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Читать книгу: «Kandide oder Die beste aller Welten», страница 5

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Kapitel 17
Kandide kommt mit seinem Bedienten nach Eldorado. Was sie da gesehn

Wie sie über den Grenzen der Langohren waren, sagte Kakambo zu Kandiden: Sie sehn wohl, diese Hälfte der Erdkugel ist sowenig 'nen Pfifferling wert wie jene. Das Gescheitste wäre, wir gingen wieder nach Europa, und das je ehr, je besser. Kandide. Wieder nach Europa? Und wo dann hin? Nach Westfalen, da schlagen Bulgaren und Abaren tot, was lebendigen Odem hat, nach Portugal, da werd' ich verbrannt; und bleiben wir hier, so sind wir keinen Augenblick sicher, gespießt und aufgezehrt zu werden. Und doch kann ich mich nicht entschließen, den Teil der Welt zu verlassen, der meine Kunegund' in sich schließt.

Kakambo. I, wissen Sie was! so wollen wir nach Karolina gehn. Dort finden wir Engländer, die ziehn durch die ganze Welt. Helfen tun uns die gewiß; es sind gar gute Geschöpfe, und Gott wird uns auch beistehn.

Nach Karolina zu kommen, war so leicht eben nicht; nach welcher Seite sie ihre Richtung nehmen mußten, wußten sie wohl so ungefähr; allein von allen Seiten her türmten sich ihnen schreckliche Hindernisse entgegen; Gebirge, Flüsse, Abgründe, Straßenräuber und Wilde. Ihre Gäule wollten vor Strapazen umfallen, ihr Proviant war rein alle; schon einen ganzen Monat lang nährten sie sich mit Kokosfrüchten. Endlich gelangten sie an das Ufer eines kleinen Flusses, das mit Kokosbäumen besetzt war. Da fanden sie wieder Nahrung ihres Lebens und ihrer Hoffnung.

Kakambo, ein so stattlicher Ratgeber wie die Alte, sagte zum Kandide: Weiter können wir nicht; haben auch schon 'nen ganz artgen Marsch gemacht. Dort am Ufer steht ein leeres Kanot, wollens mit Kokosnüssen anfüllen und uns 'reinwerfen. Der Strom mag uns hinführen, wo er hin will. Er bringt uns gewiß nicht hin, wo die Welt mit Brettern vernagelt ist. Mag's uns nun gut gehn oder nicht; kriegen wir doch wieder was Neues zu Gesichte. Es sei drum, sagte Kandide. Die Vorsicht steh' uns bei.

Sie trieben so etliche Meilen fort; bald war das Gestade blühend und lachend, bald öd' und dürr, bald niedrig, bald steil. Der Fluß ward immer breiter und verlor sich in eine Kluft von schrecklichen, himmelanstrebenden Felsen. Die beiden Reisenden waren so dreist, sich auch hier noch den Fluten zu überlassen. Der sich hierselbst verengende Fluß riß sie mit fürchterlichem Getöse schnell hindurch. Nach vierundzwanzig Stunden sahen sie das Tageslicht wieder, scheiterten aber gegen die Klippen.

Eine ganze Meile weit mußten sie sich von Klippe zu Klippe fortarbeiten, endlich lag eine unermeßliche Ebene vor ihnen, um die sich eine Kette unersteiglicher Gebirge schlang. Wohl gepaart herrschten Nutzen und Vergnügen auf diesen Feldern, und der Nutzen hatte immer die Miene des Angenehmen. Auf allen Wegen und Stegen prangten Wagen einher, deren Bauart so ausnehmend nett war als glänzend die Materialien; bildschöne Männer und Weiber saßen darauf; große rote Hammel zogen sie mit der größten Schnelligkeit fort. An Flüchtigkeit übertrafen diese Tiere die besten Gäule aus Andalusien, Tetuan und Mequinez.

Das ist ja ein ganz ander Land als Westfalen! rief Kandide. Bei dem ersten Dorfe, das sie antrafen, kletterte er mit Kakambo'n vom Felsen herunter. Wie sie in den Flecken hereintraten, fanden sie einige Bauerjungen in zerlumpten brokatnen Jacken, Wurfscheiben spielen. Sie konnten sich gar nicht satt an ihnen schauen. Ihre Steine waren ziemlich breit, rund, sahen gelb, rot und grün aus und hatten ausnehmenden Glanz. Unsre Reisenden kamen auf den Einfall, einige davon aufzuheben, und siehe, es war Gold, Smaragden und Rubine. Der kleinste von diesen Edelsteinen würde dem Thron des Großmoguls zur größten Zierde gedient haben. Vermutlich müssen das die königlichen Prinzen sein, die hier Wurfscheiben spielen, sagte Kakambo. Der Dorfschulmeister erschien in diesem Augenblick, um sie in die Schule zu treiben. Ha! ihr Instruktor! rief Kandide.

Sogleich trollten sich die kleinen Bettelbuben vom Spiel' und ließen ihre Steine und all ihr Spielzeug auf der Erde liegen. Kandide hob's auf, rannte dem Schulmeister nach, überreichte es ihm in der demütigsten Stellung und gab ihm pantomimisch zu verstehn, Ihro königlichen Hoheiten hätten ihr Gold und Kleinodien vergessen. Lächelnd warf der Schulmonarch beides auf die Erde, sah' einen Augenblick Kandiden mit großen, sperrangelweiten Augen und Munde an und wanderte seines Weges.

Hurtig hoben unsre Herren aus der andern Welt das Gold, die Smaragden und Rubine wieder auf. Wo sind wir? rief Kandide. Die Königssöhne hier müssen recht philosophisch erzogen werden, da sie Gold und Edelgesteine so frühzeitig verachten lernen. Kakambo stutzte diesmal so sehr wie sein Herr. Endlich kamen sie an das erste Haus im Dorfe, völlig gebaut wie ein europäischer Palast. Ein buntes Gewühl von Menschen war vor der Türe, inwendig ein noch bunters. Die melodischste Musik scholl ihnen entgegen, der lieblichste Geruch duftete aus der Küche her.

Kakambo, der vorangegangen war, hörte daß man darin peruisch sprach; das war seine Muttersprache. Kakambo war, wie die Welt weiß, aus Tukuman; ein Dorf, wo man keine andre Sprache kennt. Ich will Ihr Dolmetscher sein, sagte er zum Kandide. Lassen Sie uns 'reingehn. 's ist 'n Wirtshaus. Zwei junge Gesellen und zwei junge Aufwärterdirnen im Gasthofe, mit Goldgewändern angetan und das Haar mit Band aufgeflochten, nötigten sie sogleich an die Wirtstafel. Man trug vier Suppen auf; jede war mit zwei Papageien garniert, einem gesottnen Kondor von zweihundert Pfund und zwei gebratnen Affen von trefflichem Wohlgeschmack; man setzte dreihundert Kolibris in einer Schüssel auf und sechshundert Fliegenfänger in einer andern und die köstlichsten Ragouts und Pasteten und das niedlichste Gebackne. Das all lag auf Schüsseln, von einer Art Bergkristall gemacht. Die Aurwärter und Aufwärterinnen schenkten vielerlei Getränke ein, alle aus Zuckerrohr verfertigt.

Die meisten Gäste waren Kauf- und Guts-Leute, Männer von ungemein viel Lebensart und Weltton. Die Fragen, die sie an Kakambo'n taten, verrieten insgesamt den vorsichtigen, bescheidnen und verständigen Mann; über alles, was er wissen wollte, gaben sie ihm die hinlänglichste Auskunft.

Als sie abgegessen hatten, warf Kakambo und Kandide zwei von den aufgehobnen Goldstücken hin, womit sie ihre Zeche recht reichlich zu bezahlen glaubten. Der Wirt und die Wirtin hielten sich die Seiten und konnten vor Lachen lange nicht zu sich kommen. Sie sind Fremde, merken wir wohl, sagte der Wirt endlich, und Fremde haben wir noch gar nicht zu Gesichte gekriegt. Müssen's uns ja nicht übelnehmen, daß wir beide vorhin so aufprusteten, mein Weib und ich. 's kam uns gar zu schnurrig vor, daß Sie uns mit Feldsteinen bezahlen wollten. Vermutlich haben Sie kein solch Geld, als bei uns zu Lande gang' und gäbe ist. Tut aber weiter nichts, können deshalb doch immer Zehrung bekommen und Dach und Fach noch obenein. Bei uns sind die Wirtshäuser angelegt, Handel und Wandel in Flor zu bringen, und wir Wirte werden vom Könige bezahlt. Schmalhans ist freilich heut' Ihr Küchenmeister gewesen, aber lassen Sie's gut sein, wo Sie nun hinkommen werden, wird man Ihnen recht nach Standesgebühr und Würden aufschüsseln. Unser Dörfchen ist grade das einzige im ganzen Reiche, wo die Einwohner nicht viel in die Milch zu brokken haben.

Alles dies verdolmetschte Kakambo Kandiden, der darüber nicht weniger in Verwirrung geriet, sich daraus so wenig zu finden wußte wie jener. Was muß dies für ein Land sein, sagte Kandide, das dem übrigen Teil des Erdbodens unbekannt ist, und wo die ganze Menschennatur von der unsrigen so verschieden ist?

Vermutlich ist's das Land, wo alles gut geht. Denn ein solches Land muß es doch platterdings geben. Und was auch Magister Panglos sagte, so hab' ich doch oft bemerkt, daß es in Westfalen ziemlich schlecht bestellt war.

Kapitel 18
Was sie in Eldorado sahen

Der neugierige Kakambo legte dem Wirt so viel Fragen vor, daß ihm dieser keine Auskunft mehr geben konnte. Dumm bin ich nun herzlich, aber es schadet mir nichts, sagte der Wirt. Wissen Sie was, wir haben einen alten Herrn hier, ehedem war er bei Hofe; einen hochgestudiertern Mann gibt's im ganzen Lande nicht. Geben Sie dem halbweg ein gut Wort, so kramt er Ihnen all seine Gelehrsamkeit aus. 's is ne rechte gute ehrliche Haut.

Sogleich führte er Kakambo zu dem Alten. Kandide, der jetzt die zweite Rolle spielen mußte, begleitete seinen Bedienten. Das Haus des Gelehrten sah ganz schlecht und recht aus. Die Tür bestand aus kahlem Silber, die Vertäflung des Zimmers aus lumpichtem Golde, war aber so geschmackvoll gearbeitet, daß sie von der reichsten Vertäfelung nicht verdunkelt wurde. Das Vorzimmer war freilich nur mit Rubinen und Smaragden ausgelegt, allein alles daselbst so schicklich angeordnet, daß man diese bäurische Einfalt bald darüber vergaß.

Der Greis nötigte die beiden Fremden auf ein mit Kolibrisdunen ausgestopftes Sofa und ließ ihnen in diamantenen Geschirren allerhand Getränke vorsetzen; hierauf befriedigte er ihre Neugier folgendermaßen:

Ich bin hundertundzweiundsiebenzig Jahre alt und habe von meinem Vater, dem königlichen Stallmeister, die erstaunlichen Meutereien gehört, die in Peru vorgefallen sind und wovon er Augenzeuge gewesen. Das Reich, worin wir uns befinden, ist der Stammsitz der Inkas. Um einen andern Weltteil zu unterjochen, verließen sie ihn höchst unweislich und wurden von den Spaniern ganz aufgerieben.

Die Fürsten von ihrem Geblüt, die in ihrem Vaterlande blieben, waren weiser, sie ließen die Verordnung ergehen, daß kein Einwohner je unser kleines Reich verlassen sollte; ein jedweder hat sich danach gefügt, und eben darum besitzen wir unsre Unschuld noch völlig und unsre Glückseligkeit. Die Spanier haben von diesem Lande einen dunklen Begriff gehabt und es Eldorado genannt, und ein Engländer, der Ritter Raleigh, kam vor hundert Jahren ziemlich in unsere Nähe; dennoch sind die uns umringenden unersteiglichen Felsen und unzugangbaren Abgründe eine Brustwehr gegen die Raubgier der europäischen Nationen gewesen, die – was uns unbegreiflich ist – auf unsere Kieselsteine und auf unseren Dreck so gierig, so erpicht sind, wie der Falke auf die Taube, und die imstande wären, uns alle umzubringen, um nur des Bettels habhaft zu werden.

Ihre Unterredung dauerte lange. Sie betraf die Regierungsform, die Sitten, die Weiber, die öffentlichen Schauspiele, die Künste. Endlich ließ Kandide, dessen Steckenpferd Metaphysik war, sich durch Kakambo'n erkundigen, ob sie hierzulande Religion hätten. Und daran könnt Ihr noch zweifeln, sagte der Greis, und eine feine Röte bezog seine Wange. So haltet Ihr uns für Undankbare? Kakambo fragte ganz demütiglich, was sie für eine Religion hätten. Sollte es denn mehr geben können als eine Religion? frug der Greis, und seine Wange färbte sich von neuem. Ich denke, wir haben die Religion, welche die ganze Welt hat: wir beten Gott an vom Morgen bis zum Abend. Sie beten nur einen Gott an? sagte Kakambo, dessen Amt es war, Kandides Zweifel zu verdolmetschen. Als wenn es deren zwei, drei oder vier gäbe! erwiderte der Alte. Wahrlich! Ihr Leute vom andern Weltteil fragt manchmal ganz sonderbar.

Kandide, des Erkundigens noch nicht überdrüssig, fragte durch sein Sprachrohr, wie ihre Gebete beschaffen wären. Von Gebeten wissen wir nichts, antwortete der gute und ehrwürdige Weise. Wozu sollen wir Gebete zu Gott senden? Er gibt uns ja alles, was zu unseres Leibes Nahrung und Notdurft gehört. Dankopfer bringen wir ihm aber unaufhörlich.

Kandide war neugierig, ihre Priester kennenzulernen, und erkundigte sich, wo sie wären. Priester, antwortete der gute Greis lächelnd, ist jedermann bei uns. Der König und jeder Hausvater singt Gott jeden Morgen sein Loblied in Begleitung von sechstausend Geigern und Pfeifern. „So habt Ihr also keine Mönche, die Lehr' und Trost erteilen, Gezeter und Hetzereien anfangen, das Staatsruder ergreifen, intrigieren und Leute verbrennen lassen, die nicht ihrer Meinung sind." Toren wären wir dann, sagte der Greis. Wir sind insgesamt einer Meinung zugetan und verstehn gar nicht, was Ihr mit Euren Mönchen sagen wollt.

Kandiden setzten diese Reden in die äußerste, freudigste Verwunderung, und er sagte bei sich: Ha! ein ganz ander Ding als unser Westfalen und unser Donnerstrunkshausen! Hätte Freund Panglos Eldorado gesehen, er würde gewiß nicht behauptet haben, es gäbe nichts Vortrefflicheres auf Gottes Erdboden als jenen Rittersitz! Reisen muß man, oder man kömmt hinter nichts. Das ist ausgemacht!

Nach dieser Unterredung ließ der gute Greis sechs Hammel an seinen Wagen spannen und gab den beiden Reisenden zwölf von seinen Bedienten mit, um sie nach Hofe zu bringen. „Mein Alter, hoffe ich, soll Ihnen hinlängliche Entschuldigung sein, daß ich Sie nicht begleite, meine Herren. Der König wird Sie gewiß so aufnehmen, daß Sie nicht unzufrieden sein werden, und sollte Ihnen ja ein oder der andere Brauch zuwider sein, so werden Sie's damit entschuldigen: ländlich, sittlich."

Wetterschnell flogen die sechs Hammel mit Kandiden und Kakambo'n davon. In weniger als vier Stunden befanden sie sich vor dem Palast des Königs, der an dem einen Ende der Hauptstadt lag. Das Portal war zweihundertundzwanzig Fuß hoch und hundert breit. Zu beschreiben, woraus es eigentlich bestanden, ist platt unmöglich; daß es von unendlich kostbarerer Materie muß gewesen sein als jener Bettel von Kieselsteinen und Sand, den wir Gold und Edelsteine nennen, versteht sich von selbst. Zwanzig schöne Dirnen von der Leibwacht empfingen sie beim Aussteigen, brachten sie in's Bad und legten ihnen Röcke an, aus Kolibrisdunen gewebt; hernach führten die Kronbedienten und Kronbedientinnen sie – wie's Sitt' im Lande war – durch zwei Reihen von Geigern und Pfeifern nach dem königlichen Gemache; jegliche Reihe bestand aus tausend Mann. Unfern dem königlichen Hörsaal fragte Kakambo einen von den obersten Kronbedienten, was hier Etikette sei; ob man beim Eintritt in's Zimmer sich auf die Knie oder auf den Bauch werfen, die Hände auf den Kopf oder auf den Hintern legen oder den Staub vom Fußboden lecken müßte, oder wie man sich sonst dabei benähme. Man umarmt den König und küßt ihn auf beide Backen, antwortete der Oberkämmerer. Kandide und Kakambo fielen Ihro Majestät um den Hals, wurden mit unbeschreiblicher Huld empfangen und aufs freundschaftlichste zum Souper gebeten.

Eh' sie zur Tafel gingen, führte man sie in der Stadt herum. Sie fanden die Märkte mit einer Menge Säulen und mit Springbrunnen geschmückt. Einige davon warfen weiter nichts aus als schlecht und rechtes Quellwasser, andere aber Rosenwasser, noch andere Liköre von Zuckerrohr. Die Becken, worin die Wasserstrahlen in einem fort fielen, waren von weitem Umfang und mit einer Art Edelsteinen ausgelegt, die wie Zimt und Nelke dufteten. Alle öffentlichen Gebäude reichten bis in die Wolken.

Kandide erkundigte sich nach dem höchsten Tribunal, dem Parlamente. Das gab' es hier gar nicht, antwortete man ihm. Hier wüßte man nichts von Prozessen. „Und Gefängnisse?" „Sind hier auch nicht Brauch."

Nichts aber war Kandiden überraschender, nichts ihm ergötzender als die Akademie der Wissenschaften. Er fand darin eine Galerie, zweitausend Schritte lang, mit lauter physikalischen Instrumenten angefüllt.

Den ganzen Nachmittag waren sie herumgelaufen und hatten beinahe den tausendsten Teil der Stadt in Augenschein genommen; jetzt führte man sie wieder aufs Schloß zurück. Kandide und sein Bedienter Kakambo mußten sich zwischen Ihro Majestät und vielen Damen niederlassen.

Das war ein Gastmahl, wie man noch nie gesehen hatte. Nicht bloß Weide für den Gaumen, sondern auch für den Geist! So reiche Adern Witzes und guter Laune hatten sich wohl noch nie bei einem Souper ergossen als hier bei Ihro Majestät. Kakambo verdolmetschte Kandiden jeden launigen Einfall des Königs, und – was diesen nicht wenig wunder nahm – so blieb's trotz der Übersetzung noch immer launichter Einfall.

In diesem Lande der Gastfreiheit hatten sie nun einen Monat lang gelebt, und Kandide hatte tagtäglich zu Kakambo'n gesagt: Freilich kann man meinen Geburtsort Donnerstrunkshausen mit diesem Lande gar nicht in Vergleich stellen, aber gleich wohl find' ich keine Baroneß Gundchen hier, und deine Amasia ist auch gewiß in Europa. Bleiben wir hier, so sind wir nicht einen Gran mehr als die übrigen Einwohner. Gehn wir aber wieder in unser Land und nehmen zur zwölf Hammel mit, mit eldoradoschen Kieselsteinen beladen, so sind wir reicher als alle Könige auf Erden, dürfen keine Inquisition mehr fürchten und können gar leicht Baroneß Gundchen wiederbekommen. Der Vorschlag gefiel Kakambo'n nicht übel. Reisen und Rennen, sich bei seinen Landsleuten geltend machen und, was man auswärts gesehen und gehört hat, ihnen ewig vorprunken, das tut der Mensch doch gar zu gern. Von dem Schlage waren auch unsere beiden Reisenden. Sie waren so vollglücklich; um der Lage nicht überdrüssig zu sein, gingen sie hin und baten den König um ihren Abschied.

Kein gescheiter Einfall, Kinder! sagte der König. Ich weiß wohl, daß mein Land nicht so was Besonders ist, indes sitzt man nur halbweg gut, muß man das Rücken lassen, pflegt man bei uns zu sagen. Ich kann freilich keinen Ausländer wider seinen Willen in meinem Reiche behalten; das wäre Tyrannei, und die entspricht weder unsern Sitten noch Gesetzen. Der Mensch ist ein freies Geschöpf. Reist, wenn Ihr wollt, aber das müßt Ihr wissen, es wird Euch ziemlich schwerfallen, aus meinem Reiche zu kommen.

Gegen den reißenden Strom, der durch die Felskluft schießt und den Ihr durch ein wahres Wunderwerk passiert seid, anzufahren, ist platt unmöglich. Die Grenzgebirge meines Reichs sind zehntausend Fuß hoch und turmgrade; jeglicher Berg beträgt im Umfange mehr als zehn Meilen; jenseits sind tiefe Abgründe. Indes, da Ihr auf Eurer Abreise besteht, will ich meinem Oberbaudirektor anbefehlen, eine Maschine verfertigen zu lassen, die Eure Fahrt erleichtern soll. Geleitsmänner kann ich Euch nicht geben, wenn Ihr erst über die Gebirge seid! Denn meine Untertanen haben feierlich angelobt, nie ihre Hütt' und Herd zu verlassen, und sind zu weise, dagegen zu handeln. Sonst könnt Ihr fordern, was Ihr wollt.

Dürfen wir das? sagte Kakambo. Nun wohl, Ihro Majestät, so erbitten wir uns von Ihnen einige Hammel mit Lebensmitteln, Kieselsteinen und Dreck beladen. Sonderbare Geschöpfe, Ihr Europäer! ich begreife Euch gar nicht! sagte der König mit lachendem Munde. Wie könnt Ihr auf unsern gelben Dreck so erpicht sein. Doch nehmt dessen, soviel Ihr wollt, und wohl bekomm's den Herren.

Sogleich gab er seinen Ingenieurs Befehl, den Riß zu einer Winde zu liefern, womit man diese zwei Männer aus dem Königreiche hinauswinden könnte. Dreitausend gute Mechaniker arbeiteten nach diesem Riß, und binnen vierzehn Tagen war die Maschine fix und fertig. Sie kam nach dortigem Gelde nicht höher als zwanzig Millionen Pfund Sterling.

Man setzte Kandiden und Kakambo'n in diese Maschine. Es befanden sich auf selbiger zwei große rote Hammel, wohl gezäumt und gesattelt, um sich ihrer zum Reiten zu bedienen, wenn sie über die Gebirge wären, zwanzig Packhämmel waren mit Lebensmitteln beladen, dreißig trugen die größten Seltenheiten des Landes und fünfzig Gold, Edelsteine und Diamanten. Der König nahm von den beiden Vagabunden den zärtlichsten Abschied.

Ihr Auszug und die erfindungsreiche Art, wie sie mit ihren Hammeln emporgelüpft wurden, machte wirklich ein sehenswürdiges Schauspiel. Als sie völlig in Sicherheit waren, nahmen die Mechaniker von ihnen Abschied.

Jetzt hatte Kandide keinen andern Gedanken, fühlte keinen andern Drang, als all seine Hammel mit ihren Kostbarkeiten Baroneß Gundchen zu Füßen zu legen. Nunmehr können wir den Gouverneur von Buenos-Aires bezahlen, wenn er sich's untersteht, auf meine unschätzbare Gunde einen Preis zu setzen, sagte er. Wir wollen nach Karolina gehn, uns daselbst einschiffen und hernach zusehn, was für ein Königreich wir uns kaufen können.

Kapitel 19
Was ihnen zu Surinam begegnet, und wie Kandide mit Martinen bekannt wird

Die erste Tagreise lief recht vergnügt ab. Der Gedanke, mehr Schätze zu besitzen, als ganz Asiä, Europa und Afrika zusammen aufzubringen vermögen, gab ihnen Mut und Stärke. Der glühende, liebestrunkne Kandide schnitzte in jeden Baum den Namen Kunegunde.

Bei der andern Tagreise ging's schon viel schlimmer. Zwei von ihren Hammeln blieben in Morästen stecken und sanken mit ihrem Gepäck unter. Einige Tage drauf fielen zwei andre Hammel vor Strapazen um; sieben oder acht verhungerten eine Zeitlang nachher in einer Wüste; noch andre stürzten in der Folge die Felsen herab, kurz, nachdem sie hundert Tage gewandert waren, waren ihre Hammel bis auf zwei zusammengeschmolzen.

„Nichts vergänglicher hienieden, Freund, wie du siehst, als Reichtümer, und nichts dauernder als Tugend und die wonneselige Hoffnung, Baroneß Kunegunden wiederzusehen!" Wohl wahr! Wohl wahr! sagte Kakambo, indes haben wir noch zwei Hammel mit mehr Schätzen beladen, als ein König von Spanien sein Lebtage kriegen wird, und ich sehr von weitem 'ne Stadt, die mir wie Surinam vorkommt. Ist dem so, so haben all' unsre Leiden ein Ende, und von nun an wird alles anfangen, uns zu grünen und zu blühen.

Unfern der Stadt fanden sie einen Neger auf der Erde liegen, der nur seine halbe Kleidung an hatte, d. h. eine blauleinwandne Hose; das linke Bein und die rechte Hand fehlte dem armen Schelm. Mein Gott! rief ihm Kandide auf Holländisch zu, Freund, was machst du hier in dem entsetzlichen Zustande? „Ich warte auf meinen Herrn, den Herrn van der Dendur, den großen Kauf- und Handels-Herrn." Hat der Herr von der Dendur dich so verstümmelt? frug Kandide.

„Wohl, lieber Herr. Das ist nun einmal so eingeführt. Alle Jahre kriegen wir zwei Paar Leinwandhosen und weiter auch kein Flittchen, uns zu bedecken. Huscht mal die Zuckermühle, worin wir arbeiten müssen, uns einen Finger weg! schwapp! schlagen sie uns die Hand ab, und wollen wir davonlaufen, hacken sie uns das Bein weg. Mir ist das beides zugestoßen. – Sehn Sie, um d e n Preis kriegen Sie in Europa den Zucker zu essen! Und doch sagte meine Mutter zu mir, wie sie mich für zehn Albertustaler auf der Küste von Guinea verkaufte: Liebes Herzenskind, preis' und danke unsern Fetischen, und bete sie immer an; sie werden dir ein langes, glückliches Leben schenken. Du hast die Ehre, ein Sklave von unsern Herren, den Weißen zu werden, und machst dadurch Vater und Mutter glücklich."

„Ob sie's geworden sind, weiß ich nun nicht, daß ich's aber nicht geworden bin, das weiß der liebe Gott im Himmel! Hund und Aff' und Papagei hat tausendmal weniger auszustehn als ich. Ich werde geschurigelt, 'runtergerackert wie all' nichts guts. Die holländischen Fetischirs, die mich bekehrt haben, schwatzen uns Sonntag vor Sonntag vor: wir wären alle Adamskinder, Weiß' und Schwarze. Ich kann's ihnen nun nicht nachrechnen; wenn sie aber keine Lüge sagen, na so sind wir alle Geschwisterkinder. Und alsdann müssen Sie mir einräumen, daß man unmöglich seine Anverwandten hündischer traktieren kann als uns."

O Panglos! auf diese Greueltaten bist du nie gefallen! rief Kandide. Nicht anders, ich muß zuletzt deinen Lehrsatz fahren lassen! Was für einen Lehrsatz? sagte Kakambo. Oh! den rasendsten von der Welt! sagte Kandide. Der Mann behauptete, wenn alle Stürme des Unglücks über ihm zusammenschlugen: diese Welt sei doch die beste!

Voll Mitleid verweilte Kandiden's Blick auf dem unglücklichen Negersklaven, und er vergoß Tränen. Mit Zähren auf den Backen und im Auge ging er nach Surinam hinein.

Vor allen Dingen erkundigten sie sich, ob kein Schiff im Hafen läge, das man nach Buenos Aires senden könnte. Der Mann, an den sie sich gewandt hatten, war grade ein spanischer Schiffspatron. Er erbot sich, es für ein Billiges zu tun, und beschied sie in ein Wirtshaus, um dort weitre Abrede zu nehmen. Kandide fand sich samt dem treuen Kakambo und seinen zwei Hammeln daselbst ein.

Kandide, dem das Herz immer auf der Zunge saß, erzählte dem Spanier all seine Abenteuer, und platzte auch mit seinem Vorhaben heraus, Baroneß Gundchen zu entführen. Da werd' ich kein Narr sein und Sie nach Buenos Aires bringen, sagte der Schiffspatron. Ich müßte sowohl an den hellen lichten Galgen wie Sie. Die schöne Kunegunde ist Favoritmätresse von Ihro Exzellenz, dem Herrn Gouverneur.

Das war ein Donnerstrahl, der Kandiden ganz zu Boden schmetterte. Er lag lange da und weinte sich aus, endlich sprang er auf und führte Kakambo'n in ein Seitenkabinett. Hör', lieber Freund, sagte er: Du hast so wohl wie ich fünf bis sechs Millionen Diamanten in der Tasche. Der gescheitste Rat nun ist der: Du gehst damit nach Buenos Aires und kaufst Baroneß Kunegunden los. Das wird dir Pfiffkopf nicht schwerfallen. Macht Don Fernando Umstände, so gib ihm eine Million, will er noch nicht, gib ihm zwei. Fallen können dir gar nicht gelegt werden, denn du hast keinen Inquisitor umgebracht. Ich segle indes nach Venedig und erwarte dich daselbst. Dort kann ich sicher sein vor Bulgaren und Abaren, vor Juden und Inquisitoren; es ist ein freier Staat.

Kakambo fand das sehr gut ausgedacht, es zerschnitt aber sein Herz, sich von einem so guten Herrn trennen zu müssen, der sein Busenfreund geworden war; indes siegte der angenehme Gedanke, ihm nützlich sein zu können, über den Schmerz, von ihm zu scheiden. Mit heißen Tränengüssen umarmten sie sich; Kandide knüpfte ihm fest ein, die gute Alte ja nicht zu vergessen, und Kakambo reiste noch selbiges Tages fort. Es war ein rechter guter ehrlicher Schlag, der Kakambo!

Kandide blieb noch eine Zeitlang in Surinam und wartete, bis ein andrer Schiffspatron ihn und den kleinen Überrest seiner Hammel nach Italien fahren wollte; er nahm Bedienten an und kaufte alle Bedürfnisse zu einer so langen Reise ein. Endlich ließ sich der Herr eines ansehnlichen Schiffes bei ihm melden. Es war Mynheer van der Dendur.

Wie viel verlangen Sie, mich, meine Leute, mein Reisegepäck und die beiden Hammel recta nach Venedig zu schaffen? sagte Kandide. Der Schiffspatron forderte zehntausend Piaster. Kandide schlug gleich ein.

Hoho! sagte Schlaukopf van der Dendur im Weggehn zu sich selbst: schlägt gleich zu: Dem Ausländer ist das so gleichviel, zehntausend Piaster hinzugeben. Der muß gewaltig viel vor den Daumen zu schieben haben. Einen Augenblick nachher kam er wieder zurück und versicherte, unter zwanzigtausend Piaster könnt' er ihn nicht mitnehmen. Nun gut, das Geld sollen Sie haben, sagte Kandide.

Der Daus! murmelte der Kauf mann in den Bart, dem sind zwanzigtausend Piasters so'n Pappenstiel wie zehn. Hm! hm! Und kehrte wieder um und schwur Stein und Bein, daß er ihn nicht nach Venedig schaffen könnte, wenn er ihm nicht wenigstens dreißigtausend Piaster gäbe. Ja, die sollen Sie haben, sagte Kandide. Blitz! auch die! Fallen ihm die dreißigtausend Piaster ebenso aus dem Ärmel! sagte der Holländer. Ohne Zweifel müssen die beiden Hammel unermeßliche Schätze haben. Will ihm vor der Hand nichts weiter abfordern und mir die dreißigtausend Piaster gleich bezahlen lassen, das übrige wird sich schon finden.

Kandide verkaufte zwei kleine Diamanten, davon der schlechteste mehr betrug als des Schiffers ganze Forderung. Er bezahlte im voraus; seine beiden Hammel wurden eingeschifft; er setzte sich auf ein klein Fahrzeug, um das Schiff in der Reede zu erreichen. Der Patron ersah seine Zeit, spannte die Segel, lichtete die Anker, und unter dem günstigsten Winde stach er flott in See.

Kandide ganz verdutzt, verlor ihn bald aus den Augen. Ha! schrie er, das Stückchen schmeckt völlig nach der alten Welt! In ein Meer von Schmerz versenkt nahte er sich dem Ufer. War ihm seine Betrübnis zu verdenken? Was er einbüßte, das hätte das Glück von zwanzig Monarchen gemacht.

Er eilte zum holländschen Richter, pochte ziemlich stark an, brauste herein – denn er war noch in der ersten Gährung – erzählte sein Abenteuer, und in der Wärme des Erzählens wird er ein wenig lauter, als sich's ziemte. Für all' das Gebuller erlegen Sie sogleich zehntausend Piaster! diktierte ihm der Richter! Hierauf hört' er ihn geduldig aus, versprach die Sache vorzunehmen, sobald der Kaufmann wieder da sein würde, und ließ sich noch zehntausend Piaster Gerichtsgebühren zahlen.

Kandiden hatte zwar schon unendlich härters, niederdrückenderes Ungemach betroffen, dennoch aber erlag er unter diesem. Die Kaltblütigkeit des Richters und des Schiffspatrons, der ihn so schrecklich geprellt hatte, machte alle seine Galle rege und stürzte ihn in die düsterste Schwermut. Jetzt erblickte er die Argherzigkeit der Menschen in ihrer ganzen scheußlichen Gestalt; alles zeigte sich ihm in dunklem, höllenschwarzem Lichte. Endlich erfuhr er, daß ein französisches Schiff im Begriff stände, nach Bordeaux zu segeln. Da er keine Hammel mit Diamanten bepackt mehr mitzunehmen hatte, mietete er sich ein wohlfeiles Kämmerchen im Schiff und ließ in der Stadt bekanntmachen, wenn sich ein braver Mann fände, der mit wollte, so sollte er nicht für Reisekosten und Zehrung zu sorgen haben und überdies zweitausend Piaster bekommen; dieser Mann aber müßte seines Zustandes äußerst überdrüssig sein und der allerunglücklichste im ganzen Lande.

Es kam der Prätendenten eine solche Menge, daß eine ganze Flotte nicht Raum für sie gehabt hätte. Kandide suchte die Angesehnsten darunter aus; das waren ein Stück zwanzig, bei denen unter den Falten und Runzeln des Elends Züge von Geselligkeit hervorblickten, und die insgesamt den Vorzug zu verdienen behaupteten.

Sie mußten sich alle in seinem Wirtshause einfinden und mit ihm Abendbrot nehmen. Jeder hatte ihm zuschwören müssen, seinen Lebenslauf treu und sonder Gefährde zu erzählen, und er hatte dagegen versprochen, denjenigen von ihnen zu wählen, der ihm der bedauernswürdigste, der mit größtem Fug und Recht über seinen Zustand mißvergnügteste scheinen würde; die übrigen aber sollten eine Erkenntlichkeit erhalten.

Die Sitzung dauerte bis vier Uhr morgens. Bei jeder Erzählung fiel Kandiden ein, was die Alte ihm auf der Fahrt nach Buenos Aires gesagt hatte, und ihre Wette, daß sich niemand auf dem Schiffe befände, dem nicht schon das größte Ungemach zugestoßen wäre; auch Panglos fiel ihm ein. Da saß' er in der Klemme, der gute Panglos, wenn er jetzt sein System verfechten wollte. Hätt' ich ihn doch nur hier. Wahrlich! wenn's irgendwo gut geht, so ist's einzig und allein in Eldorado.

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Дата выхода на Литрес:
04 декабря 2019
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140 стр. 1 иллюстрация
Правообладатель:
Public Domain

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