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Читать книгу: «After the Storm - Kaninchen in Cornwall», страница 4

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Kapitel 5

Es war einer dieser Stresstage im Büro, an dem nichts wie geplant lief, alles auf einmal kam und zudem noch einiges schief ging. Es war Ende Mai und die allgemeine Stimmung war gereizt. Die negative Stimmung hatte alle Abteilungen der Firma, in der Bettina arbeitete, fest im Griff.

Umso froher war sie, als sie Freitagabend nach Hause kam und nun das Wochenende und die nächste Woche frei hatte. Sie räumte ihre Lebensmitteleinkäufe weg, sie hatte wieder einmal viel zu viel Schokolade gekauft, und schaltete den Fernseher ein. Ein Pay TV-Sender spielte ab heute Abend alle Staffeln von ‚After the Storm’ ab der ersten Folge, und die wollte sie sich nicht entgehen lassen, auch wenn sie die Serie komplett im Regal stehen und schon mehrfach gesehen hatte. Mit Sam hatte sie seit ihrem Londonurlaub im Februar immer noch ein wenig Kontakt. Ab und zu schickte er ein lustiges Bild oder Video oder mal ein ‚Wie geht es Dir?’, aber da sie nach wie vor nicht wusste, was das Ganze zu bedeuten hatte und sie ihn auch nicht nerven wollte, hatte sie jeweils freundlich geantwortet, ihn aber nie mit irgendwelchen Fragen oder Gesprächen bedrängt. Dennoch musste sie fast täglich an die zwei Tage in London und natürlich ihren Kuss denken, und am schlimmsten war es, wenn sie Sam im Fernsehen sah.

Sie hatte gerade zu Abend gegessen und saß gemütlich auf dem Sofa, als es klingelte. Wer war denn das jetzt? Sam? Bettina öffnete die Wohnungstür. Im Hausflur stand Sonja, eine ihrer Freundinnen, und schneuzte herzhaft in ein Taschentuch. „Kann ich kurz reinkommen? Bin auch gleich wieder weg.“

Bettina machte einen Schritt zur Seite.

„Danke.“

„Du siehst nicht gerade gesund aus.“

„Bin ich auch nicht. Ich hab seit gestern eine richtig fiese Erkältung.“ Sie ging zum Sessel und ließ sich hineinfallen.

„Willst du einen Tee?“, fragte Bettina und hielt lieber etwas Abstand.

„Nee. Ich geh gleich wieder.“

Bettina setzte sich aufs Sofa und wartete ab.

„Ich hab doch den Kurzurlaub in London gewonnen, eigentlich sollte ich morgen früh fliegen, aber mit der Erkältung kann ich das vergessen“, schniefte Sonja.

„Oh, ja, das ist schade“.

„Ja.“ Sonja zog die Nase hoch und kramte in ihrer Tasche. Sie legte einen mittelgroßen Umschlag auf den Couchtisch. „Wenn du willst, kannst du für mich fliegen. Morgen früh.“

Bettinas Flugzeug hob am nächsten Morgen pünktlich ab und nach der Landung in London suchte sie sich erst einmal einen Shuttlebus in Richtung Innenstadt. Nachdem Sonja gestern Abend wieder nach Hause gefahren war, hatte Bettina kopfschüttelnd ihren Koffer gepackt. Jetzt war sie schon das zweite Mal in diesem Jahr in England, aber darüber wollte sie sich nicht beschweren. Sie überlegte hin und her, ob sie Sam schreiben sollte oder nicht. Sie entschied sich alle paar Minuten wieder um und als sie im Hotel eingecheckt und ihr Zimmer bezogen hatte, nahm sie doch ihr Telefon zur Hand.

<Ich bin zufällig gerade wieder in London, magst du einen Kaffee trinken?>, schrieb sie ihm schließlich, nachdem sie den Text bestimmt zwanzig Mal geändert hatte. Es war zwar nicht originell, aber hoffentlich auch nicht zu peinlich oder unangemessen.

Seine Antwort kam nach fünf Minuten, als Bettina gerade im Hotelflur auf den Aufzug nach unten wartete. <Oh, was für eine Überraschung! Ja, gern, selber Ort wie letztes Mal? Ich könnte gleich los>. Sie antwortete ihm und lief zur nächsten U-Bahn-Station.

Nach knapp einer halben Stunde war sie an der Station angekommen, von der aus sie damals im Februar wieder zurück ins Hotel gefahren war, und lief die Strecke hinüber zum Café.

Sie sah Sam schon warten, als sie um die Ecke in den Fußweg entlang der Themse einbog. Er sah sie auch und wartete lächelnd, bis sie auf Kommunikationsreichweite herangekommen war. Das flaue Gefühl in Bettinas Magen war umgehend wieder da. Ihr wurde warm und kalt gleichzeitig. Das Wort ‚verliebt’ klang nach wie vor absurd und falsch an dieser Stelle, aber ein Besseres hatte Bettina nicht. Sam begrüßte sie mit einem freundlichen „Hi“ und diesmal kam sie auch um eine Umarmung nicht herum. Sie drückten sich kurz, es war eine nette Begrüßung und gar nicht peinlich oder irgendwie komisch, wie Bettina befürchtet hatte. „Willkommen zurück in London. Wie geht’s dir?“, fragte Sam.

„Ganz gut, und selbst?“

Er wägte ab und ein Mundwinkel zuckte. „Auch ganz okay. Lass uns reingehen, da drüben die Beiden gucken schon die ganze Zeit.“

Bettina folgte ihm ins Café. Die zwei jungen Frauen, die ein paar Meter entfernt gestanden hatten, setzten sich ebenfalls in Bewegung. Fans wahrscheinlich. Sam ließ wie im Februar auch Bettina den Vortritt bei der Eingangstür und der Kellnerin sagte er, dass sie gern den Notausgang benutzen würden. Diese grinste nur und Bettina folgte Sam durch den hinteren Gastraum und über einen Hof durch ein kleines Gartentor auf einen Fußweg zwischen den Gebäuden.

„Wir gehen besser woanders hin.“ Sam lief los, Bettina folgte und bereits zwei Straßenecken weiter hielt er ihr die Tür eines weiteren Cafés auf.

„Im Mai ist es etwas schwieriger, in Ruhe Kaffee zu trinken“, sagte er entschuldigend und bestellte bei der Kellnerin seinen Minztee und für Bettina gleich eine heiße Schokolade mit Sahne.

„Das nervt bestimmt“, sagte sie.

„Ja, schon, aber es gehört eben dazu. Erzähl, was bringt dich her?“

„Eine Freundin von mir hat eine Kurzreise nach London gewonnen, aber ist vorgestern krank geworden und hat mir den Reisegutschein geschenkt. War alles schon gebucht.“

„Oh, cool“, sagte Sam. „Wie lange bist du hier?“

„Bis Mittwochabend.“

Sam bekam seine nachdenklichen zwei kleinen Falten zwischen den Augen. Dann schaute er sie an, sagte aber nichts.

„Was?“, fragte sie.

„Ich denke nach, gib mir einen Moment.“ Sam dachte weiter nach und sah immer wieder zwischen Bettina und seinem Tee, der mittlerweile gekommen war, hin und her. Bettina löffelte derweil die Sahne von ihrem Kakao. Sie fand, Sam sah gestresst aus, hatte Ringe unter den Augen und wirkte allgemein unruhig.

Anscheinend hatte er nun fertig nachgedacht und richtete sich auf. „Ich brauche Deine Hilfe.“

Bettina stutzte. „Aha. Wobei?“

Sam atmete laut aus. Seine Mundwinkel zuckten nervös und er sah aus, als ob er am liebsten weglaufen würde. „Es ist kompliziert. Und ich weiß nicht … eigentlich ist es eine echt blöde Idee. Das kann ich nicht machen. Vergiss es.“

„Was ist es denn?“ Bettina wurde nun neugierig. „Das ist gemein, es nur anzudeuten und dann nicht zu sagen.“

Sam seufzte und kratzte sich im Nacken. Sein Telefon klingelte. „Meine Mutter“, sagte er. „Ich muss kurz rangehen, sorry, Familiendrama.“

„Klar“, sagte Bettina nur. Sie wunderte sich erneut, in was sie da hineingeraten war und lauschte dem Telefonat. Sam war genervt, ungeduldig und auch verlegen, so viel konnte sie definitiv sagen.

„Ja, Mutter“, sagte er nun und verdrehte die Augen. „Ja, ich weiß.“ Er hob den Teebeutel aus der Tasse und balancierte ihn in den kleinen Tischmülleimer, den Bettina ihm aufhielt. Sie bekam dafür ein Augenbrauenheben und ein liebes Lächeln, das sofort wieder einfror, als er seiner Mutter antwortete. „Nein. Ich bin gerade in einem Café. Nein, nicht allein.“ Er rollte mit den Augen. „Ja.“ Er klang genervt und sein Gesichtsausdruck glich dem Joes kurz bevor er jemanden zusammenschlug. „Was? Warum? Nein!“ Er hatte die Augen aufgerissen und fuhr sich mit der Hand durch die Haare. „Nein hab ich gesagt! Was soll das? Was willst du denn damit sagen?“ Er sank in sich zusammen und hielt Bettina das Telefon hin. „Meine Mutter möchte mit dir sprechen.“

„Mit mir?“ Bettina starrte mit aufgerissenen Augen auf das Telefon, auf dessen Display ‚Home’ stand. Untendrunter zählte die Gesprächszeit hoch. „Hallooh?“, krähte es aus dem Lautsprecher. Bettina nahm das Telefon. „Hallo?“, fragte sie zurück.

„Oh, hallo, bist du die neue Freundin von Samuel?“, fragte eine ältere Frauenstimme in hochkorrektem, britischem Englisch.

„Ähm, nein, wir trinken hier nur einen Kaffee zusammen.“

„Samuel trinkt keinen Kaffee.“

Bettina sah Sam an, der aussah, als ob er eine bittere Medizin geschluckt hatte.

„Ja, er hat einen Tee.“

„Ich kenne meinen Sohn doch“, sagte die Frau entrüstet. „Wie heißt du denn?“

„Bettina.“

„Das ist aber kein englischer Name!“ Es klang entsetzt. Sam hielt ihr seine Hand hin und Bettina gab ihm das Telefon zurück.

„Dorothy, jetzt hör mir zu! Sie war letztens am Set dabei, als wir für eine Folge gedreht haben und ist jetzt zufällig wieder in London und wir trinken nur einen Tee zusammen! Ja! Aus Deutschland!“

Seine Mutter schien nun einen längeren Monolog zu halten und Sam konzentrierte sich darauf, zuzuhören. Nebenbei versenkte er vier Stück Würfelzucker in seinem Tee, rührte um und nahm einen Schluck. Sein Gesichtsausdruck wechselte von Entsetzen zu Resignation und wieder zurück zu Entsetzen. „Mutter“, sagte er vorwurfsvoll. „Ja, das schon … Ja, Mutter … nein … ja … ja …“ Er klang immer weinerlicher. Dann schaute er erstaunt mit vorgeschobener Unterlippe auf sein Telefon und dann zu Bettina. „Jetzt ist mein Vater dazugekommen und sie hat aufgelegt.“

Bettina trank den letzten Schluck ihres Kakaos und wischte sich den Mund mit ihrer Serviette ab. „Was ist denn das Problem?“

Sam seufzte. „Das Problem ist, dass meine Eltern beide im April siebzig geworden sind, und das wird übermorgen groß nachgefeiert. Sie erwarten, dass ich dabei bin, was völlig in Ordnung ist. Ich freue mich auch schon darauf, aber dieser Stress, den meine Mutter sich macht … es kommen noch ihre beiden Schwestern, die sie kaum sieht, die es aber in gesellschaftlichen Dingen zu übertrumpfen gilt. Meine Tante väterlicherseits kommt auch, sowie meine beiden Brüder mit ihren Ehefrauen und meine Schwester mit ihrem Mann. Meine Mutter ist da wirklich schwierig. Bei Anstand, Traditionen, dem Garten und Kulturellem muss alles genau so sein, wie es zu sein hat. Mein Dad ist recht entspannt mit allem. Wenn es ihm zu viel wird, geht er raus ins Gartenhaus zu seinen Kaninchen oder rüber zu den Nachbarn.“ Sam hob entschuldigend die Schultern.

Das Telefon klingelte erneut und Sam telefonierte nun wohl mit seinem Vater.

Nach dem Telefonat rieb er sich die Schläfen. „Er sagt, jetzt hat meine Mutter sich weinend in der Küche eingeschlossen. Ich werde noch irre.“ Sam trank seinen Tee aus.

„Ich habe das Problem immer noch nicht verstanden. Kannst du wegen Dreharbeiten nicht dort sein zum Familienfest? Und darüber regen sich alle auf?“

Sam sah zu Bettina. „Nein. Das Hauptproblem ist …“ Er kam nicht mehr dazu, weiterzusprechen, da eine Gruppe kichernder Frauen plötzlich neben dem Tisch stand und Sams Aufmerksamkeit forderte. Er schrieb geduldig Autogramme und ließ sich noch mit allen fotografieren. Die Frauen beäugten Bettina kritisch von oben bis unten und verließen das Café erst, als der Besitzer aus der Küche kam und sie unmissverständlich bat, zu gehen. Allerdings betrat nun eine weitere Gruppe Frauen das Restaurant und sah sich interessiert um. Sam stand auf. „Lass uns durch den Hinterausgang abhauen“, sagte er und bezahlte die Rechnung.

Glücklicherweise trafen sie auf ihrem kurzen Weg über die Straße keine weiteren Fans und Sam bog mit Bettina in einen malerischen Fußweg entlang eines Kanals ab. Jetzt im Mai blühten hier Unmengen bunte Blumen.

Nachdem Bettina und Sam etwa fünf Minuten gelaufen waren, blieb Sam stehen und lehnte sich auf das breite Holzgeländer entlang des Weges. Er atmete gestresst aus und sah Bettina an. „Das Hauptproblem meiner Mutter ist, dass Abigail und ich uns, wie du vielleicht weißt, im Januar getrennt haben. Das ist nicht tolerierbar in ihrer Welt. An Weihnachten waren wir noch zusammen bei meinen Eltern, und es war eine Komplettkatastrophe. Und ich meine wirklich eine Komplettkatastrophe. Meine Mutter war außer sich. An Ostern sollte ich eigentlich hochfahren, habe aber Dreharbeiten vorgeschoben, um nicht hin zu müssen. Meine Mutter mochte Abigail und noch viel schlimmer ist, dass ich momentan keine Freundin oder Frau vorzuweisen habe. Das gehört sich eben, dass man zu Familienfeiern dieser Wichtigkeit einen Partner mitbringt.“ Er grinste gequält. „Und ich bin jetzt zweiundvierzig. Ich glaube, sie hat Panik, dass ich niemanden mehr finde. Und das wird sie nie ihren Schwestern erklären können.“ Er lachte, aber nicht wirklich offen, es war eher ein verlegenes Lachen. „Sie hat vorhin gedroht, mich zu enterben und sie klang echt überzeugend.“ Er schaute auf den vorbeifließenden Bach.

Bettina lächelte, was hoffentlich mitfühlend rüberkam. „Ja, Familie ist schon anstrengend manchmal. Ich bin zwar Einzelkind, aber ich hab da auch schon Sachen erlebt.“

„Oh ja“, sagte Sam und lief weiter den Weg entlang.

Nachdem sie eine Weile still nebeneinander hergegangen waren, blieb Sam stehen und atmete durch. „Und was hast du so geplant in London in den nächsten Tagen? Wohnst du wieder im selben Hotel wie im Februar?“

„Nein, in einem anderen. Genaue Pläne hab ich noch nicht, das ging alles viel zu schnell gestern. Das Wetter ist wenigstens besser als letztes Mal, also dachte ich daran, den Hyde Park anzuschauen und durch die Stadt zu laufen. Vielleicht auch bisschen was besichtigen. Das British Museum nachholen.“

„Hast du Lust, zwei Tage lang gut zu essen und dich nebenbei psychisch foltern zu lassen?“ Sam hatte den Kopf schräg gelegt und seinen liebsten Blick aufgesetzt.

„Wie meinst du das?“

„Bettina, das jetzt fällt mir echt schwer und ich komme mir wirklich gemein vor … aber … könntest du dir vorstellen, mit zu meinen Eltern zu fahren? Als meine Freundin? Ich … wir … sie könnte zumindest meinen Schwestern gegenüber sagen, du bist meine Freundin und dann wäre ihr Gesicht gewahrt.“ Er presste die Lippen aufeinander und wartete auf eine Antwort. „Und ich werde nicht enterbt“, schob er noch hinterher, presste die Lippen aufeinander und vermied Blickkontakt.

Bettina stand nur da und starrte ihn an. Sie überlegte. Prinzipiell ja, warum nicht, andererseits, auf was würde sie sich da einlassen? Sie hatte bei ihrer eigenen Familie schon so viel Dramen miterlebt bei Familienfeiern, das reichte für die nächsten fünf Leben, da brauchte sie nicht noch Sams Familie dazu, die nicht gerade einfach und unkompliziert klang.

„Bitte“, sagte Sam. „Ich weiß, es ist viel verlangt, und ich habe keinerlei recht, dich darum zu bitten. Ich kenne dich kaum, du mich auch nicht. Und du bist quasi ein Fan. Ich kenne aber auch niemanden sonst, den ich darum bitten könnte und der …“ Das Telefon klingelte erneut. „Was ist denn jetzt schon wieder?“, fragte er gepresst.

Bettina vermutete, dass da noch einiges mehr dahinter steckte, als der Ruf der Mutter vor den Schwestern oder eine hoffentlich nur angedrohte Enterbung.

„Okay“, sagte sie und ihr wurde umgehend übel. Sie musste entsprechend aussehen, Sam sagte nämlich: „Du siehst aus, wie ich mich fühle“ und nahm das Gespräch an. Er erklärte seiner Mutter den Kuhhandel, es schien noch einige Unstimmigkeiten zwischen den beiden zu geben. „Eine andere Lösung habe ich nicht. Außer gar nicht zu kommen. Dann sag den beiden eben, dass ich Dreharbeiten habe. Ich würde aber schon gern hochkommen und auch Dad, die Kaninchen und Alison mal wieder sehen. Es dreht sich nicht alles immer nur um dich! Entscheide dich jetzt bitte.“ Er hörte aufmerksam zu, kaute dabei auf seiner Unterlippe und nickte ein paar Mal leicht. „Gut. Ich rufe dich nachher wieder an, wenn ich zu Hause bin“, sagte er und beendete das Telefonat. Er sah Bettina fest in die Augen, was sofort wieder die Schmetterlinge in ihrem Bauch hochscheuchte. „Du darfst mitkommen. Die Einzelheiten besprechen wir später. Du weißt gar nicht, wie dankbar ich dir bin“, sagte Sam und umarmte Bettina. „Und meine Mutter ebenfalls, auch wenn sie das nie zugeben würde.“

„Ich bin gespannt.“

Sam atmete durch. „Okay, Vorschlag: Du fährst ins Hotel zurück, holst dein Gepäck und schläfst heute Nacht bei mir. Wir müssen um spätestens fünf Uhr morgen früh los. Es ist über sechs Stunden zu fahren und zum Mittagessen müssen wir da sein. Übermorgen ist dann das Geburtstagsessen, den Tag danach bleiben wir auch noch und Dienstagabend sind wir zurück.“

„Sechs Stunden? Wo wohnen sie denn? In Schottland?“

„Gott bewahre. Im Lake District, das ist in Nordwest-England.“

„Aha.“ Bettinas Hände wurden feucht und ihr Herz schlug lauter.

Sam schaute mitleidig. „Du musst keine Angst haben. Oder naja, doch, vielleicht schon. Ich verspreche, dass ich versuchen werde, nein, ich kann leider nichts versprechen. Außer, dass es echt gutes Essen geben wird. Immerhin. Ich hole dich dann in einer Stunde am Hotel ab.“

„Ich kann auch mit der U-Bahn fahren, das ist kein Thema.“

Sam nickte. „Okay.“ Er erklärte ihr noch den Weg zur nächsten U-Bahnhaltestelle und tippte ihr den Namen der Haltestelle, an der sie aussteigen musste und seine Adresse in ihr Handy und dann trennten sie sich, da am Anfang des Fußweges bereits die nächsten Fans auf ihn warteten.

Kapitel 6

Bettina fuhr zurück zum Hotel, erklärte der verdutzten Hotelangestellten, dass sie bei einem Freund wohnen und gleich wieder auschecken würde. Es wurde mit englischer Würde und einer hochgezogenen Augenbraue kommentiert.

Wie ausgemacht fuhr Bettina mit der U-Bahn zu Sam und fand auch ohne Probleme den Weg zu seinem Haus. Die gesamte Situation kam ihr mehr als surreal vor. Sie würde bei ihm wohnen und dann mit ihm zu seinen Eltern fahren. Ihr war unwohl bei dem Gedanken, seine Freundin spielen zu müssen, andererseits fand sie es auch irgendwie amüsant und freute sich auf die kommenden Tage. Auf dem Weg zum Aufzug zog sie eine Zeitschrift aus Sams Briefkasten und nahm sie mit nach oben.

„Hier, Kaninchenzeitung“, sagte sie grinsend, als er die Wohnungstür öffnete und sie mit einer angedeuteten Verbeugung in den Flur ließ.

„Oh ja, prima“, sagte er und nahm die Zeitschrift entgegen. „Willkommen zurück. Ich hatte echt Angst, dass du nicht kommst“, sagte er.

„Warum?“, fragte sie und zog ihren Koffer in Sams Gästezimmer. Sam lehnte am Türrahmen und fuhr sich nervös durch die Haare. „Das ist schwer zu erklären. Auf mehreren Ebenen. Ich bin dir auf jeden Fall unendlich dankbar, dass du das auf dich nimmst. Ach so, ja, ich hab dir Handtücher hingelegt.“ Er zeigte in Richtung Bad. Dann schien ihm noch etwas einzufallen. „Ähm … ich weiß, die Frage ist jetzt wirklich unangebracht, aber wichtig. Was hast du zum Anziehen dabei?“

Bettina brauchte einen Moment, bis es ihr dämmerte. Familienfeier. Wahrscheinlich erwarteten sie dort ein etwas anderes Outfit, als Bettina für drei Tage Touristenleben eingeplant hatte.

„Oh“, sagte sie nur und klappte ihren Koffer auf. Sam kam näher und sah ihr beim Auspacken zu.

Sie legte ein Kleidungsstück nach dem anderen aufs Bett. „Ich hätte das hier, das hab ich mitgenommen, falls ich zufällig in ein Musical gehe oder so. Aber ansonsten hab ich nur das hier … hier ein Pulli … das hier … und das, was ich anhab.“

Sam betrachtete die Sachen und schaute von einem zum nächsten und wieder zurück. „Hm“, machte er nur.

„‚Hm‘ heißt?“

Er stand auf. „‚Hm‘ heißt, wir gehen noch einkaufen.“

„Es tut mir echt leid, dass ich dich hier so rumscheuche“, sagte Sam und parkte rückwärts ein. Sie waren kreuz und quer durch London gefahren und hatten nun vor einem Bekleidungsgeschäft angehalten.

„Auf komplizierte Familienfeiern war ich nicht eingestellt.“

Sam stellte den Motor ab und sah mitleidig zu ihr. „Ich weiß. Bettina, du rettest hier echt meinen Hintern und den meiner Mutter und ich kann nicht mehr sagen als Danke. Wirklich. Danke, dass du das für mich oder eher für uns tust.“

Wow. Das war mal ein Dankeschön. Sie nickte und sah Sam in die Augen, was ihr schwerer fiel, als sie gedacht hatte. „Gern. Ich bin gespannt. Und hör bitte auf, dich ständig zu bedanken.“

„Okay, lass uns einkaufen.“

Sie stiegen aus und Bettina folgte Sam in das teuer aussehende Geschäft. Die Angestellten dort kannte er anscheinend gut und schilderte die Lage. Die Verkäuferin war sofort auf Sams Seite und bat die beiden, mitzukommen. Das Geschäft war verwinkelt, mit edlem Teppichboden ausgelegt, aber dabei angenehm gemütlich und sehr ruhig.

Sie führte sie in eines der hinteren Zimmer, das von vier Ankleidekabinen, einem sehr großen Tisch und einigen Sesseln ausgefüllt wurde. „So, dann wollen wir mal sehen.“ Die Frau musterte Bettina von allen Seiten und verschwand. Bettina hatte zumindest erwartet, nach ihrer Kleidungsgröße gefragt zu werden, aber Pustekuchen.

„Sie weiß, was sie tut“, sagte Sam, der ihren verwirrten Blick wahrgenommen hatte.

Nach einigen Minuten Wartezeit kam die Frau zurück und mit ihr eine weitere Verkäuferin, beide trugen Blusen, Shirts und Hosen herbei. „So. Das hier könnte ich mir gut vorstellen in Kombination.“

Die beiden Frauen richteten die Kleidung passend auf dem großen Tisch an. „Bei drei Übernachtungen braucht ihr drei verschiedene Outfits, die Jeans kann man zweimal anziehen.“

„Jeans hab ich auch noch eine mit“, sagte Bettina.

„Welche Farbe? Heller als die?“, fragte die Verkäuferin und zeigte auf die tiefdunkelblaue, die neben zwei anderen Hosen auf dem Tisch lag.

„Ja.“

„Nein, dann passt das nicht. Bitte anprobieren.“

Bettina bekam das erste Kleidungsset in die Umkleidekabine gebracht und Sam nahm in einem der Sessel Platz und zog sein Handy aus der Tasche.

„Sam, hoch mit dir, du probierst das hier an.“

Bettina war bereits in der Umkleidekabine, hörte seine Verwirrung aber trotzdem.

„Ich hab Sachen zu Hause.“

„Mein Junge, es ist der siebzigste Geburtstag deiner Eltern und ihr müsst zusammen passend gekleidet sein.“

„Ich habe nicht nur ein Hemd im Schrank.“

„Ich weiß, ich weiß. Ich hab Dir genügend verkauft. Aber trotzdem. Ab mit dir.“

Sam seufzte und Bettina hörte, wie der Vorhang der Nachbarkabine zugezogen wurde.

Die hellbeige Hose, die die Verkäuferin ihr mitgegeben hatte, passte wie angegossen und war zudem noch sehr bequem. Sie kostete allerdings das Vierfache von dem, was sie im normalen Leben bereit war, für eine Hose auszugeben. Aber heute zählte das nicht, Bettina ging einfach mal davon aus, dass Sam das zahlen würde. Das Shirt und die weiße Bluse mit ganz feinen, apricotfarbenen Streifen passten auch gut und sie traute sich aus der Kabine raus.

„Oh nein, das geht ja gar nicht“, rief die Verkäuferin und sagte etwas für Bettina Unverständliches zu ihrer Kollegin, welche sofort loseilte.

„Sieht doch gut aus“, sagte Sam, der nun in einem sehr kleinkarierten, rot-weißen Hemd aus seiner Kabine kam.

„Nein“, sagte die Verkäuferin und Bettina zog sich um.

Nach ungefähr einer halben Stunde hatte Sam ein Hemd und noch eine schwarze Jeans eingepackt bekommen und Bettina hatte ein Outfit für das Abendessen, inklusive BH und passender Unterwäsche und Socken. Dazu gab es noch ein Shirt und einen wirklich tollen Pullover, der ihr gut gefiel. Die Sachen waren zwar teuer, sahen aber nicht protzig aus.

„Probiere bitte mal das hier“, sagte die Verkäuferin und hielt Bettina einen dunkelblauen Kurzmantel hin. Sie sagte schon gar nichts mehr und probierte ihn an. „Hm“, sagten alle drei. „Nein“, entschied die Verkäuferin. Nach einigem Herumprobieren hatten sie die perfekte Jacke gefunden. Die gefiel auch Bettina extrem gut, aber der Preis ließ ihren Magen mindestens genauso grummeln wie Sam, der ihr immer wieder Mut zusprach und sichtlich angetan war von der Kleidungsauswahl der beiden Damen. „Okay, einpacken“, sagte er.

„Das war aber ein teurer Spaß“, sagte Bettina, als sie die Tüten in den Kofferraum legten.

Sam lachte. „Bitte entschuldige, wenn ich das so sage, aber gegen Abigail bist du echt günstig zu unterhalten.“ Bettina lachte mit, auch wenn sie sich immer noch unwohl fühlte.

„Und, es wird noch teurer. Weiter geht’s, du brauchst noch eine passende Tasche und Schuhe“, sagte er, schloss das Auto ab und lief los. „Na komm“, sagte er aus einigen Metern Entfernung und öffnete die Arme.

„Ach, Sam, da seid ihr ja“, sagte die vornehme Verkäuferin eines Taschengeschäftes ein paar Straßen weiter. „Linda hat schon angerufen und mir gesagt, was ihr braucht.“ Sie musterte Bettina und stellte dann fünf Handtaschen von alltagstauglicher Größe auf den Tresen des noblen Geschäftes. Eine tauschte sie noch einmal aus. „Kein Gold“, murmelte sie.

„Such dir eine aus“, sagte Sam und vergrub die Hände in seinen Jackentaschen. Bettina fand alle ganz nett, Sam merkte aber, dass ihr keine davon wirklich gefiel und sie fanden in den Regalen des Geschäftes noch eine, die gut zur neuen, dunkelblauen Jacke passte und die Bettina auch selbst ausgesucht hätte. Wahrscheinlich hätte sie sie im Normalfall aufgrund des Preises wieder zurückgestellt, aber das war jetzt irrelevant.

Danach ging es ins benachbarte Schuhgeschäft. Auch dort wurden sie bereits erwartet und Bettina bekam sechs Paar Schuhe vor sich gestellt. Auch hier war die Wahl schnell getroffen. „So, und jetzt noch eine Station.“

Bettina war gespannt, was das denn nun sein würde. Die letzte Station war ein Frisörgeschäft, dessen Inhaber Bettina und auch Sam für horrendes Geld die Haare schnitt. Bettina überlegte insgeheim, wie sie ihre Bank dazu überreden konnte, ihr Kredite für vierteljährlichen Frisörtourismus nach London zu genehmigen. George, so hieß der gute Mann, hatte es tatsächlich geschafft, Bettina zu überreden ein gutes Stück ihrer Haare zu opfern. Er hatte ihr eine Frisur verpasst, die sowohl einfach zu pflegen war, als auch noch top aussah und ihr selbst sogar ausnehmend gut gefiel. Ein Erfolg auf ganzer Linie.

Sam hatte gerade seine Kreditkarte wieder weggepackt, als sein Telefon klingelte. Sie verabschiedeten sich von George und Sam telefonierte auf der Straße eine Minute lang mit seiner Mutter. Danach sah er aus, als hätte er gerade einen 48-stündigen Drehtag hinter sich.

„Ist was passiert?“, fragte Bettina.

„Ja“, sagte er nur und lief los. Bettina holte ihn ein und lief neben ihm her. „Was denn? Etwas Schlimmes?“

„Ja“, sagte er, schaute aber nicht zu ihr und wurde auch nicht langsamer. Er fluchte vor sich hin. Sam sah Bettina an. Ihr Magen war sofort schon wieder in heller Aufregung, und das nicht nur, weil sie Sam am liebsten geküsst und umarmt hätte, um ihn irgendwie zu beruhigen. Sondern auch aus Neugierde, gemischt mit der Befürchtung, dass etwas noch Absurderes passiert sein könnte, als das, was sie schon wusste.

„Meine Mutter hat ihren Schwestern angedeutet, dass wir verlobt sind.“

„Was?“

„Ja.“

„Und jetzt?“ Bettina bemühte sich, nicht panisch zu klingen.

„Ich weiß es nicht.“

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9783754921838
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