Читать книгу: «HIPPIE TRAIL - BAND 2», страница 3

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In Georgetown hatte ich schon das letzte Mal ein neues Fahrtenmesser gekauft als Ersatz für das in Griechenland zersprungene. Und auch ein winziges Transistorradio. Mit diesem Messer versuchte ich nun, die erste Nuss zu köpfen. Die Kinder schauen mir eine Weile zu. Dann will einer das Messer und im Handumdrehen hat er die Nuss aus den Fasern gelöst. Gegen Abend gehe ich in die Fischerkneipe und leiste mir ein Fanta. Die Boote sind fast alle zurück, und die Fischer ‚verbraten‘ ihre paar Cents bei einem Tischfußball oder einer Partie Billard. Auf einem Grill liegen frische Fische und verbreiten Appetit. Schnell habe ich mich mit den Fischern angefreundet. Ein paar wenige sprechen etwas Englisch. Durch sie erfahre ich, dass eine Straße rund um die Insel führt. Viele Tempel säumen diese und es gibt sogar eine Seilbahn auf den höchsten Berg!

Früh am nächsten Morgen laufe ich auf einem Pfad durch den dichten Wald zur Straße. Ich will heute versuchen, um die Insel zu trampen. Überall kreischt und zirpt es im Geäst. Doch selten bekomme ich einen Vogel zu Gesicht. Dann komme ich an die Straße. Die Insel hat einen Umfang von 40 Kilometern. Notfalls könnte ich immer noch zu Fuß zurück. Denn so sehr George Town, der Hauptort der Insel, vor Menschen und Autos wimmelt, so verlassener scheint das Land zu sein. Bis zum ersten Tempel gehe ich zu Fuß. Es ist der Schlangentempel, ein buddhistischer Tempel in chinesischen Stil. An beiden Enden hochgezogene Dächer, mit Ziegeln gedeckt, fast alles Holz ist rot gestrichen. Im Innenhof sind allerlei Büsche gepflanzt, vor allem in Keramikgefäße. Ich lasse meine Schuhe neben dem Tempeleingang, setze mich eine Weile vor den Hauptbuddha. Nirgendwo eine Schlange zu sehen. Und die Fischer hatten gesagt, es seien hunderte davon da! Ein Mönch nähert sich. Ich frage ihn nach den Schlangen. Er zeigt stumm auf einen im Tempel stehenden Busch, nicht weit von da, wo ich sitze. „Ja und?“ Ich stehe auf und trete ganz nahe. Und da sehe ich es: das, was ich für einen Pflanzenstil mit Blütenknospe gehalten hatte, ist eine kleine, grüne Schlange. Und sie ist nicht alleine! Der halbe Busch ist lebendig und schaut mich mit züngelnden Mäulern an! Ich schrecke zurück. „Not poisonous?“ frage ich. „They are. But they don’t bite in Tempel!“ Der hat Humor! Warum sollten die im Tempel nicht beißen? Wünscht er mir eine Abkürzung ins Nirwana? Er führt mich etwas herum und zeigt mir die verschiedenen Schlangentypen in ihren entsprechenden Büschen. Es erinnert mich etwas an ein Suchbild. Hat man die erste entdeckt, findet man die anderen schneller. Selbst in hölzernen Gestellen, gleich Garderoben, räkeln sie sich. Warum solche Tempel? Zeigen sie die große Liebe und Mitgefühl Buddhas zu allen Lebewesen? Soll auch den Tieren der Weg zur Erleuchtung gezeigt werden?

Das Trampen geht auch trotz des wenigen Verkehrs. Meist nur von einem Ort zum andern. Und das gibt mir die Gelegenheit, fast alle Tempel zu besuchen. Der nächste ist der des liegenden Buddhas. Über dreißig Meter lang liegt er da, ganz in Gold und lächelt mir zu. Eine enorme Halle überspannt ihn. Der Tempel der 1000 Buddhas ist zugleich ein Kloster. In seinem hohen Turm sollen sich in den Nischen tausend Buddhastatuen befinden. Der ganze Komplex ist in den Hang gebaut und gleicht einem riesigen Park. Das nächste Auto setzt mich am Fuß der Seilbahn ab, vor dem Fahrkartenhäuschen. Ich leiste mir den Luxus und steige in die stufenartig gebaute Gondel. Diese fährt auf Schienen und ist mit einer anderen verbunden, die im Augenblick oben steht. Rumpelnd setzt sie sich in Bewegung. Auf halbem Weg, an einer Ausweichstelle, begegnen sich die beiden Kabinen. Dann bin ich auf über 800 Meter über dem Meer. In der Ferne sehe ich das Festland. Schiffe liegen in der Meeresenge vor Anker. Hinter mir erheben sich ein paar dicht beurwaldete Bergketten. Hier oben tummelt sich auch ein Affenklan.

Am nächsten Tag kommen die Studenten wieder vorbei. Seit ich hier draußen wohne, wird der Streifen Strand immer schmäler. Der Professor erklärt mir, dass in drei Tagen Springflut sei, also der höchste Wasserstand, und dass da der Strand ganz verschwindet. Es bliebe mir da nur, direkt im Urwaldrand zu schlafen. Der Professor hat eine Idee: Wenn ich wolle, könnte ich unterm Dach der Fischerkneipe schlafen. Der Wirt sei ein Bekannter von ihm und bestimmt einverstanden. Also sammle ich am Nachmittag meine Siebensachen und mache mich auf den Weg zur ‚Spielhalle‘. Der Wirt will nichts für die Behausung. Also kaufe ich einen fritierten Fisch bei ihm, damit ich wenigstens Kunde bin. Und wie bin ich in der kommenden Nacht froh, umgezogen zu sein! Es geht ein so starkes, nicht enden wollendes Tropengewitter nieder, dass ich Angst habe, der Blitz trifft die Bude oder der Sturm bläst sie ins Meer.

Am nächsten Morgen sehe ich eine große Menschenansammlung am Strand. Ein Boot, wie das, welches die Pfosten geholt hatte, kommt rückwärts an den Strand gerudert. Im Heck liegt ein Netz, dessen Anfang an Land gereicht wird. Dort wird es verankert, während das Boot hinausrudert und dabei langsam das Netz aussteckt. Das Netz ist so 1 Meter 50 hoch und besitzt oben Korkschimmer, die in der Trageleine eingearbeitet sind. Unten scheint es leicht beschwert zu sein. Das Boot beschreibt einen Halbkreis, während ein Fischer fortlaufend das Netz aussteckt. Als es ganz draußen ist, rudern sie mit dem Ende zum Strand. Hier nehmen es die Männer und Frauen in Empfang. Nun werden beide Enden gleichzeitig auf den Strand gezogen. Das Netz hängt wie ein Vorhang im Wasser und zwingt die Fische, die sich im oberen Bereich befinden, zum Strand zu schwimmen. Hier sind schon die Kinder bis zum Bauch im Wasser und versuchen mit Keschern die ersten zu erwischen. Je kleiner der vom Netz umgebene Raum wird, um so mehr quirlt das Wasser vor Fischen, die sich manchmal bis auf den Strand flüchten. Jetzt geht die große Ernte los. Meist mit bloßen Händen werden die Fische ergriffen und, damit es schnell geht, weit auf den Strand geworfen, wo sie leicht eingesammelt werden können, da ihr glitschiger Schleim voller Sand ist. Ich fühle mich wie auf einem Volksfest, so ausgelassen ist die Stimmung. Und alles wird am Ende geteilt.

Die Fischer fragen mich, ob ich mal mit hinaus auf Fang fahren will. So ein dreißig Stunden Törn. Und ob ich will! Morgen gegen Mittag soll es losgehen, und am nächsten Nachmittag oder Abend zurück. Ich schaue mir das Boot an. Vielleicht 9 Meter lang, 3 Meter breit. Und damit hinaus aufs weite Meer? Ja, und was mach ich mit meinem Geld, dem Ticket und den Papieren, falls wir absaufen? Oder falls das Piraten sind und keine Fischer? In der Früh gehe ich gleich zum Touristenbüro und deponiere meine Travellerschecks und das Schiffsticket in ihrem Safe. Meinen Pass vertraue ich den zwei deutschen Freunden an. Ich halte sie für korrekt. Meinen Rucksack lasse ich in der Kneipe. Nur in Badelatschen, Turnhose und Hemd gehe ich an Bord, der offiziellen Arbeitskleidung der Fischer von Penang. Doch ehe es losgehen kann, muss noch Diesel getankt werden. Das geschieht mit einem Fass, das über den Steg bis zum Boot gerollt wird. Dann angesaugt, und die Schwerkraft macht den Rest. Ein LKW hat Eis angeliefert. Jede Bootsbesatzung schnappt sich so einen Block, etwa 1 Meter x 0,5 x 0,25 groß, und schiebt ihn über den Steg zu ihrem Boot. Dort wird eine Rolle an einem der Pfosten befestigt, darüber ein Seil mit einer Zange an einem Ende. Damit gelangt der Klotz an Deck. Damit er nicht durch die Schiffsbewegung ins Rutschen kommt, legt man ihn auf eine Matte aus Kokosfasern. Sogleich wird ein Teil davon mit einem Beil klein gehackt, in Sacktuch gefüllt, damit es nicht zu schnell schmilzt, und in zwei kleinen Luken verstaut. Ebenfalls der nun leichtere Rest des Blockes. Von da wird es dann später über die einzelnen Kisten und Körbe mit Fang gestreut. Der Steg erstreckt sich gut 50 Meter in die Bucht hinaus. Er ist so gebaut, dass auch bei Niedrigwasser noch Boote am äußeren Ende anlegen können. Jetzt liegt gerade ein gutes Dutzend Fischerboote am Steg. Manchmal zwei oder drei nebeneinander. Es herrscht emsiges Treiben. Die Mannschaften bereiten alles für die baldige Ausfahrt vor, die Kinder hüpfen dazwischen herum, angesteckt von der Aufregung der Ausfahrt. Warum fahren alle zugleich auf Fang aus? Ist gerade ein günstiger Zeitpunkt zum Fischen, oder braucht ein Großhändler dringend Fische? Laufen die Boote nur bei hohem Wasserstand ein und aus? Aber es spricht keiner Englisch, und man wird ja sehen...

Der Kapitän, der auch Maschinist ist, und je nach Bedarf in alle Rollen schlüpft, macht sich am Motor zu schaffen. Der ist das Herz und die Muskeln des Schiffes. Er sieht ziemlich alt aus. Etwas öliges Bilgenwasser bewegt sich im Rhythmus der See unter seiner Befestigung und zwischen den Spanten. Der Motor liegt gleich hinter dem Ruderhaus in einem kleinen Abteil, erreichbar vom Ruderhaus oder durch eine Luke im Deck. Hier riecht es nach Diesel, während sonst überall der Geruch von Fisch dominiert. Das Boot ist bereit. Die Netze und deren Schleppleinen liegen an Deck, fertig zum Ausstecken. Es ist wenig Raum auf dem Kahn. Das Ruderhaus nimmt einen Teil des hinteren Drittels ein. Vor diesem steht ein kleiner Mast mit einem Ladebaum, der die Funktion eines Kranes übernehmen kann. Vor dem Mast geht eine drehbare Welle querschiffs fast über die ganze Breite, mit einem Spillkopf (felgenförmige Trommel, dient zum Hieven) auf jeder Seite, womit seitlich am Ruderhaus vorbei die Schlepptrossen von Netz eingeholt werden können, die Festmacherleinen oder die Ankerkette, als auch das Ladegeschirr betätigt werden kann. Auf dem Vordeck befinden sich zwei Luken, hinter dem Ruderhaus und dem Motorschacht eine. Diese sind durch ein 20 Zentimeter hohes Süll (Umfassung) eingefasst und können mit einem Deckel seefest verschlossen werden. Die ersten Boote legen ab. Unser Kapitän steckt die Kurbel ein, ein paar Handgriffe am Motor, dann wird gedreht. Der Antrieb muss ein Getriebe haben mit Kupplung und einer Schwungmasse. Nachdem diese in Drehung gesetzt ist, legt jemand einen Hebel um und der Motor wird durch diese in Bewegung gesetzt. Mit viel Qualm und Knallen erwacht er zum Leben. Das Boot vibriert gehörig. Doch einmal der Motor warm, und die Drehzahl erhöht, legt sich das weitgehend. Dann haken die Kinder die Festmacherleinen aus, die Männer drücken das Boot leicht mit dem Vorschiff in Richtung See, der Gang rutscht etwas kratzend rein, etwas mehr Gas, und der Steg verschwindet achteraus. Einzelne Möwen lösen sie aus dem kreisenden Pulk und nehmen die Verfolgung des Bootes auf. Der leichte Fahrtwind macht die Fahrt angenehm. Der Kapitän am Steuer nimmt Kurs aufs offene Meer. Jedes Boot hält vom anderen genügend Abstand. Sie sind vier an Bord, plus mir. Da bleibt nicht viel Raum. Die zwei Jüngsten steigen in die Luke und zerkleinern das letzte Eis.

Der Kapitän betätigt das kleine Steuerrad, das mit Ketten, die am unteren Rand der Reling verlaufen, mit dem Rudermechanismus verbunden ist. Diese laufen um gefettete Rollen und haben mit der Zeit etwas Spiel bekommen. Vor dem Steuerrad hängt ein Magnetkompass an der Wand des Ruderhauses. Dann sind wir im Fanggebiet angekommen. Die Fahrt wird herabgesetzt. Alle, außer dem Mann am Ruder, machen sich ans Ausstecken des Netzes. Ich habe nicht viel Ahnung von der Fischerei. Ich sehe aber, dass es sich um ein Schleppnetz handelt, was da langsam ausgesteckt wird, in dem Maße, wie das Boot vorwärts fährt. Was bleibt, ist die Öffnung des Netzes, wie ein Trichter oder ein großes Maul. Oben sind Schwimmkörper befestigt, die es wohl auf eine bestimmte Höhe halten sollen, unten Gewichte, die bewirken, dass das Maul offen bleibt. Als dieses vorsichtig weggefiert ist, werden auf jeder Seite die Schleppleinen auf die richtige Länge gefiert und dann belegt. Inzwischen hat sich das Netz gut mit Wasser gefüllt, die Leinen straffen sich und bremsen das Boot. Jetzt wird dem Motor Saft gegeben. Er hat Arbeit. Anders die Mannschaft, die sich für ein paar Stunden in den Schatten legt, erst Karten spielt und dann schläft, gegen die schräge, hoch aufragende Verschanzung am Bug des Schiffes gelehnt.

Ich stehe mit dem Kapitän in der engen Ruderbude und schaue genau, was er macht. Dann frage ich durch Zeichen, ob ich mal übernehmen kann. Dieser überlässt mir, etwas skeptisch seinen Platz, nachdem er mir auf dem Kompass den zu steuernden Kurs gezeigt hat, und die Zahl genannt. Ich wiederhole die mir unverständlich klingende Zahl, wie es beim Übernehmen des Ruders auf allen Schiffen Pflicht ist, und konzentriere mich auf Kompass und Rudermechanismus. Schon bald entspannt sich mein Kapitän und raucht mit den Anderen eine Zigarette. Inzwischen ist es später Nachmittag geworden. Die anderen Boote sind als Punkte auf dem Meer zu sehen, das Festland ist zu einem schmalen Streifen geschwunden. Wir scheinen aber parallel dazu zu fahren. Nach einer Weile ist Manöver angesagt. Vielleicht hat der Kapitän am Klang des Motors gehört, dass das Netz voll ist. Er übernimmt wieder das Ruder und stoppt die Maschine. Die Netzleinen werden von den Pollern gelöst und um die Spillköpfe gewickelt. Das Spill wird mit dem Motor gekoppelt, was es auf Dauerdrehung bringt. Durch bloßes Lockerlassen der Leine kann man bewirken, dass es leer dreht, durch Wegholen (Ziehen), greift die Leine auf dem Kopf und zieht das Netz ein. Der schwierigste Augenblick ist, als die Netzöffnung über eine Rolle am Heck an Bord kommt. Alle sind voll mit dem Bergen des Netzes beschäftigt. Um nicht im Weg zu stehen, gehe ich aufs Vorschiff und schaue von dort aus zu. Als das Netz an Deck liegt, bleibt nur noch der Steert, das dünne, zugebundene Ende, in dem sich die Fische angesammelt haben. Jemand schlingt schnell einen Stropp (Schlinge) darum, und über einen kleinen ‚Galgen‘ hievt man den Steert an Deck. Alle machen zufriedene Gesichter. Dann wird die Leine, die den Steert verschließt, gelöst, und der Fang ergießt sich auf das Achterdeck. Das ist der spannendste Moment des Abends: zu sehen wieviel von welchen Fischsorten sich darin befinden! Die Fische fließen förmlich über das Deck, nur von Lukensüll und den Bordwänden zurückgehalten. Da krabbeln ein paar Krabben und wollen sich aus dem Fischsalat befreien. Flink werden diese eingesammelt und in Eimer geworfen, bevor sie jemanden schnappen können oder das Weite suchen. Einige Fische haben sich in den Maschen des Netzes verfangen. Sie werden aus ihrer misslichen Lage befreit und zu den anderen geworfen. Alles was sonst noch daran hängt, wird entfernt und geht zurück ins Meer. Schnell muss das Netz wieder vorbereitet und ausgebracht werden. Die Fischer waten förmlich in den Fischen.

Jetzt geht es ans Sortieren. Schon zu Beginn hatte ich viele flache, ineinander gestapelte Körbe bemerkt. Diese werden jetzt geholt und direkt auf die Fische gelegt. Ich versuche, mich wenigstens da als nützlich zu erweisen. Mit flinken Händen werden die Fische sortiert und landen in den entsprechenden Körben. Quallen werden vorsichtig herausgepuhlt und in Eimern gelagert. Sie gehen erst über Bord, wenn das Netz wieder eingeholt ist, um sie nicht erneut darin zu haben. Alles andere Unbrauchbare fliegt weit vom Boot ins Wasser. Ich gebe mir Mühe. Aber ich sehe ja selber, bis man mir gezeigt hat, was über Bord geht, was in welchen Korb soll, und wie die Größen sortieren, vergeht zu viel Zeit. Der Skipper merkt das auch. Er ruft mich ans Steuerrad. Er macht die Positionslichter an, alles Petroleumfunzeln, die nicht weit leuchten. Aber die großen Schiffe, deren Lichter wir bisweilen sehen, fahren weiter draußen. Dann macht auch er sich ans Sortieren. Die Hecklampe dient zugleich als Decksbeleuchtung. Ich wundere mich, wie die Fischer bei so schwachem Licht die Fische erkennen. Sie scheinen durch den vielen Umgang mit Fischen deren Tastsinn der Mittellinie übernommen zu haben. Ein kleiner Hai versucht, sich mit heftigen Schwanz-bewegungen zu befreien. Bevor der Unheil anrichten kann, wird er mit einem Bootshaken getötet und verschwindet in einer Luke. So vergehen wohl zwei Stunden. Das Deck leert sich langsam von der Fischflut. Korb um Korb verschwindet unter Deck in den verschiedenen Abteilungen, gut mit Eis bedeckt. Bevor alles fertig war, hatte jemand schon auf einem Benzinkocher Wasser aufgestellt. Dahinein warf er die drei schönsten Krabben des Fanges. Diese teilten wir unter uns. Dann war eine Pause angesagt, bis zum nächsten Netzeinholen. Nach einer Zigarette legte sich ein jeder irgendwo hin. Nur der Kapitän blieb am Steuer.

Nach dem Einholen des zweiten Netzes fing der Motor an zu husten. Während die Anderen sich ans Sortieren machten, schraubte und klopfte der Kapitän am Motor herum. Das war gar nicht so einfach, mit der Schicht von Fischen auf dem Deck. Zum Glück hatte ich meine Taschenlampe dabei. Wahrscheinlich war es Wasser oder Dreck im Sprit. Und, oh Wunder, der Motor sprang nach längerem Kurbeln wieder an, und das Netz konnte erneut übers Heck ins Wasser. Bevor der Fang ganz aufge-arbeitet war, färbte sich der Horizont leicht rot. Als dann die Sonne aufging, legten wir uns, anstatt das Schauspiel zu betrachten, todmüde wieder für eine Stunde hin. Später frittierte jemand ein paar der schönsten Fische und wir aßen sie mit etwas kaltem, wohl schon an Land vor-gekochtem Reis. Mit den Händen, alle zusammen aus einem Topf. Dazwischen starken Tee. Das brachte uns wieder auf die Beine. So ging es dann weiter, bis zum Nachmittag. Seit einer Weile hatten wir wieder Kurs auf die Insel genommen. Wir sahen, dass auch die anderen Schiffe ihre Richtung geändert hatten. Der Fang war gut gewesen, und wir waren das erste Boot, das zurückkam. Irgendwie erschien mir das alles wie ein Wettlauf. Wer am meisten fängt und als erster zurück ist, dem winken die besten Preise! Den letzten Fang befreiten wir nur von den Quallen und dem Gammel und schaufelten ihn unsortiert in Körbe. Diese gingen, einmal festgemacht, als erstes von Bord und wurden an Land verlesen oder so an kleinere Händler verkauft. Der gekühlte Teil des Fanges wurde in Körben vom Laderaum an Deck gereicht, von da auf den Steg und dann gleich an Land getragen und im Schatten eines Baumes aneinander-gereiht. Doch damit hatten wir vom Boot nichts mehr zu tun.

Auf dem Steg standen die ersten Händler, dickliche Chinesen mit öligen, nach hinten gekämmten Haaren, und wühlten im Eis um die Ware zu begutachten. Sie begleiteten die Körbe bis an Land. Legten bunte Zettel darauf, die sie aus einem Block rissen, auf denen sie etwas notiert hatten. Bald wurden die Körbe in einen LKW geladen. Ich hatte den Eindruck, dass die Fischer in einer Genossenschaft zusammenarbeiteten, denn es war immer dieselbe Person, die mit den Aufkäufern verhandelte. Inzwischen kamen nach und nach auch die anderen Boote an. Kinder kamen scharenweise mit Eimern auf den Steg gerannt, lachend und sich an-schubsend. Waren das die Kinder der Fischer? Jedenfalls sprangen sie auf die Boote und sammelten alles Unverkäufliche ein, das herumlag. Auch in den schon sortierten Körben fanden sie immer noch etwas, was nicht dort hineingehörte oder zu klein war. Dann rannten sie mit ihrem Eimer oder Körbchen nach Hause, um manchmal erneut zurück zu kommen. Ohne zu zahlen. Der Beifang schien für alle zu sein. Kein Streiten um die Fische, nur Lachen und viel Spaß. Was konnte ich noch groß helfen? Ich war zu neu in diesem Beruf! Ich dankte den Fischern für die Ausfahrt und ließ sie beim Aufklaren ihres Bootes zurück. Während der nächsten Tage erwartete ich sie mit den anderen vom Dorf auf dem Steg, wenn sie heimkahmen. Wenn wir uns in der Dorfkneipe trafen, tranken wir eine Fanta zusammen oder spielten ein Match Tischfußball. Ich versuchte ihnen zu zeigen, wie man bei uns spielte, ohne die Stangen mit den Spielern rundum zu drehen. Doch sie hatten mehr Freude daran, die Figuren schnell rundum zu drehen, wenn der Ball in die Nähe kam. Und wenn der Ball dann durch die halbe Hütte flog und auf dem Billardtisch landete, dann schallte ihr Lachen bis in den Kokoshain.

Als ich dann aufbrach, gab mir der Vater Rafis, des Jungen, der die Kokosnüsse gepflückt hatte, seine Adresse. Er wollte, dass ich in Deutschland für seinen Jungen einen Platz an einer Schule besorge, damit er aus diesem Elend herauskäme und es einmal schöner haben würde. Ich erfüllte seinen Wunsch nicht. Einen Engel entfernt man nicht aus dem Paradies…

Die Fähre setzte mich auf dem Festland ab. Ich hatte mein Ticket und Geld aus dem Safe zurückgeholt, und hatte mit den zwei Deutschen noch ein Bier getrunken. Diese waren begeistert von der Insel, wollten aber bald zurückfahren, sonst würde ihr Rückflugticket von Bangkok verfallen. Gute 700 Kilometer lagen vor mir. Ich hatte 5 Tage Zeit dazu. Notfalls gäbe es immer noch den Bus. Etwas schwer war mir schon zumute, als ich wieder auf meinem Rucksack am Straßenrand saß. Ich dachte an die Fischergemeinschaft, deren Leben ich für kurze Zeit geteilt hatte. Ihre Lebens- und Arbeitsweise kam mir ideal vor. Eine heile Welt! Aber mindestens ebenso stark wie die Sehnsucht danach war mein Fernweh. Ab und zu hob ich die Hand, um den wenigen vorbeifahrenden Autos zu zeigen, dass ich mitgenommen werden wollte. An meinem Rucksack hing das Filzpüppchen, das Marion mir zum Abschied gebastelt hatte und lachte mich an. Jemand nahm mich ein paar Kilometer mit und setzt mich in einer Stadt ab. Ich lief eine Weile, bis sie hinter mir lag, denn dort kam nur Nahverkehr vorbei. Ich zog es vor, an einem schönen Ort zu sitzen wo es was zum Schauen gab, anstatt mich von Auspuffen umblasen zu lassen.

Ich zog das Buch von Steve heraus und arbeitete mich darin weiter. Dem Autor nach sind alle Wege zur Selbstfindung erlaubt. Ob natürliche oder künstliche, also Meditation und Yoga oder Drogen wie LSD. Aber wozu zählten Marihuana, auch Buddha-Gras oder Ganga benannt, nach dem heiligen Fluss oder der Göttin. Das waren doch natürliche Kräuter! Wie Pfefferminz und Kamille. Manche Sadhus rauchten sich die Hucke voll damit, und wie ich gesehen hatte, waren manche ganz schön weit vorwärts gekommen auf dem Weg der Selbstverwirklichung! Nicht, weil sie auf Nagelbetten schliefen, sondern viele wurden als Meister verehrt, waren angesehene spirituelle Lehrer. Ich finde, es ist jedem seine eigene Sache, was er macht, um ein besserer Mensch zu werden…

Ein Auto, das 10 Meter hinter mir zum Stehen kommt, weckt mich aus meinen Gedanken. Es war ein grauer Holden, eine Art asiatischer Opel. Darin ein etwas korpu-lentes, bürstenhaariges Bleichgesicht, voller Sommer-sprossen. Ich tippte auf einen Irländer. Er war aber Amerikaner. Terry Holmes, und wir waren gleich voll im Gespräch. Beim Trampen stößt man auf die unter-schiedlichsten Menschen. Manche Fahrer sagen nur drei Worte und sind fast mürrisch. Da fragt man sich, warum die einen überhaupt mitgenommen haben. Andere sind unterhaltsam, und alles läuft wunderbar. Dann gibt es die Übergesprächigen, die dich mit ihrem Psychotherapeuten verwechseln und die Aufdringlichen. Und da fragt man sich auch, warum die einen aufgelesen haben. Terry hatte ich anfangs dieser letzten Gruppe zugeordnet. Aber, dachte ich, das liegt daran, dass er schon ewig keinen Weißen gesehen hatte. Jedenfalls arbeitete er für eine amerikanische Erdölfirma und war schon sein 6 Monaten in Malaysia. Er war in seiner Jugend auch viel getrampt und hatte sich wohl mal geschworen, jeden Tramper mitzunehmen, falls er endlich von dem gottverlassenen Fleck, wo er gestrandet war, wieder wegkomme. Alters-mäßig gehörte er eher zu Jack Kerouac und den Beatniks, der Vor-Hippie-Bewegung der 60er Jahre. Jetzt hatte er Familie und diesen Job, der ihm auch das Reisen ermög-lichte, aber eben auf andere Art. Was wäre er froh, er könnte mal wieder, so wie früher, halt so wie ich, jetzt…

Mittags lud er mich zum Essen ein, was ich gerne annahm. Ich wollte was Billiges wählen. Er lachte nur, und meinte, das ginge alles auf Kosten der ‚Pacific Oil‘, ich solle nur zuschlagen! Seine Kinder trampen im Augenblick bestimmt auch irgendwo in den Staaten, und er wünscht ihnen einen ähnlichen Empfang von Seiten der Autofahrer, wie er ihn mir bereitet… „In Kuala Lumpur seht die größte Moschee der Welt, die solltest du dir unbedingt anschauen!“ rät er mir beim Weiterfahren. Wir befinden uns schon in den Vororten. Eine Art Stadtautobahn umgeht das Zentrum. Ich sehe das Bauwerk von Ferne. „Ich will nicht in diese Riesenstadt eintauchen“, sage ich, „Großstädte sind sich zu ähnlich. Laut und teuer. Ich will lieber weiter!“ Er versteht und lässt mich an einer Ausfallstraße aussteigen. Ein gutes Pensum für heute, denke ich. Bald nimmt mich ein alter Pickup mit. Der Fahrer spricht kein Englisch. Er lässt mich nach 30 Kilometern aussteigen und biegt seitlich zu einer Plantage ab. Es ist bald dunkel. Also verlasse ich die Straße und laufe in ein kleines Gehölz auf der anderen Straßenseite. Ich bin noch satt vom Mittagessen. Koche aber, mehr aus Tradition, einen Tee, weil es noch früh genug ist. Dann liege ich, von Mücken umsummt, unter meinem indischen Tuch.

Oft sagen die Leute, sie hätten nie den Mut, so zu reisen! Ist nicht der erste Schritt der mutigste? Und ist dieser selbst nicht nur die Folge einer Schnapsidee oder eines Traumes? Plötzlich findet man sich in einer Bewegung wieder, die sich selbständig gemacht hat, wo man den nächsten Schritt vielleicht gezwungenermaßen macht, um nicht zu fallen, oder aber Freude daran findet, und ihn fast wie einen Tanz ausführt. Mut ist Akzeptieren des Alltags. Was ist das Gegenteil von Mut? Ist das Angst? Angst ist das kribbelnde Gefühl, das die Nackenhaare sträuben lässt, das den Atem anhält und dich eins mit dem Schatten werden lässt. Das Herz schlägt schneller, du wartest ab, bereit, wegzurennen oder zu kämpfen oder versteckt zu bleiben. Angst und Mut gehen oft Hand in Hand. Ohne Angst wirst du tollkühn, ohne Mut sitzt du bibbernd da. Wenn ich draußen schlafe, ist das nicht unbedingt ein Zeichen von Mut. Das ist Romantismus oder knappe Kasse. Wie viele Arme schlafen unter freiem Himmel, ohne dass man sie deshalb mutig nennt! Angst kommt plötzlich auf. Ausgelöst durch ein Geräusch, durch einen Instinkt. Angst ist gut. Angst leitet zur Vorsicht! Wenn ich mein Messer im Schlafsack habe, kann das beides sein. Doch sollte das einen nicht so weit bringen, allen zu misstrauen.

Wer ist der Feind des Armen? Der Reiche? Oder der andere Arme? Oder anders gesehen: Wer ist der Freund des Armen? Der Reiche? Ich glaube eher, der andere Arme! Unter Armen habe ich große Hilfsbereitschaft gefunden. Sie sind gewohnt, wenig zu haben und wissen, was Teilen ist. Klar, dass zu krasse Armut zu Kurzschlusshandlungen führen kann. Reden wir lieber nicht von zu großem Reichtum… Bisher hat noch kein Armer einen Krieg angezettelt! Armut – Reichtum… Natürliche Gegensätze wie kalt und warm? Oder vom Menschen geschaffen? Ist der Reiche ursprünglich nur so geworden aus Angst vor Armsein? Doch selbst, wenn man die Ursprünge unserer Lebensumstände ergründen würde, änderte das noch lange nichts an der Tatsache, dass die große Mehrheit der Menschen arm bis sehr arm ist. Das Regierungssystem oder Wirtschaftssystem, das die Armut abschafft, würde in die Geschichte eingehen, und sein Beispiel würde den Weltfrieden schaffen helfen. Religionen, die oft nur dazu dienen, den gegenwärtigen Zustand zu rechtfertigen, würden überflüssig, Konflikte könnten in Sportveranstaltungen gelöst werden. Wir würden uns mit ‚Bruder‘ und ‚Schwester‘ anreden, und nicht mehr mit ‚Herr‘ und ‚Madame‘.

Man wird ja noch träumen dürfen, selbst mit einem Messer unter der Decke…

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510 стр. 1 иллюстрация
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9783742797063
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