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Читать книгу: «Kandide oder Die beste aller Welten», страница 4

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Kapitel 13
Wie sich Kandide genötigt sahe, die schöne Kunegunde und die Alte zu verlassen

Nunmehr begegnete die schöne Kunegunde der Alten mit all' der Achtung, die einer Dame von ihrem Rang und Verdiensten gebührte. Sie nahm ihren Vorschlag an und beredete ihre Reisegefährten, nach der Reihe ihre Begebenheiten zu erzählen. Kandide und sie mußten gestehn, daß die Alte recht hatte. Schade, sehr schade! sagte Kandide, daß der weise Panglos wider alle Sitt' und Brauch in einem Audodafé ist aufgehängt worden, was für vortreffliche Dinge würd' er über das physische und moralische Übel sagen, das unsern Erdwasserball bedeckt, und ich würde mich stark genug fühlen, ihm einige bescheidne Einwürfe zu machen.

Über die Erzählungen langte man, eh' man sich's versahe, in Buenos-Aires an. Kunegunde, Hauptmann Kandide und die Alte begaben sich zum dasigen Statthalter, dem Don Fernando d'Ibara y Figueora y Mascarenes y Lampourdos y Souza. Er war so hochfahrend, als es ein so vielbetitelter Mann sein mußte; sprach in so hochadelig-verächtlichem Tone mit Mannspersonen, trug seine Nase so hoch hinaus in die Lüfte, erhub seine Stimme so posaunenmäßig, hatte einen so befehlshaberischen Ton und solchen Pfauengang, daß jedem, der ihm seine Aufwartung machte, der Gelust ankam, ihn derb durchzuprügeln; die Frauenzimmer liebt' er aufs heftigste; Kunegunde deuchte ihm das schönste, reizendste Geschöpf, das er je gesehn. Seine erste Frage war, ob sie des Hauptmanns Frau sei.

Das fragte er mit einem Ton, mit einer Miene, daß Kandide ganz zu Boden geschlagen wurde. Für seine Frau mocht' er sie nicht ausgeben, weil sie's noch nicht war, für seine Schwester auch nicht, denn das war sie noch weniger; er war zu sehr Teutscher, um sich dieser Notlüge zu bedienen, die so manchen Patriarchen aus der Not gerissen hatte und auch noch heutiges Tages gute Dienste leisten konnte. Deshalb sagte er grad heraus: die Baroneß Kunegunde wird mich mit ihrer Hand beehren, und wir ersuchen Ihro Exzellenz untertänigst, die hohe Gnade für uns zu haben und unsre Hochzeit auszurichten.

Don Fernando d'Ibara y Figueora y Mascarenes y Lampourdos y Souza strich hohnlächelnd seinen Zwickelbart und befahl dem Hauptmann Kandide, seine Kompanie zu mustern. Kandide gehorchte und ließ den Statthalter bei Baroneß Kunegunden allein. Dieser entdeckte ihr nunmehr seine Brunst und beteuerte ihr, er wolle ihr morgen im Angesicht der Kirche seine Hand reichen; wolle sie ihn aber mit ihrer außerehlichen Liebe beglücken, so woll' er sich auch da nach ihr richten. Kunegunde bat sich eine Viertelstunde von ihm aus, um sich sammeln, die Alte um Rat fragen und sich entschließen zu können. Die Alte sagte zu ihr: Sie haben zweiundsiebenzig Ahnen und keinen roten Heller, können jetzt die Gemahlin des angesehnsten und stattlichsten Zwickelbarts in ganz Südamerika werden. Was wollen Sie sich da bedenken. Not hat kein Gebot, und wozu Sie den Pastor Fido im Reifrock spielen wollen, seh' ich nicht ab. Sie sind von den Bulgaren geschändet worden, haben sich vom Juden und Inquisitor brauchen lassen. Wär' ich in Ihrer Stelle, ich griffe zu, nähme den Herrn Statthalter zum Manne ohn' alles Fackeln und machte dem Herrn Hauptmann Kandide sein Glück.

Indes daß das Mütterchen mit all der Klugheit sprach, die Alter und Erfahrung geben, sah' man ein Schifflein in den Hafen einlaufen, worauf sich ein Alkalde und Alguazils, Gerichtsdiener, befanden. Was die Herren wollten, soll der Leser gleich erfahren.

Die Alte hatte ganz recht gehabt, daß der weitärmlige Franziskaner zu Badajos Kunegunden auf ihrer eilenden Flucht ihr Geld und ihre Diamanten gestohlen. Er hatte einige Steine einem Juwelier verkaufen wollen, der sie erkannte und ihn festnehmen ließ. Unterm Galgen hatte der Mönch bekannt, daß er sie gestohlen, die Personen beschrieben, denen er sie entwandt, und den Weg, den sie genommen hatten. Kunegundens und Kandidens Flucht war bereits bekannt: man setzte ihnen bis Cadix nach, ohne sie einholen zu können; von da aus wurd' ihnen ungesäumt ein Schiff nachgesandt, und dies Schiff lag jetzt im Hafen.

Überall hörte man, eben sei ein Alkalde ausgestiegen, und man suche die Mörder des Großinquisitors. Die kluge Alte sahe den Augenblick ein, was zu tun war. Fliehen können Sie nicht, sagte sie zur Kunegunde, und brauchens auch nicht. Ihnen können sie nicht an den Hals kommen, denn Sie sind nicht der Mörder des Inquisitors; Sie haben überdies beim Statthalter solchen Stein im Brett, daß er Ihnen kein Härchen wird krümmen lassen. Bleiben Sie nur in Gottes Namen da. Drauf rannte sie in voller Hast zum Kandide. Machen Sie sich über alle Berge, Herr Hauptmann, raunte sie ihm zu, sonst sind Sie in einer Stunde verbrannt. Aufhalten durft' er sich nicht einen Augenblick, trennen konnte er sich nicht von seiner Kunegunde, und einen Ort, wo er sich hinflüchten sollte, wußt' er nicht.

Kapitel 14
Wie Kandide und Kakambo in Paraguay von den Jesuiten aufgenommen werden

Kandide hatte von Cadix einen Bedienten mitgebracht, wie man deren viel auf den spanischen Küsten und in den Kolonien antrifft; einen Viertelspanier, von einem Mestizen in Tukuman erzeugt. Er war Chorknabe gewesen, dann Küster, Matrose, Mönch, Buchhalter, Soldat und war endlich Lakai geworden; er hieß Kakambo und hing sehr an seinem Herrn, weil er eine gar gute, liebe Seele war. Ober Hals und Kopf sattelte er die beiden andalusischen Pferde. Wollen dem Rat der alten Mutter folgen, lieber Herr, sagte er, und zujagen, was nur's Zeug hält, ohn' uns umzusehn.

O traute Kunegunde! rief Kandide, und Tränen flossen über seine Wangen, so muß ich dich denn verlassen! muß dich in dem Zeitpunkt verlassen, da der Herr Statthalter uns zusammenfügen wollte! Mußt' ich dich darum herführen, meine Kunegunde! Oh, was wird aus dir werden!

Kakambo. Alles Guts! sie wird den Mantel nach dem Winde drehn. Ich möchte das Weib sehn, das sich nicht aus der jämmerlichsten Patsche zu helfen wüßte. Und zudem sind ja die Weiber unsers Herrgotts liebste Kinder! – Die Sporen in die Rippen, Herr!

Kandide. Wo willst du denn hin? Wo geht's denn zu? Und was wollen wir ohne Kunegunden machen?

Kakambo. Sie haben doch gegen die Jesuiten wollen zu Felde ziehn, wissen Sie was, ziehn Sie für sie zu Felde. Beim heiligen Jakob vom Compostell, ich weiß Weg und Steg und will Sie Zu ihnen bringen. Das wird ihnen 'ne rechte Herzensfreude sein, einen Hauptmann zu kriegen, der das bulgarsche Manövrieren versteht. Sie werden da 'ne gar herrliche Nummer finden.

Geht's einem in einem Weltteil schief, so zieht man in einen andern, und kömmt da auf 'nen grünen Zweig; kriegt wieder ganz was anders zu sehn, ganz was anders zu hören und auch 'n ganz ander Stückchen Arbeit, wenn man will. Oh! es ist 'n gar scharmantes herrliches Ding ums Reisen!

Kandide. So bist du in Paraguay bekannt?

Kakambo. Wie'n Pudel bei meiner armen Seele! Bin ja Aufwärter gewesen in dem Jesuiterkollegium zu Assumption, weiß im Gouvernement der Los Padres so gut Bescheid wie auf den Gassen zu Cadix. Das ist Ihnen noch ein Königreich, das sich gewaschen hat. Schon jetzt hat's mehr als dreihundert Meilen im Umkreise und ist in dreißig Provinzen eingeteilt. Los Padres schieben alles in ihren Sack, und das Volk hat nicht mal 'ne lahme Laus, die sein wäre. Wie schlau dort die Gerechtigkeit ist! Wie klug sie alles eingefädelt haben! Oh, darüber geht nichts!

Nein! solche herrliche kapitale Kerls gibt's gar nicht mehr wie Los Padres! Hier ziehn sie gegen den König von Spanien und von Portugal zu Felde, dort bebeichten und beabendmahlen sie sie, hier knicken sie den Spaniern auf'n Kopf, dort beten sie sie mit Leib und Seel in'n Himmel, 's ist ganz allerliebst!

Nur immer die Sporen in die Rippen! – Nun werden Sie erst recht ins Wohlleben reinkommen und auf nen grünen Zweig! Sie werden sich recht in der Seele freuen, die Padres, wenn sie hören, daß ein Hauptmann zu ihnen stößt, der das bulgarische Manövrieren versteht.

Am ersten Schlagbaum angelangt, sagte Kakambo zur Schildwacht: Es war' ein Hauptmann da, der dem Herrn Kommandanten seine Aufwartung machen wollte. Sofort wird's der Hauptwache gemeldet, und ein paraguayscher Offizier bringt dem Kommandanten davon Rapport. Kandide und Kakambo werden entwaffnet und die beiden andalusischen Gäule in Beschlag genommen.

Man führte sie durch zwei Reihen Soldaten; am Ende stand der Kommandant, ein dreieckichtes Barett auf, den Rock zurückgeschlagen, den Degen an der Seite, die Offizierspike in der Hand. Er winkte, und sogleich umringten vierundzwanzig Soldaten die beiden Fremden. Ein Sergeant sagte zu ihnen: Sie müßten sich gedulden: der Herr Kommandant könnte sie nicht sprechen, denn Ihro Hochehrwürden der Pater Provinzial erlaubte keinem Spanier anders als in seiner Gegenwart das Maul auf zutun und duldete ihn nicht länger im Lande als höchstens drei Stunden.

Und wo sind Ihro Hochehrwürden? frug Kakambo. „Auf der Parade, Sie haben eben Ihro Messe gelesen. Vor drei Stunden können Sie seine Sporen nicht küssen." „Er ist aber kein Spanier, der Herr Hauptmann, und wir möchten beide vor Hunger umfallen. Könnten wir nicht derweil ein bißchen frühstücken, bis Ihro Hochehrwürden kommen?"

Sogleich rapportierte der Sergeant dem Kommandanten. Ein Teutscher! rief er, ein Teutscher! O Gott Lob, da kann ich ihn prechen. Man führ' ihn in die Gartenlaube. Und man brachte sie sofort in ein kleines grünes Lusthaus.

Es war mit einer gar stattlichen Reihe von grünen Marmorsäulen geschmückt, deren Knauf und Schaft vergoldet war; dahinter lief ringsum ein artiges Gitterwerk, worin sich Papageien befanden, Kolibris, Fliegenfänger, Perlhühner und die allerseltensten Vögel. Das herrlichste Frühstück ward in goldnen Geschirren aufgetragen, unter der Zeit lagen die Paraguayer mitten im Felde bei der stechendsten Sonne und aßen Mais aus hölzernen Schüsseln.

Nicht lange, so trat der wohlehrwürdige Pater Kommandant herein. Ein bildschöner junger Mann; sein Aug war feurig, Lipp' und Wange rot, die Augenbraunen wohlgewölbt, das Gesicht rund und ziemlich weiß. Er hatte in seinem Betragen etwas Edelstolzes, das aber weder den Spanier noch den Jesuiten ankündigte.

Kandiden und Kakambo'n wurden ihre abgenommnen Waffen und ihre beiden Andalusier wieder zugestellt. Kakambo gab ihnen an der Türe des Gartenhauses Haber zu fressen, und damit ihnen kein Tuckmäuserstückchen gespielt würde, verließ er sie mit keinem Auge.

Kandide küßte dem Kommandanten den Saum seines Rocks, und darauf setzten sie sich zu Tische. So, sind Sie ein Teutscher? fragte ihn der Kommandant in dieser Sprache. Worauf ich nicht wenig stolz bin, Ihro Wohlehrwürden, antwortete Kandide. Bei diesen Worten fuhren sie beide zusammen, sahen einander starr an, mit einer Bewegung, die sie nicht bergen konnten. Der Kommandant. Und aus welcher Provinz?

Kandide. Aus dem Rauchloche, dem Herzogtum Westfalen, und bin auf dem Rittersitz Donnerstrunkshausen geboren.

Kommandant. Heiliger Gott! wär's möglich!

Kandide. Welch Wunderwerk!

Kommandant. Sollten Sie's wirklich sein?

Kandide. Es ist gar nicht möglich.

Sie fielen sich um den Hals, hingen fest aneinander, konnten nicht zu Worte kommen, strömten sich in Freudentränen aus. Kandide erhielt die Sprache zuerst wieder: So hab' ich den Bruder der reizenden Kunegunde in meinen Armen. Ja er ist's, der Sohn des Herrn Barons. Es ist Junker Polde, der von den Bulgaren getötet wurde! Und ist jetzt Jesuit in Paraguay! Wahrlich, es geht wunderbar her in der Welt! O Panglos! Panglos! wie würdest du dich freuen, wenn du nicht am Galgen hingest.

Der Kommandant gab seinen Negersklaven und Paraguayern, die ihnen in bergkristallnen Bechern Wein eingeschenkt hatten, einen Wink hinauszugehn. Und nun pries er Gott und den heiligen Ignatus tausendmal und drückte Kandiden an seine Brust. Sie schwammen in Tränen.

Kandide. Schon so im Rausch der Freude Baron! Oh! viel zu früh! Das vollste Maß von Seligkeit erwartet erst Ihrer! Ihre totgeglaubte Schwester lebt, ist frisch und munter.

Kommandant. Kunegunde lebte noch? Wäre wohlauf? Wo ist sie denn? wo?

Kandide. Ganz in der Nähe, beim Herrn Statthalter von Buenos-Aires.

Nun hub Kandide an, alles zu erzählen, was sich seit seiner Schloßverweisung bis zu seiner Reise nach Amerika zugetragen hatte. Der gejesuitete Baron lauschte mit begierigem Ohr und den vollsten Seelenblicken. Als Kandide seine lange Erzählung geendet hatte, fingen sie als ehrliche Teutsche an, tapfer zu zechen. Und da der Pater Provinzial noch nicht kam, begann der Kommandant seine Erzählung wie folgt. Kandide war ganz Ohr und ganz Herz.

Kapitel 15
Weshalb Kandide den Bruder seines Mädchens tötet

Der gräßliche Tag, an dem ich Vater und Mutter töten und meine Schwester schänden sah, wird mir nie aus den Gedanken kommen. Nach dem Abmarsch der Bulgaren suchte man meine anbetungswürdige Schwester allenthalben und fand sie nirgends. Meinen Vater, meine Mutter, mich, die Leichname von zwei Mägden und drei kleinen Buben warf man auf einen Karren, um uns nach einer Jesuiterkapelle zu führen, die zwei Meilen von meines Vaters Schloß lag.

Ein Jesuit besprengte uns mit Weihwasser; es war salzicht wie all der Teufel; einige Tropfen davon spritzten mir in's Auge: der Pater merkte, daß meine Augenlider etlichemal zuckten. Er legte die Hand auf mein Herz und fühlte es schlagen. Die geschicktesten Wundärzte verwandten ihre Kunst an mir, und binnen drei Wochen war ich wieder völlig auf den Beinen. Ein recht hübscher Junge war ich immer, wie Ihr wißt, Kandide, jetzt hatte ich ganz die lachende, blühende Gestalt von Gott Amor. Auch ward der ehrwürdige Pater Krust, der dortige Superior, mein sehr warmer Freund; kleidete mich ein, und sandte mich nicht lange darauf nach Rom. Der Pater General warb damals junge teutsche Jesuiten an. Höchst ungern nehmen die paraguayschen Monarchen Spanier, Ausländer weit lieber, sie denken, sie eher lenken und bändgen zu können.

Der ehrwürdige Pater General fand mich tüchtig, ein Arbeiter in diesem Weinberge des Herrn zu werden. Ich reiste mit einem Tiroler und Polen hieher. Gleich nach meiner Ankunft ward ich Unterdiakonus und Leutnant, jetzt bin ich Obrister und Priester.

Und nun, Kandide, laß sie nur kommen, die königlichen Truppen, laß sie nur kommen. Wir wollen sie fegen! Ich bin dir Manns dafür. Sie sollen derbe Schlappen bekommen und den Kirchenbann obenein. Die Vorsehung hat dich noch zur rechten Zeit zu unserm Beistand hergesandt. Aber sag mir, guter Junge, lebt meine liebe Schwester wirklich noch? und ist sie hier in der Nähe beim Herrn Statthalter von Buenos-Aires? „Bei Gott! es ist keine Lüge!"

Und sie strömten von neuem in Tränen aus. Der Baron hing an seinem Halse, konnte gar nicht los von ihm, nannte ihn seinen Bruder, seinen Retter. O! Kandide, rief er, trauter Kandide! Zögen wir doch erst als Sieger in die Stadt ein und führten Schwester Kunegunden zurück. Mein einziger Wunsch! sagte Kandide, denn ich war Willens, sie zu heiraten, und bin's auch noch. Der Baron riß sich los von ihm, schleuderte ihn zurück. „Übermütiger Bengel! heiraten wollt Ihr meine Schwester! Ihr sie heiraten! Ein Fräulein von zweiundsiebenzig Ahnen! Verdammt über die Unverschämtheit! Und ist so keck, die Bürgerkanalje, und sagt mir die infame Sottise ins Gesicht!"

Kandide stand da wie Laokoon's Bildsäule und sagte, wie er wieder Worte fand: Mein Wohlehrwürdger Pater, alle Ahnen auf Gottes Erdboden können hier nicht in Anschlag kommen! Ich riß Ihre Schwester aus den Armen eines Inquisitors; sie hat mir nicht wenig Verbindlichkeiten, und deshalb gibt sie mir ihre Hand ganz aus freien Stücken. Magister Panglos hat mir immer gesagt, daß alle Menschen einander gleich sind. Daher können Sie versichert sein, ich heirate sie.

Wollen sehn, Schurke! Wollen sehn! rief der gejesuitete Baron von Donnerstrunkshausen und gab ihm mit der flachen Klinge einen derben Hieb übers Gesicht. Kandide gleich heraus mit seinem Degen und ihm selbigen bis ans Heft in den Leib gejagt.

Doch wie er ihn rauchend herauszog, hub er bitterlich an zu weinen. O mein Gott! da hab' ich ihn umgebracht, meinen alten Herrn, meinen Freund, meinen Schwager. Bin solch erzgutes Geschöpf und habe nun schon drei Menschen ermordet! Und unter den dreien zwei Priester.

Kakambo, der an der Lusthaustüre Schildwacht gestanden, kam hereingesprungen. Jetzt müssen wir uns unsrer Haut wehren, fechten, solang' wir noch einen Finger rühren können! rief ihm sein Herr zu. Unangegriffen bleiben wir gewiß nicht. Kakambo, der den Karrn schon weit ärger hatte im Kote stecken sehn, ließ die Flügel noch gar nicht sinken und schob wieder in einem Hui den Karrn aufs Trockne, und das auf folgende Art: Er warf das Jesuiterkleid des getöteten Baron's seinem Herrn um, setzte ihm das Barett auf, half ihm auf's Pferd und sagte: Nun zugejagt, Herr, was das Zeug hält! Man wird Sie für einen jesuitschen Adjutanten ansehn, und wir werden über die Grenze sein, eh' man uns nachjagen kann. Und damit vorangejagt und auf spanisch gerufen: Platz da! Platz! Ihro Wohlehrwürden kommen, der Herr Obrister!

Kapitel 16
Zwei Mädchen und zwei Paviane stoßen unsern Reisenden auf. Wie's ihnen bei den Wilden, die Langohren genamst, ergeht

Kandide war mit seinem Bedienten schon über die Grenze, und noch krähte im Lager nicht Hund noch Hahn über des teutschen Jesuiten Tod. Der flinke Kakambo hatte seinen Mantelsack mit Pumpernickel, Schokolad, Schinken, Knackwurst, Obst und einigen Maßen Wein gar wohl bespickt. Sie waren schon ziemlich tief in einem wildfremden, ganz ungebahnten Lande, als sie eine schöne Wiese vor sich liegen sahen, von vielen Bächen durchschnitten. Hier ließen sie ihre Gäule weiden, und Kakambo tat seinem Herrn den Vorschlag, zu essen, und ging ihm mit gutem Beispiel vor.

Ich, Schinken essen, Kakambo, und habe den Sohn des Herrn Barons erschlagen; darf meine Kunegunde in meinem Leben nicht wiedersehn! Wozu hülf es, ein elendes Leben zu fristen, das ich fern von meiner Geliebten in Reu' und Verzweiflung zubringen muß. Und überdem, wie wird das Journal zu Trévoux mir mitspielen, wenn selbiges es erfährt.

So sprach Kandide und aß dabei ein Stückchen Schinken nach dem andern, trank ein Gläschen aufs andre. Die Sonne ging unter. Unsre Verirrten hörten ein schwaches Gekreisch; es deuchte ihnen Weibergekreisch. Sie wußten nicht, obs Geschrei der Freude oder der Angst war, sprangen auf mit all der Unruh' und Besorgtheit, die man in einem ganz fremden Lande zu haben pflegt, wenn man nur ein Espenblatt rauschen oder einen starken Laut schallen hört. Wie ein Blitz kamen ein paar Mädchen in puris naturalibus über die Wiese weggeschossen und hinter ihnen drein zwei Affen, die sie in die Lenden bissen. Diese Dirnen erhuben jenes Gekreisch.

Kandiden jammerte der Anblick, er hatte bei den Bulgaren schießen gelernt und hätte wohl eine Nuß aus einem Haselbusch herunterbüchsen können, ohne die Blätter zu streifen. Er schlug seine doppelte spanische Flinte an und erschoß die beiden Affen. Gott Lob, mein lieber Kakambo, sagte er, die armen Mädchen hab' ich aus recht großer Gefahr gerettet. Beging ich Sünde, daß ich einen Inquisitor tötete und einen Jesuiten, so hab' ich jetzt an diesen Mädchen ein recht verdienstliches Werk getan. Ich bin der Retter ihres Lebens. Vielleicht sind sie von vornehmem Stande, und so kann uns dies Abenteuer hier im Lande viel Vorteil verschaffen.

Er verstummte aber plötzlich, als er sah, daß diese beiden Dirnen zärtlich die Affen umarmten, in Tränen über ihre Leichname schmolzen und mit dem wehmütigsten Geschrei die Lüfte erfüllten. Soviel Güte des Herzens hätt' ich den Mädchen nicht zugetraut, sagte endlich Kandide.

Kakambo. Sie haben wieder einen schönen Streich gemacht. Die Herren Paviane, die sie eben niedergebüchst, sind ja die feinen Liebchen von den beiden Dirnen! Kandide. Das, ihre Liebhaber! Schäker! wie war das möglich? Wie ist das glaublich?

Kakambo. Als wär' das wieder so was zu verwundern! Was ist das nun mehr, daß es ein Land in der Welt gibt, wo Pavians bei den Weibern Hahn im Korbe sind. Es sind Viertelmenschen so wie ich ein Viertelspanier.

Kandide. Ha! ich besinne mich, von Magister Panglos gehört zu haben, daß ehemals sich dergleichen zugetragen und daß aus dieser Vermischung die Ägipane, Faun' und Satyrn entstanden wären; daß viele große Männer des Altertums sie gesehn hätten. Ich nahm aber das alles für Märchen.

Kakambo. Und ist doch die helle, klare Wahrheit, die Sie nun mit Händen greifen können! Sehn Sie, so machens die Mädel, die niemals unter der Schere der Mutter oder 'ner wohlehrbaren, steifen Französin gestanden haben. Da haben Sie die liebe Natur! – – Bei alle dem ist mir gar schwül zu Mute, Ich fürchte, ich fürchte, die Damen werden uns einen gar saubern Brei einbrocken.

Kandide fand, daß sein Kakambo eben nicht unrecht hatte, und machte sich samt ihm tiefer ins Land hinein. Sie lagerten sich mitten in einem Gebüsch und aßen ihr Abendbrot; vermaledeiten den Großinquisitor, den Gouverneur von Buenos-Aires und den Baron und schliefen auf dem Moose ganz ruhig ein. Beim Erwachen merkten sie, daß sie sich nicht rühren konnten. Und das kam daher: die dortigen Einwohner, die Langohren, an welche die beiden Damen sie verraten, hatten sie in der Nacht mit Stricken von Bast zusammengebunden.

Ringsum standen so ein fünfzig Langohren, ganz nackt, Pfeile, Keulen und Äxte von Kieselstein in den Händen. Einige setzten einen großen Kessel übers Feuer, das sie anbliesen; andre schnitzten Bratspieße, und alle insgesamt schrien; ein Jesuit! Ein Jesuit! Da wollen wir unser Mütchen kühlen! 's soll 'n gar herrlicher Fraß sein! Wollen ihn auffressen, den Jesuiten! Wollen ihn auffressen!

Hab' ichs Ihnen nicht gesagt, lieber Herr, rief Kakambo kopfhängend, die Mädel würden uns 'ne gar saubre Pastete anrichten? Zuverlässig werden wir gesotten oder gebraten! rief Kandide, wie er den Kessel und die Bratspieße sah. Ha! was würde Magister Panglos sagen, wenn er so die Natur in all ihrer Rohheit sähe! Es ist alles gut gemacht; es sei drum, aber doch muß ich. gestehn, es ist hart, äußerst hart, daß ich Baroneß Kunegunden verloren habe und hier von den Langohren an den Spieß gesteckt werde.

Kakambo, der sich immer aus dem verworrensten Hanfe zu haspeln wußte, sagte zum trostlosen Kandide: Immer getrost, Herr. Ich versteh' den Kerls ihr Rotwälsch ein wenig. Ich will hin und mit ihnen sprechen. Vergiß ja nicht, sagte Kandide, ihnen aufs lebhafteste vorzustellen, daß es gräßlich Unmenschlichkeit ist, Menschen zu braten, und wie wenig christlich das gedacht ist.

Nicht wahr, Kinderchen, sagte Kakambo, ihr denkt, ihr wollt heut einen Jesuiten schmausen! Das ist recht löblich! Recht brav, wenn man so mit seinen Feinden verfährt. Schlag deinen Nächsten tot! Das ist nach der Natur Rechtens, und das gilt allenthalben auf Gottes weitem Erdboden. Daß wir ihn nun nicht auffressen, wie's auch nach der Natur Rechtens ist; nun das kömmt daher, wir haben schon sonst leckre Gerüchte; ihr guten Leute aber nicht, und da ist's denn immer freilich besser, seine Feinde in seinem Magen zu begraben, als die Frucht seines Sieges den Raben und Krähen preiszugeben.

Aber Kinderchen, eure guten Freunde werdet ihr doch nicht verzehren wollen? Ihr denkt einen Jesuiten an den Spieß zu stecken, und 's is eur Schutzpatron, ein erzabgesagter Feind von euren Feinden, die ihr rösten wollt. Was mich anlangt, ich bin in eurem Lande geboren, und der junge Mann da, ist mein Herr und nichts weniger als 'n Jesuit; hat vielmehr einen Jesuiten umgebracht und seine Jacke angezogen, und eben darum habt ihr euch geirrt.

Damit ihr nun seht, daß ich kein Windbeutel bin, so nehmt den Rock, zeigt ihn an dem ersten Grenzorte den Padres und fragt, ob mein Herr nicht einen jesuitschen Offizier kaltgemacht hat. 's is ja nur 'n Katzensprung bis dahin, und findet ihr, daß ich euch belogen habe, so könnt ihr uns ja noch immer fressen. Hab' ich euch aber reinen Wein eingeschenkt, nun, so wißt ihr zu gut, was Rechtens ist, als daß ihr uns nicht begnadgen solltet.

Hat ganz recht! schrien die Langohren, und sie trugen zwei von den Ältesten des Landes auf, nach dem Jesuiterlande zu kutschieren und sich nach der Wahrheit zu erkundigen. Als Leute von Kopf richteten selbige ihren Auftrag glücklich aus und brachten gar fröhliche Mär mit.

Die Langohren banden ihre Gefangnen los, erwiesen ihnen ungemein viel Höflichkeiten, setzten ihnen Mädchen vor, Erfrischungen und begleiteten sie bis an die äußersten Grenzen unter dem lauten Jubelgeschrei: 's ist kein Jesuit nicht! 's ist kein Jesuit nicht!

Sonderbar die Ursach meiner Befreiung, sagte Kandide. Und sonderbar dies Volk und ihre Sitten! Wie gut es war, daß ich dem Bruder der Baroneß Kunegunde den Degen bis ans Heft in den Leib gejagt hatte, sonst hätt' ich ohne alle Barmherzigkeit an den Spieß gemußt. Bei alle dem, die pure, rohe Natur ist auch so übel nicht. Denn wie äußerst höflich waren nicht die Leutchen gegen mich, als sie erfuhren, ich wäre kein Jesuit; da war gar nicht mehr die Rede vom Auffressen.

Возрастное ограничение:
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Дата выхода на Литрес:
04 декабря 2019
Объем:
140 стр. 1 иллюстрация
Правообладатель:
Public Domain

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