickelte sich in dem Garten ein feucht-fröhliches Sängerleben. Noch ein Lied zum Abschied, dann ein Hoch auf den Zurückgekehrten, und der Männerchor bewegte sich in der gleichen Weise, wie er gekommen, abwärts, der Stadt wieder zu. Am mitternächtigen Himmel aber stand in strahlender Schönheit Mars, das freiwillig aufgegebene Paradies der Söhne Schwabens.

Zwölftes Kapitel.
Fromme Wünsche

Während die führenden Zeitungen am Tage nach Frommherz’ Rückkehr den Gelehrten in achtungsvoll gehaltenen Leitartikeln begrüßten und feierten, saßen die Freunde in Stillers gemütlichem Balkonzimmer und lauschten dem Berichte des Weltenseglers. Aber ohne Mißton in der Begrüßung durch die Presse sollte es leider nicht abgehen.

Das seit kurzer Zeit bestehende Organ „Der Volksmund“, das seine Unbedeutendheit durch maßloses Schimpfen auf alles, was ihm nicht in den Kram paßte, zu decken suchte, brachte einen Artikel, der nicht nur gegen Frommherz allein, sondern auch gegen die übrigen kühnen Marsbesucher gerichtet war. „Warum,“ so fragte das Organ, „ist dieser Mann zurückgekommen? Entweder hat man ihn fortgewiesen, wo er war, oder er ist selbst gegangen – was wir annehmen wollen – weil eben auf jenem Planeten die Lebensbedingungen doch nicht die sind, von denen seine Freunde einst vor Jahren so viel Aufhebens machten. Schon damals war es zu verwundern gewesen, daß die Herren ein Eldorado verlassen haben, in dem ihren eigenen Aussagen nach Milch und Honig fließen und alles vollkommen sein sollte. Ihre Behauptungen konnte man natürlich nicht widerlegen, und so mußte man sie eben achselzuckend und zweifelnd für einstweilen annehmen.

Nun aber, da Fridolin Frommherz wieder auf die Erde niedergestiegen, hat er seinen großsprecherischen Freunden unwillkürlich eine höchst derbe Lektion erteilt und sie durch seine Rückkehr gewissermaßen Lügen gestraft. Kein vernünftiger Mensch kann allen Ernstes mehr glauben, daß Mars das sogenannte Paradies sein soll. Eva und Adam sind, biblisch gesprochen, auch nicht freiwillig aus dem Paradiese fortgegangen, noch weniger aber ziehen Männer, die, wie die Weltreisenden, von Jugend auf nur an Wohlleben gewöhnt sind, von einem Orte weg, der angeblich das wirkliche Schlaraffenland vorstellt. Da steckt anderes dahinter, das man natürlich nicht zu gestehen wagt, um sich billige Lorbeeren um den kecken Kopf zu legen,“ schloß der Artikel.

Das Blatt war mit der Morgenpost Stiller zugesandt worden. Er würde es gar nicht weiter beachtet haben, da aber der Artikel selbst mit dicken roten Strichen umgeben war, so erregte dies Stillers Interesse. Er überflog den Inhalt kurz und wandte sich dann dem zurückgekehrten Freunde zu.

„Fridolin, bitte, eine kleine Unterbrechung in deiner Erzählung. Das Machwerk, das ich hier in der Hand habe, verdient allerdings keine besondere Beachtung, das wäre gewissermaßen eine Ehrung, aber es zeigt doch, auf welchem Tiefstand der Gesinnung sich noch manche Menschen bewegen, die sich anmaßen, legitime Vertreter der öffentlichen Meinung zu sein.“

Stiller las den Artikel vor. Er regte nur Piller auf. „Giftkröten, die man zertreten sollte,“ schimpfte er.

„Leichtfertige Menschen dieser Art sind mehr zu bedauern als zu verdammen,“ antwortete Stiller.

„Ach was bedauern,“ knurrte Piller. „Ausreißen muß man das Unkraut.“

„Damit bin ich nur insofern einverstanden, als es sich um wirklichen Auswurf des Menschengeschlechtes handelt. In vorliegendem Falle aber ist es tatsächlich der Mangel an Einsicht, an wirklicher Bildung, dieser fundamentalen Grundlage der vernünftigen Selbstkritik, der uns hier gegenübertritt, und das ist es, was ich bedaure.“

„Ich stimme dir bei,“ sprach Frommherz. „Ein Mensch, der sich seiner Würde als solcher bewußt ist, wird niemals niedrig denken und handeln. Die Menschen auf die Höhe des wahren Menschentums zu heben, an dieser Arbeit kräftig mitzuwirken, war ja einer der treibenden Gründe meiner Rückkehr.“

„Eine Sisyphusarbeit,“ rief Piller.

„Ausdauer und fester Wille werden sie bewältigen und ihr schließlich zum Erfolge helfen. Nicht uns wird sie gelingen, nein, dazu bedarf es der Zeit von Jahrhunderten, aber als Arbeiter im Dienste des Wahren, Guten und Schönen müssen wir schon jetzt unser Bestes zur Verwirklichung des Menschheitsideales beizutragen suchen. Doch nun fahr in deinem Berichte fort, Fridolin,“ bat Stiller.

Frommherz schilderte seinen Freunden, wie die ihrer Abreise folgenden Jahre auf dem Mars mit der Bearbeitung des Wörterbuches vorübergegangen seien, wie er im Hause Bentans in Angola gelebt und auch dort einen zarten Liebestraum geträumt habe. Er verschwieg nicht den Schmerz, den die Entsagung, der Verzicht auf die Erfüllung seiner sehnsüchtigen Wünsche ihm zuerst verursacht habe, in der Arbeit aber habe er den besten Trost und Wiederaufrichtung gefunden und später Bentans ablehnende Haltung seinem Herzenswunsche gegenüber als völlig berechtigt und nur seinem eigenen Wohle dienend anerkennen müssen. Dann berichtete er ausführlich von dem Riesenwerke, das die Marsiten ausgeführt.

Mit außerordentlicher Teilnahme hörten die drei Freunde von dieser gewaltigen Tat des Solidaritätsgefühles der Marsiten.

„Großartig, wirklich großartig!“ rief Piller, erregt vom Stuhle aufspringend und mit hastigen Schritten das Zimmer messend. „Und denke dir, Fridolin, Stiller hat das von hier aus mit dem Fernrohre verfolgt! Noch vor wenigen Monaten, am 7. Dezember letzten Jahres, sprachen wir in diesem selben Zimmer davon, und unser Freund zeigte uns nachher das veränderte Kanalsystem auf dem Mars durch das Teleskop.“

„Benötigst du nicht wieder eines Schöppleins?“ foppte Brummhuber.

„Warum nicht? Doch ich werde dir brummigem Huber mit dem vortrefflichen Namen einmal beweisen, daß auch ich verzichten kann. Fridolin, fahre fort!“

Frommherz erzählte von der umformenden Wirkung, die die gemeinsame Arbeit mit den Marsiten, ihr Näherkennenlernen in den Jahren der Not in seinem Denk- und Empfindungsvermögen nach und nach hervorgebracht, und wie dadurch von ihm endlich auch die frühere Handlungsweise des Freundes Stiller begriffen worden sei. Mit dem Begreifen sei dann der Entschluß in ihm gereift, dem gegebenen Beispiele zu folgen und in gleichem Sinne wie Stiller auf der Erde zu wirken. Nach Anans Tode sei Bentan an dessen Stelle getreten, und in der ersten Versammlung des Stammes der Weisen unter Bentans Vorsitz habe er sein Anliegen vorgebracht, das von den Marsiten auf das günstigste aufgenommen worden sei.

„Es war in demselben Saale des Palastes in Angola, in dem wir sieben einst zum letzten Male zusammen waren,“ fuhr Frommherz fort. „Dort befinden sich eure Bilder mit den nähere Angaben tragenden Marmortafeln. In hohem, ehrendem Andenken lebt ihr dort oben weiter. Und von allen Seiten, besonders aber von dem ehrwürdigen Eran, wurden mir für euch die innigsten Grüße und die besten Wünsche für euer Wohlergehen mitgegeben. Und nun hat der Tod drei von uns weggerafft, die ich nicht mehr sehen durfte.

Meine Reise war lang, aber sehr erträglich. Einige Male kam unser Fahrzeug in die gefährliche Nähe einer Kometenbahn; fast wären wir mit einem Meteoriten von gewaltigen Dimensionen zusammengestoßen, und beim Eintritt in die Erdatmosphäre drohten die Blitze des schrecklichsten Gewitters, das ich je erlebt, unser Luftschiff zu entzünden; sonst aber verlief der Flug durch den ungeheuren Weltenraum günstig. Ein Blick auf Eros und ein Besuch auf dem Monde bot eine Fülle des Interessanten, von dem ich euch einmal eingehend berichten werde. In Sibirien, beim Baikalsee, trafen wir auf die Erde. Von dort nahm das Luftschiff den Kurs nach Westen. Vorgestern abend kamen wir über Stuttgart an, das ich sofort trotz der bedeutenden Höhe, in der unser Luftschiff schwebte, an seiner eigenartigen Lage wiedererkannte. In aller Frühe wurde ich gestern, meinem Wunsche entsprechend, auf dem Wasen abgesetzt.“

Eine lange Pause trat ein, als Frommherz seine inhaltreiche Erzählung beendigt hatte. Stiller berichtete nun über seine und seiner Gefährten Rückkehr zur Erde vor elf Jahren, den Empfang an den verschiedenen Orten der Welt und schließlich den Einzug in Stuttgart. Dann erzählte er von dem Tode der drei Freunde. Hämmerle sei drei Jahre nach der Rückkehr gestorben, nachdem er lange gemütskrank gewesen. Dann sei Thudium ganz plötzlich, unvermittelt eingegangen in das Schattenreich. Ihm sei Dubelmeier gefolgt, der an Arterienverkalkung gelitten, obgleich Piller dies nicht gelten lasse, sondern behaupte, Dubelmeier sei lediglich aus Mangel an Durst vorzeitig in die Grube gefahren.

Seit Jahren schon hätten sie in Tübingen einen Bund gegründet, der in Wort und Schrift für das wahre Menschentum und die natürliche Moral eintrete und den Kampf gegen alles Unwahre energisch und mit sichtbarem Erfolge aufgenommen habe. Hier in seinem Heim sei die Stätte, wo sich die ehemaligen Gefährten der Planetenfahrt zeitweise immer zusammenfänden, um alten Erinnerungen an den Aufenthalt auf dem prächtigen Mars in ungestörter Weise zu leben.

Jetzt sei er, Fridolin, das vierte hochwillkommene Mitglied in diesem engsten Bruderbunde, der, einem Mutterkristalle vergleichbar, aus dem Strome des ihn umfließenden Lebens noch manchen andern edlen Kristall zur Angliederung anziehen werde.

Während Frommherz’ und Stillers Berichten waren die Stunden in raschem Fluge herumgegangen. Nach dem Mittagessen wollten die Freunde einen kleinen Spaziergang durch den Bopserwald machen, als der Diener die Ankunft von zwei Herren meldete, die Stiller in einer dringenden Angelegenheit zu sprechen wünschten. Die abgegebenen Karten lauteten auf Julius Schnabel und Adolf Blieder.

„So, so, die sind es, die Pfuscher am „Weltensegler“ von ehemals,“ bemerkte Piller spöttisch, als er einen raschen Blick auf die Karten geworfen hatte.

„Ich kann sie nicht gut ablehnen,“ entgegnete Stiller. „Da ich aber vor euch kein Geheimnis zu wahren habe, so mögen sie mir in eurer Gegenwart sagen, was sie von mir wollen.“

„Wird was Gescheites sein,“ brummte Piller. „Doch immerhin, laß sie eintreten.“

Die beiden Herren, die im Laufe der Jahre, dank ihrem Wohlleben, körperlich sehr gewichtige Männer geworden waren, betraten das Zimmer und begrüßten Stiller freundlich.

„Die Herren Piller und Brummhuber kennt ihr. Dies hier ist Herr Frommherz, der gestern vom Mars zurückkam und auf dem Wasen landete,“ stellte Stiller vor.

„Seinetwegen kommen wir ja zu dir,“ trompetete Schnabel, sich vor Frommherz verneigend, so gut es eben seine Körperfülle zuließ.

„Nun, so setzt euch zunächst und dann bringt euer Begehr vor,“ bat Stiller. Die Herren folgten der Einladung.

„Du weißt, daß wir vor Jahren schon in den Vorstand der Kommission für das Denkmal gewählt wurden, das dir und deinen berühmten Herren Begleitern auf deiner Marsreise zu Ehren gesetzt wurde.“

„Nicht meinen Begleitern, sondern meinen Gefährten und Freunden und nicht auf meiner, sondern auf unserer gemeinsamen Marsreise, mein lieber Blieder,“ korrigierte Stiller.

„Nun ja, also . . . . hm, was wollte ich gleich sagen?“

„Das kann ich doch nicht wissen,“ antwortete Stiller lächelnd.

„Von dem Denkmal,“ kam Schnabel dem Verlegenen zu Hilfe.

„Ja, von dem Denkmal. Nun, das macht uns der Rückkehr des Herrn Frommherz wegen rechte Sorgen.“

„Wieso?“ fragte Stiller erstaunt.

„Es entsteht die Frage einer Änderung, und letztere ist eine kostspielige Sache.“

„Eine Änderung?“

„Ja,“ nahm jetzt Schnabel das Wort, „diese völlig unerwartete Rückkehr des Herrn Frommherz stellt uns vor eine schwierige Entscheidung.“

„Deshalb kommt ihr zu mir, nicht wahr?“

„Ja!“

„Wo liegt denn diese Schwierigkeit?“ forschte Piller.

„In der Inschrift der vierten Seite,“ gestand Herr Blieder.

„Ah, jetzt verstehe ich. Natürlich ein höchst schwieriger Fall,“ erwiderte Piller nicht ohne Hohn.

„Gewiß,“ antwortete Herr Schnabel, Pillers Hohn nicht bemerkend. „Es handelt sich möglicherweise um eine Abtragung des ganzen Denkmals, denn die einmal eingehauenen Worte lassen sich von dem Obelisken nicht so einfach, wie Sie vielleicht glauben mögen, wegmeißeln, ohne dem Ganzen ein verändertes und unschönes Aussehen zu geben.“

„Was wissen denn Sie, was ich deshalb glaube?“ entgegnete Piller grob.

„An uns, als die Vorsitzenden des Denkmalkomitees,“ fuhr Herr Schnabel fort, „ist seit gestern die Aufgabe herangetreten, umgehend einen Vorschlag dem Stadtrat einzureichen zwecks Änderung, und da befürchten wir recht lebhafte und unangenehme Debatten.“

„Ja, aber lieber Schnabel, was berührt denn mich das?“ meinte Stiller lächelnd.

„Vielleicht weißt du uns einen praktischen Rat oder Ausweg aus der Sache.“

„Eine verzweifelt dumme Geschichte,“ spottete Piller.

„Nicht wahr?“ klagte Herr Blieder in aufrichtiger Verlegenheit.

„Das will ich meinen,“ bestätigte Piller ernsten Tones.

Frommherz und Brummhuber mußten über die komisch traurigen Gesichter der beiden Besucher unwillkürlich lächeln. Stiller selbst schien in Gedanken verloren.

„So laßt doch auf der fraglichen Seite des Obelisken, auf der es sich um Frommherz handelt, die weitern Worte einmeißeln: Nach 14 ½ jähriger Abwesenheit am 5. Mai . . . wieder vom Mars zurückgekehrt. Sollte das nicht gehen?“

„Das Ei des Columbus,“ rief Herr Schnabel voll Freude. „Du hast es getroffen! Wie einfach und klar lag eigentlich die Lösung, so daß es mir jetzt schon ganz unbegreiflich erscheint, nicht von selbst darauf gekommen zu sein.“

„Ja, das Allereinfachste ist mitunter das, was uns am meisten Kopfzerbrechen verursacht,“ erwiderte Herr Stiller, seine ehemaligen Schulgenossen mit überlegenem Lächeln betrachtend. „Wir haben dies ebenfalls bei der Konstruktion des ‚Weltenseglers‘ vor fünfzehn Jahren erlebt, nicht wahr?“

„Gewiß, gewiß,“ beeilte sich Herr Blieder zu bestätigen.

„Dafür haben aber auch die Herren Ruhm und Ehre geerntet, dank Columbus Stiller,“ rief Piller.

Herr Schnabel und Herr Blieder sahen bei diesen Worten etwas verdutzt auf Piller. Es wurde ihnen vor dem Gelehrten mit seinen scharfen Augen und dem spöttischen Lächeln um die Mundwinkel unbehaglich zumute, und so beeilten sie sich mit Worten des Dankes für den erteilten Rat zu gehen.

„Die gehören zu jener Klasse von Parasiten, die auf Kosten anderer leben,“ äußerte sich Brummhuber, als die beiden das Zimmer verlassen hatten.

„Du hast recht,“ bestätigte Piller. „Mir sind Leute, die sich immer mit den Federn anderer zu schmücken suchen, im Grunde der Seele zuwider.“

„Harmlose Strohköpfe,“ suchte sie Stiller zu entschuldigen.

„Nur bedingt harmlos, lieber Stiller,“ entgegnete Piller. „Die Dummheit paart sich oft genug mit der Heimtücke, und von letzterer sind Schnabel und Blieder nicht gänzlich frei.“

„Verlassen wir das Thema!“ bat Stiller. „Es lohnt sich wirklich nicht, darüber weiter zu sprechen; denn die beiden sind tatsächlich zu unbedeutend für uns.“

Als die Gelehrten ihren geplanten Spaziergang ausführen wollten und soeben aus dem Hause traten, fuhr ein elegantes Autoelektrik vor. Ihm entstieg der Graf von Neckartal.

„Gut, daß ich Sie noch treffe, meine verehrten Herren,“ rief er heiter. „Ich sauste hier herauf, um unsern berühmten, der Heimat wiedergeschenkten Professor Frommherz zu begrüßen. Lassen Sie mich Ihnen die Hand zum Willkomm drücken. Dem goldenen Lorbeerkranz entgehen Sie nicht,“ erklärte der Graf, Frommherz umarmend und mit ihm und den übrigen Herren ins Haus eintretend.

„Wer hätte geglaubt, daß Sie den herrlichen Mars gegen die in Extremen sich bewegende Erde je wieder eintauschen würden!“ fuhr Herr von Neckartal fort, als sich die Herren gesetzt hatten. „Wie eine Bombe schlug gestern die Nachricht ein. Ich sage Ihnen, die erstaunten und verblüfften Gesichter hätten Sie sehen sollen, als es hieß, unser letzter Marsreisender sei wieder auf schwäbischem Boden erschienen. Einfach zum Heulen vor Vergnügen! Frommherz, ich will gewiß kein Unkraut säen, aber mancher wünschte Sie im ersten Augenblicke wieder dahin zurück, woher Sie kamen.“

„Kenn’ ich doch meine lieben Deutschen und kann’s mir also in etwas vorstellen,“ warf Piller lachend ein. „Unser Freund kam eben gegen alle Regeln der Gesellschaft unangemeldet zurück, ohne vorherige Erlaubnis.“

„Daß Sie gerade auf dem Wasen landen mußten, würde man schließlich noch hingenommen haben, aber das blitzschnelle Verschwinden Ihres Luftschiffes von hier wurde zuerst als eine grobe Beleidigung der Hauptstadt empfunden. Einige Tage wenigstens hätte es sich mit seinen Insassen unsern guten Stuttgartern schon zeigen dürfen. Gerade auf die Bekanntschaft mit den Marsiten war man allgemein gespannt, und die Enttäuschung, diese merkwürdigen Menschen nicht gesehen zu haben, war groß.“

„Gekränkte Neugier und Eitelkeit, nichts anderes,“ bemerkte Stiller. „Ich habe doch meinen Landsleuten schon öfters erklärt, daß die Bewohner des Mars gewichtige Gründe hätten, den Verkehr mit uns abzulehnen.“

„Nun, der erste Unmut darüber ist rasch verflogen gewesen. Viel dazu trug bei, als das Abenteuer unseres lieben Frommherz mit der Polizei bekannt wurde.“

„So etwas kann vorkommen,“ entschuldigte Frommherz.

„Immerhin ein gelungener, unsterblich lächerlicher Streich. Aber jetzt komme ich mit einer Bitte zu Ihnen, mein lieber Frommherz,“ fuhr der Graf fort. „Halten Sie sich nicht fern von uns, sondern schenken Sie uns die Ehre Ihres baldigen Besuches. Wir sind außerordentlich begierig auf das, was Sie uns sagen wollen, und möchten von Ihnen schon heute abend, falls Sie nicht zu müde sind, einige Mitteilungen entgegennehmen. Ich wurde gestern in unserm Vereine von allen Seiten bestürmt, Sie darum zu bitten.“

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01 марта 2019
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