Читайте только на ЛитРес

Книгу нельзя скачать файлом, но можно читать в нашем приложении или онлайн на сайте.

Читать книгу: «Die Welt in hundert Jahren», страница 15

Various
Шрифт:

Er hat nämlich buchstäblich gesagt, „die Schwierigkeit sei nicht die, radioaktive Körper zu finden, sondern Körper, die nicht radioaktiv sind.“ Alles nämlich, was lebt und scheinbar unbelebt ist – denn auch am Steine wurde ja jetzt das „Leben“ schon nachgewiesen – ist radioaktiv. Es muß es sein, denn das Radium ist ja die Lebenskraft selber. Es ist die Quintessenz aller Kraft, die alles, was ist, aufbaut und alles zerstört, um in der Vernichtung neues zu schaffen. Sie ist die Schöpferkraft, die wir nun endlich in Händen halten, und mit der der Prometheustraum der Menschheit erfüllt ist.

Tatsächlich ist nicht nur die ganze Erde von Radium und seinen Emanationen erfüllt, sondern wahrscheinlich auch das ganze All. Die Erde aber gewiß, und zwar dürfte der Kern der Erde aus reinem Radium bestehen, wenn wir von der merkbar zunehmenden Radiummenge in größeren Tiefen des Erdinnern progressiv schließen dürfen. Beim Durchstich des Simplontunnels sowohl wie bei dem des Gotthardtunnels wurden die entsprechenden Messungen vorgenommen und gefunden, daß in letzterem bei einer Tiefe von 2500 Fuß die Radioaktivität der geförderten Felsmassen 3 3/10 Billionstel Gramm auf ein Gramm Gestein betrug, während beim Simplontunnel, der 17 Kilometer lang ist und 5600 Fuß unter der Erdoberfläche liegt, der Radiumgehalt auf 1 1/10 Billionstel Teil stieg. Ein ähnliches Verhältnis fand man auch bei den artesischen Brunnen, die man 1000 bis 1500 Fuß tief gegraben hat. Je tiefer man nun in die Erde eindringt, desto höher steigt bekanntlich die Temperatur, und zwar nimmt sie ungefähr bei je 100 Fuß um 1 Grad Celsius zu. Bei einer Tiefe von 40 Kilometern würde man also schon das Quecksilber im Thermometer zum Sieden bringen und Eisen würde in einen flüssigen Glutstrom geschmolzen sein. Diese Wärme nun ist auch weiter nichts als eine Folge der Ausstrahlungen des Radiums im innersten Innern der Erde. Die unglaubliche Schnelligkeit, mit welcher die Radiumteilchen von diesem fortgeschleudert werden, und die furchtbare Reibung, die dadurch entsteht, entwickelt die Wärme, die in ihrer Intensität alles übertrifft, was wir uns an Glut und Hitze vorzustellen vermögen. Und wenn das Radium diese Feuerglut zu schaffen vermag, dann muß es aber auch in Quantitäten da sein, die wir, weil wir auf der Oberfläche der Erde nur leben, uns nicht einmal träumen lassen. Es braucht uns also, die wir dieses größte aller Lebenselemente erst seit kurzer Zeit kennen, um die Quantitäten desselben nicht bange zu sein.

Bleibt die Frage der Herstellung, die begreiflicherweise die Frage des Kostenpunkts ist.

Nun denn, auch diese kann in befriedigendster Weise beantwortet werden. Man kann nämlich aus der Pechblende – aus der wir vorläufig beinahe ausschließlich das Radium uns herstellen – verschiedene Formen der Radiumsubstanz gewinnen. Und während nun das Radium, das Professor Curie und seine Frau als erste gewannen, etwa 400000 Mark pro Gramm kostet, kostet das Tho-rad-x, mit welchem Dr. Bailey, Dr. Roux und Koernicke vorzugsweise experimentieren, in derselben Quantität nur 6000 Mark. Aber auch das ist noch teuer, so wesentlich die Verbilligung auch schon ist. Aber wir werden bei ihr auch nicht stehen bleiben, und die Zeit wird kommen, und sie ist gar nicht so fern, wo die Radiumgewinnung im Großen wird betrieben werden können. Der menschliche Geist weiß ja alle Hindernisse zu überbrücken, und es wird ihm zweifellos auch gelingen, bis zu den großen Radiumlagern der Erde zu gelangen, so unmöglich das auf den ersten Blick auch noch scheint. In jedem Falle sind auch jetzt schon Radiumformen entdeckt, die selbst den Preis der Tho-rad-x weit hinter sich lassen und dieselbe außerordentliche Wirkung auf den menschlichen Organismus haben, die ich eben besprochen habe. Die Versuche sind natürlich zu jung, um als abgeschlossen zu gelten, trotzdem aber kann man sagen, daß auch jetzt schon durch ein Radiummittel, das allen zugänglich ist, das Alter verjüngt und alle Alterserscheinungen erfolgreich bekämpft werden können. Gicht und Zipperlein werden nicht nur in der Zukunft, sondern auch jetzt schon unbekannt sein; die Arteriosklerose wird verhindert werden, sich an den Wandungen unserer Blutgefäße festzusetzen und ihre Knochenherde zu bilden; die Möglichkeit der Schlaganfälle wird wesentlich verringert, wenn nicht ganz aufgehoben sein, und der Mensch wird sich, so alt und so hinfällig er auch sein mag, wieder gekräftigt fühlen, und seine Lebenskräfte werden aufs neue geweckt werden. Bei der heranwachsenden Generation aber wird die Radiumkombination schon anfangen, ihre altervertreibende Wirkung zu beginnen, ehe die ersten Alterserscheinungen sich zeigen, und ein ewig junges, ewig kraftvolles Geschlecht, dessen Lebensdauer sich ins Fabelhafte wird gesteigert haben, wird das Geschlecht der Zukunft sein.

Ich wies schon darauf hin, daß unsere Heilquellen ihre Heilwirkung zum allergrößten Teile den Radiumemanationen verdanken, nicht dem wirklichen Radiumgehalte, der bei fast keiner vorhanden ist. Darin aber liegt der Umstand, daß all diese Quellen beim Versand leiden und ihre Wirkung verlieren. Während Radium geradezu ewig ist, schwindet der Einfluß der Emanationen sofort, da ja die Atome in fortwährender ungeheurer Bewegung fortgeschleudert werden. Jeder weiß, wie wundervoll die Sprudel wirken, und wie gering die Wirkung der gewonnenen Sprudelsalze ist. Man wird also und hat zu Mitteln gegriffen, in denen Radium selber enthalten ist. Das Radium, das im Körper selber seine an das Fabelhafte grenzende Emanationskraft entwickelt. Das „Bombardement der Atome“, von dem ich eingangs gesprochen, geht dann im menschlichen Leibe vor sich und übt seine zerstörende Wirkung auf alle krank gewordenen Körperatome, während es auf die gesunden Gewebe seine entgegengesetzte, fördernde, waschstumunterstützende Wirkung übt. Darauf basiert der große Erfolg. Ein sich Ablagern und Festsetzen krankhafter Ausscheidung ist dadurch unmöglich und jeder Krankheitsprozeß wird schon im Keime erstickt. Das Jahrhundert der Gesundheit bricht an, das Jahrhundert der großen geistigen, körperlichen und seelischen Gesundung der Menschheit, und wir fühlen schon den Flügelschlag dieser großen, wunderbaren Zeit, einer Zeit, in welcher die Menschheit emporgehoben wird zu den Höhen der Vollendung, und die letzte Brücke abgebrochen wird, die uns jetzt noch mit den niederen Geschöpfen der Welt, der Erde verbindet.

Professor C. Lustig.
Die Medizin in 100 Jahren

Die Hauptaufgaben der Medizin sollten nicht im Heilen der Krankheiten bestehen, sondern im Verhüten. Dieser Aufgabe kann die Medizin heute nur in sehr geringem Grade gerecht werden. Denn so stolz wir auch auf neuere Erfolge auf hygienischem Gebiete sein mögen, so ist das bisher Erreichte doch nur der Anfang vom Anfang. Die Medizin ist eben ohnmächtig, solange nicht auch andere Faktoren mitwirken, die auf sozialem und gesetzgeberischem Gebiete liegen. Bei einem Kranken kann von einem Verhüten der Krankheit keine Rede mehr sein, sondern nur von einem Bekämpfen. Wir sind aber mehr oder minder alle krank, und von einem gesunden Geschlecht kann selbst beim besten Willen wohl von niemandem gesprochen werden.

Solange die Natur nun von ihrem grausamen Gesetze nicht abläßt, wonach sie die Sünden der Väter heimsucht bis in das vierte und fünfte Glied, so ist ein gesundes Geschlecht ganz undenkbar. Solange es Not und Elend und Entbehrung gibt, auch. Solange Arbeit und Erholung sich nicht die Wage halten, ebenfalls.

Hierdurch allein ist schon die Richtschnur für die Zukunft gegeben.

Daß wir die Gesetze der Natur nicht ändern können, ist klar. Wir müssen daher dort, wo diese Gesetze schädigend wirken, die Natur hindern, sie uns gegenüber in Anwendung zu bringen.

Gift bleibt, solange es Gift ist, immer giftig. Wer es in den entsprechenden Dosen nimmt, vergiftet sich. Daran läßt sich nichts ändern, aber – man braucht das Gift nicht zu nehmen, und vergiftet sich dann eben nicht.

Das ist doch klar.

Das ist eine Weisheit, die jeder kennt. Aber wir wenden sie nicht an. Wir kennen das Gift ganz genau; wir kennen seine schädigende Wirkung auf uns und unser Geschlecht, aber wir denken nicht daran, uns darum zu kümmern. Wir vermischen damit doch unser Blut, wir impfen es unseren Kindern und Kindeskindern nach wie vor ein, und die, denen – wenn uns die Vernunft dazu fehlt – nicht nur das Recht zustehen würde, uns daran zu verhindern, sondern geradezu die Pflicht erwächst, es zu tun, kümmern sich auch nicht darum und verbieten das Weitervergiften der Menschheit nicht nur nicht, sondern unterstützen es noch.

Gesunde Kinder können bekanntlich nur von gesunden Eltern kommen. Der Staat will gesunde Kinder. Er braucht sie. Aber er sorgt nicht dafür, daß die Eltern gesund sind und gesund sein können.

Bei den Eheschließungen werden Braut und Bräutigam nach allem Möglichen gefragt, nur nach dem Nötigsten nicht: ob sie gesund sind. Ob nicht der Keim einer sich vererbenden Krankheit in ihnen steckt. Sie werden daraufhin nicht untersucht. Ja, sie dürfen heiraten, selbst wenn der eine oder beide schon an vorgeschrittener Schwindsucht leiden; sie dürfen heiraten, wenn dem einen auch das Stigma der Lues auf der Stirne eingebrannt steht. Sie dürfen heiraten, wenn der eine auch in epileptischen Krämpfen zusammenstürzt und sich unter ihnen windet und krümmt. Sie dürfen alle heiraten und Kinder in die Welt setzen und dürfen ihnen ihre Krankheiten mit auf den Lebensweg geben.

Für die Aerzte ist das ganz gut. Für die Menschheit nicht. Aber schließlich ist doch die Menschheit nicht für die Aerzte da, sondern umgekehrt. Und allmählich wird es ja doch dazu kommen, daß – wie in einigen Staaten der amerikanischen Union – schon jetzt überall von all denen, die einen Ehebund eingehen wollen, diese Hauptbedingung, die Gesundheit, gefordert wird.

Natürlich wird auch dafür gesorgt werden müssen, daß, wenn ein neues gesundes Geschlecht auf die Welt kommt, dieses auch die Möglichkeit hat, gesund zu bleiben. Vor allem wird die Mutter in die Lage versetzt werden müssen, ihr Kind zu nähren. In die materielle Lage. Ist das der Fall, dann wird der Tod nicht mehr drohend an jeder Wiege stehen, so wie jetzt, wo die Kindersterblichkeit Ziffern aufweist, die ein flammendes Dokument für den Tiefstand unserer Menschlichkeit sind.

Wird dann noch dafür gesorgt sein – und es wird zweifellos – daß jeder, der lebt, auch sein Recht auf das Leben wird geltend machen können, dann werden die Vorbedingungen erfüllt sein, auf denen die Medizin der Zukunft wird fußen können. Dann wird durch sie die Gesundheit in Permanenz erklärt werden, und keine Krankheit wird mehr den Nährboden finden können, auf dem sie gedeiht.

Die Mittel dazu wären jetzt schon vorhanden, nur die Prämissen fehlen. Die Prämisse eines gesunden Geschlechts.

Die Möglichkeit aber, den Körper in seinen feinsten Gewebeteilen – nicht etwa durch Impfung, die selbstverständlich in der Zukunft verworfen wird – gegen alle möglichen Krankheitskeime immun zu machen, besteht schon jetzt.

Die Möglichkeit, dem Körper die Lebensenergie zuzuführen, die jeden Altersprozeß hemmt, haben wir durch die Radium enthaltenden Mittel jetzt auch.

Damit aber sind Perspektiven für die Zukunft geschaffen, die an das Wunderbare grenzen und den Traum von dem Hinausschieben der Lebensgrenze bis weit über das biblische Alter in Erfüllung bringen werden.

Die geänderten Lebensverhältnisse werden natürlich wesentlich dazu beitragen, das zu unterstützen. Das „fliegende Geschlecht“ wird sich die Luft auch in hygienischer Hinsicht zunutze machen. Es wird tagtäglich die Höhen aufsuchen, die wir heute nur in unseren Höhenkurorten oder auf sportlichen Touren aufzusuchen gewohnt sind. Es wird seine Lungen weiten und die köstliche Luft einatmen, die nebstbei von keinem Millionen von Schloten entqualmenden Rauch mehr verpestet sein wird, so daß auch in den Städten die Luft schon eine andere sein wird, als heute. Statt des Rauches aber wird ihr zweifellos auf künstlichem Wege noch Ozon zugeführt werden, und die Radiumbeleuchtung, die die ganze Erde mit einem Dunstkreis matten, wohltuenden Lichts umhüllen wird, wird durch die konstant ausstrahlenden Emanationen auch belebend, kräftigend, verjüngend wirken. Die Medizin in unserem Sinne wird also als solche aufhören müssen zu sein; man wird sie nicht mehr brauchen.

Anders stellt es sich, wenn wir, wie dies noch vielfach geschieht, die völlig selbständige Disziplin der Chirurgie mit dazu rechnen. Diese wird bleiben müssen. Unfälle wird es immer noch geben. Armbrüche, Beinbrüche, Schädelbrüche, Genickbrüche, Verstauchungen, Verwundungen, Darmverschlingungen, Schwergeburten und wie die Fälle alle heißen, die einen chirurgischen Eingriff erfordern, und die Chirurgie, die in unserer Zeit auch an Wunder grenzende Fortschritte gemacht hat, wird vor keiner Unglaublichkeit mehr zurückschrecken. Sowie wir heute schon Herzwunden vernähen können, sowie wir aus unseren Schlagadern Stücke ausschneiden und neue einsetzen können, sowie wir gewisse Organe heute schon aus unserem Körper entfernen und durch fremde ersetzen können, sowie wir sogar gewisse Hirnteile entfernen können, ohne Schaden zu verursachen oder gar den Tod herbeizuführen, sowie wir heute schon fremde Knochenstücke mit neuen „vernieten“ und sie zu unseren machen können, sowie wir unserem Magen eine neue Magenhaut einnähen können, so wird man später nahezu alle Organe und alle Gliedmaßen umtauschen und durch andere zu ersetzen vermögen. Und dabei wird die kraftvolle Natur des neuen „gesunden“ Geschlechts dazu beitragen, alle Operationen in verblüffend kurzer Zeit zur Heilung zu bringen, so daß die köstliche Figur des Bluntschen Kapitän Duddle, „der kein größeres Vergnügen kennt, als sich ein Bein abnehmen zu lassen“, beinahe aufhören könnte, bloße Fiktion zu sein, und ein Doyen und ein Bailey recht bekommen dürften, die erklärten, „die Chirurgie wird künftighin nicht nur eine grandiose Wissenschaft sein, sondern auch ein Sport“.

Cesare del Lotto.
Die Kunst in 100 Jahren

Prophezeiungen haben nur dann Sinn und Zweck, wenn sie Schlußfolgerungen aus schon Vorhandenem und dessen bisherigem Entwicklungsgange sind. Nun ist aber nichts schwerer, als aus dem Entwicklungsgange unserer bildenden Künste irgend welche Schlüsse ziehen zu wollen, von denen man annehmen könnte, daß sie dem tatsächlich zu Erwartenden in Wirklichkeit auch nur annähernd entsprächen, denn nichts ist unberechenbarer als gerade die Kunst. Sie hat ihre Launen, und ihre ganze Wirkung beruht nur auf diesen. Bernhard Shaw, der große Spötter mit dem tiefen Wissen hat darum nicht Unrecht, wenn er die Kunst mit einem Weibe vergleicht, das stets neue Toiletten macht, in deren jeder sie anders aussieht, während sie selbst doch stets ein und dieselbe bleibt. Diese Toiletten sind oft schlicht und einfach, oft schreiend und bizarr, oft vornehm, oft wieder gemein, oft nonnenhaft puritanisch, oft dirnenhaft frech, und die Uebergänge von einer zur andern sind häufig ganz unmittelbar von einem Extrem ins andere gehend, während sie andererseits ineinanderfließen, um unvermerkt eine Kunstrichtung und Kunstoffenbarung zu schaffen. Es ist wie das Meer. Jeder Hauch setzt es in Bewegung und schafft neue, wechselnde Bilder. Bald liegt es glatt da wie ein Spiegel, bald ist es leicht nur gekräuselt, bald tief aufgewühlt, und die Wellen türmen sich hoch empor zu gigantischer Höhe, um sich dann wieder zu glätten und jeder Spur gewaltiger Größe zu entraten. In der Kunst nennen wir das Epochen, und wir suchen sie – freilich vergebens – mit den Zeitepochen in Einklang zu bringen, und zwar deshalb vergebens, weil die Kunst als solche mit ihrer Zeit nichts zu tun hat, ganz ebenso wie der Traum nichts mit der Wirklichkeit, wenn auch diese ihre Fäden mit in jenen hineinverwebt. Wir können also einen Zusammenhang zwischen Zeit und Kunst nur konstruieren, wenn wir den Einfluß betrachten, den die Kunst auf die Zeit, auf die Menschen und das Leben geübt hat. Auch da können wir Strömungen, Rückströmungen und sogar ein Stagnieren der Kunst beobachten, Wechselströmungen, die in einem größeren oder geringeren Kunstbedürfnisse der Menschheit zum Ausdrucke kommen. Gerade jetzt wieder hat eine Art Kunstdurst die Menschheit erfaßt, und ein gewisser Schönheitsdrang ist uns bewußt oder unbewußt überkommen, was wir aber vorläufig haben, ist nur das unsichere Tasten nach einem neuen Schönheits-, einem neuen Kunstideal, auf dessen Offenbarung wir mit Macht hindrängen, und zu welchem wir auf verschiedenen Wegen zu gelangen trachten, ohne daß wir eigentlich wissen, welches das Ziel ist, das wir zu erreichen streben. Es ist ja sehr leicht möglich, daß die kommende Kunst etwas ganz anderes, ganz neues sein wird, als was sie jetzt ist. „Die Kunst ist nie das, was sie ist, sondern das, als was sie gesehen wird“, sagt schon Ruskin. Die Art zu sehen ist aber nicht nur eine individuelle, sondern sie ändert sich von Tag zu Tag auch physiologisch. Unser Auge hat die Fähigkeit gewonnen, die Lichtstrahlen in weit mehr Farben und Farbennuancen zu zerlegen als früher. Dadurch sehen wir die Welt anders; die Natur ist für uns eine andere geworden, also auch die Kunst, denn die Kunst ist das Vorahnen der Natur, und wir, die wir vorläufig nur mit den Strahlen des Lichtes sehen, und die nur Augen haben, die scheinbar nur für diese empfänglich sind, werden vielleicht später einmal auch mit jenen Strahlen direkt zu sehen lernen, mit denen wir jetzt schon hören, sprechen und mit Zuhilfenahme von Apparaten auch wirklich schon sehen können. Die Wahrscheinlichkeit spricht in jedem Falle dafür, und namentlich eines nimmt merkwürdig überhand, das Sehen jener magnetischen Strahlen, die dem menschlichen und tierischen Körper entströmen. Diese Strahlen wird auch die Kunst sehen müssen, die sie heute noch verleugnet, um nicht noch mehr Mißtrauen zu begegnen, als sie heute schon in ihren verschiedenen Richtungen zu überwinden hat. Und wenn Mosso behauptet, unser Auge würde sich allmählich auch zum Röntgenapparate entwickeln, so wird die Kunst auch auf dieses alles durchdringende Sehen Rücksicht nehmen und ihre Kunstwerke demgemäß ausgestalten oder diese Art zu sehen geflissentlich ausschalten müssen. Der mystische Zug, der aber jetzt schon durch einen Teil unserer Kunst geht, deutet darauf hin, daß das heute noch Mystische, das in der Zukunft möglicherweise zum Alltäglichen geworden sein wird, der nächsten Zukunftskunst seine Signatur aufdrücken wird. „Sobald wir alles Irdische kennen werden, wird uns das Streben nach dem Ueberirdischen erfassen.“ Dieser Zeit, die der Dichter da vorausahnt, sind wir näher, als wir glauben. Der Erde entrückt werden wir ja in gewissem Sinne schon jetzt durch das Fliegen. Und während wir den Einfluß der Postkutsche, des Zweirads, der Eisenbahn und des Automobils auf die Kunst gewiß niemals bemerkten – von einigen Bildern, die keine Kunst machen, natürlich abgesehen – wird das Fliegen zweifellos eine Umwälzung hervorbringen. Wir werden die Dinge von einer anderen Perspektive aus sehen, als wir sie jetzt sehen, und das wird in den Werken der Kunst auch zum Ausdruck kommen. Wir werden in den Höhen, in denen unser Flug sich bewegen wird, unsere Eindrücke in ganz anderen Luftschichten, unter ganz anderen Brechungsverhältnissen des Lichtes empfangen, und werden diese Eindrücke auf unseren Bildern festhalten müssen, und es werden sich ebenso große Unterschiede daraus ergeben, wie sie Atelierbild und Freilichtbild heute schon aufweisen, und die so groß sind, daß sie als ganz besondere Richtungen aufgefaßt werden. Wir werden aber infolge der veränderten Lichtbrechungseffekte auch andere Farbentöne entdecken, und diese werden eine besondere Wesenheit der künftigen Werke unserer Malerei sein. Noch bedeutender aber dürfte die Umwälzung auf dem Gebiete der Plastik werden, und namentlich die Reliefkunst dürfte zu ungeahnter Bedeutung gelangen. Heutzutage wird ein Kunststück so geschaffen und so aufgestellt, daß es für den Beschauer auf die bequemste Weise zur besten Geltung kommt und dadurch auf ihn die vom Künstler beabsichtigte Wirkung ausübt. Alle Größenverhältnisse, jede Proportion, jede Gestalt, jede Verkürzung sind aus dieser Absicht hervorgegangen. Eine Figur, die ich auf einen hohen Sockel stelle, muß anders gedacht, anders empfunden und anders ausgeführt sein als eine, die ich aus demselben Niveau mit mir betrachte. Unsere Monumente nun sind alle derart berechnet, daß sie auf den Fußgänger ihre Wirkung üben. Die Wucht unserer Denkmäler wirkt also nach unten, und wie sehr das der Fall ist, sehen wir am besten daran, wenn wir an solch einem Denkmal auf dem Verdecke eines Omnibusses vorüberfahren, oder wenn wir es ganz von oben betrachten. Es verliert dann vollständig seine Wirkung. Es hört auf, Kunstwerk zu sein. Wird der Verkehr nun – und er wird es – künftighin weniger durch die Straßen als durch die Lüfte gehen, wird sich also ein oberirdischer Verkehr entwickeln, um nicht ein „überirdischer“ zu sagen, dann werden die Monumente der Zukunft, wenn sie ihren Zweck erfüllen sollen, darauf bedacht nehmen müssen. Sie werden also derartig geschaffen sein, daß sie ihre volle künstlerische Wirkung sowohl von unten aus – denn gehen wird man ja trotzdem noch immer – als auch von oben aus üben. Es werden also Momente sein, die nicht mehr eine Figur auf den Sockel stellen, sondern große architektonische Aufbaue mit Reliefgestalten, deren vortretende Linien von oben herab die Harmonie des Kunstwerkes nicht stören, welches auch oben nur aus einem großen machtvollen Relief wird bestehen können. Und da die Entfernungen, von denen aus die Ueberfliegenden das Monument sehen werden, weit größere sein werden als die sind, die gegenwärtig den Abstand zwischen Kunstwerk und Beschauer bilden, so werden auch die Monumente dementsprechende gewaltige Dimensionen annehmen müssen; Dimensionen, die zum mindesten der Basis der ägyptischen Pyramiden entsprechen müßten, wenn sich die Werke der monumentalen Plastik künftig noch Geltung verschaffen wollen. In bezug auf diese Kunst ist also das Vorhersagen leicht, weil mit dieser Kunst ein ganz bestimmter Zweck verbunden ist; ein Zweck, den die Malerei nicht hat und nicht haben kann, denn Museen mit horizontal gelegten, von oben herab zu betrachtenden Bildern wird es niemals geben, es sei denn, tolle übersprudelnde Künstlerlaune schaffe sie als Karikatur einer anderen, kommenden Zeit. Wohl aber wird die Malerei in einer ihrer jetzt noch dem Handwerk nahenden Zweige auf diese Art des Malens ernsthafter bedacht sein müssen. Ich meine die Plakatmalerei. Hier würden dem schaffenden Geist der Künstler nach oben gehende Wirkungen erstehen müssen, und so eröffnet sich ihnen dann für die Zukunft ein neues großes Feld, und im Geiste sehe ich schon die Dünen der holländischen Küste, die Gletscherfirne der Alpen, die endlosen Sandstrecken der afrikanischen und asiatischen Wüsten, die riesigen Steppen Amerikas, die Dschungelfelder von Indien und die Eisfelder der Polargegenden mit bunten, gen Himmel schreienden Plakaten bedeckt, und ich freue mich, daß ich jene Zeit nicht mehr erlebe.

Возрастное ограничение:
12+
Дата выхода на Литрес:
01 ноября 2017
Объем:
280 стр. 1 иллюстрация
Правообладатель:
Public Domain

С этой книгой читают