Читать книгу: «HIPPIE TRAIL - BAND 2», страница 6

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Ich hatte Brandblasen an den Händen, Quetschstellen an den Fingerkuppen und bald den Dreh raus, so dass ich mit den drei Kollegen eine Zigarette rauchen konnte, weil alle Formen voll waren und die Kochdauer eingehalten werden musste. Der Zigarettenrauch ließ uns den Gummigestank für eine kurze Weile vergessen. Nach drei Wochen bekam ich drei Dollar Lohnerhöhung. Die Stimmung in unserer Hallenecke wurde lockerer, man schrie sich Witze zu, die man vor lauter Lärm nur halb verstand aber dafür doppelt so laut belachte. Wir fanden sogar noch die Zeit, denen in den anderen Abteilungen kleine Streiche zu spielen, wie das Werkzeug, was sie rechts von sich abgelegt hatten, im Vorbeigehen auf die linke Seite zu legen. Wir versteckten uns dann und lachten uns halb tot, wenn wir sahen, wie sie nach dem Werkzeug tasteten und es nicht fanden, und sich dann am Kopf kratzten und sich überlegten, ob sie nicht urlaubsreif wären... Nach der Arbeit zusammen zwei, drei Bier in der Stehkneipe, das war unser größtes Vergnügen, bevor jeder sich ziemlich erledigt auf dem Heimweg machte. Es gab Tage, da übertrafen wir den Rekord von drei Tagen zuvor. Das wurde an einer Tafel angeschrieben und vor lauter Stolz darüber knüppelten wir noch mehr.

Zum Glück arbeitete ich in der PKW-Reifenabteilung. Ich bemitleidete das arme Schwein, das meinen Job in der LKW Abteilung machte. Aber der hatte Arme so dick wie meine Beine. Am gigantischsten war die Abteilung, die die Reifen der Minen-LKW reparierte oder die der Schaufellader. Diese Reifen hatten bis zu drei Meter Außendurchmesser und man musste zum Arbeiten hineinsteigen. Der Arbeiter, der diese reparierte, war nochmal eine Nummer dicker. Er passte gerade in die Reifen. Für diese Reifen hatten wir keine Formen. Sie wurden in Amerika hergestellt. Um sie rundzuerneuern, wurden die Profilreste mit Handfräsen entfernt, und dann Stück für Stück die einzelnen Profilstollen aufgehämmert und einzeln erhitzt. Oft waren sie von Steinen durchstochen, die manchmal noch darin steckten. Hier ging alles mit dicken Vorschlaghämmern vonstatten. Erst den Stein zerschlagen, ausfräsen und dann neue Gewebebahnen einlegen, anschlagen und vulkanisieren. Bei den frisch angelieferten Reifen war Vorsicht geboten. Ich dachte erst, die Kollegen machen einen Witz, als sie mir ein winziges rotes Spinnchen in einem der Reifen zeigten. Ein ‚Redback Spider‘. Dessen Biss ist tödlich.

So vergingen die Wochen. Ich konnte die Miete zahlen, mal eine Runde schmeißen und schaffte es sogar, ein wenig von meinem Lohn zu sparen. Ich rechnete aus: wenn ich weiter so sparsam lebte und weiterhin so viel auf die Seite legte, könnte ich mir in sechs Jahren die Rückfahrt nach Deutschland bezahlen! Vielleicht war so die Sechs-Jahre-Regelung für die mit Regierungsunter-stützung eingereisten Einwanderer entstanden? Inzwi-schen kannte ich Fremantle und Umgebung auswendig. Ich besuchte den botanischen Garten in Perth, wo es noch mehr Fliegen gab als in der Stadt. Ich besuchte auch John, der als Tellerwäscher jobbte. Er klagte, dass es in Australien kein Gras gebe. Zumindest er keines bekäme. Jedes Mal, wenn er junge Leute deswegen anspricht, denken die, er ist ein Bulle. Keiner kann sich vorstellen, dass man in diesem Alter auch raucht! Er erzählte mir auch, warum die Königin von England überall so beliebt ist. Jeder, an dem sie in ihrem Rolls Royce vorbeifährt, denkt, sie winke ihm zu. Das sei aber gar nicht der Fall. Durch ihre häufigen Besuche in Australien ist sie so sehr daran gewöhnt, die Fliegen wegzujagen, dass sie das auch woanders nicht lassen kann!

Es war die erste Woche im Oktober. Überall verkündeten Anschläge, dass in Perth am nächsten Sonntag ‚Oktoberfest‘ sei. Die Australier brauchten nicht mehr nach München zu fliegen, das Oktoberfest kam zu ihnen! Und da es in München in der letzten Septemberwoche abgehalten wird, kann der australische Jet Set es sogar zwei Mal feiern! Sogar der Münchener Bürgermeister käme, der Stellvertretene zumindest, der andere befand sich nach den Wies‘n Strapazen auf einer Schrotkur. Und es gäbe Münchener Bier, den echten Löwenbräu! Seit ich in Australien bin, habe ich erkannt, dass hier Bier das Nationalgetränk ist. Sie halten sich sogar für die Weltmeister im Bierkonsum. Dass die Münchener dasselbe von sich behaupten, empfinden sie als eine Anmaßung. Denen würden sie es zeigen! Was die Münchener in einer Woche zusammensaufen, würden sie in einem Tag schaffen!

Ein solch kulturelles Ereignis wollte ich mir nicht entgehen lassen! Ich hatte mich früh genug auf den Weg gemacht, um auch nichts zu verpassen. Ich trampte. Zufällig fuhren die Insassen des Autos, das bald anhielt, auch dorthin. Es schien, als ob alle Autos dorthin fuhren. Und von überall her. Auf dem Parkplatz sah ich auch Fahrzeuge von anderen Bundesstaaten. Ich hatte bisher nicht gewusst, dass die Australier so viel für Kultur übrig haben! Das Ganze sollte in einem Sportstadion statt-finden. Ohne Bierzelt, unter freiem Himmel. Regnen tut es in Perth eigentlich nie. Vielleicht einmal alle fünf Jahre. Die Vorbereitungen waren fast abgeschlossen. Mittags sollte es losgehen. Überall stiegen Rauchsäulen in den makellosen Himmel. Die Australier sind die Meister des BBQ, des Barbecues, des Grillfleisches. Ich fühlte mich etwas an Benares erinnert. Ganze Ochsen drehten auf Spießen, Hammel, Schweine, Hähnchen. Hier würde bald dem Bacchus geopfert werden, dem Gott der Trinker und Esser. Priester in von Blut befleckten Metzgerschürzen vollzogen ernsthaft und genau das Ritual. Auch anderes Essbares wurde vorbereitet, Tische standen in langen Reihen bereit, mit Bänken auf jeder Seite, um die vom Trinken ermüdeten Esser zu verköstigen. Ein paar Planen waren gespannt, um Schatten zu spenden. In einem Eck des Stadions war sogar ein Karussell und Schaukeln für die Kinder. Man hatte wirklich an alles gedacht. Sogar die Toiletten und Umkleideräume waren dem Anlass entsprechend umgerüstet worden! Alle Spiegel waren abgebaut worden. Alle Türen waren entfernt. Also freier Zutritt zum Abtritt! Damit die auf die auf die Bierflut folgende Urinflut auch bewältigt werden konnte, waren an den Wasserhähnen Schläuche angeschlossen, aus denen Wasser über die gefliesten Fußböden lief. Dieses sollte den aus Dringlichkeit auch anderswo abgelassenen Urin den Gullis zuführen. Denn diese Räumlichkeiten waren dazu gemacht, zwei Mannschaften aufzunehmen und nicht tausende von akuter Inkontinenz befallene Besucher eines kulturellen Ereignisses! Aber so weit sind wir noch nicht.

Im Moment hielt der Bürgermeister von Perth eine Rede. Vor lauter Danksagungen wollte diese kein Ende nehmen. Dann der Stellvertretende Bürgermeister von München. Auf Münchnerisch natürlich. Diese musste übersetzt werden und dauerte dadurch doppelt so lange. Aber es hörte sowieso niemand zu. Bei dem Lärm waren selbst die Lautsprecher nicht zu verstehen. Dann endlich wurde angezapft. Auf einem Podest, allen sichtbar, hielt der Münchner Schulze den Hahn, und der aus Perth schlug mit dem Holzhammer zu. Der Schaum spritzte, das Volk jubelte, die mitgereiste Blaskapelle spielte einen Tusch. Doch der erlesene Importgerstensaft aus dem Fasserl war für ein paar Auserwählte bestimmt, die ihn auch zu schätzen wussten, wie die zwei Bürger-meister, der Bayrische Konsul, der Vertreter von BMW und wer sich sonst noch auf die Blau-Weiß geschmückte Bühne geschummelt hatte. Wir, das Volk, bekamen Flaschenbier. Export. Anderes hätte sich gar nicht so lange gehalten. Die Stimmung steigt. Die Bierverkäufer können gar nicht so schnell entkorken wie die Flaschen leer sind. Der Australier ist ein Schnelltrinker. Bei den herrschenden Temperaturen muss er das sein. Sonst verdunstet ihm das Bier in der Flasche. Und außerdem ist heute Sonntag. Da ist um 20 Uhr Sperrstunde, dann, wenn es gerade richtig gemütlich werden würde! Und außerdem spielt da auch etwas Nationalstolz eine Rolle. Es geht ja darum, den Sauerkrautköpfen zu zeigen, dass man pro Kopf und Tag mehr zu trinken fähig ist, als die antipodische Konkurrenz!

Es ist heiß. Doch selbst die erhöhte Transpiration reicht nicht aus, den Flüssigkeitsüberschuss zu eliminieren. Man hätte Starkbier nehmen müssen, Dreifachbock. Oder Vierfachbock. Dann wäre man der nun folgenden sanitären Situation vielleicht Herr geworden. Anfangs stand man noch Schlange vor den entfernten Türen. Dann ließ Mann Wasser auch in den Umkleidekabinen. Dafür war ja vorgesorgt worden. Trotzdem wurde der Andrang immer grösser, die Warteschlange wuchs. Um die Wartezeit zu überbrücken, nahmen viele ihre Flasche mit zu den Toiletten. Doch die Flaschen waren schneller geleert als die Blase. Nach der Devise: oben rein, unten raus! Nur, was machen mit den leeren Flaschen? Australier sind keine Flaschenhamster wie wir. Pfandflasche unbekannt. Man stellt sie wo ab oder wirft sie in eine Ecke. Erste Scherben. Angezogen durch den Geruch, oder um ihren eigenen Bedürfnissen nachzukommen, näherten sich die Fliegen. Diese summten durch den Raum. Manche setzten sich wo ab. Man schlug nach ihnen. Jemand warf eine Flasche nach ihnen. Andere Flaschen folgten. Johlend machte man sich auf Fliegenjagd. Waren bisher Kotze, Kot und Pinkel vorherrschend, so verwandelten sich jetzt die Umkleidekabinen in ein einziges Scherbenmeer. Nur die Prüdesten wagten sich noch da hinein, die anderen erledigten ihre Dringlichkeiten außen um die Gebäude herum oder entleerten ihre berstenden Blasen an den Absperrungen.

Fast wäre es zu einer Katastrophe gekommen, denn gegen 19 Uhr ging das Münchener Bier zuende. Gerade noch rechtzeitig konnte australisches herangeschafft werden. Das Fest konnte weitergehen. Eine australische Blaskapelle hatte die Münchener schon seit einer Weile abgelöst und spielte einheimische Weisen, die die meisten mitsangen. Niemand hatte einen Blick zum Himmel geworfen, noch den grummelnden Donner wahrgenommen. Man machte sich daran, einen Vorrat an vollen Flaschen anzulegen, denn die Sperrstunde nahte. Und plötzlich erbrachen sich außer den Trinkern auch die Wolken, die Blitze zuckten, man flüchtete sich unter die Planen, die vom Winde weggeblasen wurden. Jeder schnappte sich das ihm Liebste, die Männer die Flaschen, die Frauen ihre Männer oder die Kinder, und hastete so gut man noch konnte, zu den Autos. Sozusagen eine Räumung des Platzes unter Wasserwerfern. Bei diesen Feierlichkeiten hatte ich auch ein paar junge Australier kennen gelernt, so in meinem Alter. Wir hatten bei ein paar Bier über Reisen und Europa gesprochen. Sie fühlten sich auf ihrem Inselkontinent ziemlich eingeengt. Nirgends konnten sie hin. Rundum nur Wasser, anders als in Europa, wo einem doch ganz Asien und Afrika vor der Tür lagen. Sie nahmen mich am Abend mit zurück nach Fremantle.

Die Arbeit war anstrengend. Langsam bildete sich an meinen Händen eine hitzebeständige Hornhaut. Die Lohnerhöhung war zwar gering, aber umgerechnet auf ein Jahr machte das fast einen Monatslohn aus! Aber so lange würde ich das nicht machen. Meine Zimmer-genossen kannten inzwischen alle Fernsehsendungen auswendig und waren dabei, das Stereo-Fernsehen zu erfinden. Sie hatten die zwei Apparate bei gleichem Programm nebeneinander gestellt, so mit einem Meter Abstand. Vor die Nase hielten sie den Rücken einer leicht geöffneten Zeitung und schielten an der vorbei auf den ablaufenden Film. Ich fand das Ergebnis nicht überragend, aber sie hatten ja Zeit und würden schon noch Fortschritte bei ihrer Erfindung machen. Ich selber fand Fernsehen sowieso blöd und zog mir nachts die Decke über den Kopf.

Bei meinen wochenendlichen Wanderungen hatte ich in Richtung Arbeitsplatz ein Schild „Room to let“ gesehen. Da bräuchte ich keinen Bus mehr zu nehmen. Und das würde mir das teurere Zimmer bezahlen! Ich klopfte an. Der Eigentümer, ein älterer Mann, zeigte mir seine umgebaute Garage und erzählte mir etwas von seiner geringen Rente. Er gefiel mir nicht, aber dafür die Behausung: klein, aber fein und bald mein! Das Zimmer kostete 15 $ die Woche. Ich ließ ihm eine Anzahlung. Zum nächsten Wochenende beglich ich meine Rechnung in der alten Bleibe, trank ein Abschiedsglas mit den Kumpels und lief zu meiner neuen Garage.

Ich legte mich erst mal auf das Doppelbett in der Mitte und genoss es richtig, allein zu sein! Vor allem, ohne die dauernden Fernseher! Dann setzte ich mich auf das Sofa und las ein wenig. Mit dem Schrank darin, dem Tisch und den zwei Stühlen, war es fast etwas eng. Aber ich konnte verstehen, dass der alte Mann seinen Krempel wo hinstellen musste. Ich pflückte an einem immergrünen Strauch ein paar Zweige mit Blüten und steckte sie in eine Vase. Wenn es drinnen zu eng war, konnte ich mich draußen in den großen Garten setzen. Doch dort hockte mir meist der Vermieter auf der Pelle und laberte mir die Hucke voll. Fast wären mir die Fernseher lieber gewesen, die liefen einem wenigstens nicht nach. Aber die meiste Zeit war ich sowieso auswärts beim Arbeiten. Den Schlüssel legte ich, auf Anraten des Vermieters, unter die Regentonne, die ja leer war. Da könnte ich ihn wenigstens nicht verlieren. Denn so ein Schlüssel kostet ja immerhin Geld! Nur hatte ich bald den Eindruck, dass der Schlüssel nicht mehr an derselben Stelle unterm Fass lag, wenn ich ihn suchte! Ich wurde misstrauisch, selbst wenn ich im Zimmer nichts feststellen konnte.

Nach der zweiten Woche, ich hatte mit den Kollegen von Dunlop noch ein Bier getrunken oder zwei, kam ich so gegen Sperrstunde, zurück. Ich tastete nach dem Schlüssel. Nichts. Ich war sicher, ihn dort zurückgelassen zu haben! Ich klopfte also den Alten heraus. Er hatte ihn genommen, weil da zwei junge Burschen gewesen waren, die ein Zimmer suchten. Nette Burschen, und er kann ja nicht nein sagen, will ihnen helfen, hat mir ja auch geholfen, usw. Sie hätten schon ihre Sachen im Zimmer abgestellt, morgen würden sie den Rest bringen und einziehen. Ich war stocksauer. Ich sagte ihm, dass ich das Zimmer alleine gemietet hatte, und außerdem ist ja auch nur ein Bett da. Ja, aber man müsse den jungen Leuten doch helfen, und ein Bett kann man ja auch teilen, ich könne auch bei ihm schlafen, wenn es mir mit den Zweien zu eng wird… Ich schob ihn hinaus. Als erstes räumte ich mein Bett frei und stopfte den Kram der Anderen in eine Ecke. Ich packte meinen Rucksack und legte mich erst mal schlafen. Am nächste Morgen schrieb ich einen Brief an meine Nachfolger, in dem ich sie vor dem Typen warnte, den ich für einen Schnüffler und Gauner hielt und sicher für schwul, nach seinem gestrigen Angebot. Diesen legte ich unter die Bettdecke. Dann nahm ich meine wenigen Sachen, sperrte ab und nahm den Schlüssel mit. Ich ging zum Hafen. Dort warf ich erst mal den Schlüssel ins Wasser, dann meine Angelschnur und dachte nach. Kein Fisch störte mich in meinen Gedanken. Bald trafen auch die anderen Angler ein. Jeder schien seinen Stammplatz zu haben. Ich fing natürlich nichts. Auch die anderen saßen nur da, ohne sich zu bewegen, starrten auf ihren Schwimmer und dachten bestimmt: Immer noch besser als zu Hause!

Später, gegen Mittag, holte ich mir bei meinem Basken eine Portion Fisch und Pommes. Ich fragte ihn, wo sein Fisch denn herkomme. Ich hatte in all der Zeit noch keinen gesehen. Er meinte, es seien hauptsächlich japa-nische Fischerboote, die Fremantle anliefen und mit Fisch versorgten. Wir unterhielten uns eine Weile. Seine Frau und die Kinder kamen dazu. Am Wochenende war wenig los. Aber den Laden schlossen sie nie. ‚Man muss da sein, wenn der Kunde da ist‘, war ihr Wahlspruch. Sie kannten ein Boarding-House nicht weit vom Hafen. Die Zimmer lagen im ersten Stock über einer Kneipe. Das war eigentlich gar nicht störend, bei den Sperrstunden hier. Ich hatte dort auch schon manchmal ein Bier getrunken. Der Wirt kannte mich etwas. Das Zimmer war so klein wie auf einem Schiff. Zweimal so groß wie das Bett. Es waren nur drei oder vier Zimmer vermietet, die anderen zehn standen leer. In einem langen Gang reihte sich auf beiden Seiten Tür an Tür. Toiletten und Duschen befanden sich an beiden Enden des Ganges, der ebenso nach Bohnerwachs roch wie die anderen Boarding- Häusern. Ich wählte ein Zimmer auf der Hofseite, wegen des Straßenlärmes. Der Preis war 12 $. Ich quartierte mich ein. Unten konnte man auch günstig essen. Ich leistete mir heute diesen kleinen Luxus, es war schließlich Wochenende. Den Sonntagnachmittag ver-brachte ich meistens irgendwo im Hafen beim Angeln. In den ganzen sechs Wochen fing ich keinen einzigen Fisch. Ich erinnere mich nicht, je einen Angler gesehen zu haben, der einen aus dem Wasser zog! Wenn man Fisch wollte, brauchte man ja nur zum Fischhändler zu gehen. Angeln tut man vielleicht wegen des Alleinseins. Der Fisch ist nur ein Vorwand. Ich hatte meist mein kleines Transistorradio dabei. Der neueste Hit war ‚Mamy blues‘: „Je suis parti un soir d’été, sans dire un mot, sans t‘ embrasser, sans un regard sur le passée, oh mamy, oh mamy mamy…“ Meine Abfahrt kam mir in die Erinnerung zurück, die Tränen meiner Mutter. Jetzt war ich es, dem sie in die Augen stiegen. Ich dachte an sie und wusste, dass sie jetzt auch an mich dachte! Immer.! Ich war so traurig und irgendwie auch glücklich zugleich. Als das Lied zuende war, machte ich das Radio aus und summte die Melodie weiter und ließ die Tränen laufen. Jetzt konnte ich mich getrost dem Heimweh hingeben, ohne mir untreu zu werden. Denn plötzlich wurde mir bewusst, ich hatte den halben Weg hinter mir! Jetzt war Voraus zugleich auch Zurück. Heimweh und Fernweh hatten dieselbe Richtung angenommen!

Ich wollte bald weiter. Wenn es eine Zukunft gab, dann bestimmt nicht hier in diesem Nest, das sogar von den Fischen verlassen war! Im Radio kam es, die lokale Zeitung hatte es als Titelgeschichte: ‚Diamantenfund in alter Goldmine!‘ Und Fotos von dem Stein. Ein faustgroßes Ding, der zweitgrößte der Welt, nach dem Cullinan! Ich schaute auf meine Straßenkarte. Das lag ja genau auf meiner Route nach Darwin im Norden! Es gab zwei Routen: die Inlandroute und die Küstenstraße. Der Stein war an der Inlandroute gefunden worden. Ich begann, mir eine Ausrüstung zu besorgen. Läden gab es ja genügend, die so was anboten. Immer wenn Arbeits-losigkeit herrschte, machten diese ihr großes Geschäft, oder nach Berichten wie diesem. Meine Ausrüstung musste leicht sein und klein. Ich wollte ja per Anhalter und zu Fuß weiter. Ich kaufte also einen Klappspaten, eine Goldwaschpfanne, ein Sieb und einen eine Gallone (~5 Liter) fassenden Wassersack aus Segeltuch. Dazu einen leichten Schlafsack, denn die Nächte konnten kalt sein.

Die einer flachen Schüssel ähnliche Goldpfanne benutzte ich ab sofort als Bratpfanne. Ich hatte es satt immer nur Suppen zu essen, denn ich besaß nur einen Kochtopf. Ich bereitete mir mal wieder richtige Bratkartoffeln und Fleisch statt dauernd nur Fisch und Chips. Oft, meist an den Wochenenden, kochte ich mein Essen selber. Das war zwar laut Hausordnung verboten, aber eigentlich tat es jeder, sei es nur in der Früh einen Kaffee. Manche Schlauberger hatten das mit Tauchsiedern oder Elektro-platten versucht. Mit dem Ergebnis, dass die Wirtsleute dahinter kamen, weil dauernd die Sicherungen raus-flogen. Eines Sonntagsvormittags hatte ich ein schönes Steak in meiner Pfanne auf dem Benzinkocher, fast so groß wie diese selber. Ich ging nur schnell in den Waschraum, um Wasser für den Tee, das ich gleich nachher aufsetzen wollte, zu holen. Als ich durch den Flur zurückkam, roch es etwas angebrannt. Ich dachte, das kommt von unten, wo die Wirtin auch am Kochen war, es war ja Sonntag. Als ich die Tür aufmachte, schlug mir eine Rauchwolke entgegen und ich sah schwach durch diesen Nebel wie die Flammen auf meiner Goldwaschpfanne tanzten. Mist! Das spritzende Öl hatte Feuer gefangen und die ganze Pfanne brannte! Nur kein Wasser! Kam es mir in den Sinn. Ich schnappte also die Zudecke vom Bett, warf sie über das Ganze und hielt alles fest, bis ich sicher war, dass die Flammen erstickt waren. Vorsichtig tastete ich mich dann darunter, um die Benzinzufuhr abzudrehen. Schnell das Fenster voll auf und die Tür zu. Ich besah den Schaden. In der Zudecke klaffte ein schwarzes Loch, das deren Innereien, eine Art Filzflocken, freilegte. Das Steak hatte ebenfalls gelitten, war verkohlt und mit den Filzflocken paniert. Ich öffnete jetzt alle Fenster und Türen im Flur, damit der Rauch verschwinden konnte, und die Klotüren, um einen neutralen Geruch zu bekommen.

Mein Zimmernachbar hatte anscheinend auch etwas gerochen und kam auf den Flur. „Meinst du nicht auch, es riecht hier etwas angebrannt?“ „Etwas?“ sagte ich, „und angebrannt?“ und musste grinsen. „Viel und ver-brannt! Come and see!“ Und ich zeigte ihm den Schla-massel. Kein Mittagessen, die Bettdecke hinüber. Doch das Haus war gerettet. Ich fragte ihn, ob er wüsste, was so eine Decke kostet und der Bezug. Das müsste ich ja mindestens ersetzen. Ich muss mit den Wirten sprechen. „Bloß das nicht!“ meinte er, „dann wird keiner von uns mehr kochen können! Und die wollen ja, dass wir alle unten bei denen essen! Das müssen wir irgendwie anders hinkriegen!“ Aber wie? „Schau, da hinten neben dem Klo, das Zimmer ist immer frei. Die vermieten das nicht wegen dem Lärm. Wir müssen da reinkommen und die Decke austauschen!“ Wir versuchten es mit einem umgebogenen Dosenöffner. Doch wir hatten nicht das Talent von Dieben, nur das von Arbeitern. „Moment!“ Mir kam eine Idee. „Zwischen diesem Zimmer und dem meinem liegt nur ein anderes. Schauen wir mal, wie es draußen aussieht!“ Unterhalb, ungefähr in Fußboden-höhe, zog sich ein Mauersims entlang der ganzen Wand. „Mal sehen, ob ich da drauf laufen kann!“ Ich stieg hinaus und er hielt mich, damit ich kein Übergewicht bekäme. „Es könnte klappen!“ Ich presste mich flach gegen die Wand, hielt mich an der Öffnung meines Fensters fest, tastete dann nach der des nächsten und glitt langsam an der Wand bis zum letzten Fenster. Zum Glück waren dessen Flügel nur angelehnt, wohl zum Lüften. Ich drückte sie auf und stieg vorsichtig ein. Ich nahm die vollständige Zudecke vom oberen der Stockbetten über meine Schulter und machte mich vorsichtig auf den Rückweg. Ein kleiner Balanceakt, und er nahm mir die Sachen ab. Dann reichte er mir die verräucherte hinaus. Diesmal ging es schon besser. Vielleicht schlummerte in jedem von uns doch ein Einbrechertalent, das nur darauf wartet, geweckt zu werden! Im Zimmer dauerte es dafür etwas länger, musste doch alles so zusammengefaltet werden, dass man nichts sah. Außerdem sollte es ja auch gebügelt aussehen. Ich strich eine Weile darüber um es glatt zu bekommen. Dann raus, Fenster wieder angelehnt, Rück-weg. Er holte zwei Flaschen Bier als Mittagsessenersatz. Wir prosteten uns zu. Nochmal Glück gehabt! Nur- wie konnten wir den Rauchgeruch aus dem Flur beseitigen? Er hatte die Idee: „Wir machen alle Fenster zu, dann scheißt jeder auf einer Seite in das Klo, und wir lassen einfach die Türen auf.“

Ich hatte den Vorfall fast schon vergessen. Eines Abends klopfte es wild an alle Türen. Wir eilten heraus, dachten, es ist etwas passiert. Es war die Wirtin. Sie hielt im Arm die angekokelte Zudecke und wollte wissen, wer von uns hier fast Feuer gelegt hatte. „Feuer? Hier im Haus? Das ist ja entsetzlich!“ kam es aus uns heraus. „Und wo?“ Sie führte uns zum Zimmer neben dem Klo. „Das ist doch gar nicht möglich!“ sagte jemand, „das ist doch gar nicht belegt!“ Wir zwei mussten uns das Lachen zurückhalten. „Doch!“ rief die Wirtin und wedelte uns mit dem Lumpen vor der Nase. „Das müsste man doch gemerkt haben, zumindest gerochen!“ „Das kommt bestimmt vom Bügeleisen!“ Wütend zischte sie die Treppe hinunter.

Ich ging oft zum Hafen, auch nach Feierabend. Die Angel warf ich gar nicht mehr aus. Ich fühlte mich so einsam. Selbst die herrlichen Sonnenuntergänge über dem Meer bestärkten nur das Gefühl. Die Sterne waren mir näher als die Menschen. Klar, die Kneipen waren abends voll, und man konnte ewig diskutieren. Und noch ein Bier, bis die ganze Welt dein Freund war! Aber ab der Sperrstunde war die Einsamkeit die uneingeschränkte Herrscherin über Australien. Ein Brief von meiner Mutter traf ein. Mit 200 Mark darin. Hatte sie sich das vom Haushaltsgeld abgespart, oder steckte auch mein Vater dahinter? Er jedenfalls hatte die Adresse des katho-lischen Bischofs von Broome, im Nordwesten, auf meiner Route, beigelegt, der der Bruder eines Geschäfts-freundes war. Ich muss weg von hier! Es hieß, dass im Norden die ersten Regengüsse gefallen sein, bald würde die Regenzeit einsetzen. Die Straßen würden für Monate meterhoch unter Wasser liegen, und aller Verkehr unmöglich sein.

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