Читать книгу: «Kopflos in Dresden», страница 2

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»Wie ist sie da hochgekommen?«

»Tja, geflogen ist sie wohl kaum«, antwortete der Beamte lakonisch.

Idiot, dachte Maria, erinnerte sich dann aber daran, dass eine laxe Art und Schnoddrigkeit wirkungsvolle Waffen waren, um sich vor den grauenvollen Bildern zu schützen, mit denen die Kollegen immer wieder konfrontiert wurden.

»Wenn die SPUSI mit ihrer Arbeit fertig ist, holt ihr die Frau bitte runter.« Maria hatte kaum zu Ende gesprochen, da rückte die Spurensicherung auch schon an. Sie schaute auf den Transporter, der der Reihe nach eine Gruppe von Männern ausspuckte, die in ihren weißen Tyvek-Schutzanzügen mit Kapuze wie Astronauten aussahen. Jeder trug einen schweren, silbernen Koffer, in dem sich die Werkzeuge und Utensilien für ihre Untersuchungen befanden.

Kapitel 3

Achtzehn Tage vorher

Ping. Schon wieder eine Nachricht. Nervös schielte Linda Hansmann in ihre Handtasche, in der ihr Handy lag. Nur zu gern hätte sie jetzt nachgeschaut, wer ihr geschrieben hatte. Aber sie musste sich bis zur Mittagspause gedulden.

Seit kurzem gab es eine neue Dienstanweisung, die die private Nutzung des Handys während der Arbeitszeit strikt untersagte.

»Na, schon wieder neue Eroberungen im Internet gemacht?«, frotzelte ihre Kollegin Marion Kärcher, die ihre Nase in alles reinstecken musste und der Linda Hansmann sehr wohl zutraute, dass sie sie bei ihrer Vorgesetzten anschwärzte, sollte sie sich nicht an diese Regel halten.

»Vielleicht«, gab sie schnippisch zurück. Längst bereute sie, dass sie die neugierige Kollegin in ihre ausdauernde Partnersuche im Internet eingeweiht und ihr obendrein auch noch Details über ihre bisherigen Bekanntschaften und amourösen Erfahrungen anvertraut hatte. Zu spät hatte sie bemerkt, dass Marion Kärcher ihr nicht wohlgesinnt war und ihr ihr gutes Aussehen und die vielen Verabredungen neidete. In einigen Jahren wird diese blöde Ziege eine alte, verbitterte Trockenpflaume sein, dachte Linda wütend und blickte auf die Uhr in der Taskleiste des Bildschirms. Noch fünfzehn Minuten bis zur Mittagspause, dann würde sie endlich nachsehen können, ob sich wieder ein »Match« ergeben hatte.

Sie blies eine Haarsträhne aus ihrem Gesicht und fuhr mit beiden Händen durch ihr langes Haar. Ein wohliger Schauer durchfuhr ihren Körper. Seit sie sich bei New-Love angemeldet hatte, konnte sie sich vor Angeboten kaum retten. Allerdings – das musste sie zugeben – war die Mehrzahl der Kontakte, die sich zunächst als durchaus vielversprechend dargestellt hatten, fast ausnahmslos in einer Enttäuschung gemündet. Der Unterschied zwischen den virtuellen Profilen und der hässlichen Wirklichkeit hatte sich immer wieder als zu groß erwiesen.

Einige, die ihr vorgegaukelt hatten, auf der Suche nach einer Seelenverwandten zu sein, stellten sich als biedere Familienväter heraus, deren Frau mit dem zweiten oder dritten Kind schwanger war, und die einfach nur auf sexuelle Abenteuer aus waren. Aber noch viel übler waren die Trophäensammler, die wahren Zombies in dieser virtuellen Welt. Die Jäger visierten ihre Opfer an und schossen sie ab. Hatten sie ihr Ziel erreicht und eine Frau rumgekriegt, meldeten sie sich nicht mehr, reagierten nicht auf Mails und legten sie als virtuelle Leiche ab. Das war der weniger erfreuliche Aspekt dieser aufregenden und rasant schnellen Kontaktaufnahme.

Und doch war Linda noch voller Hoffnung: Vielleicht würde sie hier einen Partner für eine langfristige Beziehung finden. Sie durfte bloß nicht den Kopf verlieren und nicht zu schnell nachgeben, sie musste die Männer ein wenig zappeln lassen. Sonst würden die sofort merken, dass sich langsam so etwas wie Torschlusspanik in ihr breitmachte. Und das, so hatte sie im Laufe der Zeit schmerzlich erfahren müssen, war ein Garant dafür, dass ein Typ ebenso schnell das Weite suchte, wie der Kontakt aufgenommen und ein Treffen vereinbart worden war.

Diese verflixten Kerle, dachte sie. Die tickten irgendwie auch nicht ganz richtig. War die Beute zu leicht zu haben, verloren sie sehr schnell das Interesse. Offenbar betrachteten sie eine Frau nur so lange als anziehend, solange das Objekt ihrer Begierde nicht nachgab.

Linda fand es ausgesprochen kompliziert, die richtige Balance zu finden, dieses Spiel zwischen Anziehung und Zurückweisung, Nachgeben und Verweigern auszutarieren. Es war sehr anstrengend, es mitzuspielen und das Interesse der Männer aufrechtzuerhalten. Dabei hatte sie am eigenen Leib erfahren, dass nichts die Männer so sehr anstachelte, wie wenn man sich zwei Wochen lang nicht meldete und seine Mails einfach nicht beantwortete, obwohl das Gegenüber sehen konnte, dass man online war. Das weckte ihren Jagdinstinkt und Ehrgeiz.

Eine Frau, die einen Mann mit offenen Armen empfing und ihm so signalisierte, jederzeit verfügbar zu sein, stand auf verlorenem Posten. Daher war Linda fest entschlossen, ihre Strategie zu ändern und sich an die Regeln zu halten, die sie an einem Abend vor zwei Wochen mit einem Glas Weißwein in der einen und einer Zigarette in der anderen Hand aufgestellt hatte.

Damit sie ihre Gebote in der ersten Euphorie eines »Matches« nicht gleich wieder vergaß und sich nicht selbst betrog, hatte sie fein säuberlich eine Liste geschrieben. Wesentlicher und entscheidender Punkt dieses Regelwerkes war es, nicht gleich beim ersten oder zweiten Date mit einem Mann ins Bett zu gehen, selbst wenn er noch so gut aussah und total sympathisch rüberkam.

Etwas länger hatte sie für die Formulierung der Regel benötigt, nach dem wievielten Treffen Sex okay wäre. Nach einiger Überlegung hatte sie die Zahl von sechs auf vier vorangehende Verabredungen korrigiert. Sie war schließlich keine alte Jungfer, sondern eine attraktive junge Frau mit einem gesunden sexuellen Appetit. Im Gegenzug hatte sie die Zeitspanne von der Kontaktaufnahme bis zum ersten Treffen auf mindestens einen Monat nach oben geschraubt. Das erschien ihr zwar geradezu absurd lang, aber sie war wild entschlossen, sich auf dieses Spiel und die Hinhaltetaktik einzulassen. Sollten sich diese neuen, selbstauferlegten Regularien als untauglich erweisen, könnte sie immer noch zu ihren alten Gewohnheiten zurückfinden. Nichts leichter als das!

Endlich war Mittagspause. Aber die blöde Schachtel ihr gegenüber machte keine Anstalten aufzustehen und in die Kantine zu gehen. Vielmehr tat sie so, als wäre sie ganz in ihre Arbeit vertieft. Linda war sich sicher, dass sie sie bloß dabei ertappen wollte, wie sie sich endlich ihr Smartphone schnappte und die neue Nachricht las.

Blöde Kuh, dachte sie, nahm das Handy aus ihrer Handtasche, verließ das Büro und steuerte die Toilette an. Dort konnte sie in aller Ruhe nachschauen, wer ihr geschrieben hatte. Das bekannte Kribbeln im Bauch erfasste bereits ihren ganzen Körper. Wer würde es diesmal sein? Vielleicht endlich der lang ersehnte Traummann?

Noch auf dem Weg zum Klo ermahnte sie sich, sich strikt an ihre neuen Regeln zu halten: Zwar Interesse signalisieren, jedoch freundliche, aber bestimmte Zurückhaltung an den Tag legen und den Chat am ersten Tag auf höchstens fünf Minuten begrenzen.

Eilig schlüpfte sie in die Kabine und verschloss die Tür. Mit der Fußspitze hakte sie hinter den Klodeckel und ließ ihn auf die Brille knallen. Mit zum Schneidersitz verschränkten Beinen aktivierte sie das Display ihres iPhones. Wie gebannt starrte Linda auf ihr Handy: Sie hatte eine Nachricht über New-Love bekommen!

Kapitel 4

Zurück im Präsidium, gingen Maria und Gerd direkt in ihr gemeinsames Büro, um sich ohne großen Zeitverlust auszutauschen. Das war ein Ritual, das sie seit Jahren pflegten – eine Art Brainstorming der Gefühle und Impressionen, bewusst jede Plausibilität und Logik ignorierend.

Unterwegs kamen sie an Nihats Schreibtisch vorbei. Er sah nur kurz auf und bedachte Maria mit einem harten, kühlen Blick aus seinen schmalen Augen. Sogleich vertiefte er sich wieder in seine Unterlagen.

Nihat war der Sohn einer japanischen Pianistin und eines erfolgreichen türkischen Geschäftsmanns, der mehrere Restaurants in der Innenstadt von Frankfurt am Main besaß. Seit über einem Jahr hatten sie eine leidenschaftliche Beziehung.

»Hast du Dr. Martin schon erreicht, Nihat?«

Der Befragte schüttelte den Kopf, ohne den Blick zu heben.

»Oder irgendetwas herausgefunden, ob sich in letzter Zeit ähnliche Fälle ereignet haben?«

»Nein, bisher noch nicht. Ich durchforste noch die Datenbanken.«

»Okay, mach weiter. Sobald du was gefunden hast, kommst du sofort zu mir. Und versuche, den Psychologen noch zu erreichen.«

»Ja, mach ich.«

Verunsichert starrte Maria auf seinen schwarzen Scheitel. Was war denn nun schon wieder los? Warum war er auf einmal so abweisend und einsilbig? Aber dafür war jetzt keine Zeit, entschied sie. Wortlos ging sie weiter und schloss die Tür ihres Büros hinter sich und ihrem Kollegen und Stellvertreter Gerd.

»Was denkst du?«, fragte sie und eröffnete damit die Prozedur ihres Rituals. Gespannt beobachtete sie Gerd, der ihr gegenüber an seinem Schreibtisch Platz genommen hatte.

»Also, auf jeden Fall sehr viel Symbolik. Der Kopf in der Vase, das Arrangieren des Körpers in dem Baum, die weit geöffneten Arme … Fast schon ein bisschen viel, finde ich.« Er kratzte sich am Kopf. Die kurz geschnittenen grauen Haare hatte er mit Wachs in eine modische Form gebracht. Die tiefen Falten, die sich von seinen Nasenflügeln bis runter zu den Mundwinkeln zogen, verliehen ihm einen sensiblen Ausdruck. Maria war davon überzeugt, dass er ohne diese markanten Falten, die bei den meisten anderen Männern für einen müden und alten Ausdruck im Gesicht gesorgt hätten, längst nicht so interessant wirken würde.

»An was erinnert dich das? Irgendeine Idee?«

»Tja«, er kniff die Lippen zusammen. »Also, die Enthauptung … eine politisch motivierte Tat? Aber mein Gefühl sagt nein, ich kann aber nicht sagen, wieso. Vielleicht, weil es sich um ein weibliches Opfer handelt. Und der Körper im Baum passt nicht dazu.«

»Das ist genau das, was mir auch zuerst in den Sinn gekommen ist. Trotzdem sollten wir YouTube durchsuchen, ob es womöglich ein Video darüber gibt. Falls ja, müssen wir mit einer politisch motivierten Tat rechnen. Das kann Hellwig Dreiblum übernehmen.«

Maria schrieb eine entsprechende Notiz für den Studenten der Polizeihochschule.

»O.K., warten wir’s ab«, fuhr sie fort. »Woran musstest du denken, als du den Körper der Frau im Baum gesehen hast? Dein erster Gedanke, Gerd.«

»An einen riesigen Vogel. An einen Vogel, der gerade fortfliegen will. So sah es aus.«

»Ja«, meinte Maria nachdenklich. »Ein nackter, großer Vogel ohne Kopf auf einem dicken Ast. Glaubst du, dass das von Bedeutung ist?«

»Was genau meinst du?« Neugierig sah Gerd seine Chefin an.

»Es sah irgendwie – wie soll ich sagen? – beinahe obszön aus, die nackten, gespreizten Schenkel auf diesem Ast. Verstehst du, was ich meine?«

»Ja, jetzt, wo du es sagst. Also eine sexuell motivierte Tat?«

»Möglich. Dr. Martin wird uns sicherlich mehr dazu sagen können.«

»Denkst du an eine Beziehungstat?«

Bevor Maria antworten konnte, klopfte es. Unwillig sah sie auf und erblickte Nihat in der Tür.

»Störe ich? Ich habe Dr. Martin erreicht. Er will morgen kommen, gegen zehn Uhr. Passt das?« Jetzt stand er mitten im Zimmer.

Gerd pfefferte seinen Stift auf seinen Schreibtisch. »Wir reden später weiter, Maria«, sagte er knapp und verließ das Büro.

Irritiert schaute ihm die Kommissarin hinterher. Waren denn heute alle verrückt geworden?

»Nihat, wir waren gerade mitten in einer Besprechung. Wenn es nur um den Termin geht, hättest du auch durchrufen können, um mir das zu sagen. Du weißt, dass das Austauschen von ersten Assoziationen für uns immens wichtig ist. Nichts verflüchtigt sich so schnell wie der erste Eindruck, den ein Tatort oder eine Leiche hinterlässt.«

»Ja, ich weiß, tut mir leid.«

»Setz dich, wenn du schon mal da bist.«

Nihat nahm auf Gerds Stuhl Platz.

»Was hast du?« Maria studierte das Gesicht ihres Liebhabers. Und was sie sah, gefiel ihr nicht. Seine verschlossene Miene und die zusammengekniffenen Lippen sprachen Bände.

»Nichts, wieso?«

»Nihat! Was ist mit dir?«

»Warum hast du Gerd mitgenommen und nicht mich?«

Aha, dachte sie, daher weht der Wind.

»Weil Gerd nun mal mein Stellvertreter ist und wir zusammenarbeiten. Schon sehr lange, wie du weißt.«

»Ihr wart ziemlich lange weg.«

»Nihat, sei nicht kindisch. Wir mussten noch ein ganzes Stück zu Fuß gehen. Nachdem wir den Fundort gesichtet und mit dem Einsatzleiter gesprochen haben, hat sich Gerd noch mit jemandem von der SPUSI unterhalten, einem alten Freund. Deswegen musste ich eben ein bisschen warten …«

Sie sah Nihat an. Noch immer stand ihm seine Eifersucht ins Gesicht geschrieben.

»Ich bin mir ziemlich sicher, dass dein Gerd was von dir will. Glaub mir, ich spüre das. Ich kann es an seinen Augen sehen, wenn er dich anschaut.«

»Ja, das ist doch klar. Ich bin eine schöne Frau, deren Ausstrahlung sich niemand auf Dauer entziehen kann.« Maria lachte, so hoffte sie, ungezwungen auf. »Vielleicht sollte ich mich verhüllen, was meinst du? Dann könntest nur du mich sehen.« Sie spielte auf seinen muslimischen Hintergrund an.

»Eine gute Idee!« Jetzt grinste auch Nihat und verzog dabei den Mund. Es war kein freundliches Lächeln.

Gott sei Dank, er insistierte nicht weiter und gab sich mit ihrer Erklärung für die lange Abwesenheit zufrieden. Doch Nihats sarkastische Äußerung verunsicherte Maria, und das nicht zum ersten Mal. Sie vermutete, dass er chauvinistische Ansichten wie diese wegen seiner Religion und Kultur insgeheim teilte, es aber nicht für opportun hielt, sie offen auszusprechen. Ein Körnchen Wahrheit steckte eben in jeder Ironie, dessen war sich Maria sicher. Ach verdammt, soll er glauben und denken, was er will. Sie würde sich davon nicht beeindrucken lassen. Außerdem wusste sie ja auch gar nicht genau, wie er wirklich darüber dachte. Diese Themen hatte Nihat in der Vergangenheit immer geschickt umschifft.

»Verschieben wir das auf heute Abend, ja?«, sagte sie nun.

Nihat erwiderte nichts, stand auf, kam um den Schreibtisch herum und beugte sich zu ihr herab. Zärtlich küsste er sie auf den Mund und verließ dann das Zimmer.

Überrascht von seiner plötzlichen Sanftmut, berührte Maria ihre Lippen mit den Fingerspitzen, als könnte sie den Kuss dort noch fühlen.

Zehn Minuten später kam Gerd wieder herein. Wortlos setzte er sich auf seinen Stuhl und sah Maria fragend an.

»Machen wir weiter?«, wollte er wissen.

»Ja, natürlich. Gibt es mittlerweile was Neues? Wissen wir, wer das Opfer ist?«

»Nein, bisher noch nicht. Also, du denkst, das hast du zumindest vorhin angedeutet, dass es eine sexuelle Komponente in diesem Mordfall gibt, weil der nackte Körper der Frau auf einem dicken Ast saß?«, hakte er nach.

»Ja, das war mein erster Eindruck. Der Ast als Symbol für den Penis. Aber vielleicht interpretiere ich auch nur etwas hinein, und es ist reiner Zufall. Schließlich musste die Frau ja irgendwie in dem Baum sitzen bleiben. Also musste der Täter sie auf einen Ast setzen, wenn er sie nicht aufhängen wollte.«

»Ich glaube nicht, dass es sich um eine zufällige Vorgehensweise handelt. Ich denke schon, dass der Mörder damit irgendetwas sagen wollte. Die ausgestreckten Arme könnten wirklich Flügel darstellen. Aber wieso wurde der Kopf abgetrennt und in eine Vase gelegt? Welcher Teil spielt in dieser Botschaft eine wichtigere Rolle? Der Kopf oder der Körper?«

»Beides ist gleich wichtig, denke ich«, meinte Maria und sah nachdenklich aus dem Fenster, von wo aus sie die Spitze der Frauenkirche erkennen konnte. Dann wandte sie ihr Gesicht wieder ihrem Kollegen zu. »Was befindet sich normalerweise in einer Vase? Blumen! Jetzt befindet sich ein Kopf darin. Aber in diesen Steinvasen um den Palaisteich habe ich noch nie Blumen gesehen. Sie werden nicht bepflanzt.«

Das Telefon klingelte. Die Durchsuchung im Großen Garten nach Kleidungsstücken oder sonstigen persönlichen Gegenständen der Ermordeten war ergebnislos beendet worden.

Kapitel 5

Sechzehn Tage vorher

Moritz:Hallo, Linda. Ich würde dich gerne näher kennenlernen.

Linda:Hi Moritz, das ist nett. Wie geht es dir?

Moritz:Gut, und dir?

Linda:Ich arbeite gerade. Jetzt hab ich Mittagspause.

Moritz:Ich auch :)

Linda::)

Moritz:Ich hab dein Foto gesehen und ich muss sagen, wirklich hübsch.

Linda:Danke. Was arbeitest du?

Moritz:Ich bin Ingenieur. Und du?

Linda:Sachbearbeiterin. Nicht wirklich interessant.

Moritz:Mein Job ist auch nicht gerade prickelnd. Man schlägt sich so durch :)

Linda:Genau.

Moritz:Tolle Haare hast du und ein süßes Lächeln.

Linda:Danke. Du siehst auch sehr interessant aus.

Moritz:Du wohnst in Dresden?

Linda:Ja, und du?

Moritz:Nicht direkt. Etwas außerhalb.

Linda:Okay.

Moritz:Ich arbeite aber in Dresden.

Linda:Bist du neu auf New-Love?

Moritz:Ja. Seit ungefähr einem Monat. Bin geschieden, fühl mich ein bisschen einsam.

Linda:Oh, da hast du ja ne schlimme Zeit hinter dir.

Moritz:Kann man so sagen. Ziemlich mies.

Linda:Bist du sehr traurig, ich meine, wegen deiner Scheidung?

Moritz:Das Schlimmste ist überstanden. War hart.

Linda:Kann ich mir vorstellen.

Moritz:Aber langsam fällt mir die Decke auf den Kopf.

Linda:Du musst dich ablenken. Das hilft.

Moritz:Bin gerade dabei :)

Linda:Was machst du so in deiner Freizeit?

Moritz:Momentan nicht so viel. Kino manchmal.

Linda:Was war denn der letzte Film, den du dir angesehen hast?

Moritz:Weiß nicht mehr genau. Irgendeine Komödie.

Linda Hansmann schaute auf die Uhr in ihrem Handy. Die fünf Minuten waren vorbei. Jetzt musste sie Schluss machen, wenn sie nicht gleich die erste Regel brechen wollte.

Linda:Ich muss wieder.

Moritz:Ja, okay, vielleicht später noch mal?

Linda:Heute nicht mehr. Hab noch was vor nach Dienstschluss.

Moritz:Kein Problem. Dann vielleicht morgen oder übermorgen, wenn du magst.

Linda:Okay, hab noch einen schönen Tag.

Moritz:Du auch. Tschüss :)

Linda:Tschüss.

Linda sah sich noch einmal das Bild von Moritz an. Na ja, eigentlich nicht so ganz ihr Typ. Sah irgendwie durchschnittlich aus, aber zumindest sympathisch. Und er hatte ein sehr freundliches, offenes Lächeln. Aber so viel konnte man ohnehin nicht auf diese Fotos geben.

In der Regel bearbeiteten Männer ihre Fotos zwar nicht so stark wie die meisten Frauen, die ihre Augen vergrößerten, das Gesicht schmaler machten und einen starken Weichzeichnungsfaktor wählten. Aber auch bei der männlichen Klientel, das hatte die Erfahrung Linda gelehrt, täuschte ein Foto mit der richtigen Beleuchtung und aus einer schmeichelhaften Perspektive heraus über so manchen Makel hinweg. Oftmals hatte sie die Männer auf Anhieb gar nicht erkannt, wenn es zu einem Treffen gekommen war.

Aber für heute war sie zufrieden. Sie hatte sich an ihre neue Regel gehalten. Sehr gut, lobte sie sich selbst. Mal sehen, wie sich der neue Kontakt entwickelte.

Sie wollte gerade die Toilettenkabine verlassen, als sie erneut das Ping hörte, das eine neue Nachricht signalisierte.

Nanu, doch nicht etwa dieser Moritz schon wieder?

Sie holte das Smartphone hervor. Nein, ein anderer Nutzer. Neugierig betrachtete sie sein Foto. Der sah richtig gut aus. Dunkle, kurzgeschnittene Haare, blaue Augen und ein strahlendes Lächeln. Linda sah schnell auf die Uhr. Es blieb noch ein bisschen Zeit, bis sie in die Kantine wollte. Außer einem trockenen Hörnchen heute Morgen hatte sie nichts mehr zu sich genommen und ihr Magen knurrte bereits lautstark.

Markus:Hallo, schöne Frau.

Na ja, nicht besonders originell, fand sie, aber dieser Markus sieht einfach zu gut aus.

Linda:Hallo, schöner Mann.

Markus:Danke, Linda, dass du gleich antwortest. Ich musste dir einfach schreiben. Du siehst klasse aus.

Linda:Danke, du siehst aber auch nicht gerade schlecht aus :)

Markus:Ja, okay, aber das Äußere ist doch nicht alles. Hast du Zeit, um ein bisschen zu chatten?

Linda:Vielleicht später. Muss wieder an die Arbeit.

Markus:Wann wäre es dir denn recht?

Linda:Heute Abend?

Mist, dachte sie, das war zu schnell. Hastig fügte sie hinzu:

Linda:Aber nur zehn Minuten, so gegen neunzehn Uhr. Hab später noch was vor.

Markus:Das kann ich mir denken. Eine attraktive Frau hat immer was vor. Also bis heute Abend um sieben.

Linda:Gut, bis dann.

Puh, das war ja noch mal gut gegangen. So hatte sie gerade noch die Kurve gekriegt, auch wenn sie sehr gern mit ihm weitergechattet hätte. Optisch ein Wahnsinnstyp.

Sie zog die Schultern hoch und atmete vernehmlich aus. Jetzt fing das schon wieder an. Ihr Körper reagierte sofort. In ihrem Bauch flatterte es bereits, und sie wünschte sich sehnlichst, dass es schon sieben Uhr wäre.

Zu Hause würde sie es sich erst mal mit einem Glas Wein auf dem Sofa gemütlich machen, eine Zigarette rauchen und ganz entspannt darauf warten, dass Markus sich meldete. Sogleich fiel ihr der beidseitig beschriebene Zettel ein, den sie sich als deutliche Mahnung auf den Wohnzimmertisch gelegt hatte. Die wichtigsten Punkte waren zweimal dick mit Rotstift unterstrichen. Nein, nein, sie würde sich daran halten. Diesmal wollte und musste sie schlauer sein.

Nachdem sie in der Kantine noch schnell etwas gegessen hatte, ging sie an ihren Arbeitsplatz zurück, wo Marion Kärcher bereits wie eine fette Henne auf sie wartete und hoffte, dass sie ihr die Neuigkeiten brühwarm übermitteln würde.

Da kannst du aber lange warten, dachte Linda grimmig. Sollte sie sich doch zu Tode langweiligen und an ihrer eigenen Neugier ersticken.

Wenn es doch bloß schon fünf Uhr wäre. Die Zeit wollte heute aber auch gar nicht vergehen. Voller Vorfreude dachte sie an den Chat, der heute Abend noch auf sie wartete. Nach weiteren schier endlosen vier Stunden stand sie endlich auf und verabschiedete sich von ihrer Kollegin, die sie mürrisch durch ihre Brillengläser beäugte und nur lapidar wissen ließ, dass sie auch bald Schluss machen würde.

Mir doch egal, dachte Linda, kannst hier auch übernachten und Pluspunkte bei deiner Chefin sammeln – oder noch besser, tot vom Stuhl fallen und dich als hässlicher Fettfleck auf dem Boden verteilen.

Aber schon war sie mit ihren Gedanken woanders und dachte daran, dass sie noch einkaufen musste. Im Kühlschrank herrschte absolute Leere und Wein war auch keiner mehr da.

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22 декабря 2023
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9783948916008
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